Walter Herrmann (Aktivist)
Walter Herrmann (* 26. Januar 1939 in Würzburg;[1] † 26. Juni 2016 in Wesseling[2]) war ein Kölner Aktivist. Bekannt wurde er als Initiator und Repräsentant der so genannten Kölner Klagemauer, einer umstrittenen mobilen Installation in der Kölner Innenstadt.
Leben
BearbeitenHerrmann wuchs nach eigener Darstellung in bäuerlichen Verhältnissen auf. Nach einem Lehramtsstudium in Würzburg unterrichtete Herrmann fünf Jahre lang an einer Hauptschule. Angezogen von der Studentenbewegung zog er in den 1960er Jahren nach Köln, um dort Psychologie zu studieren.
In Köln war er zunächst im SDS aktiv und wirkte bei der Heimkampagne und bei der Gründung von Wohngemeinschaften für jugendliche Trebegänger mit. Von damaligen Mitstreitern später als „rechthaberisch“ und mit „unwahrscheinlicher Konsequenz“ ausgestattet beschrieben, überwarf er sich meist mit den politischen Gruppen und verließ sie dann; er selbst beschrieb sich als jemanden, der für politische Aktionen sein müsse, frei von Organisationen und Hierarchien, in die er sich nicht einordnen könne.[3]
Im Januar 2016 wurde eine Krebserkrankung Herrmanns bekannt.[4] Er starb am 26. Juni 2016 im Krankenhaus in Wesseling. Die Trauerfeier am 12. Juli 2016 wurde von Pfarrer Franz Meurer in Köln-Vingst zelebriert, der Herrmann in seinen letzten Tagen begleitet hatte.[5] Herrmann wurde in der Gemeinschaftsgrabstätte für Personen ohne festen Wohnsitz auf dem Kölner Südfriedhof beigesetzt.[6]
„Klagemauer für Frieden und Völkerverständigung“
BearbeitenIn den 1980er Jahren verlor Herrmann nach einer Auseinandersetzung mit seinem Vermieter durch eine Zwangsräumung seine Wohnung. Daraufhin errichtete er eine erste „Klagemauer zur Wohnungsnot“ am Bierbrunnen auf der Schildergasse, an der Kreuzung zweier belebter Fußgängerzonen. Die Installation, bei der beschriftete, bemalte und 19 × 28 Zentimeter große Karten aus Pappkarton an gespannten Wäscheleinen angebracht waren, wurde von Polizei und Ordnungsamt mehrmals abgeräumt.[7] Mit dem gleichen Konzept, bei dem auch von Passanten beschriftete Kärtchen aufgehängt wurden, errichteten Herrmann und einige Mitstreiter ab 1991 anlässlich des zweiten Golfkrieges die „Klagemauer für den Frieden“ auf der Domplatte, unmittelbar vor der Kathedrale. Es kam zu mehrjährigen Auseinandersetzungen mit Domkapitel, Stadtverwaltung und Polizei über die Aufstellung der „Mauer“. Neben Gerichtsverfahren und Räumungen überstand die von Herrmann und seinen Mitstreitern rund um die Uhr bewachte Installation auch Angriffe durch Rechtsextreme.[8] Die friedensbewegte politische Botschaft und die ungewöhnliche Protestform sorgten aber auch für mediale Aufmerksamkeit und prominente Anteilnahme aus aller Welt. Im Jahre 1998 erhielten Herrmann und die anderen Beteiligten der Klagemauer den Aachener Friedenspreis. Ende 2015 trat Walter Herrmann zum letzten Mal mit der Installation vor dem Kölner Dom in Erscheinung.
Vorwurf des Antisemitismus
BearbeitenDie Klagemauer stand ab dem Jahr 2005 in der Kritik, weil Herrmann als deren bekanntester Vertreter sich seitdem inhaltlich[3] einer Darstellung des palästinensisch-israelischen Konflikts widmete, die immer wieder als verzerrend und einseitig bewertet wurde.[9][10] Die Wellen der Kritik schlugen besonders hoch, als Hermann im Januar 2010 die Karikatur eines Juden zeigte, der in den Farben der US-Flagge mit Messer und Gabel ein auf einem Teller liegendes palästinensisches Kind zerteilt und verspeist. In diesem Zusammenhang wurde ihm Antisemitismus[11] vorgeworfen.[12] Herrmann distanzierte sich von der Bildaussage der Karikatur[13] und verwies nach einer Strafanzeige durch Gerd Buurmann auf deren Kontext, ein Pressefoto antiisraelischer Proteste in Indien, bei der eine Demonstrantin die Zeichnung hochgehalten habe. Die Klagemauer habe das Foto einer Zeitungsmeldung entnommen und es zur Diskussion dort gezeigt.[14]
Am 10. April 2015 befand das Kölner Amtsgericht Herrmann in erster Instanz für schuldig, durch das Zeigen von 15 Bildern toter und schwer verletzter Kinder an der Klagemauer gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen zu haben. Er wurde zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt.[15]
Der Trägerverein des selbstverwalteten Bürgerzentrums Alte Feuerwache, in dem Herrmann den Großteil seiner Installationen über Nacht lagerte, kündigte ihm im Oktober 2015 unter anderen wegen Beleidigung einiger seiner Mitglieder und eines Mitarbeiters die Nutzung seiner Räume.[16]
Weblinks
Bearbeiten- Pascal Beucker: Mahner mit Hang zur Egomanie. In: Die Tageszeitung, 12. April 2007, S. 3.
