In der Elektrochemie versteht man unter Volta-Spannung, Kontaktspannung[1] oder auch Berührungsspannung (nicht zu verwechseln mit der Berührungsspannung bei elektrischen Geräten) die Differenz der äußeren elektrischen Potentiale, die auf die Überschussladungen entgegengesetzten Vorzeichens an den Phasengrenzen zurückzuführen sind.
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Die Volta-Spannung ist ein Phänomen der Kontaktelektrizität.
Der Name geht auf den italienischen Naturforscher und Erfinder Alessandro Volta zurück.
Zusammen mit der als Galvani-Spannung bezeichneten Differenz der inneren elektrischen Potentiale ergibt sich die gesamte Potentialdifferenz zwischen zwei Phasen. Die verschiedenen Arten der Potentialdifferenzen spielen bei der exakten Behandlung von Galvanischen Zellen eine Rolle.
Die Volta-Spannung hängt mit der Galvani-Spannung über die (elektrische) Oberflächenpotentialdifferenz zusammen[2]:
Volta-, Galvani- und Oberflächenpotential einer leitenden Phase
BearbeitenWenn die leitende Phase (angrenzend an das Vakuum, d. h. an den leeren, ladungsfreien Raum) als Ganzes geladen ist (d. h. Überschussladung in der Oberflächenschicht trägt), dann gibt es im Vakuum nahe der Oberfläche ein elektrostatisches Feld nicht verschwindender Feldstärke und damit auch ein elektrisches Potentialgefälle.
Das Volta-Potential (auch äußeres Potential) wird definiert als Potentialdifferenz zwischen einem Punkt im Vakuum direkt über der Oberfläche und einem unendlich weit entfernt gedachten Punkt im Vakuum, wo das elektrische Potential den Wert null hat (siehe Abb. 1), oder äquivalent: Bezeichnet die Arbeit, die man verrichten muss, um eine winzige Testladung aus dem Unendlichen zu einem Punkt direkt über die Oberfläche zu befördern, dann ist das Volta-Potential gegeben durch diese Arbeit bezogen auf diese Testladung[3][4], d. h.
Mit direkt über der Oberfläche meint man hier Punkte, die einerseits nah genug an der Oberfläche sind, sodass man die Änderung der Feldstärke zwischen der Oberfläche und solchen Punkten vernachlässigen kann, die andererseits aber auch weit weg genug sind, sodass sekundäre Überlagerungseffekte (u. a. Wechselwirkungen mit Bildladungen) vernachlässigt werden können, die das primäre elektrostatische Feld verzerren würden. Berechnungen zeigen, dass dies für Punkte erfüllt ist, die in etwa einen Abstand von von der Oberfläche haben.
Analog definiert man das Galvani-Potential (auch inneres Potential) an einem Punkt im Inneren der Phase, als Potentialdifferenz zwischen dem Punkt und dem im Unendlichen gedachten Punkt , oder äquivalent: Bezeichnet die Arbeit, die man verrichten muss, um eine winzige Testladung aus dem Unendlichen in das Innere der Phase zu befördern, dann ist das Galvani-Potential gegeben durch diese Arbeit bezogen auf diese Testladung, d. h.
Da leitende Phasen im Inneren feldfrei sind, hat das innere Potential überall den gleichen Wert.
Äußeres und inneres Potential unterscheiden sich nur, falls ein Potentialgefälle zwischen dem Inneren und der Oberfläche der Phase besteht. Das elektrische Feld, das diese Potentialdifferenz verursacht, ist dann vollständig in der Oberflächenschicht konzentriert, wo sich eine elektrische Doppelschicht (EDL) infolge einer ungleichmäßigen Ladungsverteilung gebildet hat.
Hat man nun die Testladung aus dem Unendlichen bis direkt über die Oberfläche transportiert und möchte diese weiter durch die Oberfläche ins Innere der leitenden Phase befördern, so ist die dafür erforderliche Arbeit gegeben durch die Differenz . Daher definiert man ein Oberflächenpotential durch
d. h. als Differenz von innerem und äußeren Potential. Umordnen liefert die Beziehung der drei Potentiale:
Beim Oberflächenpotential handelt es sich eigentlich um eine elektrische Spannung, insofern ist die Namensgebung irreführend. Der Term Oberflächenspannung kann allerdings nicht herangezogen werden, da er schon mit einer anderen Bedeutung in völlig anderem Kontext belegt ist; diese ist nicht mit dem Oberflächenpotential zu verwechseln. Die mit Oberflächenpotential bezeichnete Spannung ist prinzipiell nicht messbar, da sich die beiden definierenden Potentiale (inneres und äußeres Potential) auf unterschiedliche Phasen beziehen. Aus demselben Grund (s. u.) ist auch die Galvani-Spannung nicht messbar, die Volta-Spannung ist hingegen messbar.
