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Glaskunst sind Gegensstände aus Glas, die nicht primär für eine Verwendung als Gebrauchsgegenstände hergestellt werden. Da die Glasherstellung anfangs – aufgrund der aufwändigen, manuellen Arbeitsschritte – mit hohen Kosten verbunden war, sind fast alle frühen Glasgegenstände auch Glaskunst, die vom Glaskunsthandwerk in Handarbeit produziert wurden. Erst als der Herstellungsprozess durch größere Glasmanufakturen und später im industriellen Maßstab durch Fabriken günstiger wurde, wurde eine Nutzung von Glasgebrauchsgegenständen für nahezu jeden möglich.

Geschichte der Glasherstellung

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Frühzeit und Antike

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Eine Messerklinge aus dem natürlichen Glas Obsidian
 
Glaskelch Thutmosis' III., ältestes sicher zu datierendes Glasgefäß der Welt (Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München)
 
Römisches Tropffläschchen in Form eines Gladiatorhelms, 1. Jahrhundert n. Chr. (Römisch-Germanisches Museum, Köln)
 
Fundort „Thermengasse“ im römischen Vicus Turicum (Zürich): Reste von Fensterglas aus den Thermen
 
Salbölfläschen aus dem römischen Vicus Turicum

Natürliches Glas wie Obsidian wurde wegen seiner großen Härte und des scharfen Bruchs seit frühester Zeit für Werkzeuge wie Keile, Klingen, Schaber und Bohrer benutzt. Obsidian kann jedoch – anders als künstlich hergestelltes Glas – mit antiken Mitteln nicht geschmolzen oder gefärbt werden.

Ob die Glasherstellung in Mesopotamien, in Ägypten oder an der Levanteküste erfunden wurde, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Die ältesten regelmäßig auftretenden Glasfunde stammen aus Mesopotamien; ägyptische Quellen deuten für die Anfangsphase der Glasnutzung in Ägypten auf einen Import aus dem Osten hin. Die älteste textliche Erwähnung stammt aus Ugarit und wird auf etwa 1600 v. Chr. datiert. Als älteste Funde gelten die Nuzi-Perlen. Das älteste sicher zu datierende Glasgefäß ist ein Kelch, der den Namen des ägyptischen Pharaos Thutmosis III. trägt und um 1450 v. Chr. entstand. Der Kelch befindet sich heute im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München.

Glas wurde in Ägypten seit etwa 1450 v. Chr. zu Gefäßen verarbeitet (siehe unten). Der Herstellungsort dieses frühesten Glases ist allerdings unbekannt, er wird in Theben vermutet, dem heutigen Luxor. Die bekannteste Verarbeitungstechnik beruht auf dem Herstellen von Hohlgefäßen durch das Wickeln von erweichten Glasstäbchen um einen porösen Keramikkern, der anschließend herausgekratzt wurde. Die besten Funde hierzu liegen aus den Grabungen von Flinders Petrie aus Amarna vor. Die bislang einzige bekannte bronzezeitliche Glashütte, in der Glas aus seinen Rohstoffen hergestellt wurde, datiert in die Ramessidenzeit und wurde Ende der 1990er Jahre bei Grabungen des Roemer- und Pelizaeus-Museums (Hildesheim) unter der Leitung von Edgar Pusch im östlichen Nil-Delta in Qantir-Piramesse gefunden. Untersuchungen gaben Aufschluss über das Schmelzverfahren. So wurde Quarzgestein zerkleinert, mit sodahaltiger Pflanzenasche vermengt, in einen Krug gefüllt und bei vielleicht 800 °C zu einer Fritte geschmolzen. Diese Fritte wurde nach dem Abkühlen vermutlich zerkleinert und in einer zweiten Schmelze in speziell hergestellten Tiegeln bei 900 bis 1100 °C zu einem 8 bis 10 cm hohen Barren mit 10 bis 14 cm Durchmesser geschmolzen. Das Glas wurde dabei durch Beimischen von Metall-Oxiden schwarz, violett, blau, grün, rot, gelb oder weiß gefärbt. Ein konkreter Zusammenhang von Glasherstellung und Metallgewinnung ist trotz der ähnlichen Temperaturen nicht nachzuweisen. Das gefärbte Rohglas wurde in Barrenform an die weiterverarbeitenden Werkstätten geliefert, die daraus monochrome und polychrome Objekte herstellten. Solche Glasbarren wurden im Schiffswrack von Uluburun nahe dem türkischen Bodrum gefunden, das auf das 14. Jahrhundert v. Chr. datiert ist. Die erste bekannte Rezeptur ist aus der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal überliefert, die auf ca. 650 v. Chr. datiert wird: Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide und du erhältst Glas. Zu dieser Zeit wurde schon wesentlich mehr Glas verarbeitet, und es entwickelte sich eine neue Glasschmelztechnik.

Plinius der Ältere beschreibt in der Historia naturalis die Herstellung des Glases. Chemische Analysen und Erkenntnisse der experimentellen Archäologie haben Plinius in vielen Fragen bestätigt. Zur Römerzeit wurde Glas mit Flusssand und Natron aus Ägypten geschmolzen. Das ägyptische Natron wurde am Wadi Natrun, einem natürlichen Natronsee in Nord-Ägypten, abgebaut und über Alexandria von den Phöniziern in den Mittelmeerraum exportiert. Dieses war verhältnismäßig rein und enthielt mehr als 40 % Natriumoxid (die Angabe wurde wie in der Petrologie üblich auf das Oxid bezogen, faktisch liegt aber Natriumcarbonat vor) und bis zu 4 % Kalk. Die Zusammensetzung machte es zu einem idealen Schmelzmittel. Plinius schreibt weiter von Glassandlagern in Italien, Hispanien und Gallien, aber an keiner dieser Stätten entwickelte sich eine so bedeutende Glasherstellung wie an der palästinischen Küste zwischen Akkon und Tyros sowie in den ägyptischen Glashütten rund um den Wadi Natrun bei Alexandria.