- Roland Kaufhold: Ein Überzeugungstäter. Ein Kölner Dauerdemonstrant „entdeckt“ den Antisemitismus. In: Die Tribüne, Heft 194, Nr. 2/2010, S. 40–42.
- Henryk M. Broder: „Dat der dat darf“. In: Welt am Sonntag, 23. Januar 2010.
- Roland Kaufhold: Kein Raum für Antisemitismus. Dem Betreiber der antiisraelischen „Klagemauer“ in Köln wurden die Lagerräume gekündigt. In: jungle World. Nr. 4, 28. Januar 2016.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Pascal Peucker Mahner mit Hang zur Egomanie, Die Tageszeitung, 12. April 2007, abgerufen am 11. November 2021.
- ↑ Klagemauer am Kölner Dom Aktivist Walter Herrmann (77) ist tot! In: express.de. Express, 26. Juni 2016, abgerufen am 26. Juni 2016.
- ↑ a b Mahner mit Hang zur Egomanie von Pascal Beucker in: taz nrw vom 12. April 2007; online abgerufen am 27. Februar 2010.
- ↑ Roland Kaufhold: Dem Betreiber der Kölner »Klagemauer« geht es schlecht, Jungle World, 4/16, 28. Januar 2016, abgerufen am 2. April 2016.
- ↑ Köln-Vingst: Bewegende Trauerfeier für Klagemauer-Aktivist Walter Hermann. Abgerufen am 12. Juli 2016.
- ↑ Walter Herrmann in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 6. Oktober 2024.
- ↑ 16. Januar 1991 - "Klagemauer" wird vor dem Kölner Dom errichtet. In: WDR. 16. Januar 2011, abgerufen am 11. November 2021.
- ↑ Die Kölner Klagemauer; Buchbesprechung in Rathaus Ratlos 17/1999 online, abgerufen am 1. März 2010
- ↑ Die „Kölner Klagemauer“ - Antisemitismus im Schatten des Doms; Kölner Stadtanzeiger, Donnerstag, 4. Februar 2010; Seite 30; Aachener Nachrichten Online vom 24. Februar 2010; Herrmann darf Karikatur zeigen – Staatsanwalt weist Anzeige gegen Klagemauer-Initiator zurück in: WELT ONLINE, 14. April 2010, abgerufen am 17. April 2010; Gerd Buurmann - tapferimnirgendwo.wordpress.com: Die Mauer muss weg! ( vom 21. Dezember 2010 im Internet Archive), Zugriff am 21. Dezember 2010; Helmut Frangenberg: „Klagemauer“ am Dom abgehängt, in: Kölner Stadt-Anzeiger am 23. Februar 2010, online ( vom 26. Februar 2010 im Internet Archive), abgerufen am 27. Februar 2010; Resolution gegen die Kölner Klagemauer « Israel & Judentum. Hagalil.com, 17. Dezember 2010, abgerufen am 21. Dezember 2010. ; Keine Menschenfeindlichkeit in Köln – auch nicht an der „Klagemauer“ « Israel & Judentum. Hagalil.com, 16. Dezember 2010, abgerufen am 21. Dezember 2010.
- ↑ „Mossad, Mossad!!!“ Die Akte „Kölner Klagemauer“, haGalil
- ↑ Henryk M. Broder: Die Welt:Der Kölner, der mit Antisemitismus vorm Dom nervt vom 23. Januar 2011, abgerufen am 19. Juni 2014
- ↑ Hagalil: Ein altes antisemitisches Stereotyp 19. Dezember 2010 abgerufen am 27. Mai 2014
- ↑ BERICHT/002: Die „Kölner Klagemauer“ im Abseits ideologischer Stigmatisierung (SB), Schattenblick, 17. August 2010
- ↑ Bastian Brinkmann. "Herrmann darf Karikatur zeigen; Staatsanwalt weist Anzeige gegen KlagemauerInitiator zurück". Welt kompakt. Mittwoch 14. April 2010.
- ↑ Roland Kaufhold: Verstoß gegen den Jugendschutz, in taz - online, abgerufen am 12. April 2015
- ↑ Alte Feuerwache kündigt Klagemauer-Aktivist Walter Herrmann, Kölner Stadtanzeiger vom 9. Oktober 2015
Personendaten | |
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NAME | Herrmann, Walter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Aktivist |
GEBURTSDATUM | 26. Januar 1939 |
GEBURTSORT | Würzburg |
STERBEDATUM | 26. Juni 2016 |
STERBEORT | Wesseling |