temporäre Auslagerung „Ethnischer Schamanismus„ zum Nachgucken für die Arbeit an Ethn. Religion u. Karte:

Unter Ethnischer Schamanismus sind alle Schamanismusformen zusammengefasst, die weltweit gegenwärtig noch in Erscheinung treten oder über die fundierte wissenschaftliche Beobachtungen, Analysen und Berichte der jüngeren Vergangenheit vorliegen, das heißt in etwa ab dem 18./19. Jahrhundert. Dazu hält Leroi-Gourhan fest, dass die „Vorgeschichte“ im Sinne einer Zeit, von der uns keine schriftlichen Zeugnisse überliefert sind, etwa im östlichen Mittelmeerraum um 3000 v. Chr. endet, bei den Eskimos zum Beispiel aber erst im 19. Jahrhundert,[1] und bei manchen Völkern im Amazonas erst vor wenigen Jahrzehnten bis wenigen Jahren. Die Phänomenologie dieser rezenten Schamanismusformen muss die oben dargestellten Prinzipien und Kriterien innerhalb einer akzeptablen Variationsbreite unter Berücksichtigung lokaler Besonderheiten weitgehend erfüllen. Übergänge zu magisch betonten Formen und entsprechende Mischformen, vor allem im Falle Afrikas, sind im folgenden berücksichtigt (siehe auch afrikanische Religionen). Dargestellt sind hier vor dem Hintergrund der klassischen drei Schamanismustypen Elementar-, Komplex- und Besessenheitsschamanismus die größeren regionalen Besonderheiten und ihre potentiellen Ursachen und Zusammenhänge. Hauptquellen für Eurasien sind die Werke von Hoppál, Kasten und Gorbatcheva, für Nord- und Südamerika das Buch von Hultkrantz u. a. sowie Eliade. Für Afrika sowie für den australisch-ozeanischen Raum wurden weitere Werke benutzt.

Ethnisch-historische und religiöse Übersicht

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Einen Überblick über die Ethnien und Staaten im Hochmittelalter gibt die nebenstehende Karte, die die historische Situation um 1200 vor dem Mongolensturm zeigt.[2]

Die Darstellung dieser Großregion und die Ähnlichkeiten der hier vorherrschenden schamanischen Religionen untereinander ist nicht verständlich ohne die historischen Hintergründe der dort lebenden Völker. Von besonderem Interesse speziell für den Schamanismus sind dabei Zentralasien und Sibirien, das erstmals vor etwa 20.000 bis 25.000 Jahren im Jungpaläolithikum besiedelt wurde, bis im Neolithikum der größte Teil des gesamten Gebietes (in der Karte weiß) bewohnt war. Die ersten archäologisch nachweisbaren Kultstätten entstanden vor einigen Tausend Jahren. Sie zeigen bereits eine ausgeprägte Lebens- und Geisteswelt und eine künstlerisch differenzierte Entwicklung der dortigen Völker. Vor allem in Südsibirien lebten Bauern- und Hirtenvölker, in der nördlich daran anschließenden Taiga hingegen waren Jagd und Fischerei die bevorzugten Subsistenzstrategien. Insbesondere die Völker in Jakutien und in der Baikalregion hatten enge Beziehungen zueinander; archäologische Funde wie etwa Felsbilder zeugen davon und von ihren religiösen Vorstellungen (siehe: Prähistorischer Schamanismus).

In der Tundra und Waldtundra Nordostsibiriens lebten vorwiegend relativ isolierte Nomadenvölker, die Fischerei und Rentierzucht betrieben. Vor allem an der nordöstlichen Küstenzone waren dies die Vorfahren der Eskimos und Tschuktschen, die schließlich dort sesshaft wurden, da das Meer ihnen reichliche Beute an Fischen und Meeressäugern bot. Sie breiteten sich schließlich vom Gebiet der Beringsee auf die gesamten arktischen Küstenregionen aus. Im Hinterland sind die Rentierjagd und schließlich die Zucht des Rentiers nach dessen Zähmung frühestens im 5. vorchristlichen Jahrtausend definitiv durch Felsbilder im 1. Jt v. Chr. belegt.[3]

Während der großen Völkerwanderung vom 10.–13. Jahrhundert wurden die Ureinwohner Sibiriens durch das Eindringen anderer Völker von Süden her weiter in den Norden und Osten abgedrängt. Betroffen waren vor allem die paläoasiatischen Ethnien, die Tschuktschen, Korjaken und die Tungusen (Ewenen und Ewenken), wobei letztere aus dem heutigen Jakutien von den Vorfahren der Jakuten vertrieben wurden. Die Jakuten wiederum wurden später von den eindringenden mongolischen Stämmen nach Norden abgedrängt.

Bis ins 16. und 17. Jahrhundert lebten die Völker Sibiriens abseits der europäischen Einflüsse. Sie waren isoliert und hatten nur Kontakt zu den benachbarten Völkern mit derselben kulturellen Herkunft. Ihre heutigen Benennungen sind insofern irreführend, denn sie entstammen der Phase der russischen Landnahme Sibiriens und sind keine Eigenbezeichnungen. Sie selbst hatten sich früher ganz andere Namen gegeben, die meist ganz einfach „Mensch“ bedeuteten (bei den Eskimos z. B. Yuit oder Yupik). Erst ab der zaristischen Zeit geriet der Schamanismus ins Blickfeld der wissenschaftlichen Forschung. (Die weitere Entwicklung siehe unten unter „Forschungsgeschichte“.)[4]

Der Schamanismus vieler Völker Sibiriens stand zudem über Jahrhunderte unter dem Einfluss verschiedener Religionen aus Vorder-, Zentral- und Ostasien. Dazu gehören neben dem Zoroastrismus, Manichäismus und Christentum vor allem auch Einflüsse des Buddhismus. Bereits die protomongolischen Völker waren ab dem 2. vorchristlichen Jahrhundert mit ihm in Berührung gekommen. Mongolische Stämme brachten dann zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert den Mahayana-Buddhismus nach Zentralasien bis ins Amur-Gebiet. Anfang des 15. Jahrhunderts wurde in Tibet die Gelug-Schule des klassischen indischen Buddhismus gegründet und verbreitete sich bis ins 17. Jahrhundert in Burjatien, Kalmückien und Tuwa. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Buddhismus auch unter den transbaikalischen Burjaten etabliert und beeinflusste Alltag, Kultur und Lebensanschauung vieler sibirischer und zentralasiatischer Völker. Dies führte zu einem Rückgang des Schamanismus und zur Amalgamierung schamanischer mit buddhistischen Vorstellungen. Beispiel ist der ursprünglich aus China stammende Schamanenspiegel toli etwa bei den Burjaten und das Auftreten von Personen, die sowohl Lama wie Schamanen waren.[5]

Nördliches und zentrales Eurasien

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Die inhaltliche Gliederung dieses großen und heute weltweit wichtigsten Bereiches, in dem Schamanismus noch „klassisch“ betrieben wird oder bis vor nicht allzu langer Zeit betrieben wurde – vor allem die Sowjetzeit hat hier großes Unheil angerichtet (s. u.) –, kann man vorwiegend geographisch von Nordwest nach Südost und Süden vornehmen (so Hoppál), dazu ethnisch und/oder sprachlich. Hier sollen alle drei Faktoren, von denen die beiden letzten inhaltlich weit wichtiger sind als die geographischen, kombiniert werden. Allerdings müssen dabei Wanderungsbewegungen der einzelnen Ethnien, sprachliche Überlagerungen und Assimilationen in Gestalt von Adstraten, Sub- und Superstraten sowie die Einflüsse der eindringende Großreligionen, vor allem des orthodoxen Christentums,[6] des Islam und Buddhismus,[5] berücksichtigt werden, dazu in der Volksrepublik China ebenfalls ideologische Einflüsse des Kommunismus.

Die einzigen lebenden Vertreter des Schamanismus in Europa sind die Rentier hütenden Samen und Nenzen Nordeuropas. Während schamanische Praktiken bei den Nenzen (siehe unter „Sibirien“) neben dem orthodoxen Christentum noch eine bedeutende Rolle spielen, ist er bei den Samen seit Ende des 19. Jahrhunderts erloschen. Hier und dort finden sich noch vereinzelte Relikte in der Volksreligion. Allerdings ist eine gewisse Rückbesinnung zu beobachten, wie sie von dem Neoschamanen Ailo Gaup aus Oslo vertreten wird.[7]

Auch bei anderen finno-ugrischen Völkern wie den Ungarn finden sich schamanische Spuren in der Mythologie, möglicherweise als Ergebnis der belegten Einwanderung sibirischer Völker und der ethnischen Verwandtschaft der Magyaren mit ihnen. Ihre Sprache ist mit dem Finnischen, Ungarischen und Samojedischen verwandt und gehört zum uralischen Sprachkreis.

Im 18. Jahrhundert wurde die Rolle der samischen Schamanen durch die christliche Mission stark geschwächt und die Zeugnisse der früheren Epochen sind spärlich,[8] jedoch durch skandinavische Felskunst des Neolithikums bezeugt.

Es gab den für Jäger-Sammler typischen Glauben an Götter und Naturerscheinungen. Der Glaube an Geister und Ahnen war verbreitet, jede Tierart hatte einen eigenen Schutzgeist. Im Mittelpunkt des religiösen Lebens stand der männliche oder weibliche Schamane (Noaide), der dessen klassische Aufgaben wahrnahm und die oben geschilderten Rituale durchführte, wobei er für die Jenseitsreise ekstatische Techniken einsetzte. Sein wichtigstes Requisit war die Trommel.[9]

Der Schamanismus der Lappen stellt sich wohl aufgrund der Kontakte mit indoeuropäischen Völkern, insbesondere den Nordgermanen, als sekundärer Komplexschamanismus dar, wie er für Hirtennomaden Nord- und Innerasiens typisch ist.[10]

Nord- und Innerasien

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Sibirien

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Tabelle der Völker siehe[11] Die sprachlich-geographische Verbreitung siehe.[12]

Da der sibirische Schamanismus paradigmatisch in der einleitenden allgemeinen Darstellung des Schamanismus präsent ist, wird auf die detaillierte Schilderung der Varianten und Besonderheiten der einzelnen Völker Sibiriens hier weitgehend verzichtet und es werden nur unten kurz ihre jeweiligen Schamanismusvarianten charakterisiert.

Sibirien gilt als die klassische Schamanismus-Region mit einem vorwiegend elementaren Schamanismus; je weiter östlich und südlich man allerdings kommt, desto mehr findet sich ein sekundärer Komplexschamanismus,[13] insbesondere in Gestalt des heute noch teilweise als „Aberglaube“ lebendigen Tengrismus der türkischen und mongolischen Völker Zentralasiens. Vor allem uralische, altaische, tunguso-mandschurische und paläosibirische Ethnien leben in diesem Großraum. Die ethnologische Erforschung des Schamanismus begann hier erst, als bereits das Christentum und andere Religionen wie der Buddhismus (bei Mongolen) oder Islam (vor allem bei den Turkvölkern) mehr oder weniger starken Einfluss auf die untersuchten Kulturen genommen hatte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm man allgemein an, dass der Schamanismus ein „aussterbendes Phänomen“ sei. Besonders in Sibirien und Innerasien waren Schamanen durch die atheistische sozialistische Politik Verfolgungen ausgesetzt.[14] Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kann jedoch das Wiedererstarken schamanischer Traditionen in verschiedenen ex-sowjetischen Republiken (besonders in Südsibirien) sowie in der Mongolei beobachtet werden.
Die postsozialistischen Schamanen beziehen sich auf die vorsozialistischen Traditionen, und gleichzeitig präsentieren sie sich als Teil der (Post- )Moderne: Heutige Schamanen leben oft in Städten, sie haben eine weltliche Ausbildung, weisen Zertifikate aus, bieten ihre Dienste in Schamanenzentren an, knüpfen Kontakte zu Touristen und werden als Symbole einer postsozialistischen nationalen Identität benutzt. Auch in anderen Teilen der Welt erleben schamanische Praktiken gegenwärtig einen Aufschwung.[15] Siehe auch Neoschamanismus. Typisch für die sibirischen Völker und die Völker Innerasiens, etwa den Mandschuren, ist das Tieropfer, das auf eine Wiederherstellung des natürlichen Gleichgewichts abzielt. Wo eine typische Schamanenkleidung fehlt, ist wie bei den Eskimos rituelle Nacktheit üblich, wobei ein besonderer Schamanengürtel getragen wird.[16] Allerdings finden sich selbst bei den sibirischen Schamanen der Region nicht immer alle schamanischen Kennzeichen. So fehlt etwa bei den Tschuktschen die Ekstase, so dass solche religiösen Systeme als randständig schamanisch betrachtet werden.[17] Diese Einstufung gilt auch für andere Völker, vor allem dann, wenn man die Typologie Klaus Müllers mit berücksichtigt.[18]

Insgesamt gehören von den 32 Millionen Einwohnern Sibiriens, das zwei Drittel des russischen Staatsgebietes einnimmt (12,7 Millionen km²) und sich über 20 Zeitzonen erstreckt, eine halbe Million zu den Ureinwohnern. Neben den Burjaten, Jakunen, Turwinen, Chakassen, Choren und Altai gibt es weitere 26 Völker als Kleinstminderheiten (ca. 180.000). Die zahlenmäßig größte Gruppe bilden die Nenzen (> 34.000), die ihre traditionelle Lebensweise weitgehend bewahrt haben.[19]

Die uralischen und altaischen Völker Sibiriens und Innerasiens

Betroffen sind die Sprachgruppen finno-ugrisch und samojedisch sowie Turksprachen (vor allem altaische Türken):[20]

Turksprachige Ethnien:

  • Altaier (Altaische Türken): Kleinere turksprachige Völker im Altai-Gebirge wie Schoren, Beltiren, Kachinen, Koybalen, Tubalaren, Karagassen, Kumandiner, Teleuten, Telengiten, Tschekanen, Tefalaren, Kyptschaken (Kumanen/Komanen).
    • Schoren: Altaische Türken um Barnaul. Schamanismus ist in vielen Familien verbreitet, wobei Kompetenzbereiche genau abgesteckt sind, vor allem Heilungen mit Tieropfer, Jagdmagie, Entbindungen, Verfluchungen.
    • Sagaier: Altaische Türken. Zentrales Requisit ist der Schamanenbaum. Häufig kommt es zu Schamanenkämpfen, die die Hierarchie der Schamanen festlegen.
    • Chakassen: Altaische Türken in der Steppe von Abakan. Nomadische Viehzucht, Jagd und Fischfang. Sie wurden auch als Baraba-Türken oder Abakna-Tataren bezeichnet. Schamanen waren die Bewahrer der Sippenriten und mussten bezahlt werden. Pferdeopfer. In der Oberwelt wohnten neun Schöpfergottheiten. In der Unterwelt der Gott des Bösen. Funktionen und Zeremonien der Schamanen sind weitgehend klassisch.
  • Jakuten: Turksprachiges Volk (Jakutien). Pferde- und Rinderzucht. Klassische Form. Es gab „weiße Schamanen“, die die Opfer ausführten und Gebetsspezialisten waren, aber keine Seelenreise unternahmen und keinen Kontakt zu Geistern hatten und im Gegensatz zum eigentlichen Geisterschamanen nicht in Ekstase verfielen.
    • Die Dolganen waren ein halbnomadischer (Rentierzucht, Jagd, Fischfang) Stamm der Jakuten, der sich mit den Ewenken vermischt hatte. Sie sind russisch orthodox mit schamanischen Elementen. Sie hatten eine ausgeprägte Vogelsymbolik (Himmelsreise) und glaubten an neun Himmel. Wirtgeister wohnten in Steinen, Bäumen oder von Menschen hergestellten Dingen und wirkten als Schutz- und Hilfsgeister.
  • Kasachen: Eines der großen Turkvölker Mittelasiens. Schamanen können nicht nur heilen, sondern auch die weibliche Fruchtbarkeit beeinflussen und wahrsagen. Wie bei den Turkmenen werden Peitsche und Sufi-Rituale eingesetzt. Initiationsprüfungen sind heikel, Musik ist sehr wichtig. Der Schamane wird wie anderswo von den Geistern in sein Amt gezwungen.
  • Turkmenen: Turkvolk am Amu-Darja mit Sufi-Merkmalen (Laufen über glühende Kohlen und Derwischtanz).
  • Tuwiner: Turkvolk. Nomadisch, Pferde-, Rinder-, Kamelzucht. Sie stammen angeblich von den Hunnen ab. Starke Vermischung mit dem Lamaismus. Es gab fünf verschiedene Schamanentypen, die sich nach Abstammung und Art der Berufung aufgliederten. Heilung und Weissagung sind die häufigsten Aufgaben. Es gibt außerdem weitere vier Typen: Schamanen mit Maultrommel, mit Stock, mit Spiegel und solche, die nächtliche Rituale mit Trommel und Kostüm wagen.
  • Usbeken: Zahlreichstes turksprachiges Volk Innerasiens. Schamanismus wurde vom Islam weitgehend beseitigt. Besonderheit ist der rituelle Transvestismus. Es gibt auch Schamaninnen. Bestimmte kultische Besonderheiten gehen offenbar auf den uralten Kult der Muttergottheit Umai zurück. Auch iranische Einflüsse sind erkennbar (Sonnenkult, vor allem Bemalung der Trommeln). Benutzt werden Schellentrommel und Peitsche (zur Austreibung von Krankheitsgeistern).