Kaiser Diokletian legte 301 die Preise für eine ganze Reihe von Produkten fest, unter anderem für Rohglas. Unterschieden wurde judaicum und alexandrium, wobei Letzteres teurer und wahrscheinlich entfärbtes Glas war. Zu dieser Zeit war die Glasproduktion im Wesentlichen noch immer in Primär- und Sekundärwerkstätten gegliedert. In den Primärwerkstätten wurde in großen Schmelzwannen Rohglas geschmolzen, das dann an die Sekundärwerkstätten geliefert wurde, wo es in Tiegeln eingeschmolzen und verarbeitet wurde. In Bet Eli’ezer im heutigen Israel wurden 17 Glasschmelzwannen freigelegt, die jeweils 2 × 4 m groß sind. Nachdem das Gemenge in die Wanne eingelegt worden war, wurde der Ofen zugemauert und 10 bis 15 Tage lang befeuert. Acht bis neun Tonnen blaues bzw. grünes Rohglas wurden so in nur einem Arbeitsgang erschmolzen. Nach dem Feuerungsstopp und dem Abkühlen wurde das Gewölbe des Ofens abgetragen, der Glasblock herausgestemmt und das Rohglas zur weiteren Verarbeitung versandt. Ein Schiffswrack aus dem 3. Jahrhundert, das an der südfranzösischen Küste gefunden wurde, hatte mehr als drei Tonnen Rohglas geladen. In Ägypten wurden Rohglashütten gefunden, die bis ins 10. Jahrhundert reichten. Die Ägypter benutzten Antimon zur Entfärbung, konnten also farbloses, durchsichtiges Glas herstellen.

Die Sekundärglashütten waren im ganzen Römischen Reich verbreitet und stellten Hohlglas, Flachglas und Mosaiksteine her. Das Rohglas wurde in einem Tiegel eingeschmolzen und mit der Pfeife im zähflüssigen Zustand aus dem Ofen genommen und verarbeitet. An der Pfeife konnte das Glas aufgeblasen werden, was die Herstellung von größeren Gefäßen und neuen Formen ermöglichte. Wurde bis dahin Glas für Perlen, Parfümfläschchen und Trinkschalen verwendet, verbreitete sich im Römischen Reich vor allem Behälterglas – im Gegensatz zu den üblichen Ton-, Holz-, Metall- oder Lederbehältnissen ist Glas geschmacksneutral – sowie Karaffen zum Kredenzen und in der Spätantike auch Trinkgläser. Erste Fenstergläser fanden sich in Aix-en-Provence und Herculaneum. Die Funde haben Größen von bis zu 80 × 80 cm. Allerdings erwähnt keine schriftliche Überlieferung das Herstellungsverfahren. Für das frühe, dickwandige und einseitig matte Fensterglas gibt es in der Fachwelt unterschiedliche Auffassungen zu dessen Herstellung. Einerseits wird eine manuelle Strecktechnik[1] in Betracht gezogen, zum Anderen wird von einem Gussverfahren [2] für dessen Herstellung ausgegangen. Für das ab dem 2. Jh. n. Chr. aufkommende, dünnwandige und beidseitig klare Fensterglas ist das Zylinderblasverfahren wahrscheinlich.

Glasarmringe sind eine typische Schmuckform, die neben gläsernen Fingerringen und Ringperlen zur mittleren La-Tène-Zeit im keltischen Mitteleuropa als Frauenschmuck aufkommt und als Grabbeigabe gefunden wird.

Mittelalter und Neuzeit

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Glasbläser. Aus: Hrabanus Maurus, De universo, illustrierte Handschrift (1023), Kloster Montecassino (cod. 132)[3]

Im frühen Mittelalter stellten die Germanen überall dort, wo die Römer sich zurückgezogen hatten, Glas her, das nahtlos an die schon germanisierte spätantike Formensprache anschließt. Man geht heute davon aus, dass für das fränkische Glas noch vorhandene römische Gläser wiederverwertet wurden.

Waldglas

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Mit De diversis artibus des Benediktinermönches Theophilus Presbyter steht uns erstmals eine längere schriftliche Quelle zur Verfügung, die die Glasherstellung, das Blasen von Flachglas und Hohlglas sowie die Ofentechnologie beschreibt. Theophilus, der wahrscheinlich in Konstantinopel war, vermischte Asche von getrocknetem Buchenholz mit gesiebtem Flusssand im Verhältnis 2:1 und trocknete dieses Gemenge im Ofen unter ständigem Rühren, so dass es nicht schmelzen oder verkleben konnte, einen Tag und eine Nacht. Danach wurde diese Fritte in einen Tiegel gefüllt und in einer Nacht unter starker Hitze zu Glas geschmolzen.

