Wilhelm Beetz (Bauunternehmer)

deutscher Bauunternehmer

Johann Gottlieb Wilhelm Beetz (* 15. Juli 1844 in Zehdenick, Brandenburg; † 17. Mai 1921 in Wien) war ein deutsch-österreichischer Bauunternehmer und führender Erbauer von Bedürfnisanstalten in Wien.[1]

 
Schnittzeichnung eines „Beetz-Ölsiphons“

Wilhelm Beetz, Sohn eines Molkereipächters, war ursprünglich ein Gerichtsbeamter (Stadtgerichtsbureau Assistent).[2] 1880 bot er dem Wiener Magistrat nach dem Vorbild von Berliner Bedürfnisanstalten den Bau und Betrieb solcher Anstalten an. Dies wurde ihm anfangs verweigert, jedoch 1883 bekam er dafür die Genehmigung.[3] Im selben Jahr übersiedelte Beetz nach Wien, gründete die Firma „Wilhelm Beetz“, die noch heute besteht, und stellte seine erste – von Berlin importierte – Bedürfnisanstalt auf. Dabei handelte es sich als Neuheit um Toiletten auch für Damen (Bedürfnisanstalt für Menschen beiderlei Geschlechts), Pissoirs für Herren gab es ab den 1860er Jahren, Frauen verrichteten ihr Geschäft zu dieser Zeit noch bei Zugehfrauen mit Kübeln.[4]

Im September 1883 entstand mit der Bedürfnisanstalt auf der Landstraßer Hauptstraße die erste solche Anlage Wiens.[5] Beetz hatte laut Vertrag zum Bau eine – recht hohe[4] – Kaution zu erlegen, Platzmiete zu bezahlen und drei Prozent der Bruttoeinnahmen an die Gemeinde Wien zu entrichten und die Aufstellung und den Betrieb – Kosten für Gas und Wasser, sowie Personal – selbst zu finanzieren.[6] Die Benützung war mit 4 respektive 2 Kreuzern „ungemein billig“.[5] Beetz ersuchte dann um Aufstellungsbewilligung einer weiteren Anlage im Volksgarten – einer der bestbesuchten Orte in der Innenstadt, weil er seit 1823 auch für einfache Leute zugänglich war.

Anfangs ohne sonderlichen Gewinn,[7] stellten sich die Toilettenanlagen aber bald als lukrativ heraus. Mit Anfang 1904 betrieb das Unternehmen bereits 58 Bedürfnisanstalten; im selben Jahr wurde von ihm mit der öffentlichen Bedürfnisanstalt am Graben die erste unterirdische Toilette errichtet.[6] Die Firma Beetz errichtete bis in die 1930er Jahre noch zahlreiche weitere Anlagen, ab 1895 auch in Budapest, und betrieb in Wien zeitweise über 200 Toiletten und Pissoirs.

Die ersten Anlagen waren kleine Häuschen aus Holz, nach dem Vorbild der Berliner Bedürfnisanstalten gestaltet,[6] aufgestellt wurde sie von einer örtlichen Baufirma[6] (die allererste Anlage hatte Beetz noch aus Berlin per Eisenbahn nach Wien verfrachtet,[7] bald entwickelte Beetz ein Serienmodell, wie es am Parkring noch original erhalten ist). Sie verfügte schon über Kabinen für Männer, für Frauen, Pissstände und einem Raum für die Wartefrau (Toilettenfrau). Sie wurde schon zu dieser Zeit Closet-Häuschen (also „geschlossenes“ Häuschen) genannt,[8] und als „praktisch angelegt, recht bequem und luxuriös ausgestattet“ empfunden.[5]

Weltweit bekannt wurde Beetz durch die Erfindung des Ölsiphons. Der Geruchsverschluss kam ohne Wasserspülung mittels eines Mineralöls (Urinol) zustande.[9] Damit schuf er eine frühe Form des Trockenurinals.

Beetz präsentierte dieses wassersparende Produkt auf vielen Ausstellungen und erhielt dafür zahlreiche Auszeichnungen.[10] Nicht nur die Stadt Wien entschloss sich 1903, in 30 öffentlichen Pissoirs auf die winterfeste Ölspülung umzustellen, anstatt die defekten Wasserspülungen, die im Winter einfrieren konnten, reparieren zu lassen.[4] Neben Firmen in fast sämtlichen europäischen Städten gehörten 1915 auch Firmen in der Türkei, Brasilien, Mexiko und sogar in Afrika zu seinen Geschäftspartnern.[6]

Anlagen in Wien

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In Folge sind alle Toilettenhäuschen und Pissoirs aufgeführt, die sich um 2020 noch im öffentlichen Raum in Wien befinden. Einige wurden nach Beetz' Tod, aber gemäß seiner Entwürfe ausgeführt, zuletzt die unterirdische Anlage in der Irisgasse 1939. Nicht aufgeführt sind die 1917 entstandenen Toiletten am Naschmarkt, die zwar von der Firma Beetz errichtet wurden, im Aussehen aber an den Markt angepasst wurden.