Finno-ugrischsprachige Ethnien:

  • Chanten: Ugrische Sprache. Nomaden, Jagd und Fischerei in der Taiga, Rentierzucht in der Tundra. Ebenfalls verschiedene Spezialisten: Zauberer, Heilkundige, Wandersänger, solche, die Giftpilze zu sich nehmen, Geisterbeschwörer bei Opferritualen. Lange Riten. Tieropfer ist zentral. Beim Wahrsagen gibt es verschiedene Spezialisten. Schamanenkämpfe kommen vor. Funktion als Seelenbegleiter.
  • Mansen: Ugrische Sprache. Jagd und Fischerei. Ebenfalls drei Typen: 1. Schamanen mit Trommel, 2. Schamanen mit Musikinstrument zur Geisterbeschwörung, 3. Schamanen, die Giftpilze verwenden.

Samojedisch-sprachige Ethnien:

  • Nganasanen: Samojedisch sprechendes Volk auf der Taimyrhalbinsel. Klassischer Schamanismus mit Trance, Hilfsgeistern, Trommel, Geisterbeschwörungen.
  • Nenzen: Samojedische Sprachgruppe. Nomaden, Rentierzucht in Taiga und Tundra. Sie kennen drei Schamanenkategorien: 1. Starke Schamanen, die mit der überirdischen Welt in Verbindung stehen. 2. Erdschamanen, die mit der unterirdischen Welt in Verbindung stehen. 3. Schamanen, die mit den Toten in Verbindung stehen und als Seelenbegleiter fungieren.
    • Eine ähnliche Unterteilung besteht bei den Enzen und Selkupen. Sehr komplexe Initiation mit Himmelsreise und Kontakt mit Hauptgott Ülgen sowie Mutproben. Bei den Selkupen ist die Schamanenveranlagung erblich. Schamanenseelen kehren nach dem Tod in die Welt zurück, um sich in einem Nachfolger niederzulassen. Sonst klassische Form und Kosmologie. Trommel, Schlegel und Stab. Geweihkrone.

Himalaya mit Tibet und Hindukusch

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Die meisten hier aufgeführten Praktiken gehören zum Typus des Komplex- oder gar Besessenheitsschamanismus.

In der Bön-Religion einiger Völker Zentralasiens und insbesondere im tibetischen Buddhismus besteht ein starker schamanischer Einfluss, denn der Bön war die vorherrschende Religion in Tibet, bevor im 8. Jahrhundert der Buddhismus ins Land gelangte. Der Bön ging danach vor allem begünstigt durch die isolierte Gebirgslage während der mongolischen Yuan-Dynastie und der mandschurischen Qing-Dynastie mit dem Buddhismus eine enge Verbindung ein und wird bis heute in einigen Ethnien dort praktiziert, etwa in Nepal und Nordindien.[21]

  • Indischer Himalaya: Vor allem in Arunachal Pradesh im östlichen Himalaya, wo viele indo-mongolische und tibetischstämmige Ethnien leben, haben sich Reste der Bön-Religion neben dem Mahayana-Buddhismus erhalten.
  • Auch in Nepal haben sich solche archaischen Elemente erhalten, die denen des klassischen eurasischen Schamanismus sehr ähnlich sind. Solche Schamanen werden teils bewundert, teils gefürchtet. Sie praktizieren die Trance vor allem in Form der „Zittertrance“, die hier weniger als Seelenreise denn als Kampf mit den bösen Geistern verstanden wird; sie sind Heilkundige, in erster Linie aber Vortragskünstler. Auffallend ist hier die sexuelle Symbolik.[22] Alle Nepalesen glauben zudem neben dem Buddhismus, der hier in der tantristischen Variante verbreitet ist, mit einem festen Kastensystem und vererbbarem Priestertum auftritt, an Götter und Wesen, die weder buddhistischer noch hinduistischer Abstammung sind, sondern alte Naturgottheiten, die sich in Bäumen, Steinen, Vögeln, Schlangen und allerlei Tieren befinden, in Bergen oder im Feuer, vor allem aber im Wasser.[23]
  • Tibet kennt im Rahmen der Nyingma-Schule eine tantristische Tradition mit verheirateten Priestern (Ngakpas), die häufig als Dämonenaustreiber, Heiler usw. auftreten. Hervorragende Ngakpas werden als Lamas angesehen und haben oft eine klösterliche Ausbildung. Zwischen dem klassischen Lamaismus der Klöster und den häufig umherreisenden Schamanen kommt es allerdings immer wieder zu Spannungen.[24] Der Tantrismus ist Ergebnis eines Verschmelzungsprozesses zwischen hinduistischem und buddhistischem Gedankengut und gehört zum Mahajana-Buddhismus. Er übernahm die hinduistischen Göttervorstellungen und integrierte alte populäre, magisch-religiöse Konzepte: Geister, Zauberei und volkstümliche Kosmologien. Yoga, Mantras und Meditation sind zentrale Momente und erinnern stark an schamanische Ekstasepraktiken, desgleichen die geschlechtliche Vereinigung als solche mit der Vorstellung, bei der sexuellen Ekstase zu Göttern werden zu können.[25]
  • In Sikkim hängen die dortigen Ureinwohner, die Lepcha und Bhutia, einer Mischung aus buddhistischem und animistischem Glaubensgut an.
  • Hindukusch: Er umfasst die Gebiete von Kaschmir und Afghanistan. Mehrere kleinere nichtislamische Ethnien haben (oder hatten, über den gegenwärtigen Zustand besteht Unklarheit) dort Religionen, die stark animistisch-schamanisch geprägt sind, vor allem in Kafiristan (arab. „Land der Ungläubigen“), im Ashkunagebiet sowie im Chitratal bei den Kho und den Kalasch. Repräsentativ für all diese Religionsvarianten ist die Religion der Kalasch in Pakistan. Wirtschaftliche Grundlage sind Schaf- und Ziegenzucht. Auffallend sind hier die riesigen Ahnenfiguren sowie aufwendige Feste. Reinheit und Unreinheit ist ein hochkomplexer, von zahlreichen Tabus und Zeremonien begleiteter Bestandteil der Kalaschreligion, das gilt auch für Initiationen. Die Ahnenverehrung ist ausgeprägt, und man glaubt, die Ahnen wohnen in den Ahnenfiguren, solange ihre Nachkommen an sie denken, sie nehmen unsichtbar an den Festen teil. Götter, neben Naturgöttern auch Fruchtbarkeits- und Hirtengötter, Geister und Dämonen wohnen in Felsen und Bäumen. Personell steht im religiösen Zentrum der debar, der dem Schamanen Nordeurasiens entspricht.[26]

Zentralasiatische und ostasiatische Ethnien

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Hier finden sich vor allem tunguso-mandschurische, mongolische und paläoasiatische Völker mit einem hochkulturell synkretischen Besessenheitsschamanismus.[27] Ihr Siedlungsbereich reicht teilweise bis weit in den nordasiatischen Raum und lässt sich zudem nicht sauber in zentral- und ostasiatisch trennen.

Mongolische Ethnien:

  • Burjaten: Mongolen am Baikalsee. Halbnomaden und Nomaden; östlich vom Baikalsee nomadisch, westlich halbsesshaft. Viehzucht: Rinder, Pferde, Schafe, Kamele. Östlich des Baikalsees sind sie Buddhisten, westlich davon schamanisch. Typisch ist die Geweihkrone. Klassischer Schamanentyp. Benutzt wurden Schamanenstock und kleine Spiegel (toli). Alte Form, zentral ist das Verhältnis des Menschen zur Natur mit einem komplexen religiösen System für alle Lebensbereiche. Ausgeprägter, hierarchischer Polytheismus (Tengrismus). Klassische Kosmologie. Großer Aufgabenbereich: Seelenbegleiter, Wahrsagen. Hoher Status. Männliche und weibliche Schamanen. Erbliche Veranlagung. Lange Ausbildung. Pferdestöcke mit Verehrung des Pferdes. Adlerkult wie bei vielen mongolischen und Turkvölkern, ebenso Sonnenkult wie in der altiranischen Religion.
  • Dachuren: Mongolen in NO-China und der Mandschurei. Es gab einen nach Fähigkeit ausgesuchten Schamanen (Heilkunde, Wahrsagen) und einen Schamanenhelfer (ein älteres Sippenmitglied), dazu weitere Spezialisten, z. B. Knochensetzer.
  • Mongolen: Schamanismus hat sich als Lamaismus getarnt erhalten. Chalcha und Darchaten sind die wichtigsten Völker mit Schamanentradition. Es gibt männliche und weibliche Schamanen. Ahnenkult ist zentral. Initiationen sind vielgestaltig.

Tunguso-Mandschuren:

  • Ewenen (Lamuten): Tunguso-mandschurische Sprache, um Chabarovsk/Jakutien, Kamtschatka. In der Tundra Nomaden mit Rentierzucht und Jagd, an der Küste halbsesshafte Fischer und Jäger. Weibliche oder männliche Schamanen, mit oder ohne Trommel. Es gab Schamanenspezialisten für verschiedene Aufgaben. Das Kostüm hatte kosmische Symbolik.
  • Ewenken: Tunguso-mandschurische Sprache, um Chabarovsk/Jakutien. Nomaden, Rentierzucht, Jagd. Männliche und weibliche Schamanen. Drei Initiationsstufen. Typisch sind beim Schamanenkostüm große Geweihkronen und ein Brustharnisch, der den mythischen Vogel als Schamanenhelfer symbolisiert, dazu schmiedeeiserne Gehänge mit vielen Vogelfiguren („eiserner Schamanismus“). Klassische Ausbildung durch Ahnen, Schamanen und Erzähler. Klassische Kosmologie. Jenseitsreise und Kontakt zu den drei Weltgöttern mit speziellen Tieren (Adler, Ren, Bär).
    • Die Orotschen sind eine am Amur lebende Untergruppe. Schamanen werden bei ihnen nicht erwählt, es gibt auch keine erbliche Schamanenwürde, vielmehr wird der Schamane an bestimmten Zeichen erkannt.
    • Eine weitere Untergruppe sind die in China lebenden Solonen. Schamanen trugen eine Geweihkrone sowie Schamanenspiegel.
  • Mandschuren: Sippenschamanen und -schamaninnen. Magische Leiter bei Initiation. Seelenbegleiter. Die Trommel dient hier nicht als Reittier, sondern als Kahn zur Überquerung des Unterweltflusses. Schamanenkrone und -tracht sind klassisch. Opferrituale ähneln stark denen der altaischen Turkvölker und der Tungusen am Amur. Zentrale Aufgabe ist die Bewahrung des Sippenkultes.
  • Nanaier: Volksgruppe am Amur mit tungusisch-mandschurischer Sprache. Sesshaft, Jagd und Fischerei. Es gibt drei Schamanentypen: Heiler, Schamanen für Totenfeiern und die mächtigsten, die das gesamte Schamanenwissen besaßen und als Totenbegleiter fungierten. Die Riten und Opfer sind wie oben geschildert, ebenso die kosmologischen Konzepte.
  • Negidalen: Tunguso-mandschurische Sprachgruppe am Amur. Sesshaft, Jagd und Fischerei. Trommel und Kostüm sind charakteristisch. Stark animistischer Glaube.
  • Oroken: Tunguso-mandschurische Sprachgruppe auf Sachalin. Halbsesshaft, Jagd und Fischerei an der Küste, Jagd in der Taiga. Vermutlich mit den Ultschen verwandt. Die Trommeln zeigen die Ahnengestalt des Schamanen und den Adler als Schutzgeist. Ähnlichkeiten zu den Nordamerikanischen Indianern.
  • Udehe: Tungusisch-mandschurische Sprachfamilie bei Chabarowsk. Sie stehen den ebenfalls sesshaften, Jagd und Fischerei betreibenden Orotschen nahe. Keine Trance, aber Jenseitsreise. Tigerkult.
  • Ultschen: An der Amurmündung lebende tunguso-mandschurische. Sesshaft, Jagd und Fischfang. Schamanentum kann vererbt werden. Schamaninnen waren vor allem für Kinderseelen zuständig. Bärenkult.
  • Xibe (Shibo): Mandschurisches Volk. Drei Schamanentypen: 1. Elcin. Heilt vor allem Seuchen. Schon als Kind Beginn der Ausbildung mit zahlreichen Initiationen (z. B. magische Leiter mit Schwertsprossen), 2. Siyang tung. Nur Frauen, die schwere Krankheiten heilen. 3. „Deoci“. Männer, die Besessene durch Geisteraustreibung heilen.

Paläosibirische/paläoasiatische Ethnien:

  • Niwchen (Giljaken): Ein paläosibirisches Volk. Vor allem auf Sachalin. Sesshafte Jäger, Fischer und Züchter. Klassischer Schamanismus. Ekstase, Trommel, Räuchern. Bärenkult, wie er auch für andere paläosibirische Völker typisch ist (Aleuten, Ainu, Eskimos).
  • Itelmenen: Paläosibirisches Volk auf Kamtschatka. Nomadisch und halbnomadisch. Fischerei und Jagd.
  • Jukagiren: Ein paläosibirisches Volk. Nomadisch und halbnomadisch. Jagd, Rentier- und Hundezucht. Sehr altertümliche Form, denn jeder kann Schamane sein. Es gibt zwei Typen: 1. den Heiler, der das Jagdglück erbittet und Opfer darbringt, 2. der Zitterer (Ekstase). Ein Mensch hat 3 Seelen.
  • Keten: Paläosibirische Sprache, leben am Nordlauf des Jenissej. Sesshaft, Jagd und Fischerei. Erbliches oder göttlich übertragenes Schamanentum. Lange Initiation (21 J.), dann hoher Status (Eisengeweihkrone). Für einfache Dinge wie Heilungen sind niedere Bärenschamanen zuständig. Rentierschamanen halten Kontakt zur oberen Welt. Die Trommel ist wie anderswo ein personifizierter Tierhelfer. Starke Einflüsse des türkisch-mongolischen Schamanismus.
  • Korjaken: Ein paläosibirisches Volk. Rentiernomaden in der Tundra, sesshafte Fischer an der Küste. Familienschamanismus, jeder hat eine Trommel. Weiblicher und männlicher Schamanentransvestitismus. Vor allem Heiler. Schamanen werden für sehr mächtig gehalten. Giftpilze werden verwendet.
  • Tschuktschen: Ein paläosibirisches Volk. Sesshafte Fischer an der Küste (Ankalynen). Nomadische Rentierzucht in der Tundra (Tschautschus). Familienschamanismus, wobei jedes Familienmitglied trommeln muss, damit die Geister der geschlachteten Tiere reinkarniert werden können. Schamanen können das Geschlecht wechseln. Verschiedene Schamanenarten für Heilung, Prophetie, Bauchreden, Beschwörungen, Wetter. Zentrale Aufgabe war der Schutz vor bösen Geistern. Es gab böse Schamanen. Opferhandlungen und eigentliches Schamanenritual waren getrennt.

Die Ainu und die von Jagd und Fischfang lebenden Aleuten gehören ebenfalls zu den paläoasiatischen (paläosibirischen) Ethnien, desgleichen die in Russland, den USA Kanada und Grönland weit verstreut lebenden, in Russland Yuit genannten Inuit mit ihren eskimo-aleutischen Sprachen. Sie sind sesshafte Jäger und Sammler sowie Fischer.