Dieser am Anfang des 12. Jahrhunderts wohl in Köln entstandene Text bildet vielleicht die Grundlage für die Kirchenfenster der Gotik und auch für das Waldglas. Die Pflanzenasche mit allen Verunreinigungen lieferte auch einen Teil des Kalks, der für die Herstellung guten Glases nötig war. Um die enorme Menge an Holz, die für die Befeuerung der Öfen und für die Aschegewinnung nötig war, nicht über lange Wege befördern zu müssen, wurden die Glashütten in abgelegenen Waldgebieten angelegt. Diese Waldglashütten stellten überwiegend Glas her, welches durch Eisenoxid (aus verunreinigtem Sand) grünlich verfärbt war.

In Georgius Agricolas De re metallica gibt es eine kurze Beschreibung der Glaskunst. Er hat von 1524 bis 1527 in Venedig gelebt und wohl die Insel Murano besuchen dürfen, was die detaillierten Beschreibungen der Öfen vermuten lassen.

Als Rohstoff sind durchsichtige Steine genannt, also Bergkristall und „weiße Steine“, also Marmor, die im Feuer gebrannt, im Pochwerk zu grobem Griss zerstoßen und danach gesiebt werden. Weiter führt er Kochsalz, Magnetstein und Soda an. Kochsalz und Magnetstein werden von späteren Autoren als unnütz verworfen. Marmor und Soda gab es in Altare und in Mailand; sie sind in Deutschland nicht zu erhalten. Einzig eine Andeutung „salz das aus laugen dargestellt wird“ weist auf ein venezianisches Geheimnis hin.

Die Glasschmelzöfen der Waldglashütten und Venedigs waren Hafenöfen, eiförmige Konstruktionen mit 3 Meter Durchmesser und bis zu 3 Meter Höhe, gemauert aus mit gebrannter Schamotte versetzten Lehmziegeln. Im unteren Stock lag der Befeuerungsraum mit ein oder zwei halbrunden Öffnungen für den Holzeinwurf. In der Mitte schlugen die Flammen durch eine große runde Öffnung in den zweiten Stock, in dem die Häfen standen. Dieser etwa 1,20 Meter hohe Raum war rundum mit 20 × 20 cm großen Ofentoren versehen, durch die das Gemenge eingelegt und das Glas entnommen werden konnte. Im Obergeschoss, das durch eine kleine Öffnung mit dem Schmelzraum verbunden war, lag der Kühlofen, der nur 400 °C heiß war. Der Kühlofen war mit einer kleinen Öffnung versehen, durch die fertige Werkstücke eingetragen wurden. Am Abend wurde das Loch zwischen Schmelzraum und Kühlraum mit einem Stein verschlossen, so dass das Glas über Nacht abkühlen konnte.

Am Anfang der venezianischen Glastradition steht wohl der Handel mit byzantinischen Glaserzeugnissen, die schon im 10. Jahrhundert importiert und nach ganz Europa exportiert wurden. Erste Glasmacher finden sich in den Registern des 11. Jahrhunderts. Sie werden phiolarius („Flaschner“) genannt. Ein an der Südküste der Türkei havariertes Handelsschiff, das um 1025 gesunken ist, transportierte nicht weniger als drei Tonnen Rohglas, das aus Caesarea in Palästina stammte. Ob es für Venedig bestimmt war, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ist aber naheliegend. Bis 1295 werden alle Glasmacher auf der Insel Murano angesiedelt und ihre Reisefreiheit per Gesetz eingeschränkt. Auf dieser von der Welt abgeschnittenen Insel konnte Angelo Barovier Mitte des 15. Jahrhunderts das Geheimnis der Glasentfärbung lüften und erstmals ungetrübtes, klar durchsichtiges Glas in Europa herstellen. Das crystallo, ein Soda-Kalk-Glas, das mit Manganoxid entfärbt war, sollte den Weltruhm des venezianischen Glases begründen. Die Soda wurde aus der Levante oder Alexandria importiert, ausgelaugt und versiedet, bis ein reines Salz entstand. Als Sand wurde ein reiner Glassand aus dem Ticino oder gebrannter Marmor verwendet. Die Manganerze wurden wahrscheinlich von reisenden Erzsuchern aus Deutschland beschafft, die dort als Walen oder Venediger bekannt waren. Eine weitere venezianische Wiederentdeckung ist das lattimo (Milchglas), ein opakes weißes Glas, das mit Zinndioxid und Knochenasche getrübt war und das chinesische Porzellan nachahmte.

Viele neue Techniken wurden entwickelt, insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert. Den Höhepunkt erreichte die Branche in den 1950er und 1960er Jahren. Berühmte Techniken aus dieser Zeit sind zum Beispiel: Anse Volante, Battuto, Canna, Colorazione a caldo senza fusione, Fenicio, Incamiciato, Murrina, Oriente, Pezzato, Pulegoso, Scavo, Siderale, Sommerso, Tessuto. Muranoglas gilt heute als begehrtes Sammlerobjekt. Es werden teilweise sehr hohe Summen für seltene und besondere Stücke bezahlt. Berühmte historische Glasmanufakturen sind zum Beispiel Venini & C., Pauly & C., Barovier & Toso, Seguso Vetri d’Arte. Einige dieser Manufakturen bestehen noch heute.

Glasperlen

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Die Glasperlen wurden zu einer begehrten Handelsware und breiteten sich schnell über ganz Europa aus. Über Jahrhunderte waren Glasperlen ein beliebtes Zahlungsmittel im Tauschhandel mit Gold, Elfenbein, Seide und Gewürzen. Seit einigen Jahren sind die bunten Kunstwerke begehrte Objekte für Sammler.

