Ypern [ˈyːpɐn (niederländisch und westflämisch Ieper, französisch Ypres) ist eine Stadt in der Provinz Westflandern der Flämischen Gemeinschaft in der Region Flandern, Belgien. Ypern hat 35.039 Einwohner (1. Januar 2022). Zu Ypern gehören die Orte Boezinge, Brielen, Dikkebus, Elverdinge, Hollebeke, Sint-Jan, Vlamertinge, Voormezele, Zillebeke und Zuidschote.

Ypern
Ypern (Provinz Westflandern)
Ypern (Provinz Westflandern)
Ypern
Staat: Belgien Belgien
Region: Flandern
Provinz: Westflandern
Bezirk: Ypern
Koordinaten: 50° 51′ N, 2° 53′ OKoordinaten: 50° 51′ N, 2° 53′ O
Fläche: 130,61 km²
Einwohner: 35.039 (1. Jan. 2022)
Bevölkerungsdichte: 268 Einwohner je km²
Postleitzahl: 8900, 8902, 8904, 8906, 8908
Vorwahl: 057
Bürgermeister: Emmily Talpe
Adresse der
Kommunal-
verwaltung:
Stadhuis
Grote Markt 34
8900 IEPER
Website: www.ieper.be
Die Tuchhalle mit dem einbezogenen Belfried

Geschichte

Bearbeiten

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Bearbeiten

Balduin II. der Kahle (879–918) befestigte das zur Grafschaft Flandern gehörende Ypern zur Abwehr gegen die Normannen. Ypern gehörte im späten Mittelalter mit Gent und Brügge zu den bedeutendsten Städten Flanderns, war Mitglied der flämischen Hanse und insbesondere durch den Tuchhandel bedeutend geworden. Um das Jahr 1300 hatte Ypern etwa 20.000 Einwohner. Kurz danach war der Arzt und Verfasser eines chirurgische Lehrbuchs Jan Yperman (auch Jehan Yperman; † um 1330[1]) geschworener Wundarzt der Stadt und am Belle-Siechenhaus tätig.[2] 1559 bis 1801 war Ypern Bischofssitz.

20. Jahrhundert

Bearbeiten

Erster Weltkrieg

Bearbeiten

Im Ersten Weltkrieg (1914–1918) lag Ypern ab Herbst 1914 direkt an der Westfront.

Am 4. November 1914 ließ der deutsche General Berthold von Deimling ohne militärischen Grund und gegen die ausdrückliche Weisung seines Oberbefehlshabers Kronprinz Rupprecht von Bayern die berühmten mittelalterlichen Tuchhallen von Ypern in Schutt und Asche legen.

Ypern war stark umkämpft:

Deutsche Truppen versuchten mehrmals, die Stadt einzunehmen; dabei wurden sie (November 1914 und April 1915) zurückgeschlagen. Am 22. April 1915 setzten deutsche Truppen zum ersten Mal Chlorgas ein.

„London, 27. April. „Daily Chronicle“ meldet aus Nordfrankreich folgende Einzelheiten über die Anwendung giftiger Gase durch die Deutschen: Am 22. d. M. um 5 Uhr nachmittags sahen französische Soldaten in den vordersten Laufgräben zwischen Langemarck und Knocks [= Fort Knokke] dichten gelben Rauch aus den deutschen Schützengräben aufsteigen und sich langsam gegen die französischen Stellungen bewegen. Der Nordostwind bewirkte, daß der Rauch wie ein Teppich über die Erde breitete, die er in einer Höhe von 16 Fuß bedeckte. Die Deutschen wendeten starke Flaschen mit komprimiertem Gase an, die mit Hähnen versehen waren und geöffnet wurden, sobald der Wind auf die feindlichen Gräben stand. Die Anwendung von Gasen kam den Franzosen überraschend. Viele unter ihnen wurden vergiftet und starben. Einigen glückte es, zu entweichen, aber sie wurden kurz darauf ganz schwarz im Gesichte, husteten Blut und fielen tot um. Die Wirkungen des Gases wurden an der Front in einer Breite von sechs Kilometern und einer Tiefe von zwei Kilometern bemerkt. Eine Viertelstunde später rückten die Deutschen aus den Schützengräben vor, voran Soldaten mit Sicherheitshelmen, um sich zu vergewissern, ob sie die Luft atmen könnten. Da sich das Gas nunmehr verteilte, rückten große Scharen Deutscher vor.“

Meldung im Deutschen Volksblatt vom 28. April 1915[3]

Am 12. Juli 1917 testeten deutsche Truppen – wieder bei Ypern – erstmals Senfgas. Es wurde von vielen Soldaten auch Yperit genannt.[4] „Yperit“ ist in Frankreich bis heute auch ein Synonym für „Giftgas“.