Foto   Baujahr Name Standort Beschreibung
   
 
1905 1., Graben
 
HERIS-ID: 75893
Objekt-ID: 89402
Graben
Standort
unterirdisch
   
 
1939 1., Irisgasse
 
HERIS-ID: 78217
Objekt-ID: 91875
Irisgasse
Standort
unterirdisch
   
 
1901 1., Parkring
 
HERIS-ID: 107255
Objekt-ID: 124558
Parkring
Standort
älteste erhaltene Anlage dieses Typs
   
 
1884 1., Volksgarten Volksgarten
Standort
stark verändert
   
 
1909 2., Augartenbrücke Wilhelm-Kienzl-Park
Standort
Pissoir

Anmerkung: nicht mehr funktional, der Zugang ist mit Planen verschlossen

   
 
1901 2., Rauscherstraße Rabbiner-Schneerson-Platz
Standort
Pissoir
   
 
1903 8., Schönbornpark Schönbornpark
Standort
    1905 10., Antonsplatz Antonsplatz
Standort
Pissoir
    1903 10., Puchsbaumplatz
 
HERIS-ID: 71470
Objekt-ID: 84659
Puchsbaumplatz
Standort
Pissoir
   
 
1909 12., Aßmayergasse Wilhelmsdorfer Park
Standort
Pissoir
   
 
1909 13., Gloriettegasse Alois-Krauß-Promenade
Standort
Pissoir
   
 
1936 13., Lilienberggasse
 
HERIS-ID: 48257
Objekt-ID: 51693
Hackinger Steg
Standort
Pissoir
    1908 13., Rohrbacherstraße Streckerpark
Standort
Pissoir

Anmerkung: nicht mehr funktional, modernes WC-Gebäude gleich daneben

   
 
1908 13., Schönbrunner Schlosspark (Großes Parterre) Schlosspark Schönbrunn
Standort
   
 
1908 13., Schönbrunner Schlosspark (Hietzinger Tor) Schlosspark Schönbrunn
Standort
   
 
1908 13., Schönbrunner Schlosspark (Meidlinger Tor) Schlosspark Schönbrunn
Standort
    1908 13., Schönbrunner Schlosspark (Tiergarten-Eingang) Schlosspark Schönbrunn
Standort
   
 
1926 15., Auer-Welsbach-Park Auer-Welsbach-Park
Standort
Pissoir
    1930 16., Funkengerngasse Gallitzinstraße
Standort
Pissoir
   
 
1898 16., Richard-Wagner-Platz
 
HERIS-ID: 63421
Objekt-ID: 76083
Thaliastraße
Standort
   
 
1905 17., Alszeile
 
HERIS-ID: 63422
Objekt-ID: 76084
Alszeile
Standort
Pissoir
    1897 18., Bischof-Faber-Platz Albert-Dub-Park
Standort
Pissoir
    1902 18., Türkenschanzpark Türkenschanzpark
Standort
   
 
1902 19., Sieveringer Straße Puchweinpark
Standort
   
 
1908 19., Wertheimsteinpark
 
HERIS-ID: 98292
Objekt-ID: 114194
Wertheimsteinpark
Standort
   
 
1926 19., Zahnradbahnstraße
 
HERIS-ID: 99190
Objekt-ID: 115281
Zahnradbahnstraße
Standort
Pissoir
   
 
1926 21., Floridsdorfer Aupark Floridsdorfer Aupark
Standort
Pissoir
    1912 21., Kinzerplatz Kinzerplatz
Standort
Pissoir
    1912 22., Esslinger Jazzpark
 
HERIS-ID: 73200
Objekt-ID: 86487
Jazzpark Essling
Standort
ursprünglich in Neuwaldegg aufgestellt, nunmehr Museum (Fatty-George-Jazzmus)
    1904 22., Esslinger Jazzpark
 
HERIS-ID: 63809
Objekt-ID: 76498
Jazzpark Essling
Standort
Pissoir, bis 2010 am Laubeplatz in Favoriten aufgestellt, nunmehr Museum (Fatty-George-Jazzmus)
    22., Schulgarten Kagran Schulgarten Kagran
Standort
Pissoir, Sekundäraufstellung

Literatur

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  • H. Beraneck: Die Wiener Bedürfnisanstalten System Beetz. In: ZÖIAV 57.1905, S. 679 f.
  • Peter Payer: Unentbehrliche Requisiten der Großstadt. Eine Kulturgeschichte der öffentlichen Bedürfnisanstalten von Wien. Löcker Verlag Wien, 2006, ISBN 3-85409-323-3.
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Commons: Wilhelm Beetz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Berliner Zeitung vom 20. Juli 2005: Wir sind discreter geworden
  2. Wilhelm Beetz auf der Firmenhomepage, abgerufen am 25. Oktober 2009.
  3. Wiener Porträt Galerie: Wilhelm Beetz (Memento vom 24. März 2016 im Internet Archive), abgerufen am 25. Oktober 2009.
  4. a b c Harald Hartmann: Wilhelm Beetz und die öffentlichen Toiletten Wiens. auf Sagen.at, Teil 1, abgerufen am 30. Mai 2014.
  5. a b c Wiener Sonntagsblatt vom 23. September 1883; zitiert in Wilhelm Beetz, beetz.at – zur Eröffnung der ersten Anlage.
  6. a b c d e Wilhelm Beetz. In: Architektenlexikon Wien 1770–1945. Herausgegeben vom Architekturzentrum Wien. Wien 2007. abgerufen am 27. Mai 2014.
  7. a b Wilhelm Beetz, beetz.at, abgerufen am 30. Mai 2014.
  8. Über Closet-Häuschen. In: Wiener Bauindustrie-Zeitung 3, 1885/86, S. 454 f.
    Davon stammt auch die österreichische Bezeichnung „Häusl“ für WC.
  9. Bedürfnisstände mit Oelverschluss in Wien. In: Polytechnisches Journal. 292, 1894, Miszelle 1, S. 167–168.
  10. Wilhelm Beetz. In: archINFORM; abgerufen am 2. Mai 2015. (Abschnitt „Auszeichnungen“ am Ende der Seite; enthält auch Einbindung des vorliegenden Wikipedia-Artikels)