Glasperlen aus Venedig sind die bekanntesten und begehrtesten Perlen der Welt. Venezianische Glaskünstler haben während mehrerer Jahrhunderte Perlenhersteller auf der ganzen Welt beeinflusst. Dort werden die Glasperlen über offener Flamme hergestellt. Es ist ein sehr zeitaufwendiges Verfahren, da jede Perle einzeln gefertigt wird.

Ein Glasstab wird unter der Verwendung einer Lötlampe bis zum Schmelzen erhitzt und um einen Metallstab gewickelt, bis die gewünschte Perlenform erreicht wird. Auf diese Grundperle können nach und nach weitere Glasfarben aufgeschmolzen werden und unterschiedliche Dekorationselemente, wie dünne Glasfäden oder hauchdünne Glasplättchen (Confettis), aufgebracht werden. Dann wird die Perle sehr langsam abgekühlt und von der Stange entfernt, wodurch ein Loch entsteht, durch das die Perle später aufgefädelt werden kann. Diese Perlen nennt man Wickelperlen.

Hohlglas

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Hohlglasproduktion um 1910: Der Tropfen wird in einer Form zur Flasche geblasen
 
Die Owens-AR-Maschine von 1912 in Karussellform
 
Hitzebeständiges Glas (Jenaer Glas), hier für Teegeschirr.

Im frühen 19. Jahrhundert wurden neue mechanische Hilfsmittel zum Blasen der Gläser benutzt. Es wurden Formen benutzt, die ein zu erzeugendes Relief als Negativ aufwiesen. Durch den Blasdruck wird das Glas an die Form gedrückt und das Werkstück erhält so seine Gestalt. Allerdings ist die Lungenkraft des Glasmachers nicht ausreichend hoch für tiefere Reliefs, so dass mechanische Hilfsmittel eingeführt wurden. Durch den Einsatz von Luftpumpen wurde genügend Druck erzielt.[4]

Eine weitere Neuerung in der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Einführung von Metallformen. Erstmals 1847 ersetzten die von Joseph Magoun entwickelten Formen die alten aus Holz, was deren Haltbarkeit beträchtlich erhöhte.

Die erste halbautomatische Flaschenblasmaschine wurde 1859 von den Briten Alexander Mein und Howard M. Ashley in Pittsburg entwickelt. Doch noch immer waren manuelle Arbeitsschritte vonnöten. [5]

Ein Meilenstein war die 1903 von Michael Joseph Owens eingeführte Owens-Maschine als erste vollautomatische Glasmaschine überhaupt. In einem in der Schmelze eingetauchten Speiser wird ein Vakuum erzeugt und so die benötigte schmelzflüssige Glasmenge exakt aufgenommen. Der Arm des Speisers schwenkt zurück und drückt den Tropfen in die Form. Mit Pressluft wird der Tropfen in die Metallform geblasen und das Werkstück erhält seine endgültige Gestalt. Diese Technik nennt man Saug-Blas-Verfahren. Mit dieser Technik war es möglich, die zu dieser Zeit enorme Menge von vier Flaschen pro Minute zu produzieren. [6]

Trotz dieser Errungenschaft blieben maschinell geblasene Flaschen noch viele Jahre schwerer als mundgeblasene. Um die Glasmacher zu übertreffen, mussten die Maschinen noch sehr viel genauer arbeiten. So ist auch zu erklären, dass die verschiedenen Produktionsverfahren noch lange parallel betrieben wurden.

Wesentliche Verbesserungen der Tropfenentnahme durch den Tropfenspeiser von Karl E. Pfeiffer im Jahre 1911 führten ebenfalls zu einer Steigerung der Produktivität. Die Portionierung der Glasmasse erfolgte nicht mehr durch abschöpfen oder saugen einer Menge Glas von der blanken Schmelzoberfläche, sondern indem ein Tropfen durch eine Öffnung am Ende des Feeders (Speiserkanals) tropft. Durch die genauer mögliche Dosierung der Glasmenge konnten gleichmäßigere Flaschen gefertigt werden.

1924 wird die IS-Maschine von den Namensgebern Ingle und Smith patentiert, die erste industrielle Anwendung folgt wenige Jahre später. Diese Maschine, die die Vorteile des Tropfen-Verfahrens erst richtig nutzt, arbeitet nach dem Blas-Blas-Verfahren. Ein Tropfen wird in eine Metallform geleitet und vorgeblasen. Der vorgeformte Tropfen wird in eine zweite Form geschwenkt, in der das Werkstück fertig geblasen wird.

Erste Anwendungen des neuen Verfahrens folgten wenige Jahre später. Die erste Maschine von 1927 hatte vier Stationen: Ein Feeder beschickte eine Maschine und diese konnte parallel vier Flaschen fertigen [7]. Das Prinzip des Blas-Blas-Verfahrens ist auch heute noch in der Massenfabrikation gültig.

