Emanuel Sperner (* 9. Dezember 1905 in Waltdorf, Landkreis Neisse, Provinz Schlesien; † 31. Januar 1980 in Laufen, Markgräflerland) war ein deutscher Mathematiker, der für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Kombinatorik und der Geometrie bekannt ist.

Aufgewachsen in Neisse machte Sperner dort am Gynasium Carolinum sein Abitur, studierte dann Mathematik an der Universität Freiburg (Breisgau) und an der Universität Hamburg und promovierte in Hamburg am 5. November 1928[1] bei Wilhelm Blaschke und Emil Artin[2]. Im Sommersemester 1932 habilitierte sich Sperner in Hamburg.

Nach Professuren in Königsberg, Straßburg, Freiburg und Bonn kehrte Sperner 1954 als Nachfolger von Wilhelm Blaschke nach Hamburg zurück, wo er in den Jahren von 1963 bis 1965 Rektor der Universität wurde.

1957 war er Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. 1975 wurde er Ehrendoktor der Freien Universität Berlin.

Sperner gab nach Otto Schreiers[3] frühem Tod dessen Vorlesungen über Analytische Geometrie und Algebra heraus, die jahrzehntelang als grundlegendes Lehrbuch für die mathematischen Anfängervorlesungen in Linearer Algebra dienten.

Sperner nahm mehrere Gastprofessuren an ausländischen Universitäten wahr, so auch 1961/62 in Pittsburgh und 1970 an der Universität in Berkeley.

Zu seinen Doktoranden zählen neben vielen anderen Gerhard Ringel, Helmut Karzel, Heinrich Wefelscheid, Dieter Biallas, Jürgen Timm und Hans-Joachim Arnold.

Ungewöhnlich für jüngere wissenschaftliche mathematische Arbeiten ist, dass Sperners Werke zur Kombinatorik didaktisch aufbereitet großen populärwissenschaftlichen Bekanntheitgrad erhielten und versuchsweise auch in der Schulmathematik eingeführt wurden. Davon zeugen zahlreiche Artikel und Videos im Internet[4].

Satz von Sperner

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Der ursprügliche Satz[5] besagt, dass jede Antikette[6] der Potenzmenge 2X einer n-elementigen Menge X höchstens M Elemente umfasst, wobei M gleich dem größten Binomialkoeffizienten der Ordnung n ist[7]. Der Satz von Sperner hat vilefältige Verallgemeinerungen erfahren, die in der internationalen Literatur häufig als Sperner Theory zusamengefasst werden[8].

Spernersches Lemma

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Dieses Lemma, wie der Satz von Sperner veröffentlicht im Jahr 1928, sagt aus, dass jede Sperner-Färbung[9] der Triangulierung eines n-dimensionalen Simplex mindestens eine Zelle enthält, die mit allen Farben gefärbt ist. Sperner bewies, dass dieses Lemma einen Beweis des Pflastersatzes von Lebesgue liefert, mit dem die Dimension eines euklidischen Raums charakterisiert wird. Später wurde festgestellt, dass dieses Lemma auch einen direkten Beweis des Brouwerschen Fixpunktsatzes liefert, der ohne eine explizite Verwendung von Homologien auskommt.[10]

Theorie der Polynomideale

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Im Jahre 1929 gelang Sperner ein neuer, vereinfachter Beweis eines Satzes von Macaulay und Anwendungen auf die Theorie der Plynomideale [11].

Ordnungsfunktionen in der Geometrie

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In den Jahren 1948 und 1949 initiierte Sperner in mehren Arbeiten eine Kalkül, der es erlaubt geometriesche Anordnungen mit Hilfe der Rechenfunktionen einer sogenannten Ordnungsfunktion zu organisieren und ihre Eigenschaften dann rechnerisch zu beweisen[12]. Diese Theorie wurde von Sperner und seinen Schülern in den folgenden Jahren immer weiter entwickelt und verfeinert.

Aufbau der Geometrie aus dem Spiegelungsbegriff

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Im Jahre 1954 leistet Sperner einen wegweisenden Beitrag zur Theorie der Spiegelungsgeometrien, indem er nachwies, welches die schwächsten Voraussetzungen an eine Spiegelungsgeometrie sind, unter denen sich der Satz von Desargues noch gruppentheoretisch beweisen lässt[13]. Auch dieses Thema wurde von ihm und seinen Schülern in den folgenden Jahren verfeinert und vertieft.

Schwach affine Räume

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Beginnend 1960 führte Sperner den Begriff der schwach affinen Räume in der Mathematik ein[14]. Diese sind in der synthetischen Geometrie eine Verallgemeinerung der affinen Geometrien. Sperner entwickelte ihre Theorie, um auch für nichtdesarguessche affine Ebenen die Einbettung in Räume höherer Dimension zu ermöglichen. Schwach affine Räume werden zu Ehren ihres Erfinders in der internationalen Literatur auch als Sperner spaces bezeichnet[15].