Die alten Staaten Ostasiens und ihre Randbereiche

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Hier haben sich im Laufe der Geschichte mehr oder weniger systematisierte Religionen ausgebildet, die machtpolitisch relevant waren und bis heute starke schamanische Elemente enthalten. Dies gilt vor allem für den Daoismus und Schintoismus, indes der hier ebenfalls bedeutsame Buddhismus geringere und stärker transformierte Spuren aufweist. Der Konfuzianismus ist hingegen keine Religion, sondern ein philosophisch-moralisches, hierarchisch orientiertes System, das allerdings sekundär religionsähnliche Züge angenommen hat, indem es etwa seine führenden Gestalten vergöttlichte.[28]

Der sibirische Schamanismus beeinflusste die Entstehung der Volksreligion in Korea. Kennzeichnend ist hierfür der Glaube an einen allumfassenden, allgegenwärtigen Geist, mit dem heute noch in Südkorea häufige Schamaninnen (Mudang) als Medium Kontakt aufnehmen können; Männer (Baksoo Mudangs) sind eher selten Schamanen. Koreanische Schamanen werden der Unterklasse zugerechnet und oft bei finanziellen oder Heiratsfragen zugezogen. Das Schamanenamt ist entweder erblich oder wird durch besondere Fähigkeiten erlangt. Im Zentrum des koreanischen Schamanismus steht der kut mit der Schamanenpriesterin, die oft mehrtägige schamanische Zeremonie, die ihre gesellschaftliche Relevanz allerdings weitgehend verloren hat und sich weitgehend auf den familiären Bereich beschränkt. Die Zeremonie ist ekstatisch geprägt. Archäologische Funde aus Königsgräbern deuten darauf hin, dass in vorbuddhistischer Zeit die Herrscher selbst dieses Amt ausübten. Später prägten dann Buddhismus und Konfuzianismus zusammen mit Ekstase, der Zurücksetzung der Frau und kosmische Religiosität in Verbindung mit einem steifen Zeremoniell die koreanische Glaubenswelt.[29]

In der breiten Bevölkerung vor allem auf dem Lande, wo bis heute der größte Teil der Bevölkerung lebt, glaubt man noch immer, es existiere eine unsichtbare Sphäre der Geister (shen), die verschieden mächtig sind. Die jenseitige Welt ist mit der diesseitigen verwoben und ähnelt ihr stark. Insgesamt gilt, dass im heutigen wie schon im kaiserlichen China Philosophien und Religionen wie Buddhismus, Daoismus, Konfuzianismus je nach Bedarf eingesetzt und auch vermischt wurden, weil „alle drei Bekenntnisse eine einzige Religion seien“ (Drei Lehren). In die von Nützlichkeitserwägungen geprägte Glaubenswelt der Chinesen hat später auch kommunistisches und kapitalistisches Gedankengut Eingang gefunden. Konfuzianismus (und heute Kapitalismus und Kommunismus) dienen für gewöhnlich als Anleitung für das tägliche Leben, Daoismus ist bei Exorzismus und Läuterung sinnvoll, bei Begräbnissen wendet man sich an buddhistische Priester.[30]

  • Der chinesische Schamanismus gilt als der älteste historisch belegte Schamanismus weltweit und ist auch als Wuismus geläufig. Das Wort Wu 巫 „Schamane, Geistmittler, Heiler“ findet sich erstmals auf einem Orakelknochen der späten Shang-Dynastie (ca. 1600–1046 v. Chr.). Aus der Zhou-Dynastie sind einschlägige Berichte über männliche und weibliche Schamanen (Fangshi) erhalten. Seit der Einführung des männlich dominierten Konfuzianismus als Staatsreligion unter Kaiser Wu der Han-Dynastie (141–87 v. Chr.) wurde der Schamanismus jedoch an den Rand gedrängt, vor allem, was weibliche Schamanen anging. Dennoch werden schamanische Praktiken bis heute in China ausgeübt. Dazu gehört wie schon im alten China vor allem bei den tunguso-mandschurischen Völkern, etwa den Burjaten, der Schamanenspiegel (toli), der die bösen Geister abhalten soll, als Requisit für Prophezeiungen und dem Schamanen zur Auffindung der Schattenseelen dient.[31] Moderne Überreste des alten chinesischen Schamanismus sind die im Westen oft simplifizierten, teils mantischen Techniken des Qi Gong, Tai Chi, Feng Shui, sowie das Reiki, dessen Ursprung in Tibet liegt und das via Japan in den Westen gelangte. Auch die Philosophie des Qi, das Yin-Yang-Prinzip, die all diesen Techniken zugrunde liegen, sowie das Orakelbuch I Ging gehören in diesen weiteren Zusammenhang, desgleichen die alte chinesische Medizin, die ihre Ursprünge wohl ebenfalls in alten schamanischen Heilpraktiken hat, die ein gestörtes inneres Gleichgewicht wiederherstellen sollen (wobei die im Westen praktizierte Akupunktur auf einem in China eigentlich längst aufgegebenen System beruht, das zudem verfälscht importiert wurde).
  • Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang der Daoismus. Seine schamanischen Elemente mit ihrer immanenten Harmonie und ihrem extremen Naturbezug sind nicht zu übersehen. Vor allem in seiner Frühzeit ging der Daoismus bis in die Zeit der Wahrsager und Schamanen zurück, die imstande waren, mit der geistigen Welt der Götter und Ahnen Verbindung aufzunehmen. Die Volksreligion wurde später von der daoistischen Philosophie überlagert und zurückgedrängt.[32] Der religiöse Daoist strebt danach, Erleuchtung zu erlangen und das Dao, eine Art von transzendenter höchster Wirklichkeit und Wahrheit, zu verwirklichen, indem er durch unterschiedliche Methoden wie Meditation (Qigong, Taijiquan), Konzentration, Visualisation, Imagination, Atemtechniken, Alchemie, das daoistische Ritual und Magie aus Geist und Körper, dem Mikrokosmos, ein Abbild des Makrokosmos erschafft und sich auf diese Weise mit dem Universum und dem ihm immanenten Dao vereinigt. Eine große Anzahl von Göttern und Geistern, ein ausgeprägter Opferkult sowie ein umfänglicher Jenseitsglaube stehen vor dem Hintergrund einer dreigeteilten Welt. Letztes Ziel ist die physische oder metaphysische Unsterblichkeit.[33]

Mandschurei

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In den ärmlichen Dörfern der nordostchinesischen Provinzen haben vor allem mandschurische Schamanen die Zeit der kommunistischen Herrschaft relativ gut überstanden und üben ihr Amt bis heute aus. Bereits die chinesischen Kaiser der Mandschu-Dynastie hatten die mandschurischen Schamanenrituale kodifiziert. Die Opferrituale zeigen Ähnlichkeiten mit denen der altaischen Turkvölker und der Tungusen. Mandschurische Schamanen befassen sich neben der Heilkunde vor allem mit der Bewahrung des Sippenkults.[34] Wie in fast allen eurasiatischen Schamanenformen gibt es Tieropfer.
Die wichtigsten dieser chinesisch-mongolischen Minderheitenvölker. die noch schamanische Traditionen leben, sind in der nördlichen tunguso-mandschurischen Gruppe die Ewenen, Ewenken, Kamniganen, Negidalen und Solonen, in der südlichen Gruppe die Mandschuren, Nanaier, Orotschen, Droken, Xibe und Udehe. In der mongolischen Gruppe sind es die Burjaten, Daur, Chalcha und Mongolen. Im Norden am Amur und auf Sachalin findet sich noch das kleine paläosibirische Volk der sesshaften, Jagd und Fischerei treibenden Nivchen mit seinem Bärenkult.

Auf Taiwan praktizieren die dort lebenden austronesischen Ureinwohner und Kasachen im Rahmen des Katholizismus eine Art Schamanismus.[35]

In Tibet ist der Bön teilweise stark von Schamanismus geprägt und aus dem Bön stammend weist auch der tibetische Buddhismus noch schamanische Einflüsse auf.

Die Ainu gelten als Urbevölkerung Nordjapans. Sie leben meist auf Hokkaidō, einige auf Süd-Sachalin und auf den Kurilen. Verbindungen scheinen zu uralischen Stämmen in Sibirien sowie zur altjapanischen Jomon-Kultur zu bestehen. Ihre Religion ist schamanisch, mit einem Bärenkult ähnlich dem jungpaläolithischen in Europa und der bis heute bei den Eskimos und dem Volk der Aleuten auftretenden Form. Die bis heute dort gefertigten Kleinplastiken ähneln denen der Ainu verblüffend.[36] Die Schamanen heißen tusukur. das Amt wird von Männern und Frauen wahrgenommen. Sie sind Heiler, betreuen die Gemeinschaftsriten wie etwa das zentrale Bärenopfer, möglicherweise Rest alter Vorstellungen vom Herrn der Tiere,[37] dazu bewahren sie das Brauchtum und hier vor allem die Tabuvorschriften. Trance ist üblich etwa bei Heilungen und dem Wahrsagen sowie der Traumdeutung. Im Unterschied zu den sibirischen Schamanen war der Ainu-Schamane aber kein eigentlicher Vermittler zwischen der diesseitigen und jenseitigen Welt, konnte jedoch böse Geister vertreiben und kannte die Geisterwelt. Die Ainu-Schamanen Sachalins besaßen jedoch noch erweitere Fähigkeiten, etwa jagdmagische sowie die Verbindung mit Hilfsgeistern.[38]

Beim japanischen Shintō, (oder dt. Schintoismus) ist zu unterscheiden zwischen dem Schrein-Shintō, also dem Ort der täglich gelebten Volksreligiosität, dem Staats-Shintō und einem volksnahen, modernen Sekten-Shintō.[39][40] Es ist eine nur in Japan existente Religion, die Elemente des Animismus und des Schamanismus aufweist. Er steht wahrscheinlich mit der Migration früher Siedler aus Korea in Verbindung, jedoch lässt sich nicht abschließend klären, wo die Wurzeln des Shintō liegen. Shintō heißt „Weg der Kami“, und diese Kami sind Gottheiten, Geistwesen oder Ahnengeister. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges galt der Kaiser Japans, der Tennō selbst als Kami. Vor dem Eindringen des Buddhismus in Japan im 6. Jahrhundert, mit dem der Shintō eine enge Verbindung einging, bestand der Shintō aus zahllosen unzusammenhängenden Lokal- und Ahnenkulten, Verehrung von Naturphänomenen, Fruchtbarkeitsritualen und Fabelwesen. Eliade spricht hier von Hierophanie. Tote Menschen (Ahnen), Gegenstände in der Natur, wie Steine oder Bäume und Naturelemente können Kami sein; die Mythologie erwähnt, es gebe acht Millionen Kami (八百万), was symbolisch eine unendlich große Zahl darstellt.[41] Hoppál schreibt: „Es ist eine historische Tatsache, dass den Schamanenpropheten und Schamaninnen (z. B. Miko und Itako) im Schintoimus, der sich aus der animistischen Urreligion der Japaner entwickelte, eine große Rolle zukam. Die japanische Inselwelt kennt viel derartige lokale Religionsspezialisten, deren Wirken den sibirischen Schamanen entspricht.“[42] Einige Indizien stützen diesen Befund.[43] Die folgenden Punkte beziehen sich zum Teil auf historische Rituale in Japan, die innerhalb des japanischen Synkretismus existierten:

  • Es gibt zwei Schaman/innen-Typen.
    1. Gomiso führen Heilungen und rituelle Läuterungen durch, haben aber keinen Kontakt zu Ahnengeistern.
    2. Itako (oder ichiko), eine blind geborene Frau, die allein fähig ist, Wahrsagerituale mit Geisterbeschwörungen durchzuführen.
  • Die Trance spielt dabei eine wichtige Rolle, desgleichen die Ekstase, denn der schintoistische Kult enthält direkte schamanische Elemente, bei denen der Priester (ein erbliches Amt in 8 Stufen) die Gläubigen in Ekstase versetzt, damit sie mit den Göttern verkehren können.[44]
  • Ahnenverehrung: Die Ahnen existieren und leben zusammen mit ihren Nachkommen. Auf Familienaltären werden ihnen Opfer dargebracht. Ihnen wird in Schreinen gehuldigt, die auch Orte bäuerlicher Rituale waren (z. B. Reisanbau), jedoch keine Begräbnisstätten (selbst die Asche der Toten gilt als unrein). Berühmt ist der 1879 eingeweihte Yasukuni-Schrein in Tokio, in dem die Seelen aller gefallenen, japanischen Soldaten verehrt werden.
  • Die Mythologie spricht von drei Welten mit einem Totenreich (Yomi).
  • Die Torii genannten freistehenden Tore vor allem bei Shintō-Schreinen und an bestimmten, als heilig betrachteten Punkten der Landschaft symbolisieren Verbindungen zwischen der profanen, diesseitigen und der heiligen Welt der Kami und Ahnen.
  • Besondere Verehrung genießen Berge (z. B. der Fudschijama).
  • Heilige Spiegel sind bis heute die heiligsten Devotionalien, die in Schreinen aufbewahrt werden. Nicht einmal die Priester dürfen sie sehen oder berühren, da sie als Körper der Götter (Shintai) gelten.

Daneben deutet die Existenz des Wortes kegare, welches Parallelen zur Wortbedeutung des Begriffes Tabu aufweist,[45] sowie die japanische Ahnenverehrung auf Einflüsse polynesischer Kultur und Sprache (vgl. japanische Sprache) auf religiöse Vorstellungen in Japan hin. Dies entspricht der internen Unterscheidung zwischen den historischen Begriffen des Animismus oder Mana-Kultes und dem Schamanismus zentralasiatischer Prägung. Einige japanische Wörter wie musuhi, tama oder mono (vgl. Prinzessin Mononoke) können unter Umständen dem Begriff des Mana entsprechen. Diese Annahme ist jedoch umstritten.

Ohne große Umwege hat sich Shintō zu einer polytheistischen Volksreligion entwickelt, die sehr alltagsbezogen und in einem diesseitigen Gewand daherkommt. Die Elemente des Schamanismus sind heute weitgehend zugedeckt, jedoch basiert der Weg der Götter zu vielen Teilen darauf. Am sichtbarsten wird diese Verbindung heute in den Yamabushi, die viel von der alten Religiosität Japans bewahrt haben.

  • Auf den Ryūkyū-Inseln (Okinawa) besteht eine Form des Schamanismus, der mit dem Schintoismus in Zusammenhang gebracht wird.[46]

Südasien

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Die hier vorherrschenden Religionen, vor allem der Hinduismus und Buddhismus sowie der Islam, sind außerordentlich heterogen, waren machtpolitisch bei weitem nicht so bedeutsam wie die Großreligionen Ostasiens, enthalten aber ebenfalls noch wesentliche schamanische Elemente. Friedrich Schlegel und Max Müller zufolge entstammte der Schamanismus sogar diesem Bereich (siehe unten „Forschungsgeschichte“). Es gibt erstaunliche Parallelen, wie etwa Eliade an zahlreichen Stellen belegt.[47]

Indien und Hinduismus

Der indische und hinterindische Subkontinent zeigen sowohl im Querschnitt wie im historischen Längsschnitt etwa in der Kette Vorarische Religion (z. B. der Indus-Kultur) > Veden > Brahmanismus > entwickelter Hinduismus/Buddhismus, eine Vielfalt an Religionen und Mythen mit zahlreichen regionalen Varietäten, die weltweit einzigartig ist und deren Ursprung oft weit in die Vorgeschichte zurückweist (vgl. Dravidische Sprachen) und von dem der Jainismus möglicherweise noch einen Überrest darstellt. Diese Vielfalt entstand auf der Grundlage eines unaufhörlichen kulturellen Austausches zwischen verschiedenen sozialen, ethnischen und religiösen Gemeinschaften.[48] Ab 1500 v. Chr. drangen die Indo-Arier mit einer relativ einfachen, polytheistischen, an einem Himmels- und Sonnenkult orientierten Hirtennomadenreligion ein und trafen auf die höher entwickelten, aber weit weniger aggressiven, bereits städtisch (Mohenjo Daro, Harappa) geprägten Induskulturen mit ihrer vermutlich mutterkulturartig geprägten vorvedischen, spätneolithisch bestimmten Religiosität mit der Großen Göttin in ihrem Zentrum (oder vermutlich eher auf die Nachfahren der bereits zerfallenen Indus-Kultur).[49] Dabei kam es zu Assimilationsvorgängen, die ihren Niederschlag in der Rigveda fanden und bei denen sich heute kaum noch sagen lässt, welche Teile die älteren sind.[50] Folgende schamanische Elemente lassen sich im Gesamtkomplex des Hinduismus, der sehr heterogen ist und keine einheitliche „Kirche“ bildet, isolieren (zu den kleinen Ethnien vgl. Indien#Religionen und Adivasi):

  • Yoga: Bestimmte Elemente des heutigen Hinduismus haben nach wie vor eindeutige schamanische Hintergründe.[51] Hier ist in erster Linie das Yoga zu nennen, dessen Ursprünge vorarisch sind, wie mehr als 4000 Jahre alte Siegel zeigen.[52] Es enthält alle klassischen Elemente, die ein Schamane für seine Ekstase anwendet wie Drogen, Atemübungen, Rhythmen und Tanz. Auch die Vorstellung von bestimmten Tieren als Seelenführern und die Fähigkeit, durch übernatürliche Willenskraft in jenseitige Sphären eindringen zu können, Geister zu beschwören und extreme Hitze oder Kälte ertragen zu können oder Schmerzen sind in Indien bis heute Grundlage des Yoga. Man kann in Ekstase geraten bis hin zu Zuständen der Besessenheit, in deren Hitze (tapas) man die Schlingen der weltlichen Realität verbrennt (also die Symptomatik eines Besessenheitsschamanismus). Auch hier finden sich jedoch religiös-philosophische Paradigmenwechsel, denn während es im Schamanismus darum geht, jenseitige Mächte zur Hilfe im Diesseits zu bewegen (und in der Magie sogar zu zwingen), sollen im Yoga diese Kräfte transzendiert werden, um selbst zu einer eigenen Wirklichkeit jenseits der Götter zu gelangen (Nirwana).[53]
  • Eliade nennt einige weitere:[54]
    • Auffahrtsriten: Dabei spielt der Weltenbaum eine wichtige Rolle, der durch einen Opferpfosten symbolisiert wird.
    • Magischer Flug: Auch ein Vogelsymbolismus existiert, wie etwa beim magischen Flug eines Schamanen. Diese Vorstellung findet sich auch im Buddhismus. Der Zauberer kann danach seinen Körper jederzeit verlassen.
    • Die Zaubertrommel spielt in der indischen Magie wie im Lamaismus und Tantrismus eine wesentliche Rolle, dazu ein sehr archaischer Schädelkult, wie er schon für das Paläolithikum belegt ist.
    • Tapas: siehe oben.
    • Heilungsriten: Sie sind in der Rigveda mit Beschwörungsformeln für die verirrte Seele belegt.
    • Seelenwanderung: Sie ist eine Grundvorstellung des Hinduismus und Buddhismus, allerdings mit ganz unterschiedlichen Konzepten des Karma.
  • Weitere Indizien sind theriokephale und anthropomorphe Dämonen[55] sowie das Konzept der magisch/mystischen Hitze. das auch in zahlreichen anderen Religionen zu finden ist und nur bedingt als schamanisch gewertet werden sollte.[56]

Indien und die Adivasi[57]

Die Adivasi sind die hauptsächlichen Träger der eigentlichen ethnischen Religionen Indiens, die fast durchweg einen animistisch-schamanischen Hintergrund haben. Die Erscheinungsformen richten sich vor allem nach den wirtschaftlichen Grundlagen, je nachdem, ob sie Jäger/Sammler sind, Rodungsfeldbauern oder höhere Bodenbauern. Bei den letzten beiden spielen Fruchtbarkeitsaspekte eine wesentliche Rolle, wie das schon für die neolithischen Bauern typisch war. Das Weltbild bevölkern oft untätige Himmelsgötter, denen allerdings der böse Gegenspieler eines dualistisch-oppositionellen Weltbildes, wie es die Indoarier mitbrachten, fehlt. Schamanen und Priester kennen nur sesshafte Stämme. Bei Wildbeutern kann sich jeder selbst direkt mit Opfern und Gebeten an die höheren Mächte wenden, eine Tatsache, die bei aller Zurückhaltung mit solchen ethnologisch-vorgeschichtlichen Vergleichen in der Religionsgeschichte[58] ein bemerkenswertes Licht auf entsprechende frühe Strukturen des Paläolithikums werfen könnte. Nach dem Tod folgt eine Seelenreise und ein Weiterleben oder eine Reinkarnation in Tiergestalt, ohne dass irdische Verdienste dabei von Bedeutung wären.