Kunsthandwerk und Glaskunst

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Alte Gläser. Aus: Meyers Großes Konversationslexikon, 6. Auflage (1907), Band 8, Stichwort: Glaskunstindustrie
 
Methoden für mund-/handgefertigte Gläser (v. l. n. r.): Bleiverglasen, Sandstrahlen, Fusing/Auflamieren, Beleuchten, Bemalen, Biegen, Ätzen

Ägypten

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Das Glashandwerk im pharaonischen Ägypten lässt sich bis an den Beginn der 18. Dynastie zurückverfolgen; zunächst handelt es sich dabei um Kleinfunde wie Perlen, Amulette oder Kettenglieder sowie farbigen Einlagen in den typischen ägyptischen Schmuckobjekten (z. B. Pektorale). Diese sind meist in Türkis oder Dunkelblau gehalten, da sie solche Objekte aus Lapislazuli oder Türkis imitieren sollten[8]; dies galt nicht als „billiger Schmuck“, sondern die Imitation dieser edlen, hoch machtgeladenen Steine galt als besondere „Kunst“. Das Verfahren war für die damalige Zeit sehr aufwändig und man arbeitete solche Kleinfunde aus Rohglasstücken, ganz und gar vergleichbar mit solchen aus Stein. Dafür spricht auch, dass ein ägyptisches Wort für „Glas“ so nicht existierte; man nannte es „künstlichen Lapislazuli“ bzw. „künstlichen Türkis“ im Gegensatz zum „wahren/echten Türkis bzw. Lapislazuli. In der Ersten ägyptischen Glaskunstblüte (18. bis 20. Dynastie) treten sogenannte stabgeformte Gefäße auf (man nennt sie auch kerngeformt, nach der sog. Sandkerntechnik), die auf Vorbilder zeitgenössischer Gefäße, insbesondere solchen aus Stein, zurückgehen[9]. Typische Formen ägyptischer Glasgefäße sind Lotoskelchbecher, Granatapfelgefäße, Krateriskoi und Schminkgefäße wie Kohltöpfe und Kohlpalmsäulchen (für schwarze Augenschminke, sprich „kochel“). Seit Thutmosis III., aus dessen Regierungszeit auch die ältesten Hohlglasfunde stammen, treten auch Importgefäßformen aus dem Mittelmeergebiet hinzu (z. B. Amphoriskoi, Linsenflasche, Henkelflasche, Bilbils und andere Sonderformen); diese werden allgemein in das Spektrum der Gefäßformen eingeführt und betreffen somit auch Gefäßformen aus Keramik und Fayence beispielsweise. Die älteren kerngeformten Gefäße (etwa in der Zeit Thutmosis' III. bis Amenophis III.) sind meistens türkis bis kräftig blau (wie der echte Türkis und Lapislazuli, denn Glas galt als Imitation dieser edlen Steine). Später, besonders in der Ramessidenzeit, werden Gläser in hellen, kräftigen Farben wie Gelb und Grün, Weiß aber auch Braun beliebt[10]. Als Dekor sieht man Fadenverzierungen in Zickzack- oder Girlandenform in Gelb, Weiß, und Hellblau sowie tordierte Fäden im Hell-Dunkel-Kontrast, manchmal werden sie auch monochrom belassen und nur die Henkel oder Schulterumbrüche durch Fadenzier betont. Die ägyptischen Glasgefäße dienten der Aufbewahrung von Kosmetika wie Salben, Ölen, Parfümen und Augenschminke. Das stark gefärbte, undurchsichtige Glas wirkte konservierend.

In der Spätzeit (ab der 3. Zwischenzeit bis zur Griechischen Epoche) bleibt das Hohlglashandwerk unterrepräsentiert. Gelegentlich sind Hohlgläser, weiterhin in Form von kleinen Salbgefäßen überliefert, diese sind meist unverziert. Dagegen sind Glaseinlagen in Schmuck oder Figuren nicht selten und werden wie zuvor, den Edelsteinen gleichrangig behandelt. In der hellenistischen Zeit gewinnt die Glasproduktion wieder an Bedeutung, auch in Ägypten. Zusammen mit neuen Herstellungstechniken eine völlig neue Formenwelt auf, ist aber nicht für Ägypten, sondern eher zeittypisch. Bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. hatte sich Rhodos als wichtiges Zentrum der Glasherstellung etabliert. Neben Intarsien und Perlen finden wir nun vielfarbige Mosaikschalen und die Gefäße der „Canossa-Gruppe“.

Römisches Reich

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Im 1. Jahrhundert stieg die Glasproduktion derart, dass das vormals rare und teure Material für weite Kreise erschwinglich wurde. Eine umfangreiche Produktion von Trinkgefäßen, Krügen, Schalen und Tellern setzte ein, anfangs meist manuell geformt oder abgesenkt, dann zunehmend mundgeblasen. Eine Vielzahl hochwertiger Spezialgläser beweist handwerkliche Meisterschaft, so die Mosaik-Fadengläser, Kameogläser, Goldfoliengläser, Gläser mit Emailmalerei und besonders die Diatretgläser, meist glockenförmige, prunkvolle Leuchtgefäße in Netzglastechnik, die bis heute wegen ihrer künstlerischen Qualität bewundert werden. Eines der berühmtesten römischen Gläser ist der im Besitz des Britischen Museums befindliche Lykurgosbecher[11] aus dem 4. Jahrhundert, an dem eine dreidimensionale figurative Darstellung angebracht ist, die im Gegenlicht rot und im Auflicht opak-gelbgrün erscheint.

Venezianisches Glas

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Venedig wurde ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts für sein farbloses, dünnwandiges und fein elaboriertes cristallo bekannt. Aus der Zeit davor ist nichts, aus dem 16. und 17. Jahrhundert nur noch wenig erhalten. Über die Variationsbreite der venezianischen Renaissance-Gläser, ihre Formen und Dekore geben vor allem niederländische und flämische Stillleben Auskunft. Es handelt sich größtenteils um Becher, Schalen, Kannen und Flaschen, die aus hohl geblasenen Balustern zusammengesetzte Schäfte mit flachen Füßen hatten. Diese Schäfte wurden in der Folgezeit immer ausgeklügelter, Flügel wurden in phantasievollen Ornamenten und figürlichen Dekorationen angesetzt, manchmal war auch der Schaft in figürlicher, beispielsweise in Tiergestalt ausgeführt.

