Verdunkelung (Luftschutz)
Die Verdunkelung ist eine Maßnahme des Luftschutzes bei Nacht, bei der die Sichtbarkeit künstlichen Lichts in einem bestimmten Gebiet eingeschränkt oder unterbunden wird. Sie soll verhindern, dass sich die Besatzungen feindlicher Luftfahrzeuge an der Beleuchtung markanter Straßenzüge oder Gebäude orientieren können. Dadurch soll ihnen bei Luftangriffen das Auffinden der Ziele erschwert werden. Die Verdunkelung wurde im Ersten Weltkrieg eingeführt und war auch im Bombenkrieg des Zweiten Weltkriegs weit verbreitet, hat durch den technischen Fortschritt jedoch seitdem stark an Wirksamkeit eingebüßt.
Die Verdunkelung kann in der Bundesrepublik Deutschland im Verteidigungsfall von den Gemeinden gemäß § 5 Abs. 4 ZSKG angeordnet werden.[1]
Geschichte
BearbeitenErster Weltkrieg
BearbeitenDie ersten Bombenangriffe aus der Luft fanden im Ersten Weltkrieg statt. Zu Beginn der Fliegerei wurde der Sichtflug praktiziert, und auch der Bombenabwurf wurde nach Sicht durchgeführt. Im Januar 1915 ordnete deshalb der Militärgouverneur in Le Havre an, dass „die Innenbeleuchtung der Privathäuser […] während der Nachtstunden von außen nicht sichtbar sein darf, daß die Beleuchtung der öffentlichen Gebäude, Werkstätten und Geschäftslokale auf das Mindestmaß beschränkt und die Schaufenster verhängt werden müssen“.[2]
Zuvor war bereits Ende 1914 aus Furcht vor Angriffen deutscher Luftschiffe in England die Verdunkelung hauptstädtischer Straßen üblich.[3] Außerdem mussten Straßenbahnwagen mit heruntergezogenen Jalousien fahren, und Straßenlaternen wurden abgeschaltet bzw. an der Oberseite verdunkelt, z. B. durch Auftragen von Ruß.[4] In London führten diese Maßnahmen zu einer derartigen Zunahme von Verkehrsunfällen, dass hierdurch vermutlich mehr Menschen ums Leben kamen als durch die Luftangriffe selbst.[4] Der Londoner Polizeiarzt berichtete jedenfalls von einer deutlichen Zunahme der Verkehrstoten in den Monaten September und Oktober 1914 (163 im Vergleich zu 101 im Vorjahr).[5] Aus Angst vor deutschen Zeppelinen war sogar während der – sonst als Lichtfest gefeierten – Weihnachtsfeiertage 1914 in London Verdunkelung angeordnet.[6]
Im Ersten Weltkrieg wurden im Rahmen der Verdunkelungsmaßnahmen abblendbare Taschenlampen entwickelt, die sogenannte Tarnkapp-Lampe bzw. Tarnschild-Lampe.[7][8]
Die Alliierten versuchten, die deutsche Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet aus der Luft zu treffen. Darum wurden im Frühjahr 1917 erste Richtlinien zur flächendeckenden Verdunkelung erlassen.[9] Auch Eisenbahnen wurden Ziele von Luftangriffen und Anfang 1918 die Verdunkelung von Personenzügen angeordnet.[10]
Zweiter Weltkrieg
BearbeitenIn der Schweiz wurden im Herbst 1938 erste Verdunkelungsübungen durchgeführt und Luftschutz-Merkblätter verteilt.[11] Fliegen im Zweiten Weltkrieg war weiterhin durch das Fliegen auf Sicht geprägt. So wurde per Verordnung vom 23. Mai 1939 und 22. Oktober 1940 die Verdunkelung im Deutschen Reich geregelt.
Um Gebäude weiterhin beleuchten zu können, gab es Luftschutzlampen, für deren Einsatz Vorschriften zu beachten waren. Ähnliche Regelungen gab es auch in anderen Ländern. Lichtquellen und „Lichtaustrittsöffnungen“ sollten bei Fliegeralarm dabei gedämpft werden, es sollte dabei auf 500 m keine Lichtquelle mehr wahrnehmbar sein. Die Verdunkelungsverordnungen galten auch für Kraftfahrzeug- und Fahrradscheinwerfer, die mit Schlitzblenden ausgerüstet sein mussten. Fensterscheiben von Räumen in Wohnungen wurden mitunter mit dunklem Papier abgeklebt. Die Einheitskarbidhandlaterne hatte drei vor den Fenstern einschiebbare Aluminium-Bleche, deren vorderes durch Schieber für einen Richtstrahl mittig (Durchmesser etwa 20 mm) und/oder einen Wegbeleuchtungsstrahl darunter vertikal schlitzförmig (2 mm breit, 20 mm hoch) aufgeblendet werden konnte. Im Rahmen der Abwehr nächtlicher Bomber – der sogenannten Wilde-Sau-Taktik – kam es teilweise in Berlin und anderen Städten zur Aufhebung der Verdunkelung und einer bewussten Beleuchtung der Zielgebiete.
