William Banting (* 1797; † 16. März 1878 in London) war ein englischer Bestattungsunternehmer, der die erste kommerzielle Diät erfasst und publiziert hat,[1] die ihm sein Arzt zur Gewichtsabnahme verordnet hatte. Er gilt als „der Vater der Low-Carb-Diät“.[2]

William Banting, nach seiner Gewichtsabnahme

Die Schrift mit dem Titel „Offener Brief über Korpulenz, an das Gesamte Publikum gerichtet“,[3][Anm. 1] die 1863 erschien, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und löste Ende des 19. Jahrhunderts eine Diätwelle in Europa aus.[4][5] Banting wurde im Englischen damals als Synonym für die Durchführung einer Diät verwendet; im Schwedischen wurde daraus der offizielle Begriff bantning. Er war ein entfernter Verwandter von Sir Frederick Grant Banting, dem Nobelpreisträger und Mitentdecker des Insulins.

William Banting wurde in London im Jahre 1797 geboren und gehörte zur oberen Mittelschicht. Banting lernte Tischler und benutzte seine Kenntnisse zur Herstellung von Särgen. Er hatte ein Bestattungsunternehmen in der St. James Straße 27, das er von seinem Vater Thomas Banting geerbt hatte. Seine Familie hatte die königliche Erlaubnis bekommen, Mitglieder der königlichen Familie zu bestatten. Diese Erlaubnis wurde bis 1928 beibehalten.[6][7]

“I can now confidently say that quantity of diet may be safely left to the natural appetite; and that it is the quality only, which is essential to abate and cure corpulence.”

„Ich kann nun mit gutem Gewissen sagen, dass die M e n g e der Nahrung am besten dem natürlichen Appetit überlassen bleibt, und dass es nur die Beschaffenheit derselben ist, welche man bei der Verhütung und Heilung der Korpulenz im Auge behalten muss.“

William Banting: Offener Brief über Korpulenz, an das Gesamte Publikum gerichtet[8][3]

1862 begann Banting, der zu dieser Zeit fast 92 Kilogramm wog, mit einer speziellen kohlenhydratarmen Diät, zusammengestellt vom Londoner Arzt William Harvey.[9][10] Damit nahm er innerhalb eines Jahres angeblich 23 kg ab. Die Ernährung bestand vor allem aus Fleisch.

Angeregt durch die Ergebnisse der Ernährungsumstellung schrieb Banting seine Erfahrungen mit der Diät in einem kleinen Buch nieder, das er unter dem Titel Offener Brief über Korpulenz, an das Gesamte Publikum gerichtet[3] publizierte. Es wurde sofort ein Bestseller, war schnell ausverkauft, wurde nachgedruckt und kam auf über 63.000 verkaufte Exemplare.[4][5] Innerhalb von zwei Jahren hatte es die sechste Auflage erreicht.[10] Der Begriff „Bantingism“ und das Verb „to bant“ wurden in der englischen Sprache als Synonyme für die Wörter „Diät“ bzw. „Diät machen“ übernommen.[5][10] Da Banting und Harvey nicht auf Publicity aus waren, weigerte sich Banting in den ersten vier Auflagen des Buchs seinen Arzt zu nennen.[9]

Obwohl William Banting in den nachfolgenden Auflagen schrieb, dass er froh über die Gewichtsabnahme der Leser war, fühlte er sich unwohl mit dem kommerziellen Erfolg der Diät. Da er es als unethisch betrachtete, Geld mit dem Leid anderer zu verdienen, spendete er alle Profite für wohltätige Zwecke und stellte eine ausführliche Abrechnung in der letzten Auflage dar.[9][10][12]

Ende des 19. Jahrhunderts war die Diät unter dem Namen „Banting-Kur“ auch in Deutschland populär. In Meyers Konversationslexikon wurde sie als „neue Methode zur Heilung der übertriebenen Wohlbeleibtheit und der Fettsucht“ bezeichnet.[13]

Rezeption und Kritik

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Zeitgenössische Rezeption

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Obwohl das Publikum mit Begeisterung das Buch Bantings begrüßte, war die Diät in den medizinischen Kreisen sehr umstritten. Der Herausgeber von The Lancet lehnte die Banting Diät ab[12] und sagte, dass sie nur bekannte Informationen in medizinischen Kreisen wiederhole. Die Hauptursache für ihren Ärger war, dass William Banting kein Arzt war, und er wurde in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet abgemahnt: „Jeder seiner Art soll sich nicht in die medizinische Literatur einmischen, sondern sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.“[14]

Einige Zeitungen meldeten sogar kurz, dass William Banting nach der Diät starb. Diesen Zeitungsberichten aber widersprach Banting, der bis zum Alter von 81 Jahren lebendig und gesund blieb.[7][10][12] William Banting fotografierte sich in seinen alten, weiten Kleidungsstücken, um die Kritiker zu überzeugen, da es von ihm keine Fotografien mehr aus der Zeit vor der Diät gab, was es erschwerte diese von der Wirkung der Diät zu überzeugen.[7] Die Presse der Ära zog William Banting auf, mit Karikaturen und satirischen Lieder wie Mr. Double Stout.[10][15]