Für die Wandung gab es besondere Veredelungstechniken. Beim sogenannten Eisglas, hergestellt durch Abschrecken in eiskaltem Wasser oder durch Rollen über kleine Splitter, wird auf der Oberfläche ein Effekt wie bei einem durch Eisblumen überzogenen Fensterglas erzielt. Beim Faden- oder Netzglas (it. latticinio / vetro a filigrano / reticella) - wurden Milchglas-Fäden in die klare Glasmasse eingeschmolzen und durch Drehen so verwoben, dass ein faden- bzw. netzartiges Muster entstand. Diese Technik war in Ansätzen schon in der Antike bekannt.

Als Glas à la façon de Venise fand der venezianische Stil trotz aller Versuche der Republik Venedig, ihre Kunst geheim zu halten, Zugang in die Länder nördlich der Alpen.

Schmucktechniken im Barock und Rokoko

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Barockes Schnittglas vornehmlich aus Böhmen und Schlesien, aber auch Nürnberg, Brandenburg und Sachsen, seltener Thüringen, Hessen, Norddeutschland und den Niederlanden lief ab dem 18. Jahrhundert venezianischem Glas den Rang ab, da deren Glas für den Glasschnitt und Glasschliff aufgrund seiner Dünnwandigkeit nicht geeignet war.

Die Formen mit Fuß, Baluster-Schaft und dünnwandiger Kuppa ähnelten dem farblosen venezianischen Glas, jedoch ohne Flügel und wiesen eine stärkere Wandung auf. In Potsdam, Schlesien, Böhmen, Kassel und anderen Gebieten experimentierte man mit den Rezepten von Glas, um eine Masse herzustellen, die den Schliff und Schnitt erlaubte. Die Themen des Schnittes waren vielseitig. Jagdszenen waren häufig, Landschaften, aber auch allegorische Figuren mit Beischriften, Blumen- und Blattornamente sowie zeitgenössische Persönlichkeiten und Schlachtenszenen.

Bereits im 17. Jahrhundert signierten Glasschneider vereinzelt ihre Werke und auch aus dem 18. Jahrhundert sind Glasschneider bekannt, etwa: Christian Gottfried Schneider und Friedrich Winter prägten den Glasschnitt Schlesiens wie Martin Winter und Gottfried Spiller denjenigen von Potsdam, Johann Christoph Kießling arbeitete für August den Starken, Franz Gondelach stand im Dienst des Landgrafen Carl von Hessen und David Wolff arbeitete in den Niederlanden.

Gelegentlich weisen die barocken Schnittgläser Vergoldungen an Fuß, Schaft oder am Lippenrand auf. Im 18. Jahrhundert waren auch die sogenannten Zwischengoldgläser beliebt. Für deren Herstellung wurden zwei Gläser verwendet, wobei eines passgenau in das Zweite, daher größere Glas, passte. Auf die Außenwand des inneren Glases wurde eine Goldfolie aufgelegt und mit einer Radiernadel Motive darin eingeritzt. Dann wurde es in das zweite Glas eingepasst und weiterverarbeitet.

Von der Porzellanmalerei her kommt die Technik der Schwarzlotmalerei, die in anderem Zusammenhang indes bereits im Mittelalter bekannt war. Johann Schaper und Ignaz Preissler prägten diese Kunst in Nürnberg und Schlesien, Böhmen und Sachsen.

Eine rurale Veredelungstechnik barocken Glases ist die Emailmalerei. Sie findet sich vor allem an Gebrauchsglas in ländlichen Gegenden (z. B. Bierhumpen der Schützenvereine und Schnapsflaschen). Passend zur Provenienz sind die Motive: Bauer mit Vieh und Ackergerät, Wirtshausszenen, Spielkarten, Sinnsprüche. In Böhmen entsteht die Emailmalerei auch auf opakem Milchglas, was diese Technik in die Nähe der Porzellanmalerei rückt.

Biedermeierglas

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Freundschaftsbecher, Mitte 19. Jahrhundert

Die Engländer übernahmen im 18. Jahrhundert die Arten und Formen der böhmischen Gläser und beherrschten mit Hilfe der Reinheit ihres Bleikristalls, dessen hervorragenden lichtbrechenden Eigenschaften durch den Brillantschliff wirkungsvoll zur Geltung kamen, Anfang des 19. Jahrhunderts schließlich den zu der Zeit von klassizistischen Geschmacksvorstellungen geprägten Markt. Um den Vorsprung der Engländer wettzumachen, bemühten sich die böhmischen Glasfabrikanten um größere Reinheit ihres bleifreien Kristallglases. Zugleich nutzen sie alle Möglichkeiten des Musterschliffes für abwechslungsreiche Dekore und versuchten vor allem auch, billiger zu produzieren. Das Ergebnis dieser Anstrengungen lässt sich an den meisterlich geschliffenen Biedermeiergläsern ablesen, die heute als bewundernswerte Beispiele kunsthandwerklichen Glasschliffs gelten.