  • Die Bhil gehören zu den größten dieser Volksgruppen (West- und Zentralindien, 3,8 Millionen). Sie sind relativ heterogen und sprechen verschiedene indoarische Sprachen. Ihre Nachbarn betrachten sie als dunkelhäutige, wilde Waldmenschen. Im Zentrum ihres religiösen Lebens stehen die barwo, die als Zauberer und Medizinmänner fungieren. Daneben gibt es männliche wie weibliche pando, die von einem Guru in ihr Amt berufen werden. Schutzgeister sind Mittler zwischen Menschen und dem Hochgott Bhagwan. Geister können sich in Tiere verwandeln. Der Barwo ist Heiler und übt heilige Zeremonien aus, wozu Opfer im Rahmen von Lebenszyklen und Ahnenverehrung gehören.[59]
  • Vergleichbare, wenn auch in den Einzelheiten oft recht unterschiedliche animistisch-schamanische Vorstellungen bestehen auch bei anderen Adivasi-Völkern, etwa den Chenchu in Andhra Pradesh oder Aranadan[60] in Kerala, ebenso bei den Birhor, obwohl diese der austroasiatischen Sprachfamilie angehören, aber eine ähnliche Lebensweise mit gleichen ökonomischen Grundlagen haben und außerdem eher Christen sind.[61] Auch der Shaktismus enthält noch Elemente des Besessenheitsschamanismus.

Hinterindien und Malaiische Halbinsel

Für Hinterindien gilt im Prinzip dasselbe wie für Indien. Beherrschende Religionen sind auch hier der Hinduismus und Buddhismus (am berühmtesten sind hier die hinduistischen Khmer-Tempelanlagen von Angkor Wat und die buddhistischen von Angkor Thom), dazu gibt es einige kleinere Ethnien mit schamanisch orientierten Religionen.

  • Kambodscha und Khmer: Neben dem klassischen Hinduglauben der Oberschicht herrscht bis heute im Volk eine einfachere Religiosität: Berge, Hügel, Quellen, Bäume und Felder sind von Geistern bevölkert, die die Geschicke der Erde lenken und im modernen Kambodscha Neak-Ta heißen. Wischnu selbst war hier der „große Geistkönig“ Neak-Ta-Moha-Reach. Diese Geister müssen ständig gnädig gestimmt werden. Gefährlich sind die Arak, Krankheitsgeister, und die Geister der unzeitig Verstorbenen, die Khomorchhav. Dämonenglaube ist verbreitet.[62]
  • Im vor allem buddhistisch und katholisch geprägten Vietnam gibt es Schamanen, die vielfältige Rituale zur Seelenreise innerhalb mehrere religiöser Traditionen ausführen. Geisterglaube ist verbreitet.[63]
  • Malaysia: Wie in den anderen staatlichen Bereichen Hinterindiens befolgen auch hier zahlreiche kleinere Ethnien noch stark animistisch geprägte Religionsrichtungen. Auch hier spielen Geisterglaube und Ahnenverehrung neben dem Buddhismus eine zentrale Rolle. Auf der auch vom Islam geprägten Malaiischen Halbinsel existieren kleinere Ethnien, die als Orang Asli bezeichnet werden und zur großen Zahl von ethnischen Gruppen gehören, die bis ins 20. Jahrhundert Anhänger von animistischen Naturreligionen waren.
  • Thailand: Besonders in Thailand signifikant sind die San Phra Phum genannten Geisterhäuschen, Schreine der Phum-Geister, meist kleine, im Einzelfall jedoch bis zur Größe eines Einfamilienhauses reichende Häuschen oder Geisterhäuser. Es handelt sich hierbei um Schreine für Naturgeister, Reste des alten animistischen Glaubens, der heute vom Buddhismus geduldet wird.
  • Birma (Myanmar): Verbreitet ist hier die Verehrung der Nats im Zusammenhang mit dem Buddhismus, eine sehr alte vorbuddhistische Geisterverehrung. Nats haben menschliche Züge, Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse, sind gut, hilfreich oder böse und gehässig, vor allem aber mächtig. Sie können, wenn erzürnt, großes Unheil bringen. Während der ihnen gewidmeten Feste werden sie durch Nat-Gadaw, weibliche Medien (häufig auch Transvestiten) in Trance und Tanz verkörpert. Bei den niederen Nats ist der Bezug zum Animismus deutlich, denn sie leben häufig in oder bei alten Bäumen oder Steinen, auf Bergen oder an Flüssen. Häufig haben sie nichtmenschliche Gestalt. Die an Bäumen, Feldern, Gewässern oder Dörfern errichteten Nat-Schreine gleichen den Geisterhäusern in Thailand.

Insulinde – Indonesien, Philippinen[64]

Hier findet sich ein großes und vielfältiges Gemisch von Ethnien wie die Igorot und Negritos, die teilweise in sehr einfachen, archaischen Gesellschaften leben und sich aus dem Regenwald ernähren.

  • Negritos: Sie gelten als Urbevölkerung der südostasiatischen Inselwelt, werden teilweise auch als Orang Asli bezeichnet und leben vor allem auf den Andamanen, dazu auf den Philippinen, der malaiischen Halbinsel, in Vietnam und auf Papua-Neuguinea. Sie betreiben weitgehend halbnomadische Sammelwirtschaft, und ihre religiösen Vorstellungen sind entsprechend animistisch-schamanisch strukturiert. Es gibt Medizinmänner, die Geister zu Hilfe rufen und dabei ekstatische Zeremonien vollführen (balian), die Vorstellung von einem Himmelsgott, schamanische Initiationsriten. Besonders bei den Sakai und Jakun ist der Schamanismus stark ausgeprägt, etwas geringer bei den Semang. Die Riten unterscheiden sich in den Einzelheiten zwar erheblich, folgen aber einem gemeinsamen Grundmuster. Räucherung, Tanz, Musik und Trommeln sind Standardrituale. Beschwörung von Hilfsgeistern und Seelenreise sind allgemein üblich, ebenso Traumdeutung. Schamanen haben einen hohen Status, selbst im Tod. Die Schamanenwerdung ist mitunter ebenso heikel wie in Sibirien, und wer sich weigert, wird sterben. Zentral ist die Beschwörung des Tigergeistes, der den Schamanen besessen macht (lupa). Bei diesem Fall von Besessenheitsschamanismus sieht Eliade eine Trennung zwischen Schamanismus und Besessenheit, da der Lupa-Zustand nicht nur vom Schamanen erreichbar ist, sondern von jedem, der sich darum bemüht.[65]
  • Bali: Auf Bali, der „Insel der Götter und Dämonen“, sind neben dem vorherrschenden Hinduismus und Buddhismus animistisch-schamanische Traditionen der Ureinwohner für das gesamte religiöse Leben der Insel bestimmend. Danach sind Götter in allen Dingen gegenwärtig. Alles in der Natur hat eine eigene Macht, die die Macht der Götter widerspiegelt. Felsen, Bäume, ein Dolch, sogar Kleidung können von Geistern bewohnt sein, deren Macht man zum Guten oder Bösen benutzen kann. Rituale spielen eine große Rolle und sind weit weniger von heiligen Schriften bestimmt als etwa der indonesische Islam. Diese Ritualisierung des Lebens und die damit einhergehende Selbstkontrolle ist ein wesentlicher Teil des religiösen Brauchtums im Volk.[66] Insbesondere im Schattenspiel Balis und Javas mit der priesterlichen Leitfigur des Dalang zeigen sich noch starke Reste eines alten Schamanismus, das auch bei Initiationsritualen, bei Seelenführern, Heilungen usw. auftritt. Ähnliches gilt für analoge Zeremonien in Malaysia, Kambodscha und Thailand.[67]
    Im Meer befindet sich die Unterwelt, auf den Vulkanen leben die Götter. Ahnenkult ist ausgeprägt, es gibt Tausende von Heilern und Schamanenpriester, die dem Besessenheitsschamanismus zuzurechnen sind, dessen Dimensionen hier die des klassischen Schamanismus weit übersteigen und sämtliche Dienstleistungen von der Heilung über das Wahrsagen bis zum Liebeszauber umfassen. Es gibt überdies einen „weißen und schwarzen Schamanismus“. Grundgedanke ist stets die Wiederherstellung der gestörten Harmonie innerhalb der universalen Polarität, die hier wie in den anderen ostasiatischen Religionen aber nicht oppositionell, sondern als sich ergänzend aufgefasst wird. Häusliche Opfer sind verbreitet.[68]
  • Igorot: Dies sind verschiedene Bergvölker im Zentralmassiv der nordphilippinischen Kordilleren, die mit dieser Sammelbezeichnung zusammengefasst werden und vom Rodungsfeldbau leben. Sie sind weitgehend Christen, praktizieren aber noch ihre alten Bräuche und haben wirtschaftliche und religiöse Gemeinsamkeiten. Bis ins 20. Jahrhundert war Kopfjagd üblich. Als Ahnen verehren sie Tote mit hohem Status, Naturgeister und Götter, darunter ein höchstes Wesen kabanian. Zahlreiche, von Volk zu Volk verschieden Riten beziehen sich vor allem auf die Fruchtbarkeit und die natürlichen Abläufe, und sollen die Harmonie der Welt bewahren. Solche Riten sind familiäre oder Gemeinschaftsereignisse. Tieropfer werden praktiziert. Heiler, Wahrsager und Priester tragen schamanische Züge, ihre Fähigkeit ist ererbt. Häufig sind es Frauen. Krankheiten gelten als von Geistern verursacht, und Geister wohnen überall in der Natur, abseits der menschlichen Wohnungen. Die Seele wandert nach dem Tod und den ausgedehnten Bestattungszeremonien ins Totenreich zu den Ahnen und lebt dort ähnlich wie im Diesseits.[69]
  • Andere indigene Altvölker:
    • Zentral ist die Beschwörung des „Großen Schamanen“ in Gestalt des Tigergeistes, die Inkarnation der mythischen Ahnen und damit des eigenen Ursprungs.[70] In einigen Fällen wie bei den Batak auf Sumatra macht sich vor allem beim Begriff der Seele starker indischer Einfluss bemerkbar, doch folgt der Schamanismus auch hier den regional üblichen Mustern. Der Batak-Priester datu nimmt ebenfalls eine hohe soziale Stellung ein und fällt im Gegensatz zum sibaso genannten eigentlichen Schamanen nicht in Trance. Wie in anderen Ethnien findet sich hier also eine personelle Spaltung der Funktionen.
    • Bei den Dusun, einer Dayak-Gruppe auf Borneo, spielen Priesterinnen die Hauptrolle. Die Dayak, eine der größten indigenen Gruppen auf Borneo, kennen ebenfalls zwei Arten von Zauberern, die aber beide Ekstaseriten vollführen. Doch sind hier die Unterschiede zwischen den einzelnen Untergruppen teils erheblich und reichen bis zu geschlechtslosen Schamanenpriestern bei den Ngadju-Dayak. Eine besonders wichtige Rolle spielt im malaiischen Archipel das Schamanenboot, eine Vorstellung, die sich so ähnlich auch bei Nordgermanen (belegt durch skandinavische Felsbilder), Inselkelten und Japanern, aber auch in Melanesien findet.

Australien und Aborigines

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Man schätzt, dass es zum Zeitpunkt der Landung von Captain James Cook 1770, mit der die europäische Besiedelung begann, in Australien etwa 300.000 Aborigines in 300–500 Stämmen mit teils ganz unterschiedlichen Sprachen und Dialekten gab.[71]

Problematik

Aufgrund der besonderen Bedeutung der bis heute beobachtbaren Aborigineskultur[72] für das Wesen von Schamanismus und Totemismus als potentiell frühesten religiösen Formen der Menschheitsgeschichte, die einigermaßen zweifelsfrei nachweisbar ist, sollen sie und ihre religiöse Kultur anschließend etwas ausführlicher dargestellt werden, da hier die Definition von Schamanismus/Totemismus und deren kulturhistorische Einordnung direkt betroffen sind. Mit ihrer paläolithischen Kulturstufe und Wirtschaftsform hat die religiös-philosophische Entwicklung der Aborigines mit dem Traumzeitkonzept allerdings eine so hoch abstrakte Ebene erreicht, dass sich unmittelbar die Frage stellt, ob hier überhaupt noch Schamanismus/Totemismus vorliegt. Bei einer erweiterten Definition müsste man sich wiederum fragen, ob es bereits im Jungpaläolithikum solch komplexe metaphysische Konzepte gegeben haben könnte. Klaus Müller, der ansonsten das weltweite Auftreten des Schamanismus eher konservativ beurteilt (vgl. oben: „Abgrenzung des Schamanismus und religionsgeschichtliche Aspekte“),[73] hält ihn in Australien für möglich: „Bei den Aborigines Australiens war er nicht allen, aber doch einigen Gruppen, allerdings nicht in der sonst üblichen institutionalisierten Form, bekannt. Immerhin besaß er auch hier, und namentlich im zentralen Bereich der Berufung und Initiation zum Schamanen, eine Reihe so typischer Züge, dass ein Zusammenhang unabweisbar erscheint.“[61] Eliade berichtet über die Initiationen australischer Schamanen mit rituellem Tod und ihren Aufstieg zum höchsten Wesen und Abstieg in die Unterwelt.[74] Dabei stellt er zahlreiche Ähnlichkeiten sowohl mit Sibirien wie mit Südamerika fest.[75]

Kulturelle Grundlagen

Die Aborigines waren eine hochritualisierte Gesellschaft mit in Stämmen organisierten Jäger-Sammler-Gruppen, die wiederum verschiedene Sippen, das heißt Totemgruppen umfassten. Ihr System der Landnutzung und Landschaftspflege war hoch entwickelt. Ihr Handelsnetz überspannte den gesamten Kontinent, funktionierte mit reziproken Tauschhandelsmechanismen und wurde auch für den Informations- und Kulturtransfer genutzt. Der Drang, sich auf Kosten anderer auszubreiten, war ihnen fremd, vielmehr beschränkten sich ihre Wanderungen auf strikte Routen innerhalb des eigenen Stammesgebiets, in dessen Grenzen es wiederum eine strenge, spirituell funktionierende Regelung des Eigentumsrechts gab, so wie ihre Beziehung zu einzelnen Orten spiritueller Natur war. Sie hatten zahlreiche, nicht miteinander verwandte Sprachen, ähnlich der Situation im indianischen Nordamerika. Claude Lévi-Strauss, tief beeindruckt von der Komplexität ihrer mythisch-religiösen wie gesellschaftlichen Welt, nannte sie die „Aristokraten des Geistes unter den Jäger-Sammler-Gesellschaften“.[76]

Schamanismus und Totemismus

Folgende zentrale Merkmale lassen sich feststellen:

  • Die religiösen und magischen Vorstellungen der Aborigines waren in fast allen Landesteilen sehr ähnlich und werden allgemein als Form des Totemismus bezeichnet, und zwar in seiner ursprünglichsten, anderswo nicht mehr beobachtbaren Gestalt. Am ausgeprägtesten ist er im zentralen und nördlichen Australien, während sich bei den südlicheren und östlichen Stämmen oft eine Mythologisierung innerhalb der Sippengemeinschaften findet, die in Vorstellungen von Kulturheroen und Demiurgen münden und bereits eine Entwicklung hin zu einfachen Stammesgöttern signalisieren, welche es so bei den nördlichen und zentralen Stämmen nicht gibt.[77] Innerhalb einer Totemgruppe gelten strenge Regeln, etwa Exogamie. Im Südosten Australiens gab es einen geschlechtsgebundenen Totemismus. Den ererbten Individualtotemismus als Spätform gab es nur für Schamanen, Medizinmänner oder Häuptlinge. Totems schaffen im Rahmen der Traumzeit eine Kontinuität zwischen der Vergangenheit der Ahnen und der spirituellen Gegenwart und bilden das Fundament aller Stammesgesetze.[78]
  • Der Ahnenkult findet im Rahmen des Totemismus statt und ist nur in diesem mythischen Zusammenhang präsent. Die Welt des Übernatürlichen wird jedoch nicht als abgetrennt von der irdischen Welt verstanden, sondern als mythisches Kontinuum, das zurückreicht bis zu den Uranfängen (siehe unten Traumzeit). Die Toten sind überall gegenwärtig und im Grunde von den Lebenden nicht zu trennen. Die Ahnen haben ihren Sitz in den Naturerscheinungen, und die Totems sind sichtbare Zeichen der Schöpfung.[78]
  • Geister und Gesetz bilden eine rituelle Einheit, und die Geister existieren in der Gegenwart. Jedes Stammesmitglied ist mit ihnen verbunden. Zu diesem Gesetz gehörten auch die Initiationen der Jugendlichen, die für jedes Gebiet spezifisch waren. Sie wurden in Zeremonien wie dem Corroboree in Szene gesetzt, die nicht sakraler Natur waren, etwa mit Stammestänzen, denen in europäischer Interpretation nur Unterhaltungswert beigemessen wird (alles hat bei den Aborigines metaphysische Bezüge). Andere Zeremonien waren geheim.[79]
  • Kosmogonische Mythen gibt es nur im Zusammenhang mit der Traumzeit. Sie beziehen sich meist auf Kulturheroen und die Entstehung von Totemgruppen, auf Tiere oder die Wanderung der Totemahnen. Die Aborigines glauben aber im Unterschied zu vielen anderen Religionen nicht an eine physische Leere vor der Schöpfung: die Welt existierte bereits, doch ohne sichtbare Eigenschaft oder spirituelle Bedeutung. Erst die Aktivität der Ahnengeister füllte sie damit.
  • Gebete, Opfer oder feste Heiligtümer. die nicht wie der kolossale rote Felsen Uluru Naturmerkmale sind, fehlen, desgleichen eine Vergöttlichung des Himmels und seiner Phänomene, die allerdings personifiziert werden. Der Naturkult ist totemistisch.
  • Viele Stämme fertigten kunstvolle heilige Ritualgegenstände. Die auch als Musikinstrumente bekannten Tschuringas (Schwirrhölzer), Waningas oder Nurtundshas mancher Stämme, dazu einfache totemistische Objekte, die geheim gehalten werden, gehören etwa in diesen Zusammenhang. Auch Werkzeuge wie der Bumerang hatten, ähnlich wie vermutlich der Faustkeil in Eurasien westlich der Movius-Linie und in Afrika, wohl rein rituelle Bedeutung. Die häufigste derartige Kunstform waren jedoch Felsbilder (s. u.). Diese Kunstformen, zu denen auch die Körperbemalung zählt (ähnlich den Tätowierungen in Ozeanien), konnten im Rahmen ihrer totemistisch-mythischen Bedeutung „gelesen“ werden und enthielten wie bestimmte Markierungen in der Natur Informationen über die Beziehung des Stammes zur Traumzeit, also eine Art Stammesgeschichte, durch die Totem-Wissen und Geschichte über die Ahnen überliefert wurden. Auch Musik und Tanz wurden eingesetzt, um die Totemidentität des Stammes zu vergegenwärtigen.[80]
  • Fruchtbarkeitsriten sind als Vermehrungszeremonie geläufig, in deren Verlauf die Mitglieder einer Totemgruppe an bestimmten heiligen Orten ihr Blut auf die Erde träufeln lassen, um so eine magische Macht auf die Naturkräfte auszuüben und das Totem zur Vermehrung anzuregen.[81]
  • In Australien haben verschiedene ethnische Untergruppen der Aborigines Schamanen. die als „weise Männer“ bzw. „weise Frauen“ bezeichnet werden und als kadji. Sie erleben eine Art Initiation und arbeiten nicht mit magischen Mitteln, sondern mit Geistern. S. A. Tokarew bezeichnete sie im Rahmen seiner eigenen marxistischen Gesellschaftstheorie allerdings nur als Vorformen.[82] Diese Aborigines-Schamanen verwenden maban oder mabain, meist Quarz und andere Materialien, Federn, Blut usw. zur Übertragung magischer Kräfte. Neben Krankenheilung, Kontakt mit Geistern, Wettermagie, Initiationen und anderen Zeremonien sind diese Schamanen auch für die Bewahrung und Einhaltung der Stammesgesetze und das überlieferte Wissen verantwortlich. Die verschiedenen Funktionen sind oft personalisiert, etwa Heiler und Magier, darunter die bekanntesten, die kurdaichta, die geisterhafte Fähigkeiten besaßen und die Gestalt ändern konnten. Sie können soziale Tabubrecher zu Tode hexen, indem sie einen geheimen Gesang gegen sie anstimmen.[83]
  • Trance und Meditation. teilweise wohl auch durch Pflanzen, Tänze und Musik initiiert, werden bei den Medizinmännern der Aborigines in einigen Stämmen eingesetzt, um bestimmte ekstatische Zustände zu erreichen.[84] Bei Initiationsvorgängen von Schamanen sind sie üblich, und ihre Traumbilder ähneln, wie Eliade feststellte, verblüffend denen etwa der Schamanen Sibiriens oder Südamerikas.

Traumzeit[85]

Alle Aboriginesgruppen teilen den Glauben an die Traumzeit. Sie ist die alles umfassende Grundlage von Gesellschaft und Kultur der Aborigines. Als Kosmogonie verweist sie auf den Ursprung der Aborigines-Völker, als die Ahnengeister wie der Byamee, die Regenbogenschlange oder das Große Känguru beschlossen, das Land, die Pflanzen und Lebewesen zu formen und dem Universum so Ordnung und Form zu geben. Dabei wurden auch die Stammesgesetze festgelegt. Alle moralischen Regeln leiten sich von ihr ab, denn sie ist stets und in allem präsent. Sie ist somit auch Sittengesetz. Bei der rituellen Darstellung der Traumzeit (deren Konzept von S. A. Tokarew innerhalb seines marxistischen Geschichtsbildes nur am Rande erwähnt und fehlinterpretiert wurde,[86] zumal er den Schamanismus als Spätentwicklung der Gentilgesellschaft einstufte) treten die Teilnehmer in den „Geist der Traumzeit“ ein und werden eins mit den Geistwesen der Schöpfung und zu ihrer aktuellen Verkörperung.

Traumzeit hat mit Träumen nach unseren Vorstellungen nichts zu tun (englisch „dreaming“ ist bereits eine simplifizierende Übersetzung eines hochkomplexen metaphysischen Konzeptes), ist also kein Zustand der Phantasie oder Sinnestäuschung, sondern ein erweiterter geistiger Zustand, der den spirituellen wie physischen Ursprung des Universums sichtbar macht. Entsprechend erkennen die Aborigines jede Landschaft auch als Folge von Zeichensystemen, die sie auf diesen Ursprung und auf seine Bedeutung für die Gegenwart zurückführen. Spiritualität ist in jedem Teil der Natur, und entsprechend konstruieren sie komplexe Stammesgeschichten und Traditionen aus ihrer unmittelbaren Umgebung heraus, indem sie diese Zeichen lesen. Traumzeit bedeutet also die Fähigkeit, dieses Ineinanderfließen von transzendenten mythischen Ur-Mustern und physischer Realität auf einer höheren Bewusstseinsebene wahrnehmen und ihre Muster entschlüsseln zu können, sich sogar bewusst in diese Muster zu integrieren und die Realität durch deren Umsetzung in menschliche Rituale und Aktionen wiederum zu beeinflussen.

Felsbildkunst[87]

Die ältesten australischen Felsbilder, teils Malereien, teils Gravuren, sind meist zwischen 12.000 und 13.000 Jahre alt. In Koonalda, Südaustralien wurde jedoch mit Hilfe der Radiokohlenstoffdatierung bei assoziierten Holzkohlen ein Alter von bis zu 23.000 Jahren BP nachgewiesen. Einige Ritzbilder bei Karolta in Südaustralien sollen bis zu 31.000 Jahre alt sein. Die ersten figurativen Darstellungen sind etwa 10.000 Jahre alt und wie die gesamte Kunst der Aborigines nur vor dem Hintergrund der Traumzeit verständlich. Es gibt abstrakte Punktzeichnungen mit Informationen über einen Stamm, seine Geschichte, seine Ahnen und sein Totem sowie seine Beziehungen zur Traumzeit, Zeichnungen von Menschen und Tieren, darunter solche im Röntgenstil, in dem innere Teile, vor allem das Knochengerüst, dargestellt sind und der in Felsbildern weltweit vorkommt. Diese Zeichnungen wurden von Zeit zu Zeit erneuert und ergänzt, um so die Identität des Stammes in der Traumzeitdimension zu bewahren. Da dieses heute nicht mehr der Fall ist, verschwinden diese Zeugnisse nach und nach.

Menschendarstellungen, teils sehr groß (in Kimberley die Ahnengeister oder Wondjinas), teils als groteske böse Geister, sogenannte Quinkas, sind relativ häufig (bis zu 90 % in manchen Gebieten, etwa im Grampion-Gebirge, wo sie allerdings meist kleinformatig sind). Manche dieser Gestalten, etwa die Wondjinas von Kimberley, werden als Geister und mythische Ahnen interpretiert. Mitunter erhalten Pflanzen Menschengestalt (z. B. Arnhem-Land, das über eine besonders reiche Felsbildkunst verfügt). Es finden sich zudem auch hier wie weltweit Handumrisse.

Belege:

  • Mythische Ahnen: Meist sehr große, mitunter groteske Gestalten, manche nur als Linien ausgeführt, andere mit Tätowierungen, wie sie die Aborigines an sich bis heute bei den Ahnenzeremonien auftragen. Sie werden als Ahnengeister und mythische Jäger interpretiert und sind weiblich wie männlich: Ubir,[88] Anbangbang und Canon Hill,[89] Nourlandjie,[90] die mythische alte Frau von Canon Hill,[91] Boar Ramp,[92] Malnagunnger, Nangaloar, Nourlandje, Catherine Gorge.[93]
  • Handabdrücke.[94]

Ob diese Felsbilder einen ausdrücklich schamanischen Hintergrund haben, ist offen. Da in der Traumzeit der Mensch, der dorthin gelangt, jedoch mit diesen mythischen Ahnen und ihrem Wissen verschmilzt, ist die Frage im Grunde irrelevant, zumal diese Felsbilder Zeichen des Traumzeitkontinuums sind. Die australischen Felsbilder haben jedoch gegenüber den steinzeitlichen etwa in Europa den großen Vorteil, dass zwar nicht ihre Urheber, jedoch die heute lebenden Aborigines und ihre Schamanen nach deren Bedeutung gefragt werden können. Zur Bedeutung der Handabdrücke siehe oben unter „Paläolithischer Schamanismus“.

Tasmanien

Über Tasmanier, deren Entwicklung isoliert vom Festland stattgefunden hat, wissen wir so gut wie nichts, da sie von den Kolonisatoren noch vor Beginn der Erforschung ihrer Kultur ausgerottet wurden und nur vage Berichte über sie vorliegen, die die Existenz eines Totemismus bei ihnen vermuten lassen, dazu Geisterglaube, aber im Unterschied zu den Aborigines komplexe Bestattungsriten.[95] Schamanismus dürfte wahrscheinlich gewesen sein, da er oft auch im Zusammenhang mit Totemismus auftritt. Felsbilder wurden in Tasmanien keine gefunden.[96]

Ozeanien

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Die kulturgeographische Einteilung Ozeaniens[97] in Melanesien, Polynesien und Mikronesien wird nicht zuletzt durch die Andesitlinie bestimmt.

Von einem Schamanismus im eigentlichen Sinne kann man in Ozeanien nicht wirklich sprechen, allenfalls im weiteren Sinne in Polynesien, wo man einem verbreiteten Besessenheitsschamanismus ähnlich dem malaiischen Schamanismus etwa Indonesiens findet, der zu einer starken Ausbreitung der „Heiler“ geführt hat. Priester, Medizinmänner, Magier oder ganz einfach nur entsprechend „inspirierte“ Menschen können allesamt magische Behandlungen durchführen. Es ist dabei nicht auszuschließen, dass vor allem eingedenk der komplexen, bis heute nicht eindeutig geklärten Besiedelungsgeschichte der Region früher hier einmal wie in den anderen archaischen Kulturen ein Schamanismus bestanden hat, er aber später verdrängt oder ausgelöscht worden ist, wobei einzelne Bestandteile erhalten blieben, aber neue Bedeutungen erhielten, ein Mechanismus, der in antiken und modernen Großreligionen ebenfalls zu beobachten ist.[98] Welche Rolle die von Jensen so genannten „Altpflanzerkulturen“[99] Melanesiens und Neuguineas, die den Beginn des neolithischen Wirtschaftens mit ihrer Knollenfruchtwirtschaft kennzeichnen sollen, bei dieser Verdrängung spielen, ist unklar. Eliade allerdings spricht durchaus von einem Schamanismus in Melanesien und Polynesien, stellt aber ebenfalls für Melanesien zwar das Vorkommen altertümlicher Heilpraktiken fest, aber auch das Fehlen eigentlicher schamanischer Traditionen und Initiationen, eventuell unter dem Einfluss der dort verbreiteten Geheimgesellschaften. Schamanische Vorstellungen leben danach vor allem in den Totenmythen weiter und gelten ihm ansonsten als oberflächlich und eher phänomenologisch bedeutsam.[100] Insgesamt gilt für Ozeanien, dass die verschiedenen Großregionen oft dieselben mythischen Themen teilen, weil die Einheimischen den Pazifik nach und nach von Insel zu Insel springend besiedelten.[101] Die sprachlichen Ähnlichkeiten der Götter, Kulturheroen und anderer mythischer Gestalten beweist dies ebenso wie die Inhalte der grundlegenden Mythen[102]

= Melanesien mit Neuguinea

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Melanesien[103]

Dazu gehören neben Neuguinea, die Solomonen, Vanuatu, die Fidschi-Inseln und die Inseln der Torres-Straße sowie Neu-Kaledonien. Auch hier findet sich nur eine eingeschränkte schamanische Symptomatik, jedoch kein Schamanismus im engeren Sinne. Jensen hat für dieses Gebiet, wenn auch auf relativ kleiner Forschungsgrundlage nur weniger Stämme, das Konzept der Dema-Gottheit vor dem Hintergrund von Mana und Tabu entworfen,[104] betont allerdings, dass die Hintergründe der schamanischen Zeremonien sich von denen anderer Völker hier ganz wesentlich unterscheiden,[105] und auch S. A. Tokarew sah vor allem einen animistischen Hintergrund, der hier nur eine relative hohe Entwicklungsstufe erreicht habe, deren Hauptgrundlage eine Zweiteilung der Geisterwelt in Natur- und Ahnengeister sowie die Entwicklung eines Häuptlingskultes gewesen sei sowie die Entwicklung von Geheimbünden.[106] Den dualistischen Hintergrund einer Aufteilung der Welt in sinnlich erfahrbare und davon getrennte, aber parallel verlaufende geistige Vorgänge stellt auch Jensen fest.[107]
Wie in fast allen traditionellen ozeanischen Religionen spielt der Ahnenkult eine zentrale Rolle. Die Ahnen leben mit den Göttern in derselben Welt, und die Übergänge zu Mythen sind daher fließend (ähnlich der Traumzeit der Aborigines). Zentrale ökosoziale Elemente sind hier der Cargo-Kult und das rituelle Kula-Tauschnetz. Es gibt zahlreiche Kulturheroen und gute oder böse Geister. Im Zentrum steht jedoch die Einhaltung religiöser Vorschriften und sozialer Normen, nicht eine irgend geartete Ethik. Tabus und Opfer sind wichtig, die Vorstellung des Mana ist ein grundlegendes Konzept. Kultanlagen werden nur bei Bedarf errichtet. Organisiertes Priestertum ist unüblich, vielmehr kann jeder Einzelne bei genug Mana solche Funktionen wahrnehmen. Die sich um Kulturheroen rankende Mythologie ist relativ einfach. Totemismus ist verbreitet.[108]

Neuguinea und Papua[109]

Auf Papua-Neuguinea, das seit den 80er Jahren des vorletzten Jahrhunderts stark unter christlichem Einfluss steht, sind die traditionellen Religionen nach wie vor noch sehr lebendig und bilden ein soziales Bindemittel. Die Einheimischen glauben, dass Krankheiten und Unglück auf dem Wirken von masalai beruhen: dunkle Geister, die sich an einen Menschen heften und ihn vergiften. Die Initiationen der Jugendlichen sind als religiöse Stadien der Welterkenntnis konzipiert, die zur Transformation der Persönlichkeit innerhalb der als diskontinuierlich erfahrenen Welt führen sollen, wobei das Verhältnis zu der Welt der Geister mit Kenntnis und Gebrauch von Magie und von besonderer Bedeutung ist, die als Schadzauber, Heil- und Wirtschaftsmagie auftritt. Mit der Persönlichkeitserweiterung steigt auch der Status der betreffenden Person, denn sie teilt nun das Wissen der Geister und ist mit ihnen vertraut. Das ist vor allem für die Identifikation des Clans und dessen Landrechte wichtig, die nicht zuletzt von den Ahnen gewährleistet werden. Stark ist der Glaube an die Feldbaumagie mit ihren Fruchtbarkeitsriten, wie sie Jensen am Beispiel der Kiwai beschreibt.[110] Der Ahnenkult geht oft mit einem Schädelkult einher, etwa im nordöstlichen Neuguinea, wo hölzerne Ahnenfiguren namens kowar mit Menschenschädeln versehen werden.