Mit Aufkommen von elektronischen Hilfsmitteln in der Steuerung und Navigation, Massenvernichtungswaffen und der Einführung von Lenkwaffen ist die Bedeutung der Verdunkelung als wirksamer Schutz schon im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zurückgegangen. Heute darf bezweifelt werden, ob sie noch einen Schutz bieten würde.
Verdunkelung in der Seefahrt
BearbeitenBesonders während des Zweiten Weltkrieges kam die Verdunkelung auch in der Seefahrt zur Anwendung. U-Boote und Torpedobomber navigierten und zielten ebenfalls auf Sicht. Um die Navigation der deutschen Boote zu erschweren, wurde bei Angriffen auf Nordamerika für die Ostküste der USA und Kanada eine Verdunkelung angeordnet. Ab 1942 etwa fuhren auch Schiffe im Atlantik und Pazifik abgedunkelt, um sich vor Angriff der U-Boote und Flieger zu schützen.[12]
Literatur
Bearbeiten- Jörn Brinkhus: Luft- und Zivilschutz in Deutschland im 20. Jahrhundert, Militärgeschichtliches Forschungsamt, 2010, ISBN 978-3-9808882-7-1
- Erich Hampe: Verdunkelung, siehe unter „Einzeldarstellungen“, S. 546 ff. In: Der zivile Luftschutz im Zweiten Weltkrieg: Dokumentation und Erfahrungsberichte über Aufbau und Einsatz. Bernard und Graefe 1963 (Digitalisat auf www.bbk.de)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Selbstschutzrichtlinien 2001, S. 4 (pdf)
- ↑ Verdunkelung in Havre. In: Die Zeit, 25. Jänner 1915, S. 2 (online bei ANNO).
- ↑ Die Deutschen und Oesterreicher in England. In: Arbeiter-Zeitung, 2. Dezember 1914, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ a b Ein Tag in London. In: Arbeiter-Zeitung, 6. Dezember 1914, S. 17 (online bei ANNO).
- ↑ Die Folgen der mangelnden Nachtbeleuchtung in London. In: Grazer Tagblatt / Grazer Tagblatt. Organ der Deutschen Volkspartei für die Alpenländer / Neues Grazer Tagblatt / Neues Grazer Morgenblatt. Morgenausgabe des Neuen Grazer Tagblattes / Neues Grazer Abendblatt. Abendausgabe des Neuen Grazer Tagblattes / (Süddeutsches) Tagblatt mit der Illustrierten Monatsschrift „Bergland“, 15. Dezember 1914, S. 16 (online bei ANNO).
- ↑ Dunkle Weihnachten in London. In: Prager Tagblatt, 30. Dezember 1914, S. 6 (online bei ANNO).
- ↑ N. A. Halbertsma: Die Tarnkapp-Lampe.: Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien. Organ der Vereinigung Österreichischer und Ungarischer Elektrizitätswerke / Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien( und Organ des Zweigvereines Brünn) / E. u. M. (E und M) Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien / E und M Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien von 1883 bis 1938 / E und M Elektrotechnik und Maschinenbau. Organ/Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines Österreichs, Jahrgang 1915, S. 886 (online bei ANNO).
- ↑ Tarnschild-Lampe und Tarnkapp-Lampe (Zeitungsanzeige).: Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien. Organ der Vereinigung Österreichischer und Ungarischer Elektrizitätswerke / Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien( und Organ des Zweigvereines Brünn) / E. u. M. (E und M) Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien / E und M Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien von 1883 bis 1938 / E und M Elektrotechnik und Maschinenbau. Organ/Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines Österreichs, Jahrgang 1916, S. 1961 (online bei ANNO).
- ↑ Battle of the Ruhr. Angriffspläne im Ersten Weltkrieg. Historisches Centrum Hagen, archiviert vom ; abgerufen am 16. März 2022.
- ↑ Eisenbahndirektion Mainz (Hg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 12. Januar 1918, Nr. 2. Bekanntmachung Nr. 18, S. 8; ebd. vom 18. Mai 1918, Nr. 23, Bekanntmachung 382, S. 168.
- ↑ Bruno Müller: Magden im Zweiten Weltkrieg, auf dem Internetauftritt der Gemeinde Magden, abgerufen am 15. Februar 2021.
- ↑ U-Boot-Alarm: Krieg am Traumstrand. Florida Sun Magazine, abgerufen am 17. August 2016.
Weblinks
Bearbeiten- Achte Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz (Verdunklungsverordnung) vom 23. Mai 1939 (RGBl. I S. 965). Wortlaut auf der privaten Website Bunker in Braunschweig, abgefragt am 3. Oktober 2020.