In den 1830ern erreichte der Biedermeierstil seinen Höhepunkt. Um Produktion und Absatz auszuweiten, bereicherten die Glashütten nach 1840 ihr Angebot mit dem neuentwickelten Farbglas und verdrängten damit das farblose Glas mehr und mehr vom Markt. Besonders die nordböhmischen Glashütten gestalteten ihre Gläser in immer wirkungsvollerer Farbigkeit. Im Zuge dieser Entwicklung verlor jedoch der Glasschliff gegenüber der Buntheit der Dekore an Bedeutung, Form und Schliff wurden nicht zuletzt aus Kostengründen zunehmend einfacher.

Die Mannigfaltigkeit der aus Farbglas und überfangenem bzw. gebeiztem (siehe Rotbeize) Kristallglas mit Schnittdekor sowie aus Steinglas (Lithyalinglas und Hyalithglas, das mit Gold, Email- und Transparentfarben bemalt wurde) hergestellten Produkte erreichte schließlich ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß. Gängig waren zum Beispiel Trinkgläser und Karaffen aus buntem Glas, ganze Likör- und Dessertservice, Garnituren für Kommoden und Waschtische, Schreibzeuge und Parfümflakons, Schalen, Teller, Tafelaufsätze, und vor allem Vasen. Hinzu kamen die unzähligen Andenken- und Freundschaftsgläser, Dekorations- und Ehrenpokale, außerdem Exportartikel wie Wasserpfeifen und Sprenggefäße für Rosenwasser.

Jugendstilglas

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Langhalsvase mit geätztem Dekor, ähnlich Gallé

Um 1900 waren sich die Gestalter der jungen Generation einig in ihrer Abkehr vom überkommenen Historismus. Für das daraus resultierende kunstgewerbliche Streben nach neuen, frischen, originellen Ausdrucksformen auf der Basis alter handwerklicher Techniken bürgerte sich im deutschsprachigen Raum, den Niederlanden und den Nordischen Ländern der Begriff Jugendstil ein, während sonst die Bezeichnung Art nouveau gebräuchlich ist. Die Fantasie der Jugendstil-Künstler wurde vor allem von der Farben- und Formenwelt des fernen Ostens beflügelt. So sind die wesentlichen Teile oder Elemente des Jugendstils durch dekorativ geschwungene Linien sowie flächenhafte florale Ornamente und Asymmetrie gekennzeichnet.

Glas nahm in der Entwicklung des Jugendstils eine zentrale Rolle ein. Der Grund dafür ist in den gestalterischen Möglichkeiten zu suchen, die dem angestrebten organischen Wesen der Formgebung entgegenkamen. Die Zusammenarbeit von Designern und Handwerkern brachte fantasievolles, in limitierten Auflagen von Hand hergestelltes Atelierglas hervor, das durch die Vielfalt der Farbeffekte besticht. Französische Glasmacher wie Emile Gallé und die Daum Frères schufen geschnittenes und geätztes Überfangglas in kräftigen Farben. Das böhmische Jugendstilglas hat seinen guten Ruf vor allem Max Ritter von Spaun, Besitzer der Firma Joh. Loetz Witwe in Klostermühle in Böhmen, zu verdanken. Von jenseits des Großen Teiches, aus New York, kamen das irisierende Glas und die berühmten, in Europa als beispielhaft angesehenen Kreationen von Louis Comfort Tiffany.

Der konstruktive Stil, der bestrebt war, alle Formen mit Hilfe einfachster Gebilde wie Quadrat, Rechteck, Kreis und Ellipse zu gestalten und starke Farbgegensätze zu verwenden, wurde am konsequentesten von der Wiener Schule verfolgt. Ihre führenden Repräsentanten waren Josef Hoffmann und Koloman Moser.

Mit den wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Zeit des Ersten Weltkrieges nahm die Ära des Jugendstils ihr Ende. Sie währte nur knapp zwanzig Jahre, ihre Auswirkungen sind jedoch bis in unsere Zeit spürbar.

Beim Fusing (dt. Verschmelzung) oder Fusen (neudeutsch für Glasverschmelzung) werden verschiedene (weiße oder farbige, eventuell mit Glasschmelzfarbe bemalte) Glasstücke bei 780–900 °C miteinander verschmolzen. Die Schmelztemperatur ist von Zusammensetzung und Dicke der Gläser abhängig. Temperaturbeständige Gegenstände, wie etwa Metalle, können mit eingeschmolzen werden.

Fusing ist in seinen Grundlagen, nach bisherigem archäologischem Wissensstand, ein mindestens 2200 Jahre altes Glasverarbeitungsverfahren. In den letzten Jahrzehnten wurde es zu einer der vielseitigsten und technisch anspruchsvollsten Glasverarbeitungstechniken weiterentwickelt. Viele Glasereien und künstlerische Glasstudios können Glas nach der Fusing-Technik verarbeiten. Das Verfahren wird in großer Variationsbreite eingesetzt: Von Modeschmuck und der Dekoration von Gegenständen bis hin zu Kunstobjekten, großen künstlerisch gestalteten Fenstern und anderen Glaselementen in Architektur und Innenarchitektur.

Heute werden folgende Grundvarianten des Fusing unterschieden:

  1. Relief (engl. tack fuse)
  2. Vollverschmelzung (engl. full fuse)
  3. Glasfluss (franz. pâte de verre), Glaspaste wird in Form geschmolzen.