Ab 1864 wurde die Banting-Kur zuerst in Frankreich und Österreich-Ungarn, dann auch in deutschen Landen intensiv diskutiert. Anders als in England begrüßten die meisten Mediziner den Impuls Bantings. In der bürgerlichen Öffentlichkeit entwickelte sich insbesondere in den Großstädten 1865/66 eine „Manie“[16]. Auf Grundlage des Bestsellers „Korpulenz“ des Hallenser Mediziners Julius Vogel etablierten sich Diäten als Mittel der Körpermodellierung.[17] Ratgeberliteratur erschien, Ärzte und Sanatorien boten die Diät als Dienstleistung an, Banting-Produkte entstanden als Vorboten späterer Schlankheitspräparate. Auch in der Populärkultur fand die Banting-Kur großen Widerhall, insbesondere in Possen, in der Karikatur und in der Literatur.[18] Die Diät wurde bis in die frühen 1880er Jahre weiter praktiziert, verlor dann jedoch ihre Bedeutung an die Diäten von Wilhelm Ebstein, Max Joseph Oertel und Ernst Schweninger.

20. Jahrhundert

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  • Einige Autoren glauben, dass die Stigmatisierung Übergewichtiger erst im 20. Jahrhundert begann und dass Bantings Buch zu dieser Entwicklung beigetragen hat.[19][2] Banting betrachtete Fett als etwas Körperfremdes und Parasitäres.[4]
  • Nach Ansicht anderer, wie von Hamilton und Greenway, gelten die Arbeiten von William Banting als ein außergewöhnliches historisches Dokument.[20]
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Anmerkungen

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  1. Der Originaltitel auf Englisch war LETTER ON CORPULENCE, Addressed to the Public.

Einzelnachweise

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  1. D. Haslam: Obesity: a medical history. In: Obesity Reviews. Band 8, s1, 2007, S. 31–36, doi:10.1111/j.1467-789X.2007.00314.x (wiley.com).
  2. a b Sander L. Gilman: Diets and Dieting: A Cultural Encyclopedia. Routledge, 2008, ISBN 978-0-415-97420-2, S. 15 (amazon.co.uk).
  3. a b c Julius Vogel: Korpulenz, ihre Ursachen, Verhütung und Heilung durch einfache diätetische Mittel: mit Benutzung der Erfahrungen von William Banting. Ludwig Denicke, Leipzig (archive.org [PDF]).
  4. a b c Joyce L. Huff: Bodies out of bounds. University of California Press, 2001, ISBN 0-520-22585-6, A “Horror of Corpulence”, S. 40 (google.com).
  5. a b c The first diets in history? - The diets that time forgot. Channel 4, abgerufen am 26. Februar 2011.
  6. The Atkins economy – How to lose weight and make money with low carbohydrate diets. In: The Economist. The Economist Newspaper Limited, 14. August 2003, abgerufen am 26. Februar 2011.
  7. a b c Charlotte Edwardes, Duncan Abey: Mr Banting’s Old Diet Revolution. In: The Telegraph. Telegraph Media Group Limited, 14. September 2003, abgerufen am 26. Februar 2011.
  8. a b William Banting: Letter on Corpulence. 1869, archiviert vom Original am 28. Juli 2011; abgerufen am 17. August 2011.
  9. a b c William C. Roberts: Facts and ideas from anywhere. In: Baylor University Medical Center Proceedings. Band 13, Nr. 3, 2000, S. 304, PMC 1317063 (freier Volltext).
  10. a b c d e f g Legacy of a fat man. In: The Guardian. 20. September 2003, abgerufen am 26. Februar 2011.
  11. Christian Pfister, Kaspar Staub: Der alte Streit um die „richtige“ Diät. (PDF) In: Tabula 03/2006. sge-ssen.ch, 1. August 2006, S. 8–9, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 4. März 2011.@1@2Vorlage:Toter Link/www.sge-ssn.ch (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  12. a b c Elizabeth Lane Furdell: Fatal Thirst: Diabetes in Britain until Insulin. Brill, 2009, ISBN 978-90-04-17250-0, S. 131 (brill.nl).
  13. Bantingkur. In: Meyers Konversationslexikon. ca. 1890.
  14. 0. Conor Ward: Down’s 1864 report case of Prader-Willi syndrome: a follow-up report. In: Journal of the Royal Medical Society of Medicine. Band 90, 1997, S. 696, PMC 1296748 (freier Volltext).
  15. Christopher Gillberg, Gregory O’Brien: Developmental disability and behaviour. Cambridge University Press, 2000, ISBN 1-898683-18-2, S. 110 (google.com).
  16. Pulver und Pillen. In: Wiener Medizinische Wochenschrift. Band 15, 1865, S. Sp. 1055.
  17. Julius Vogel: Korpulenz. Ihre Ursachen, Verhütung und Heilung durch einfache diätetische Mittel. Mit Benutzung der Erfahrungen von William Banting. Ludwig Denicke, Leipzig 1864.
  18. Uwe Spiekermann: Die erste moderne Diät - William Bantings Kur gegen Korpulenz in Mitteleuropa. 30. März 2022, abgerufen am 3. April 2022.
  19. Lillian E. Craton: The Victorian Freak Show: The Significance of Disability and Physical Differences in 19th-Century Fiction. Cambria Press, 2009, ISBN 978-1-60497-653-3, S. 110 (google.com).
  20. M. Hamilton, F. Greenway: Evaluating commercial weight loss programmes: an evolution in outcomes research. In: Obesity Reviews. Band 5, Nr. 4, 2004, S. 217–232, PMID 15458396.