August Garlichs

Regierungsrat, Deichgraf

August Garlichs (* 19. Februar 1694 in Kniphausersiel; † 19. Oktober 1754 in Heppens) war Regierungsrat und Deichgraf im Jeverland. Er erstellte erstmals eine Karte der Deiche und sonstigen Schutzeinrichtungen der Region und wirkte am Grenzvergleich zwischen dem Fürsten von Anhalt-Zerbst und dem König von Dänemark mit.

Herkunft und Werdegang

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Garlichs war das einzige Kind von Diedrich (auch: Dietrich, Dierk) Garlichs (1651–1723), einem Landgutbesitzer, Kaufmann und Kirchenjurat in Fedderwarden, und dessen dritter Ehefrau Anna Maria von Lindern († 1694). Er war ein Halbbruder des Diedrich Garlichs (1679–1759) aus der ersten Ehe seines Vaters und wuchs auf dem elterlichen Hof auf, übernahm den Hof aber nicht, sondern studierte an der Universität Wittenberg unterstützt durch seinen wohlhabenden Halbbruder Rechtswissenschaften, promovierte bereits mit 21 Jahren[1] und wurde Regierungsrat im Dienste der Herrschaft Jever. Seit spätestens im Jahr 1718 wohnte er in Jever.[2][3]

Deichgraf

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Garlichs wurden dabei die Aufgaben eines Deichgrafs übertragen.[4] Als solcher leitete er mehrere Bedeichungen. Zeitgenossen beschrieben als Besonderheit, dass er diese Arbeiten regelmäßig vor Ort überwachte und den Zustand der Schutzanlagen in häufigen Inspektionsreisen erfasste und das Ergebnis dokumentierte.[5] Als Ergebnis seines Wissens verfasste er mit Unterstützung durch Albert Brahms 1730 erstmals einen „Deichband“ dieser Gegend,[6][7] eine Darstellung mitsamt Karten der Schutzeinrichtungen und detaillierten Verbesserungsvorschlägen für die einzelnen Deichabschnitte, von der es später hieß[8], dass sie

„nur in seltenen Manuscripten vorhanden ist, aber für jeden, der mit dem Deichwesen in näherer oder entfernterer Verbindung steht, von der größten Brauchbarkeit seyn soll“

Grenzvergleich

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Wie die Deichkarten, die Brahms in seinem Bereich anfertigte, war auch der durch Garlichs angefertigte „Deichband“ Grundlage für einen Grenzvergleich zwischen dem für die Herrschaft Jever zuständigen Fürsten von Anhalt-Zerbst und dem nördlich davon zuständigen König von Dänemark.[3] Nach jahrzehntelangen Verhandlungen, die immer wieder zwischenzeitliche Geländeverluste durch Ausdeichungen nach Sturmfluten wie der von den Jahren 1717 und 1721 und Geländegewinne durch Eindeichungen berücksichtigen mussten, wurde der „Hauptvergleich“ nach Verbesserung der Deiche schließlich 1743 ratifiziert. Namentlich auch „Deichinspektor Garlichs [machte] sich um diese Arbeiten besonders verdient“.[9]

Deicharbeiter-Aufstand im Sophiengroden

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Garlichs wird als entscheidende Figur in einem Aufstand (ostfriesisch „Laway“) von Deicharbeitern („Koyerern“) genannt, der im Sophiengroden an der Harlebucht stattgefunden haben soll und Vorlage zweier Schauspiel-Werke wurde: des Theaterstücks von Oswald Andrae (Erstaufführung Oldenburgisches Staatstheater 1983)[10][11] und des Musicals von Armin Tacke (Regie) und Sebastian Venus (Musik) (Erstaufführung 2005 open air bei Dangast)[12][13][14]

Der Aufstand fand tatsächlich und nach der Darstellung in diesen Stücken allerdings erstim Jahr 1765 statt, und die Verfasser räumen denn auch ein, dass die „Quellenlage nur dürftig gewesen“ sei. Richtig ist immerhin, dass auch zur Zeit von Garlichs der Deichbau für die Obrigkeit an der Küste ein einträgliches Geschäft war. Auf diese Art neu gewonnenes Land konnte an die Bauern teuer verpachtet werden. Während damals in Aurich und im Oldenburger Land vorwiegend Strafgefangene für den Bau der Deiche eingesetzt wurden, mussten im Jeverland meist einheimische Bauern als Tagelöhner die schwere Arbeit verrichten. Nicht selten starben sie an Malaria, Entkräftung und Hunger. Aber über Brahms, nicht Garlichs, beklagten sich deichpflichtige Bauern 1749 und 1750 bei der Regierung in Jever.[6] Und zwar wurden tatsächlich um 1765 an der Harlebucht größere Flächen durch Eindeichung dem Meer abgerungen – aber nicht der Sophiengroden, sondern der benachbarte Friedrichs- und der Friedrich-Augusten-Groden.[15] So fand auch der Streik von etwa 1800 Deicharbeitern auf dem Friedrich-August-Groden statt und wurde am 2. Juli 1765 durch Einsatz preußischer Soldaten aus Emden niedergeschlagen, wobei es aber keine Toten gab.[16] Beide Kunstwerke verknüpfen also hinsichtlich Zeit und Tätigkeit von Garlichs und Brahms historisch zutreffende Daten mit der künstlerischen Freiheit entspringenden Abweichungen.