Theoretische Betrachtungen
BearbeitenDieser Abschnitt folgt der in der Thermodynamik üblichen Konvention und bezieht die (elektro-)chemischen Potentiale auf die Teilchenzahl anstatt wie in der Chemie üblich auf die Stoffmenge. Beide Konventionen unterscheiden sich nur um einen Faktor, die Avogadro-Konstante.
Ferner werden im Folgenden stets Metalle betrachtet, für die stets angenommen wird, wobei die Fermi-Energie der Elektronen in dem Metall sei. Das elektrochemische Potential der Elektronen in dem Metall stimmt dann mit der Fermi-Energie überein, d. h. . Dies ist z. B. bei üblichen Raumtemperaturen erfüllt.[5]
Elektrochemisches Potential und Fermi-Energie bei Metallen
BearbeitenDas elektrochemische Potential kann zerlegt werden in eine chemische und elektrostatische Komponente, d. h.
wobei das chemische Potential der Elektronen im Metall bezeichne und das innere Potential des Metalls (siehe Abb. 2). Der Ausdruck stellt die elektrostatische Bindungsenergie der Elektronen im Metall dar, während das chemische Potential die chemische Bindungsenergie ist, die ein Elektron auf dem Fermi-Niveau bindet. Es gilt somit unter obigen Voraussetzungen
Austrittsarbeit und Oberflächenpotential bei Metallen
BearbeitenBei Zweiphasensystemen vom Typ Leiter-Isolator und Leiter-Vakuum gibt es keinen stetigen Austausch von freien Elektronen zwischen den Phasen und ebenso wenig ein elektrochemisches Gleichgewicht. Aus diesem Grund ist die Arbeit, die nötig ist, um eine Elektron von einer in die andere Phase zu befördern, von null verschieden.
Die Arbeit, die nötig ist, um ein Elektron aus einem Metall ins Vakuum zu befördern, nennt man Austrittsarbeit. Hierbei soll wieder angenommen werden, dass der Endpunkt des Transportvorgangs ein Punkt im Vakuum direkt über der Oberfläche ist und dass das Elektron dort eine Geschwindigkeit von nahezu null hat, sodass die kinetische Energie vernachlässigbar ist. Die Austrittsarbeit lässt sich dann als elektrochemische Potentialdifferenz ausdrücken.
Für freie Elektronen im Vakuum, wo diese keinerlei chemische Wechselwirkungen mit einem anderen Medium haben, verschwindet das chemische Potential der Elektronen, . Das elektrochemische Elektronenpotential im Vakuum direkt über der Oberfläche ist dann gegeben durch und im Metall durch , so dass sich für die Austrittsarbeit
ergibt.[6]
Das chemische Elektronenpotential ist für alle Metalle stets negativ, da Elektronen sonst ein Bestreben hätten von alleine aus dem Metall ins Vakuum zu verdampfen. Der zweite Term kann je nach Vorzeichen des Oberflächenpotentials negativ oder positiv sein.
Wenn das Oberflächenpotential des Metalls verschwindet, z. B. bei ungeladenen Metallen im feldfreien Vakuum, dann ist , sodass nur die chemische Bindungsenergie aufgebracht werden muss, um ein Elektron aus dem Metall zu lösen. Andernfalls wird die Austrittsarbeit abhängig vom Vorzeichen des Oberflächenpotentials erhöht oder vermindert (siehe Abb. 3).
Diese Situation tritt beispielsweise bei zwei unterschiedlichen Metallen im Vakuum auf, die man vorher so präpariert hat, dass ein elektrochemisches Gleichgewicht zwischen ihnen besteht. Da dem einen Metall dann Elektronen fehlen, hat es eine positive Überschussladung, das andere eine negative. Folglich haben die in den Oberflächenschichten der beiden Metalle konzentrierten elektrischen Felder einander entgegengerichtete Feldstärkevektoren, sodass die Oberflächenpotentiale entgegengesetzte Vorzeichen tragen.
Allgemein ist die Austrittsarbeit über unabhängig davon definiert, ob das Metall Überschussladung trägt oder nicht; das Oberflächenpotential berücksichtigt genau diese Tatsache. Viele Autoren beziehen sich mit Austrittsarbeit jedoch ausschließlich auf ungeladene Metalle im feldfreien Vakuum, d. h. sie meinen mit Austrittsarbeit nur die chemische Bindungsenergie .