Die Stadt wurde bis zum Ende des „Großen Krieges“ von den Alliierten gehalten; bei Ypern kämpften vor allem Soldaten aus dem Britischen Empire. Zur Erinnerung an dort bestattete Gefallene und daran, dass Ypern deutscher Besetzung standhielt, ertönt seit 1929 – mit Ausnahme der Zeit deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg – jeden Abend an der Gedenkstätte Menenpoort um Punkt acht Uhr The Last Post.[5]

Wiederaufbau

Bearbeiten

Nach dem Krieg wurde die stark zerstörte Stadt (trotz des Wunsches Winston Churchills, die Ruinen als Denkmal bestehen zu lassen) wieder aufgebaut. Die wichtigsten Bauten, wie die Stadtkirche und die Tuchhalle, wurden originalgetreu rekonstruiert, die meisten anderen Häuser aber ganz unabhängig von den Vorgängerbauten frei historisierend neu errichtet.[6] Historisches Bewusstsein und Erinnerungen haben seitdem viel Platz in der Geschichtsschreibung und Kultur der Stadt. In der Umgebung von Ypern befinden sich zahlreiche Soldatenfriedhöfe.

Ypern selbst ist von einem gigantischen Stollennetz durchzogen, das im Ersten Weltkrieg von Arbeitern angelegt und in Teilen erst 2009 wiederentdeckt wurde.[7]

Zweiter Weltkrieg

Bearbeiten

Im Zweiten Weltkrieg fanden im Gebiet um Ypern während des deutschen Westfeldzugs erneut schwere Kämpfe statt. Nach dem Rückzug der British Expeditionary Force nach Dünkirchen und nach der Kapitulation der belgischen Armee am 28. Mai 1940 wurde es am Folgetag kampflos von Truppen der Wehrmacht besetzt. Anfang Juni, noch während der Schlacht von Dünkirchen, besuchte Adolf Hitler Ypern und die umliegenden Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs auf einer Propagandareise.[8]

Ypern wurde im September 1944 von vorrückenden westalliierten Truppen befreit.

Gemeindegliederung

Bearbeiten
  • I – Ypern
  • II – Zillebeke
  • III – Hollebeke
  • IV – Voormezele
  • V – Dikkebus
  • VI – Vlamertinge
  • VII – Brielen
  • VIII – Elverdinge
  • IX – Zuidschote
  • X – Boezinge
  • XI – Sint-Jan
  • XII – Pilkem
 
Gemeindegliederung Ypern

Sehenswürdigkeiten

Bearbeiten

Wirtschaft

Bearbeiten

Die Stadt lebt vom Handel und vom Tourismus. Zudem haben sich kleine und mittlere Industrieunternehmen in Ypern angesiedelt.

Städtepartnerschaften

Bearbeiten

Persönlichkeiten

Bearbeiten

Sonstiges

Bearbeiten
  • Nach Ypern wurde die unterste geologische Stufe des Eozäns, das Ypresium, benannt.
  • Da Senfgas zum ersten Mal in Ypern eingesetzt wurde, erhielt der Kampfstoff den Namen Yperit.
  • Die kanadische Metal-Band Woods of Ypres nennt in ihrem Bandnamen Ypern, weil hier im Ersten Weltkrieg kanadische Soldaten kämpften.
  • Der 1992 entdeckte Asteroid (10120) Ypres wurde nach der Stadt benannt.
  • „Ypern“ ersetzte 1934 das Wort Ypsilon in der deutschen Buchstabiertafel.

Siehe auch

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten
Commons: Ypern – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 20.
  2. Gundolf Keil: Yperman, Jan (Jehan, Johan Y., Ieperman). In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, S. 1513–1514.
  3. Die ausgeräucherten Franzosen. In: Deutsches Volksblatt. 28. April 1915, S. 2 (ANNO – AustriaN Newspapers Online [abgerufen am 5. Mai 2020]).
  4. R. Hanslian: Der deutsche Gasangriff bei Ypern am 22. April 1915. Eine kriegsgeschichtliche Studie. Berlin: Verlag Gasschutz und Luftschutz, 1934
  5. Tobias Müller: Sechs Hörner gegen das Vergessen. In: Die Tageszeitung: taz. 9. November 2019, ISSN 0931-9085, S. 32–33 ePaper,Alle,Nord 34–35 Berlin ([1] [abgerufen am 11. November 2019]).
  6. Koen Baert: Ieper. De herrezen stad. De wederopbouw van Ieper na 1918. De Klaproos, Brugge 1998.
  7. spiegel.de 17. Februar 2009: Entdeckung in Ypern: In der Tunnelstadt der Weltkriegssoldaten
  8. The 1 June Visit to Flanders auf erenow.net, abgerufen am 30. Juli 2019.
  9. Klaus Schlupp: Ypern ist nicht nur erster Weltkrieg. grenzecho.net, abgerufen am 6. April 2019.
  10. ETOY - The Four-Trunked Survivor
  11. www.stgeorgesmemorialchurchypres.com Sie liegt nahe der Kathedrale (Ecke Elverdinghse Straat). Architekt: Reginald Blomfield
  12. Gundolf Keil: Yperman, Jan (Jehan, Johan Y., Ieperman). 2005
  13. Gundolf Keil: „blutken – bloedekijn“. Anmerkungen zur Ätiologie der Hyposphagma-Genese im ‚Pommersfelder schlesischen Augenbüchlein‘ (1. Drittel des 15. Jahrhunderts). Mit einer Übersicht über die augenheilkundlichen Texte des deutschen Mittelalters. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013, S. 7–175, hier: S. 23 f. und 32.
  14. Roger-A. Blondeau: Jan Yperman, vader van de Vlaamse heelkunde (ca. 1275–1331). Ypern 2005.
  15. Evert Cornelis van Leersum (Hrsg.): De cyrurgie van Meester Jan. Leiden 1912.