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Zum Lemma von Sperner

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Zum Satz von Sperner

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Ausgewählte Schriften

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  • Sperner, Emanuel: Die Ordnungsfunktionen einer Geometrie. In: Archiv der Mathematik. Band I. Birkhäuser Verlag, 1948, ISSN 0003-889X, S. 9–12.
  • Sperner, Emanuel: Die Ordnungsfunktionen einer Geometrie. In: Mathematische Annalen. Band 121. Springer, 1949, ISSN 1432-1807, S. 107–130.
  • Sperner, Emanuel: Ein gruppentheoretischer Beweis des Satzes von Desargues in der absoluten Axiomatik. In: Archiv der Mathematik. Band 5. Birkhäuser Verlag, 1954, ISSN 0003-889X, S. 458–468.
  • Sperner, Emanuel: Affine Räume mit schwacher Inzidenz und zugehörige algebraische Strukturen. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik (Crelles Journal). Band 204. Berlin ; New York : de Gruyter, 1960, ISSN 1435-5345, S. 205–215, doi:10.1515/crll.1960.204.205.
  • Sperner, Emanuel: Verallgemeinerte affine Räume und ihre algebraische Darstellung. In: Algebraical and Topological Foundations of Geometry, Proceedings of a Colloquium held at Utrecht, August 1959. Pergamon Press, London 1962, S. 167–172.
  • Sperner, Emanuel: On non-desarguesian geometries. In: Seminari dell’Istituto Nazionale di Alta Matematica. Band 1962-63. Rom 1964, S. 574–594.

Weiterführende Literatur

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  • Zur Relevanz des Lemmas von Sperner in Theorie und Alltag. Grin Verlag, Bochum 2016, ISBN 978-3-668-89910-0.
  • Berger, Magdalena: Das Lemma von Sperner: Anwendung und Schulbezug. Fakultät für Mathematik, Informatik und Physik der Leopold-Franzens-Universität, Insbruck 2020 (uibk.ac.at [PDF]).
  • Zeitler, Herbert: Emanuel Sperner und die Schulmathematik. In: Praxis Math. Band 23 (8), 1981, S. 237–243.
  • Henle, Michael: A Combinatorial Introduction to Topology. Dover Publications, New York 1994, ISBN 0-486-67966-7.
  • Engel, Konrad: Sperner Theory (= Encyclopedia of Mathematics and its Applications. Band 65). Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1997, ISBN 0-521-45206-6.
  • Lingenberg, Rolf: Metric Planes and Metric Vector Spaces. Wiley, New York 1979.

Einzelnachweise

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  1. mit der Arbeit Neuer Beweis für die Invarianz der Dimensionszahl und des Gebietes
  2. Zuvor wurde Sperner auch von Otto Schreier betreut, dieser war im Wintersemester 1928/29 aber bereits Professor in Rostok.
  3. im Jahre 1929
  4. siehe auch einige Beispiele unter Weblinks unten und die Arbeiten von
  5. siehe Ein Satz über Untermengen einer endlichen Menge, Mathematische Zeitschrift 27 (1928)
  6. In der internationalen Literatur auch als Sperner family oder Sperner system bezeichnet
  7. Die Zahl M wird in allgemeinerem Zusammenhang als Sperner Zahl bezeichnet
  8. siehe z.B. Engel, Konrad: Sperner Theory
  9. Eine Sperner-Färbung ist am Beispiel der Triangulation eines Dreiecks mit den Ecken A, B, C: 1. jeder Eckpunkt A, B, C ist verschieden gefärbt. 2. Jeder Punkt auf einer Seite des Dreiecks A, B, C ist mit einer Farbe der zugehörigen Eckpunkte gefärbt.
  10. siehe Harzheim 1978
  11. siehe Sperner, Emanuel: Über einen kombinatorischen Satz von Macaulay und seine Anwendungen auf die Theorie der Polynomideale. In: Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Universität Hamburg. Band VII. Springer, 1929
  12. siehe Sperner, Emanuel: Die Ordnungsfunktionen einer Geometrie. In: Archiv der Mathematik. Band I, 1948 und Sperner, Emanuel: Die Ordnungsfunktionen einer Geometrie. In: Mathematische Annalen. Band 121, 1949
  13. siehe Sperner, Emanuel: Ein gruppentheoretischer Beweis des Satzes von Desargues in der absoluten Axiomatik. In: Archiv der Mathematik. Band 5, 1954
  14. siehe u.a. Sperner, Emanuel: Affine Räume mit schwacher Inzidenz und zugehörige algebraische Strukturen. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik (Crelles Journal). Band 204, 1960
  15. siehe z.B. Karzel, Helmut; Sörensen, Kay; Windelberg, Dirk: Einführung in die Geometrie