Polynesien und Mikronesien

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Polynesien mit seinen weit über 1000 Inseln und Inselgruppen erstreckt sich von den Hawaii-Inseln (USA) im Norden nach Neuseeland im Südwesten und der Osterinsel (Chile) im Südosten. Für Polynesien ist generell der Besessenheitsschamanismus typisch. Im Vergleich zu Mikronesien zeigt es eine stärkere Geschlossenheit des Kulturbildes. Doch finden sich innerhalb Polynesiens selbst auf einzelnen Inseln unterschiedliche Varianten von Mythen, deren Hauptakteure aber wiederum oft Gemeingut sind.

Mikronesien ist ein Sammelbegriff für das „Inselmeer“ von über 2000 tropischen Inseln und Atollen, die auf über sieben Millionen km² des westlichen Pazifischen Ozeans verstreut sind. Geographisch liegen fast alle Inseln nördlich des Äquators. In Polynesien ist heute das Christentum vorherrschend.
Zur kulturgeographisch wichtigen Andesitlinie und zur Lapita-Kultur siehe dort.

Neuseeland und Maori[111]

Der zentrale Begriff der Maori-Religion sind Mana und Tapu. Alles in der Welt hat auch eine spirituelle Dimension. Von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die Welt der Ahnen, von denen der Maori nicht nur Mana erbt, sondern die durch Zeichen oder Träume unmittelbaren 'Einfluss auf das Leben des Einzelnen nehmen und zugleich das Stammland verkörpern, das die Lebenden mit den Toten verbindet, zugleich als Teil der Erde auch Spenderin des Lebens ist.[112] Die Maori-Priester, oft Häuptlinge (ariki). von denen es zwei Arten, Propheten (tula oder taura) und Priester (tohunga) gibt, nehmen magische Heilungen vor, indem sie die Krankheitsursache meist einer Besessenheit durch einen bösen Geist oder Gott zuschreiben, wobei Propheten, also Wahrsager, als freiwillig von einem Gott inspiriert gelten. Vor allem sie sind denn auch vor allem als die Erben der alten Schamanen anzusehen, zumal sie eine Art Prüfung ihrer Fähigkeiten ablegen müssen. Auch Hilfsgeister sind üblich, die vor allem den Zauberern (tahu) dienen, die im Unterschied zum Propheten nicht von Göttern oder Geistern besessen sind, sondern sich ihrer bedienen. Die Maoris haben eine hochentwickelte Kosmogonie, die bis an die Grenzen eines Monotheismus reicht.[113] Die Bedeutung der Zauberflüche lässt sich daraus ersehen, dass schon der geringste Rezitierfehler zum Tode des Zauberers führen kann.[114] In der Kunst der Maori fallen die Manaia-Wesen auf, anthropozoomorphe Figuren mit Vogel- und Reptilköpfen. Ähnliche Figuren finden sich auch auf der Osterinsel, wo die Verehrung der Vogelmenschen zentraler Bestandteil eines Kultes ist.

Übriges Polynesien

Kennzeichnend für Gesamtpolynesien ist die starke, bis ins Jenseits reichende soziale Differenzierung (am stärksten auf Tonga, Tahiti und Hawaii) mit der teilweise sakralisierten Häuptlingsmacht im Zentrum. Die Vorstellung von Mana und Tapu ist überall vorhanden.[115] Die Personifizierung der übernatürlichen Kräfte ist weit ausgeprägter als in Melanesien. Es gibt ein vielfältiges, von Insel zu Insel variierendes, meist anthropomorphes Göttersystem mit festen Kultstätten. Kulturheroen, insbesondere Maui, der sich ähnlich Prometheus als Feuerdieb betätigt, und Tiki, spielen eine große Rolle. Insgesamt findet man hier, wenn auch lokal in unterschiedlichem Ausmaß, vier Typen religiöser Ämter und Berufungen

  1. Ritualpriester. Sie standen den Häuptlinge nahe und nahmen rituelle Handlungen wie Opfer vor.
  2. Inspirierte Priester
  3. Von Geistern Besessene
  4. Zauberer.

Die letzten drei Gruppen haben mit dem offiziellen Kult nichts zu tun und sind Teil der Volksreligion. Manche schamanische Kräfte werden vererbt, etwa die Fähigkeit des Feuergehens auf den Fidschi-Inseln, die es so ähnlich aber auch in anderen Kulturen gibt. Auf Tonga wiederum verfallen die offiziellen Priester in Ekstase und erinnern so stark an Schamanen.[116] Eliade stellt daher fest, dass schamanische Techniken in Polynesien eher sporadisch auftreten, während die schamanische Kosmologie nur in der Mythologie präsent sei, nur gelegentlich noch im Brauchtum eher unverstanden auftauche. Auch die Konzeption der Krankheit hält er nicht eigentlich für schamanisch. Vermutlich sei die Klasse der Zauberer mit ihrem Geheimwissen noch am ehesten mit klassischen Schamanen vergleichbar.[117] Neben den Hauptformen der polynesischen Religion haben sich im Volk aber auch uralten Formen erhalten, etwa Restformen eines Totemismus auf Samoa oder der Glaube an schwarze Magie auf den Tongainseln.[118] Zu dem oft fälschlich für eine Schamanen verwendeten hawaiianischen Begriff Kahuna. der auch als Huna für neoschamanische Techniken eingesetzt wird, siehe.[119]

Mikronesien

Über die alten mikronesischen Kulturen ist wenig bekannt. Ein hierarchisches Pantheon ist nur aus dem zentralen Teil der Karolinen bekannt. Die Strukturen und Grundvorstellungen sind trotz großer Unterschiede im Detail auch innerhalb des Bereiches insgesamt denen Polynesiens teils recht ähnlich. Es gibt häusliche Kulturorte für die Ahnenverehrung und gemeinsame Kultorte. Auf manchen Inseln (Ponape, Kusae) sind Reste großer kultischer Anlagen erhalten. Die Überformung durch staatliche wie religiöse Einflüsse (Kolonialismus, Missionierung) aus Europa, den USA und Japan ist jedoch lokal so stark, dass weitergehende Schlüsse auf potentielle schamanische Vorstellung pauschal nicht mehr gezogen werden können, allenfalls hie und da im Detail.[103]

  • Für die Palau-Inseln gibt es starke Hinweise auf einen totemistisch gefärbten Schamanismus, denn im Mittelpunkt standen dort kalid (das Wort bedeutet Übernatürliches schlechthin): männliche oder weibliche Wahrsager, Heiler und Geisterbeschwörer, von denen jedes Dorf einen hatte und die auch priesterliche Funktionen wahrnahmen. Das Amt war erblich. Tote Kalids wurden zu Geistern, und manche Tiere wurden für Ahnen gehalten, die in ihnen weiterlebten, so dass jeder einen eigenen Kalid (Tiergeist) hatte, der allerdings kein Haustier sein durfte. Nach dem Tode werden Menschen zu Delps, die auf einer kleinen Insel hausen und die Lebenden im Schlaf beunruhigen können.[120]

Amerika: Übersicht

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Zum mutmaßlichen Ursprung des gesamtamerikanischen Schamanismus gilt dasselbe wie für die präkolumbianischen Religionen und ihre schamanischen Reste. Dieser Schamanismus hat sich in Amerika bei den indigenen Völkern bis heute erhalten, und zwar trotz der zahlreichen verschiedenen Ethnien und Sprachfamilien, die wir hier vorfinden und vor allem auch trotz der teils gewaltsamen, an Völkermord grenzenden Missionierungen und Eroberungen durch die christlichen Europäer, wie sie schon der Dominikaner Las Casas zu Beginn des 16. Jahrhunderts beklagte.[121]

Allein in Nordamerika gab es zur Zeit der Entdeckung des Kontinents über 60 Sprachfamilien mit mehr als 500 Sprachen und entsprechend viele Ethnien.[122] Ähnlich verhält es sich in Mittel- und Südamerika.[123] Die neuere linguistische Forschung vor allem durch Joseph Greenberg gruppiert die amerikanischen Sprachen in rund 100 Sprachfamilien.[124] Diese gewaltige Heterogenität hat ihre Ursache in zeitliche und räumliche Isolationseffekte auf einem riesigen, durch mehrere asiatische und eventuell pazifischen Einwanderer in mehreren Schüben besiedelten Doppelkontinent,[125] der etwa viermal so groß ist wie Europa und dessen geographische und klimatische Vielfalt von polaren Zonen, Hochgebirgen, Savannen und Steppen, Wüsten, riesigen Waldgebiete bis zu fruchtbaren Schwemmlandtälern großer Flüsse und Ströme reicht, die eine bäuerliche Lebensweise ermöglichten. Dadurch ergeben sich teils extrem unterschiedliche ökonomische Grundbedingungen, die wiederum kulturell-religiöse Unterschiede produzieren, die durchaus auch verschiedene Entwicklungsniveaus beinhalten.[126] Dieser Heterogenität steht jedoch eine relativ einheitliche religiöse Grundstruktur gegenüber, deren Kern in einem Animismus, Schamanismus und Totemismus mit einer allerdings starken Variationsbreite im Einzelnen besteht, jedoch mit denselben Basistypen, die man in auch anderen entlegenen Regionen findet.[127] Daraus ergeben sich zwangsläufig die regionalen und kulturellen Großbereiche.[128]

Nachdem er festgestellt hat, dass der Traum-Realismus mit dem Kult persönlicher Schutzgeister in enger Verbindung steht und die Einteilung der Schamanen nach Berufung und Macht auf der Stärke solcher individuellen Eigenschaften beruht, notierte S. A. Tokarew: „Charakteristisch für die meisten nordamerikanischen Stämme ist die Verbindung des Schamanismus mit dem Glauben an übernatürliche Eigenschaften von Tieren. Der Schutzgeist eines Bärenschamanen ist ein Bär. Überhaupt galt der Bär, besonders der Graubär, am häufigsten als Quelle der schamanistischen Macht. Deshalb hüllten sich viel Schamanen in ein Bärenfell.“[129] Allerdings wurden religiöse Vorstellungen bei den Indianern verhältnismäßig selten personifiziert, schon gar nicht vermenschlicht, weshalb es mit Ausnahme der mesoamerikanischen Hochkulturen, die ein bereits polytheistisches Stadium repräsentieren, kaum Götterbilder oder Idole gibt.[130] Vielmehr „kann man feststellen, dass ihr charakteristisches Merkmal die Vorstellung übernatürlicher Kräfte ist, die jedem vertraut, aber von der materiellen Welt schon ziemlich scharf geschieden sind. Zu religiösen Handlungen wurde der Mensch vor allem durch den Wunsch veranlasst, diese übernatürlichen Kräfte zu rühren und sich, …, ‚erbarmungswürdig‘ zu machen. Diesem Ziel dienten die Gebete, die Fastenübungen und die Selbstfolterungen etwa beim Sonnentanz, die alle darauf abzielten, das Mitleid der übernatürlichen Kräfte zu erregen.“[131] Typisch für Nordamerika ist außerdem die Individualisierung religiöser Vorstellungen, denn alle Stammesangehörigen stehen in einem persönlichen Verhältnis zur übernatürlichen Welt, und jeder hat seinen persönlichen Schutzgeist, symbolisiert auch durch den lebenslang getragenen Medizinbeutel, der bei der Initiation des Jugendlichen gewonnen wird und lebenslang Teil seines intimsten Selbst bleibt.[132] Jeder konnte visionäre Erlebnisse und prophetische Träume haben, was die Bedeutung der Schamanen relativiert und meist solche zum Schamanen prädestinierte, die derartige Träume besonders häufig und intensiv hatten.[133]

Schamanismus war und ist auf dem amerikanischen Doppelkontinent vielfältig und ausgeprägt, tritt jedoch im Gegensatz zu Sibirien in zahlreichen teils hochkulturellen, fast stets aber durch die jeweiligen Subsistenzbedingungen bestimmte spezialisierten Formen auf, die wiederum recht verschiedene Kosmologien und Mythologien hervorgebracht haben, in die der Schamanismus dann jeweils eingebettet ist (oder wie im Südosten Nordamerikas weitgehend verdrängt wurde, denn je weiter man nach Süden kommt, desto weniger differenziert ist der Schamanismus).[134] Diese religiösen Phänomene und Grundlagen müssen hier wenigstens in den Grundzügen beschrieben werden, um die Art dieser Einbettung und die jeweiligen Rückkoppelungsmechanismen zu verstehen. Belegt wird der Schamanismus vor allem auch durch die indianische Felsbildkunst[135] und andere Indizien wie Schamanenbestattungen, nicht zuletzt aber auch durch die Berichte früherer Forschungsreisender wie George Catlin und die Darstellungen rezenter Medizinmänner.

Nordamerika: Eskimos und Indianer

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Bei vielen nordamerikanischen Stämmen ist der Schamanismus nach wie vor zentraler Bestandteil ihrer Kultur. Schamanen nehmen nach ihrer Berufung und Initiation die klassischen Aufgaben wahr, also Heilung, Jagdmagie, Wahrsagen, Wetterkontrolle, zeremonielle Aufgaben, Verteidigung gegen Hexerei usw. Trance und Ekstase sind zwar üblich, stehen aber nicht im Vordergrund des magisch-medizinischen Handelns, vielmehr scheinen heutzutage die Geheimbünde und mystischen Bewegungen unter den Indianern diesen Aspekt des Schamanentums weitgehend übernommen zu haben.[136] Der Schamanismus ist variabler als in Sibirien,[137] auch finden sich anders als dort häufig agrarische Subsistenzformen. Seit einigen Jahrzehnten haben allerdings die alten schamanischen Glaubensstrukturen zusammen mit der Wiederbelebung des indianischen Selbstbewusstseins eine Renaissance erfahren, wenn oft auch nur mit folkloristischem Hintergrund. Dazu kamen synkretistische christlich-indianische Bewegungen wie die Native American Church, die Peyote-Religion oder die Indian Shaker Church.[138] Dazu gehört auch die Geistertanzbewegung, die, 1870 beginnend, letztlich 1890 zum Massaker am Wounded Knee führte. Sie war eine Art indianische Widerstandsbewegung mit eschatologischem Hintergrund und verkündete die Wiederauferstehung aller Indianer und die Vernichtung der Weißen.[139] Bei den meisten Völkern Nordamerikas bildete die matriarchalische Sippenordnung die Grundlage der Gesellschaftsstruktur, und dies widerspiegelt sich bis zu einem gewissen Grade auch in der Religion.[140]
Belegt ist dieser amerikanische Schamanismus sowohl durch direkte Beobachtung und Aussagen von Schamanen wie auch vor allem im Falle Nordamerikas durch Felsbilder,[141] die wie im Falle der südafrikanischen San und australischen Aborigines inhaltlich auch durch Medizinmänner und andere Eingeweihte verifiziert werden können.