Nachkommen

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Garlichs heiratete in erster Ehe im Jahr 1717 Helene Lucia Boycken, Tochter des Johann Siegmund Boycken, Bürgermeisters (1690–1692) von Jever, die 1724 verstarb. In zweiter Ehe heiratete er Icke Margret, Tochter eines Garlich Dirks, verwitwete von Harlem. Aus diesen Ehen entstammen mindestens drei Kinder, darunter Diedrich August, Antoinette Elisabeth (* 1719) und Johann Heino (* 4. März 1727). Letzterer wurde wie sein Vater Regierungsrat in Jever.[17] Der dritten Ehe entstammt Johanne Charlotte Louise (1739–1806). Sie war mit dem Amtsrichter und Konsistorialrat Johann Heinrich Große (1729–1781) verheiratet. Das Grabmal steht in Moorwarfen.[18] August Garlichs starb 1754 „bey Gelegenheit einer Deichinspectionsreise, in einem Häuptlingshause, nahe am Banterwierth, wo er plötzlich erkrankte und rasche endete“[3], also noch vor seinem deutlich älteren Halbbruder Diedrich, der ihn als Erben vorgesehen hatte.

Einzelnachweise

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  1. August Garlichs (Ievera Frisio) 1715: Dissertation De iure incerto ex dvbia legvm, qvibus vtimvr, auctoritate oriundo (Online in der Google-Buchsuche)
  2. August Garlichs In: Historien-Kalender – friesisches Jahrbuch. Jg. 1932, 1934. Derzeit Hajo Allmers (Hrsg.), Brune-Mettcker Druck- und Verlagsgesellschaft, Jever (PDF)
  3. a b c Hülfsverein für die Provinzialschule 1853: Beiträge zur Spezialgeschichte Jeverlands. 252 S., Verlag Mettcker (Online in der Google-Buchsuche)
  4. Friedrich-Wilhelm Schaer 1985: Stadtarchiv Jever, Akten des Stadtgerichts 16. Jh. bis Anfang 19. Jh., Teil 4, In: Ausgabe 23 von Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung. Verlag Holzberg, ISBN 3-8735-8232-5
  5. August Garlichs 1732: Beschreibung des Zustandes der Deiche und Siele in der Herrschaft Jever, Abschrift vom Original, Bibliothek des Mariengymnasiums Jever, Nr. 291, Bibl. XI Cb 24
  6. a b Hans Friedl: Albert Brahms. In: Hans Friedl u. a. (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg. Hrsg. im Auftrag der Oldenburgischen Landschaft. Isensee, Oldenburg 1992, ISBN 3-89442-135-5, S. 92 (online)
  7. August Garlichs 1730: Jeverischer Deichband oder Eine ausführliche Beschreibung des Zustandes der Deichen und Sielen [sic] der Herrschaft Jever, Abschrift vom Original, Bibliothek des Mariengymnasiums Jever, Nr. 288, Hs. Slg. Nr. 288
  8. Beiträge zur Spezialgeschichte Jeverlands. Mettcker, 1853, S. 83 (Online bei Google Books [abgerufen am 21. Januar 2021]).
  9. Karl Gottfried Böse 1863: Das Grossherzogthum Oldenburg: topographisch-statistische Beschreibung desselben. 808 S., Verlag Stalling (Online in der Google-Buchsuche
  10. Geschichtsatlas: Oswald Andraes Meisterwerk: Das Theaterstück „Laway – Aufstand der Deicher 1765“ (Memento vom 5. März 2016 im Internet Archive)
  11. Rolf Uphoff 1995: Die Deicher, 288 Seiten, Isensee Verlag, Oldenburg, ISBN 3-8959-8310-1 (DNB 946259860)
  12. Gelhart 2005: Der Deicher
  13. Wenn der Deich zum Wahn wird – das Dangaster Musical „Der Deicher“. In: www.nwzonline.de. Nordwestzeitung online, 22. Februar 2005, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 14. Juli 2024.@1@2Vorlage:Toter Link/www.nwzonline.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  14. Rezension des Musicals „Der Deicher“. In: www.nwzonline.de. Nordwestzeitung online, 16. Juni 2005, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 14. Juli 2024.@1@2Vorlage:Toter Link/www.nwzonline.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  15. Günther Büsing u. a. 2003: Geschichte der Landgewinnung an der Harlebucht, In: Harlebucht erfahren (PDF@1@2Vorlage:Toter Link/ruz-schortens.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2018. Suche in Webarchiven))
  16. Klaus Dede: An Weser und Jade – eine Regionalgeschichte. [1]
  17. Im Jahr 1763 erlebte Jever eine Festlichkeit und Illumination wie nie zuvor und danach, In: Historien-Kalender – friesisches Jahrbuch, Jg. 1983, S. 38–48.
  18. Antje Sander: Der Tod, Sepulkralkultur in Friesland vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Isensee, Oldenburg 2012, ISBN 978-3-89995-881-2. Seiten 165 bis 173.