Verfassungsgeschichte des Mittelalters

Die Verfassungsgeschichte des Mittelalters zeigt den staatsrechtlichen Rahmen auf, innerhalb dessen sich die mittelalterlichen Gesellschaften organisierten. Sie bildet einen Teilbereich der Rechtsgeschichte und speziell der Verfassungsgeschichte. Ihrer Erforschung widmet sich u. a. die 1977 gegründete Vereinigung für Verfassungsgeschichte.

Die Verfassung des Heiligen Römischen Reichs (HRR), die hier beispielgebend dargestellt sei, war keine systematisch niedergeschriebene Verfassung im heutigen Sinne, sondern war aus einer relativ unkoordinierten Anzahl von Einzelentscheidungen, richterlichen Urteilen u. ä. in verurkundeter Form sowie aus Gewohnheitsrecht zusammengesetzt. Die Entscheidungen auf Reichsebene z. B. konnten vom Monarchen allein (vor allem im Frühmittelalter), vom Monarchen mit Zustimmung der Stände (Steuererhebung, Kriegführung im Reichstag; die Goldene Bulle von 1356 z. B. im Hoftag), oder in Ausnahmefällen auch von anderen Gremien (Kurfürsten-Wahl des Monarchen seit ungefähr dem Spätmittelalter) getroffen werden. Eine weitere Methode der Entscheidungsfindung war das Konkordat (z. B. Wormser Konkordat von 1122), das eine vertragliche Vereinbarung unter mehreren Parteien zu besiegeln hatte. Vor allem Hoch- und Spätmittelalter waren also eine Epoche, die den Monarchen keine absolutistische Machtfülle zugestand.

In sehr rudimentärer Form regelte die mittelalterliche Verfassung somit die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse: Struktur von Lehenswesen und Grundherrschaft; politischer Aufbau von Reich und Territorialstaaten (Reichstag, Landtage) im Rahmen der Ständeordnung. Dazu mit der Zeit Landfriedens-Ordnungen, die das Fehde- und Faustrecht einzudämmen suchten. Da die mittelalterlichen Territorien mehr Personenverbände als Staaten im heutigen Sinne waren (schon die äußerst mangelhaften Kommunikationsmöglichkeiten verunmöglichten eine systematische Regierungstätigkeit), konnte von einem staatlichen Gewaltmonopol oder gar Rechtsstaatlichkeit keine Rede sein, Rechts-Willkür oder gar Selbstjustiz in Form der Fehde waren omnipräsent.

Siehe auch

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Hartmut Boockmann: Einführung in die Geschichte des Mittelalters. C.H.Beck, 8. Auflage 2007 Online
  • Hans Boldt: Deutsche Verfassungsgeschichte. Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende des älteren Reiches. 1986.
  • Heinz Duchardt: Deutsche Verfassungsgeschichte 1495 - 1806. Kohlhammer 1991, ISBN 978-3-170-10825-7
  • František Graus: Verfassungsgeschichte des Mittelalters. (2002) In: Graus, Ausgewählte Aufsätze S. 213–258. Online
  • Fritz Kern. Recht und Verfassung im Mittelalter. In: Historische Zeitschrift 1919 Band 120 Heft 1 S. 1–79.
  • Ernst Pitz: Verfassungslehre und Einführung in die deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters. Schriften zur Verfassungsgeschichte (VG). Band 75. Duncker & Humblot Berlin 2006. ISBN 978-3-428-11985-1
  • Lorenz Weinrich (Hrsg.): Quellen zur Verfassungsgeschichte des Römisch-Deutschen Reiches im Spätmittelalter (1250–1500) (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe. Band 33), Darmstadt 1983, ISBN 3-534-06863-7
  • Lorenz Weinrich: Quellen zur Reichsreform im Spätmittelalter (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe. Band 39). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001, ISBN 3-534-06877-7.
  • Dietmar Willoweit: Reich und Staat. Eine kleine deutsche Verfassungsgeschichte (= Beck'sche Reihe. Bd. 2776). Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-64615-7.
  • Dietmar Willoweit: Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt. Landesobrigkeit, Herrschaftsrechte und Territorium in der Rechtswissenschaft der Neuzeit (= Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte. Bd. 11). Böhlau, Köln u. a. 1975, ISBN 3-412-20975-9 (Zugleich: Heidelberg, Universität, Habilitations-Schrift, 1975).
Bearbeiten