Konventionell handwerklich kann Fusing folgendermaßen ablaufen: Aus verschiedenfarbigen Glasplatten werden passende Teile mit einer besonderen Zange abgezwickt oder mit einem Glasschneider abgeschnitten. Die Glasstücke setzt der Glaskünstler dem Entwurf entsprechend zusammen, beispielsweise als Muster für den Rahmen eines Spiegels oder für die Herstellung einer Glasschüssel. Zwischenräume werden oft mit Glaspulver aus zerstampften Glasplatten ausgefüllt. Nun werden die Stücke im Brennofen verschmolzen. Die Temperaturen werden so gewählt, dass das Glas noch nicht als Flüssigkeit verläuft, alle Glasteile und Partikel aber eine dauerhafte Verbindung eingehen. Bei entsprechender Temperaturführung kann ein vollkommen geschlossener und harter Glaskörper hergestellt werden. Dieser Brennvorgang dauert, abhängig von Dicke und Durchmesser des Glases, etwa 18 bis 22 Stunden.

Der Glaskörper wird zunächst zu einer flachen Platte verschmolzen, die bei Bedarf in einem zweiten Arbeitsgang in einem Glasschmelzofen weiter geformt wird, z. B. wenn daraus eine Glasschüssel entstehen soll. Dazu werden Trägerformen oder Modelle verwendet, die oft aus Ton oder unglasierter Keramik bestehen. In konkave Modelle kann sich die erhitzte Glasplatte absenken und über konvexe Modelle kann sie sich aufbiegen. Die Form muss etwas größer als die Glasplatte sein, da Glas sich bei Erwärmung ausdehnt und beim Abkühlen zusammenzieht. Auf die entstandenen Objekte können nach dem Abkühlen Glasveredelungstechniken angewendet werden: Gravieren, Glasmalen, Schleifen, Sandstrahlen oder Ätzen.

Eine fortgeschrittene Anwendung des Verfahrens ist die Herstellung großer selbsttragender Glasscheiben oder Glasobjekte, die beispielsweise als Gegenwartskunst oder als Kirchenkunst künstlerisch kontrolliert gestaltet werden können. Dafür werden auch industriell hergestellte Glasbruchstücke (Fritten) und Glaspulver aus farblosen und farbigen Gläsern verwendet.

Die Herstellung derartiger „Fusing-Stücke“ setzt künstlerisches Talent und die Kenntnis der Verfahrenstricks voraus. So müssen die zusammengeschmolzenen Gläser den gleichen Ausdehnungskoeffizienten (AKW) haben und die Erhitzung und Abkühlung des Glases muss genau kontrolliert bestimmten Temperaturkurven folgen. Andernfalls können im Glas mechanische Spannungen entstehen, die es zerreißen oder zerspringen lassen. Große Fusing-Stücke können daher nur in einem Flachbett in digital gesteuerten Brennöfen hergestellt werden.

Besonders von fortgeschrittenen Glaskünstlern werden Glasöfen der Bauart „Glory Hole“ verwendet, weil sie es gestatten, kleinere Glasmassen direkt in verschiedenen angeschmolzenen oder nahezu flüssigen Zuständen künstlerisch zu bearbeiten. Glas wird dabei immer wieder für einen neuen Arbeitsgang durch das Loch in der Ofenwand gehalten und aufgeheizt, um es dann außerhalb des Ofens bearbeiten zu können.

Zur ebenso direkten Bearbeitung dienen Öfen mit ausziehbarem Flachbett. Das im Flachbett liegende Glas wird auf Bearbeitungstemperatur gebracht und dann für kurze Zeit aus dem Ofen hervorgezogen. Unter Beachtung der richtigen Verfahren und Vorsichtsmaßnahmen werden dann beispielsweise Chemikalien, Metallstaub oder farbige Glaspulver auf das angeschmolzene oder geschmolzene Glas gebracht. Besondere Kenntnisse setzt es voraus, mit Werkzeugen direkt gestalterisch in diese Glasmasse einzugreifen.

Eine weitere neue Variante ist die Pàte-de-Verre-Herstellung großformatiger Glasplastiken.

Siehe auch

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Literatur

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  • Walter Spiegl: Glas. Battenberg Verlag, München 1979, ISBN 3-87045-155-6.
  • Judith Miller: Art nouveau. Die Welt des Jugendstils. Dorling Kindersley Verlag, Starnberg 2005, ISBN 3-8310-0767-5.
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Einzelnachweise und Fußnoten

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  1. Fensterglas" http://www.glasrepliken.de/p_artikel_fensterglas.htm
  2. Schaeffer, Helmut Glastechnik - Band 3. Flachglas S. 34
  3. Axel von Saldern, Ulrich Hausmann, Reinhard Herbig, Walter Otto: Antikes Glas. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51994-6.
  4. Walter Spiegl: Maschinell gepresste und druckgeblasene Gläser (PDF; 391 kB)
  5. Frank Andrews: Moncrieff’s Monish Bottle-making Machines. 1947 (engl.)
  6. The American Society of Mechanical Engineers: Owens AR Bottle Machine (1912). 1983 (englisch)
  7. Emhart Glass - An Industry Leader for more than 90 Years. Emhart Glass, abgerufen am 6. Juni 2009 (Zusammenfassung der Geschichte der Firma Emhart Glass).
  8. zur frühen Glasherstellung und ältesten Funden s. H. Wilde, Technologische Innovationen, S. 21-23, siehe Literatur
  9. H. Wilde, Technologische Innovationen, S. 33-39
  10. zur Gestaltung von Glasgefäßen des späten Neuen Reiches vgl. H. Wilde, Technologische Innovationen, S. 53ff
  11. Lykurgosbecher