Die Kulturareale Nordamerikas

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Arktis und Subarktis

  • Aleuten: Sie nehmen schon aufgrund ihrer durch die Inselsituation bedingten, weitgehend isolierten Entwicklung eine Zwischenstellung ein zwischen den paläoasiatischen bzw. paläosibirischen und den paläoindianischen Ethnien (s. auch: Ostasien Paläosibirische bzw. paläoasiatische Ethnien).[142]
    Das sehr kleine, nichtnomadische Volk der Aleuten, das sich selbst Unangan nennt und nach einer mutmaßlich ersten Besiedelung vor 6000 Jahren etwa ab 2000 v. Chr. die Inseln von Alaska aus besiedelte, praktiziert ähnlich den Ureinwohnern Feuerlands einen sehr urtümlichen Elementarschamanismus[143], der seiner Subsistenzbasis mit Jagd auf Land- und Seetiere entspricht. Sie waren in Sippenverbänden organisiert, wobei bei den Unangan ein Häuptlingstum nur schwach ausgeprägt ist. Schamanen hatten eine auch durch ihre Bestattung unterstrichene hervorgehobene Rolle mit den im Elementarschamanismus typischen Aufgaben wie Jagdmagie, Krankenheilung, Verkehr mit Geistern, Tieren usw. Die Vorbereitung auf den langen arktischen Winter war hier eine Besonderheit, ebenso wie die Welt des Meeres. Sie unterwarfen sich rituellen Reinigungen und schnitzten Masken, die Wesen aus der Geisterwelt und der Schöpfungsmythen darstellten und Ähnlichkeiten mit den entsprechenden Geistern der Seetiere hatten. Diese Masken wurden bei bestimmten Indianer-Pantomimen eingesetzt, bei denen die Schamanen selbst stumm blieben und ihre Helfer die Erklärungen sangen. Dabei wurden Rasseln verwendet. Mumifizierung war üblich, Amulette sind verbreitet.[144]
  • Eskimos (Inuit):[145] Dies sind die autochthonen Jäger- und Fischervölker, die an der Ostspitze Sibiriens, vor allem aber im zirkumpolaren Bereich Nordamerikas zwischen Alaska, Neufundland und Grönland leben und sich durch kulturelle und sprachliche Homogenität auszeichnen.[146]
    Der Schamanismus hat hier wie bei den sibirischen Völkern, die unter ähnlichen Umweltbedingungen leben, eine so beherrschende Stellung erreicht, dass er beträchtliche Teile der religiösen Aktivitäten dominiert, obwohl es auch hier Varianten und Vermischungen mit dem Christentum gibt. Der Eskimo-Schamane angakok/angakut (es konnte auch ein Frau sein) nimmt entsprechend eine zentrale Rolle ein. Er vertritt einen Elementarschamanismus, und seine Hauptaufgaben sind Heilung, die er durch eine Jenseitsreise bewirkt, in deren Verlauf er die gestörte Seele wieder zurückführt, weitere Fähigkeiten sind die ekstatischen Unterwasserreise zu Sedna, der Mutter der Tiere, der mächtigsten übernatürlichen Entität, und die Hilfe für unfruchtbare Frauen. Er überwacht außerdem die Einhaltung der Tabus und ahndet ihre Verletzung oder beseitigt deren Ursache, die darin bestehen kann, dass ein Toter eine Seele geraubt hat. Wahrsagen, Beeinflussung des Wetters und magischer Flug sind weitere Charakteristika. Der Schamane leitet außerdem die zahlreichen Feste und Zeremonien. All diese Merkmale kennzeichnen auch den nordasiatischen Schamanismus. Auch die dreiteilige Kosmologie ist sehr ähnlich, ebenso die Vorstellung von einer Urzeit, in der es keinen Unterschiede wie Tag und Nacht, Leben und Tod usw. gab. Für die religiöse Psychologie der Eskimos ist das übermächtige Gefühl der Furcht charakteristisch, das Gefühl, von übernatürlichen Kräften abhängig zu sein, wobei natürliche und übernatürliche Welt eng zusammen hängen, deren verbindender Macht der Schamane ist. In diesem Kontinuum herrscht die alles belebende magische Kraft Inua. Um sich vor den zahllosen Geistern zu schützen, die in jedem Element und jeder Aktivität der Natur wohnen und als Tiere, Dinge, Riesen, Zwerge usw. auftreten können, haben die Eskimos eine große Zahl von Tabus entwickelt und benutzen Amulette wie die Tupilaks, Abbilder besonders hässlicher Geistwesen, die ihren Besitzer schützen sollen. Die Jenseitsvorstellungen beinhalten teilweise die Idee der Seelenwanderung, bei der die Seele des Verstorbenen in den Körper eines Nachkommen eintritt. Mystische Berufung, Ausbildung und Initiation des Schamanen sind denen der sibirischen sehr ähnlich, dasselbe gilt für das Gewand und die Utensilien wie eine Trommel und mitunter etwa bei den Alaska-Inuit Masken (ähnlich den Aleuten); auch ist er der Hüter der Traditionen.
  • Indianer der Subarktis:[147] Die Subarktis Kanadas, wo die Indianerstämme der Cree, der Ojibwa, Chipewyan, Beaver-River-Indianer, Slave-River-Indianer, Yellowknife, dazu die Athapasken, Beothuk, Montagnais, Naskapi und andere als Nomaden oder jahreszeitlich zwischen Küste und Binnenland wechselnde Halbnomaden leben, und die vor allem der Sprachfamilie der Algonkin angehören, hat durch die oft weit auseinanderliegenden Familiengemeinschaften einige Besonderheiten, da sich deswegen keine eigentliche Stammesreligion entwickeln konnte, wie dies bei den südlicheren Stämmen der Fall war. Subsistenzgrundlage war im Binnenland die Jagd vor allem auf das Karibu, Pelztiere und hier insbesondere auf den Bär.
    Der Bär spielte denn auch eine zeremonielle Rolle, besonders bei der Initiation junger Männer, aber auch als Totem, dessen Schädel bemalt in Bäume aufgehängt wurden, da man glaubte, die Seele des getöteten Tieres beobachte, wie seine Knochen behandelt wurden, denn Tierseele und Knochen standen in einer mystischen Wechselbeziehung, und ihre respektvolle Behandlung war für den Jagderfolg entscheidend. Zentral in der religiösen Vorstellung waren die „Vier Mächtigen“, die die vier Himmelsrichtungen repräsentierten. Zugang zu diesen vier Mächtigen, den Seelen und Geisteswesen des Waldes, hatte nur der Schamane, nicht wie anderswo jeder spirituell Vorbereitete. Für Sitzungen musste eine spezielle Geisterhütte, ein wapanaon, gebaut werden, das nach der Sitzung zerstört wurde. Träume spielten etwa bei den Naskapi eine besonders wichtige Rolle (bereits C. G. Jung hat in „Der Mensch und seine Symbole“ darüber berichtet), da sie Verbindungen mit dem „Höchsten Mann“ (Manitu, ein Algonkin-Wort), dem obersten Geistwesen herstellen. Bestimmte Bereiche der Heilung gehörten ebenfalls zum Aufgabenbereich des Schamanen und waren eine Mischung aus Naturheilkunde und psychologischen Verfahrensweisen.

Nordpazifikküste und Plateau.[148]

Die dort lebenden Stämme, insbesondere die Kwakiutl, Haida, Tsimshian und Tlingit, sind allesamt Jäger, Sammler und Fischer (vor allem Lachse), und entsprechend gestalten sich die Besonderheiten ihres Schamanismus.
Bei den Ethnien der Küsten-Salish gibt es ähnlich den Ethnien des Subpolarraumes die Vorstellung von individuellen Schutzgeistern, die der Initiand schon in früher Jugend erwirbt und deren Präsenz er während der winterlichen Zeremonien Ausdruck gibt (Geistertanz). Sie verhelfen ihm zur Selbstheilung und ähnlichen schamanenartigen Fähigkeiten. Ihr zentrales Thema ist das Sterben und Wiedergeborenwerden. Die von Schamanen durchgeführte Zeremonie kann den ganzen Winter dauern. Wie in anderen indianischen Ethnien sind Geheimbünde typisch, an deren Spitze Häuptlinge und Schamanen stehen. Diese Geheimbünde leiteten sich von gemeinsamen Ahnen und teils tierischen Schutzgeistern ab.[149] Der Glaube ist stark totemistisch geprägt.[150] Ein Ahnenkult fehlt wie bei den anderen nordamerikanischen Stämmen mit Ausnahme der Pueblo-Kultur.[151] Es gibt viele Parallelen zum nordasiatischen Schamanismus, allerdings auch Besonderheiten wie die Vorstellung vom Seelenverlust und dem Eindringen von Geistern in einen Körper, beides typische Konzepte des amerikanischen Schamanismus. Der Schamane in Trance benutzt dann ein Seelenfänger genanntes Utensil, um die Seele wieder zurückzubringen. Zu diesem Zwecke wurde bei manchen Stämmen auch die Zeremonie des Geister-Kanus durchgeführt. In der Salish-Sprachengruppe findet sich die dramatische Darstellung des Todes und die Wiedererweckung des Toten durch den Schamanen. Krankheiten werden häufig auf Hexerei zurückgeführt, wonach der Verursacher identifiziert und gezwungen wird, seine Schuld zu gestehen. Wappenpfähle und Masken sind typische Utensilien. Die Ende des 19. Jahrhunderts entstandene, von John Slocum begründete christlich synkretistische Indian Shaker Church ist eine weitere Besonderheit dieser Region. Sie ist nach der Schütteltrance benannt, die die Mitglieder ergreift.[152]

Prärie[153]

Das Gebiet der Prärievölker erstreckt sich über die heutigen Staaten North und South Dakota, Minnesota, Nebraska, Iowa, Kansas, Missouri, Oklahoma und Arkansas mit dem Mississippi als östlicher Grenze. Die bekanntesten Stämme sind die Lakota (Dakota), Cheyenne, Arapaho, Crow, Blackfoot, Schoschonen und Bannock. Unter dem Druck der weißen Siedler und der Irokesen wurden viele Indianerstämme wie die Apachen, Sioux, Caddo (Pawnee), Cheyenne, Arapaho und Lakota aus ihren Gebieten vertrieben. So vereint der Schamanismus der Prärieindianer eine Vielzahl von Vorstellungen aus unterschiedlichen Teilen Nordamerikas, etwa zahlreiche Formen des Heilens, Seelenreisen, Prophezeiungen vor allem zum Wetter. Auch war die Art der Schamanenwerdung wenig formalisiert. Als Narkotikum zur Herbeiführung einer Trance wird vor allem Tabak verwendet.

Neben bestimmten umweltbedingten Lebensweisen wie Büffeljagd, Pferd, Tipi und einem ausgeprägten Kriegswesen sind Sonnentänze, Schwitzhütte und spezielle Medizinmänner als Heiler typische Formen des Schamanismus der Prärie. Allerdings beschreibt der Ethnograph George Catlin auch den Irrtum, der dieser Bezeichnung durch die Weißen zugrunde liegt, denn: „Die Indianer bedienen sich jedoch nicht des Wortes »Medizin«, sondern jeder Stamm hat ein eigenes Wort dafür, das gleichbedeutend ist mit »Geheimnis« oder »Geheimnismann«“. Der Medizinbeutel ist daher auch der persönlichste Gegenstand jedes Indianers. Nachdem er ihn bei seiner Mannwerdung erworben hat, trägt er ihn lebenslang. Dies ist sein persönlicher Schutzgeist, den er sich während der Initiation erträumt.[154]

Rituelle Tänze wie der Büffeltanz, Stiertanz oder Bärentanz[155] sind relativ häufig. Bei dem inzwischen stark folkloristisch gefärbten Sonnentanz handelt es sich um ein kosmologisches Neujahrsfest, ursprünglich offenbar die rituelle Darstellung einer Schöpfungsidee. Der Tanz dauert bis zu vier Tage und führt bei den fastenden Tänzern zu einer Trance. Während des Tanzes führt der Schamane Heilungen durch.

Zwei besondere Institutionen im Verlauf des Heilens sind offenbar sehr alt, zumal sie teilweise auch bei den subarktischen Indianern vorkommen: die Geisterhütte und das Rüttelnde Zelt.[156] Es war vor allem bei den Waldindianern des Nordens, den Indianern der Großen Ebenen und der Prärie in Gebrauch, kommt heute allerdings nicht mehr vor. Das Rütteln wird durch die Rasseln verursacht, die der Schamane im Zelt während seiner Trance betätigt als Zeichen für seinen Kontakt mit Geistern, die ihm seine Prophezeiungen eingeben. Der moderne Brauch der Prärieindianer, ein Geisterzelt aufzustellen, erinnert noch an diese Sitte.

Östliche und südöstliche Waldgebiete[157]

Südlich des Sankt-Lorenz-Stromes und östlich des Mississippi lebten Völker, die zum großen Teil sesshafte Ackerbauern waren. In der Indianer-Umsiedlung ab 1830 wurde der größte Teil der Indianer dieser Region in das Gebiet westlich des Mississippi umgesiedelt. Sie hatten eine ausgeprägte Mythologie und Kosmologie mit zahlreichen Gottheiten, die in einem bis zu zwölfschichtigen Himmel lebten, mit der Erde als Scheibe auf dem Rücken einer Schildkröte. Die Legende von den Donnervögeln berichtet über riesige mythische Wesen, die durch die Bewegungen ihrer Schwingen den Donner verursachen. Auch andere Tiere wie Bär oder Wolf lebten spiegelbildlich unter Wasser. Unter-Wasser-Panther, Gehörnte Riesenschlange, beide böse und im ständigen Kriegszustand mit den regenbringenden Donnervögeln, waren wie die Maisfrau weitere mythische Gestalten, die einen Übergang vom Jäger-Sammler zum Bauern signalisieren. Mais und Tabak sind daher ebenfalls Gottheiten.[158]

  • Östliche Waldgebiete: Sie werden von den Gebirgszügen der Appalachen beherrscht, die sich im Süden bis nach Georgia erstrecken. Der größte Teil wurde von den Stämmen der Irokesen- und Algonkin-Sprachgruppe besiedelt. Die Irokesen sind ein matrilinear organisiertes Volk von Maisbauern. Sie bilden bis heute den Verbund der Six Nations.
    Die religiösen Vorstellungen der Irokesen beinhalteten eine omnipräsente Macht orenda. Sie kannten agrarische Götter und einen bäuerlichen Zeremonialkalender mit zahlreichen Festen wie Ahorn-, Maisaussaat-, Donnertanz-, Erdbeer- und Grünkornfest, am wichtigsten das Mittwinterfest mit seinen Reinigungs- und Erneuerungsriten. Ursprünglich bestimmend waren die irokesischen Geheimbünde, Zusammenschlüsse von Schamanen, die Heilungen durchführten, und die bis heute im Rahmen der Traditionspflege weiterbestehen. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts trat aber eine neue, von dem Irokesen des Seneca-Volks Handsome Lake nach einer Vision begründete Religion auf: die Lehre Kaiwiyoh. Sie war unter dem Einfluss der Quäker entstanden und enthielt ethische Grundsätze, die vor dem Hintergrund eschatologischer Weltuntergangsdrohungen auf eine soziale und religiöse Erneuerung der traditionellen Lebensweisen abzielten, welche den in die Reservate gedrängten Irokesen einen neuen Lebensinhalt als Bauern gaben. Bis heute folgt ein Drittel der Bevölkerung der Six Nations diesen Vorstellungen.
  • Südöstliche Waldgebiete: Dieses Gebiet erstreckt sich über North und South Carolina, Georgia, Alabama, Florida sowie Teile von Louisiana und des Mississippi-Laufs. Hier bestanden die einstige Adena-Kultur und die Hopewell-Kultur sowie die darauf folgenden Mississippi-Kulturen, die mit Ausnahme der Sioux-Völker zu den Nachkommen der Moundbuilders gehören, wie sie die ersten Europäer noch antrafen. Das Land ist sehr vielgestaltig und reicht von flachen Küstengebieten über die Nadelwälder der Golfküste, die Laubwälder der Appalachen und die breiten, fruchtbaren Fluss- und Stromtäler bis zu den Mangrovensümpfen Floridas. Entsprechend unterschiedlich sind die Subsistenzstrategien. Wichtige Völker sind die Creek, Cherokee, Natchez und Seminolen, letztere ein abgespaltener Teil der Creek, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts aus Georgia nach Florida gezogen war und sich dort durch Jagd, Fischerei und Landwirtschaft ernährte.
    Entsprechend der vorwiegend bäuerlichen Lebensweise finden sich die entsprechenden religiösen Typen. Totemismus ist verbreitet, wobei die Tiere, etwa der Hase oder Rabe, meist als mythische Kulturbringer oder auch als Schöpfergestalten im Rahmen der Sippengemeinschaft auftreten, wie das auch bei den nordwestlichen Stämmen der Fall ist.[159] Stammesreligionen waren üblich. Die Religion war bestimmt durch das heikle Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Die Welt wurde als belebt verstanden und war beherrscht von Geistwesen, Hexen usw. Man glaubte an ein Leben nach dem Tod. Die Seelen der Toten hielten sich in der Umgebung der Siedlungen auf und versuchten, sich auf ihrer Jenseitsreise von den Lebenden begleiten zu lassen. Entsprechend aufwendig gestalteten sich die Begräbnisriten, teils zum Schutz der Lebenden, teils zum Angedenken an die Toten. Tod war keine natürliche Erscheinung, sondern wurde stets von bösen Geistern verursacht. Eine menschliche Ursache erforderte Blutrache. Auch Tiere hatten eine Seele, und ihr Tod musste vor ihrem Gruppengeist, einer Art spezifischem Herrn der Tiere, verantwortet werden, so dass jede Jagd von strengen Regeln, Opfern und Tabus bestimmt war. Krankheiten wurden auf Fehler in diesem Zusammenhang zurückgeführt. Die Welt der Pflanzen wurde als dem Menschen wohlwollend gedacht. Vor allem bei den Cherokee genoss der Mais höchste Verehrung. Medizinmänner besaßen heilige Objekte und Idole, teils in Tempeln, teils wurden sie in Sänften herumgetragen. Vor allem in den Mythen des Südostens gibt es eine ungeheure Anzahl von Naturgeistern, Riesen, Monstern, Trickstern wie den Großen Hasen Manäbusch und Zwergen. Den Glauben an ein Höchstes Wesen („Großer Geist“) hat es vermutlich ebenfalls gegeben.
    In einigen der wohlhabenderen Städte hatten sich geschichtete Gesellschaften mit einem Priestertum entwickelt. Daneben gab es jedoch noch verschiedene Formen medizinisch-magischer Akteure, seien es nun Medizinmänner, Zauberer oder Schamanen.[160] Diese Gesellschaften zeigen also bereits den Übergang zu bäuerlich-städtischen Gesellschaftsformen, in denen trotz einer teils noch archaischen und animistischer Gedankenwelt der Schamanismus so stark an Bedeutung verloren hatte, dass er etwa im Werk von Hultkrantz gar nicht erst erwähnt wird.