Volta- und Galvani-Spannung zwischen Metallen
BearbeitenBringt man zwei im Vakuum befindliche unterschiedliche Metalle und in direkten Kontakt miteinander, so fließen solange Elektronen von einem ins andere Metall bis sich ein elektrochemisches Gleichgewicht eingestellt hat. Die dabei entstandene Differenz der Volta-Potentiale zwischen zwei Punkten und direkt über der Oberflläche nennt man Volta-Spannung (auch äußere Spannung) des Leiterpaares
Die entstandene Differenz der Galvani-Potentiale heißt Galvani-Spannung (auch innere Spannung) des Leiterpaares
Ferner haben sich bei den Metallen die Oberflächenpotentiale bzw. ausgebildet. Berücksichtigt man, dass elektrische Potentialdifferenzen zwischen zwei Punkten unabhängig vom gewählten Weg zwischen diesen beiden Punkten sind, dann ergibt sich unter Verwendung von die folgende Beziehung (siehe Abb. 4)
Galvani-Spannungen lassen sich prinzipiell nicht feststellen, weil die inneren Potentiale sich auf unterschiedliche Phasen beziehen. Selbst bei einem Voltmeter, dessen Elektroden, Drähte usw. allesamt aus dem gleichen Metall bestünden wie eines der beiden Metalle, zwischen denen man die Galvani-Spannung feststellen will, würde sich eine weitere Galvani-Spannung zwischen dem unterschiedlichen Metall und der dieses Metall berührenden Messelektrode ausbilden, so dass man stets mindestens zwei Galvani-Spannungen messen würde. Allerdings würde das Voltmeter ohnehin den Wert null anzeigen, da sich zwischen allen Metallen schlagartig ein elektrochemisches Gleichgewicht einstellen und somit ein stromloser Zustand bestehen würde.
Austrittsarbeit und Volta-Spannung zwischen Metallen
BearbeitenWenn zwei im Vakuum befindliche unterschiedliche Metalle und miteinander im elektrochemischen Gleichgewicht stehen, dann folgt mit aus
und weiter mit , und für die Differenz der Austrittsarbeiten beider Metalle
Kennt man also die Austrittsabeiten der Elektronen für zwei Metalle, so kann man vermöge die Volta-Spannung zwischen ihnen berechnen. Kennt man umgekehrt die Austrittsarbeit eines Referenzmetalls, so kann man die Austrittsarbeit eines anderen Metalls bestimmen, indem man die Volta-Spannung gegenüber dem Referenzmetall misst.
Praktische Aspekte
BearbeitenMessung von Volta-Spannungen
BearbeitenWie oben werden zwei im Vakuum befindliche unterschiedliche sich berührende Metalle und betrachtet, die im elektrochemischen Gleichgewicht stehen. Da sich die Volta-Potentiale und auf Punkte in derselben Phase (dem Vakuum) beziehen, ist die Volta-Spannung messbar. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten.
Man kann die beiden Metalle als Kondensatorplatten auffassen. Sitzt z. B. die positive Überschussladung auf dem Metall , dann muss die Überschussladung auf dem Metall entgegengesetzt gleich groß sein, d. h. . Der Zusammenhang zwischen Überschussladung und Volta-Spannung ist dann gegeben durch . Hierüber kann man nun die Volta-Spannung bestimmen, indem man die Kapazität des Kondensators um kleine bekannte Beträge variiert (z. B. durch Veränderung der Plattenabstandes) und die dadurch verursachte Ladungsveränderung feststellt durch Messung des über einen Verbindungsdraht zwischen den Platten fließenden Stroms.
Man kann den photoelektrischen Effekt ausnutzen, um die Austrittsarbeiten der Metalle zu bestimmen, indem man diese mit hinreichend energetischem Licht beschießt und die kinetische Energie der freigesetzten Elektronen misst. Mithilfe von lässt sich dann die Volta-Spannung zwischen den Metallen berechnen.
Literatur
Bearbeiten- Georg Job, Regina Rüffler: Physikalische Chemie (Springer Spektrum, 2021), ISBN 978-3-658-32935-8.
- Torsten Fließbach: Statistische Physik (Springer Spektrum, 2018), ISBN 978-3-662-58032-5.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ https://www.spektrum.de/lexikon/chemie/kontaktspannung/5036
- ↑ Herbert Herman: Treatise on Materials Science and Technology: Materials Science Series, Vol. 1. Elsevier, 2013, ISBN 978-1-4832-1810-6, S. 26 (google.de).
- ↑ Herbert Herman: Treatise on Materials Science and Technology: Materials Science Series, Vol. 1. Elsevier, 2013, ISBN 978-1-4832-1810-6, S. 26 ff. (google.de).
- ↑ Yuliy D. Gamburg: The Fundamentals of Electrochemistry. Cambridge Scholars Publishing, 2023, ISBN 978-1-5275-0164-5, S. 83 ff. (google.de).
- ↑ Kerson Huang: Introduction to Statistical Physics, 2.Edition. Taylor & Francis Group, 2010, ISBN 978-1-4200-7902-9, S. 228 ff. (google.de).
- ↑ V. S. Bagotsky: Fundamentals of Electrochemistry, 2.Edition. Wiley Interscience, 2006, ISBN 978-0-471-70058-6, S. 141 ff. (google.de).