Großes Becken und Great Plains

  • Großes Becken:[161] Dies ist eines der unwirtlichsten Gebiete Nordamerikas außerhalb der Arktis und Subarktis, das sich über die Staaten Nevada, Oregon, Idaho und Utah erstreckt, mit den Rocky Mountains als Westgrenze. Hier lebten vor der Invasion der Weißen die westlichen Gruppen der Schoschonen, vor allem die Komanchen, die Gosiute sowie die südlichen und nördlichen Paiute, Bannock und Ute als Wildbeuter, die sich aber auch von Knollen und Kleintieren, auch Insektenlarven ernährten. Die meisten dieser Völker gehörten der Uto-Aztecao-Tanoan-Sprachgruppe an.
    Das religiöse Leben war von mythischen, allmächtigen Tiergeisteswesen und einer dualistischen Seelenvorstellung bestimmt. Dabei standen zwei Ereignisse im Zentrum: die Antilopenjagd, die der Schamane durch das Singen der Antilopenlieder jagdmagisch initiierte, da er die Antilopen im Traum hatte kommen sehen und sie zudem anlockte, und der Tanz im Sommer, bei dem die Menschen um einen Baum tanzten und Schutzgeister anriefen mit Gesängen, wie sie später auch in der Geistertanzbewegung auftauchten. Dabei ging es um den Guten „Bruder Wolf“, einen Schöpfermythos, und den ewigen Störenfried Coyote, der in vielen Indianermythen vorkommt und wie der Hase und Rabe ein Trickster ist.[162] Zum Seelendualismus gehörte die Vorstellung von zwei Körperseelen, von denen die eine während eines Traums den Körper verließ. Beim Sterben verließen beide Seelen den Körper. Die Welt war voll von guten und bösen Geistern. Vor allem unter den östlichen Schoschonen versuchten manche junge Männer, Geister durch Visionen anzulocken.
    Die Gestalt des Schamanen oder Medizinmannes ist hier allerdings undeutlich. Berufen wurde er im Traum, aber ohne vorherige Prüfungen oder Selbstkasteiungen, ausgebildet wurde er meist von einem älteren Schamanen. Man erkannte ihm Macht über böse Geister und Klapperschlangen zu sowie die Fähigkeit, verlorengegangene gute Geister wieder zurückrufen zu können. Seine Rolle als Heiler ist nicht fest umrissen, doch war er mächtig (auch Frauen konnten Schamanen sein), hatte magische Kräfte und sagte die Zukunft voraus. Er verfügte über einen oder mehrere auf bestimmte Übel spezialisierte Schutzgeister. Das Aussaugen böser Geister wurde auch hier praktiziert.[163]
    Ab 1890 gewann die Geistertanzbewegung auch hier an Bedeutung.[164]
  • Plains: [165] Die Great Plains, meist Kurzgras- und Zwergstrauchsteppen, erstrecken sich von Süden nach Norden. Sie beginnen in Texas mit dem Edwards-Plateau, es folgen die High Plains bis zum Missouri-Plateau im Norden. Im Westen bilden die Rocky Mountains die Grenze. Die Kette der Plains wird mehrfach unterbrochen durch die Prärie und das Wyoming-Becken, im Süden findet sich Wüste, im Norden erstrecken sich weite Gebirgswälder.
    Die Plains waren das Kerngebiet der Bisons. Die dortigen Stämme der Dakota (Sioux), der Cheyenne und Pawnee bilden größere Einheiten. Zusammen mit den Blackfoot, Wichita, Ute, Komanchen, Apachen, Schoschonen, Kiowa und anderen bilden sie neben den Prärieindianern das zweite Zentrum dessen, was man unter Plains-Indianerkultur versteht. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts entwickelten sie sich von Wildbeutern teilweise zu Bauern (Mais bei den Cheyenne) oder blieben wie die Komanchen Nomaden, die aber durch das erst von den Spaniern und anderen Eroberern eingeführte Pferd (alle nordamerikanischen „Wildpferde“ stammen von ihm ab[166]) nun eine sehr viel größere Reichweite hatten als zuvor und jetzt ausschließlich von der Bisonjagd lebten.
    Die Plains-Indianer unterschieden nicht zwischen weltlich und heilig oder zwischen magisch und religiös. Erfolg hing weitgehend vom Wirken guter Geister ab. Wollte man ihre Hilfe erbitten, begab man sich zuvor in die Einsamkeit und kasteite sich. Im Erfolgsfall erschien einem der Geist meist in Tiergestalt und gab Ratschläge. Alle Stämme hatten Medizinmänner oder Schamanen mit übernatürlichen Kräften, die vor allem bei schwereren Erkrankungen als Heiler fungierten, indem sie das verderbenbringende Element aussaugten. Der Schamane praktizierte außerdem Jagdmagie und spürte Feinde oder verlorene Dinge auf. Bei einigen Stämmen wie den Cheyenne überlagern sich die Rolle des Medizinmannes und die des Priesters bzw. Schamanen. Beide Rollen können von derselben Person eingenommen werden, so dass am ehesten die Tatsache ausschlaggebend ist, ob Ausbildung oder Berufung an erster Stelle stehen.
    Zeremoniell und rituelle Praktiken waren in den Plains hoch entwickelt und reichten von einfachen Handlungen bis zu wochenlangen Veranstaltungen. Tabus und der Gebrauch von Tabak spielten bei all diesen Riten eine wichtige Rolle, desgleichen eine ausgeprägte Selbstdisziplin bei kriegerischen Stämmen. Bei den Cheyennen waren heilige Pfeilbündel von zentraler Bedeutung. Am wichtigsten war jedoch wie bei den Prärieindianern der Sonnentanz, der oft mit freiwilligen Martern verbunden war,[167] zeitweise verboten wurde oder zur reinen Touristenattraktion absank.

Kalifornien[168]

Das Wohngebiet der kalifornischen Indianer ist in etwa mit dem heutigen Bundesstaat identisch. Landschaftlich ist es extrem vielfältig, und die Landschaftsformen reichen von einer zerrissenen, inselreichen Küste über Küstengebirge, große Flusstäler wie die des Sacramento River und San Joaquin River, über große Wälder bis hin zu Halbwüsten und Wüsten.
Der kalifornische Raum war wie die Nordwestküste eines der am dichtesten besiedelten Gebiete Nordamerikas, in dem eine verwirrende Vielfalt indianischer Ethnien bis heute lebt. Es gibt mehrere große Sprachfamilien: Penuti, Hoka, Yuki, Schoschone und Hupa, das als südlichster Zweig der Na-Dené-Sprachen gilt. Die Subsistenzgrundlagen waren Jagd, Sammeln und Fischen (auch Meeressäuger). Einige Stämme bauten Tabak an und handelten damit. Muschelgeld war gebräuchlich. Die Flechtwerkkunst der kalifornischen Indianerinnen ist legendär.[169]

Vor dem Hintergrund dieser kulturellen und ethnischen Vielfalt, deren unterschiedliche soziale Komplexität auch unterschiedlich komplexe Schamanismusformen hervorbrachte, treffen wir hier alle möglichen schamanischen Formen und Riten an. Die Schamanen sind schwer in Kategorien einzuteilen, obwohl sie in den einzelnen Stämmen jeweils nach ihren speziellen Fähigkeiten durchaus in verschiedene Funktionsklassen eingeteilt wurden. So gibt es etwa zahlreiche Bären-Schamanen und -Schamaninnen, die sich in Bären verwandeln konnten. Eine besondere Unterform ist der Klapperschlangen-Schamanismus, der auch im Großen Becken vorkommt. Im Antilopen- und Hirschschamanismus trat der Schamane als Herr der Tiere auf. Generell waren Schamanen jedoch relativ gleichberechtigt in ungeschichtete Stammesgesellschaften eingebettete religiöse Führer, die zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt vermittelten. Abgesehen vom persönlichen Ansehen aufgrund ihrer Fähigkeiten unterschied sich im Allgemeinen ihre gesellschaftliche oder politische Position nicht von derjenigen anderer Stammesmitglieder.[170] Es gab jedoch auch Priester und andere rituelle Akteure. Manche Stämme praktizierten Geistertänze, bei denen der gerufene Geist durch das Ohr in den Tänzer eindrang. Bei den Yurok im Norden war das Schamanenamt über die weibliche Linie erblich. Die Schamanin traf ihren Schutzgeist während einer asketischen Periode in der Einsamkeit, meist ein Tier oder der Geist eines verstorbenen Schamanen.[171] Insgesamt gestaltete sich der Erwerb des Schamanenstatus in Kalifornien sehr verschieden. Transvestiten waren unter den Schamanen häufig. Das wichtigste Instrument eines Schamanen war die Rassel. Er trug zudem ein spezielles Kostüm. Schwitzhütten waren gebräuchlich.
Zwei der auffälligsten Kulte sind der Kuksu- und der Toloache-Kult. Der vor allem unter den Pomo in Nord- und Mittelkalifornien verbreitete Kuksu-Kult wurde von den Mitgliedern einer Geheimgesellschaft praktiziert. Kuksu ist die Bezeichnung für ein höchstes Wesen, das zugleich Herr der Toten und Krankenheiler ist. Die Leitung der Zeremonien lag in den Händen eines Schamanen. Der vor allem im südkalifornischen Raum verbreitete Toloache-Kult beruhte auf der Einnahme eines Halluzinogens (Datura inoxia = Toloache, der Großblütige Stechapfel). Es war jedoch nur Schamanen und anderen führenden Persönlichkeiten erlaubt, außer bei der Initiation der Jugendlichen, bei denen diese in den Visionen ihren jeweiligen persönlichen Schutzgeist sahen.
Schöpfungsmythen sind in Kalifornien selten. Im Norden, der kulturell große Ähnlichkeiten mit der nordwestlichen Küste aufweist, stand der Glaube an tierische Schutzgeister im Vordergrund. Schamanen erhielten ihre Kraft direkt durch sie. Im Nordwesten gab es einen Glauben an die Erneuerung der Welt, die im White-deerskin-Tanz[172] zum Ausdruck kam. Solche Tänze dienten allerdings auch dazu, den relativ lockeren sozialen Zusammenhang periodisch zu festigen. Bei den Wintu entsprang die eigentliche Schamanen-Initiation einem offenbar alten kollektiven Ritual.

Die Furcht vor den Toten war außer im Norden, wo die Erdbestattung überwog, verbreitet, und man verbrannte ähnlich wie bei manchen Indianerstämmen des Gran Chaco nicht nur den Toten, sondern auch seine Hütte und seine Habe, mied den Ort lange und opferte ihm überdies jährlich, damit er so an der Rückkehr gehindert wurde.

Alle kalifornischen Indianer verwendeten übernatürliche Kräfte. Magie wurde eingesetzt, um das Wetter zu beeinflussen und die Zukunft vorherzusagen, obwohl das einigen mit Hilfe von Träumen selbst gelang. Des Weiteren diente die Magie zur Heilung und zur Abwehr von Krankheiten, zum Schutz vor Feinden und zu ihrer Bekämpfung, zur Bestrafung von Übeltätern und zur Erreichung eines besseren Lebens für sich selbst. Man hat also einen Komplexschamanismus vor sich, und zwar trotz der Tatsache, dass es sich hier vorwiegend um Jäger-Sammler handelte, die allerdings auch bäuerliche Wirtschaftsformen kannten und sie lediglich umweltbedingt nicht praktizierten, wohl aber etwa Mehl aus Eicheln gewannen und daraus Brot usw. herstellten.[173]

Südwesten[174]

Politisch umfasst dieses Gebiet mit den Völkern im Grenzbereich zu den alten mesoamerikanischen Hochkulturen die heutigen Staaten Arizona und New Mexico, dazu Teile von Utah und Colorado. Allerdings setzt sich dieses Kulturareal der Pueblo-Indianer auch jenseits der Grenze bis tief in den nordmexikanischen Raum fort. Man sieht hier die Hochplateaus der Mesas mit ihrer Steppen- und Halbwüstenvegetation. Noch weiter südlich finden sich Bergzüge, die in das mexikanische Hochland und die Berge Nieder-Kaliforniens übergehen.

Insgesamt erkennt man in den hier lebenden Indianerkulturen die nördlichsten Ausläufer der alten mittelamerikanischen Indianerhochkulturen. Die bekanntesten Indianervölker dieser kulturellen Großregion sind die in sich auch sprachlich sehr verschiedenen, nach ihren charakteristischen Siedlungsformen benannten Pueblo-Indianer und die auch Navajo genannten Diné sowie die Apachen. Die Pueblo-Indianer sind Bauern. Baumwollanbau ist bei ihnen schon seit 3000 Jahren nachweisbar.[175] Die Diné sind seit Beginn des 17. Jahrhunderts sesshaft und übernahmen von den Pueblos die benötigten Subsistenztechniken. Auch die Apachen lebten auf diese Weise, behielten zunächst jedoch im Gegensatz zu den anderen Völkern ihre bewegliche, an Kriegszügen und Bisonjagd orientierte Organisationsform bis ins späte 19. Jahrhundert bei, wobei sie sich für die anderen Völker zu einer rechten Landplage entwickelten, also keinesfalls dem etwa von Karl May propagierten edlen Typ à la Winnetou entsprachen, sondern eher als Räuber galten.[176] Bei den anderen, kleineren Indianervölkern wie den zu den Apachen gehörenden, in semiariden Gebieten lebenden Chiricahua überwogen mitunter allerdings noch die Jäger-Sammler-Subsistenzstrategien innerhalb von Sippenstrukturen.

Entsprechend sind auch die religiösen Muster bei den verschiedenen Völkern recht unterschiedlich, je nachdem, ob sie Bauern oder Jäger-Sammler sind.

  • Die sesshaften Pueblo-Indianer hatten ein teils bis heute erhaltenes komplexes Zeremonialsystem mit einem agrarisch geprägten Kalender. Es zielte auf potentielle Lebenskrisen und deren Bewältigung durch Riten ab. Dabei hatte jedes Element des Universums einen direkten Bezug zum Lebensstil der Pueblos, und jeder hatte an den Zeremonien teilzunehmen, um das Wohl des Volkes sicherzustellen, denn ohne diese aktive Teilnahme würde die Sonne nicht aus dem Winterhaus zurückkehren, der Regen würde nicht fallen, die gesamte kosmische Ordnung würde zusammenbrechen. Diese kollektivistische, ritualistische und unpersönlich-antiindividualistische Organisationsform der Pueblos, die sich an Gemeinschaftsaufgaben wie Bau, Betrieb und Wartung des Bewässerungssystems orientierte und in Sippen-Geheimbünden ihren Niederschlag fand, hat den Schamanismus nicht eben gefördert, vielmehr lässt sich hier ein fortschreitendes Verschwinden des Schamanismus beobachten.
    Die Pueblos praktizieren einen ausgeprägten Ahnenkult, wie er vor allem in der Kachina genannten Zeremonie zum Ausdruck kommt (Kachina sind die Geister der Ahnen und Schutzherren des Volkes), die auch von den Zuni und Hopi praktiziert wird.[177]
  • Ebenfalls einen Zwischenzustand repräsentieren die eine Schoschonensprache sprechenden Hopi-Indianer. Sie sind wie die Pueblos Ackerbauern und teilen deren Zeremonialformen, haben jedoch etwa bei Heilungen noch schamanische Reste erhalten, die aber nun eher pseudoschamanisch strukturiert sind.[178]
  • Die Yuma waren ebenfalls zunächst ein Kriegervolk. Sie glaubten an ein einziges belebendes Prinzip, das das gesamte Universum beherrscht. Im Zentrum ihrer Vorstellungen stand das Träumen, das seinen Ausdruck in Mythen und Zeremonien fand. Das Träumen war absolut vorrangig, und die Macht, die es verlieh, rangierte vor allen anderen Aktivitäten.[179]
  • Für die Diné wiederum, das größte in den Südwesten eingewanderte Volk, ist ihre Welt zwischen den vier heiligen Bergen ein einheitliches, im Grunde animistisches System,[179] in dem jedes Element seine Rolle spielt. In ihr ist Gut und Böse in kosmischer Harmonie vereinigt, und Zeremonien zielen darauf ab, das Gute zu erhalten oder das Böse zu bekämpfen, also Segnungs-, Reinigungs- und Heilungsrituale, bei denen unter anderem lange mythische Gesänge rezitiert und große Sandbilder hergestellt und wieder zerstört werden, ähnlich den Mandalas. Inzwischen ist das Peyote-Ritual weitgehend an die Stelle solch mühsamer Prozeduren getreten.[180] Die Diné haben neben dem starken Einfluss der Pueblos aber auch etwa in der Mythologie viele Traditionen ihrer arktischen Vorgeschichte und ihres archaischen Schamanismus bewahrt, obwohl diese durch die Übernahme bäuerlicher Lebensweisen und der damit zusammenhängenden Pueblo-Riten inzwischen stark modifiziert sind.

Indianische Religionen Lateinamerikas (Übersicht)

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In den indianischen Religionen Lateinamerikas haben nach dem Untergang der mesoamerikanischen und andinen Staatskulte vor allem die Elemente der Volksreligion überlebt und ganz unterschiedliche religiöse Systeme ausgeprägt, und zwar trotz der massiven und gewalttätigen Herrschaft der spanischen bzw. portugiesischen Kolonialmächte, die allenfalls die Variationsbreite gemindert hat, ohne dass aber die Überformung durch das Christentum dieses „Heidentum“ verhindert hätte. Insgesamt bewahrten die indianischen Religionen trotz dieser Hindernisse und Zwänge ihren Charakter.[181] (Vgl. oben: Schamanistische Reste in systematisierten Religionen.)

  • Die Grundelemente dieser Religionen sind animistisch. das heißt, die Welt wird von guten und bösen Geistern, Seelen, Hexen, Zauberern usw. bevölkert, die Schaden bewirken können, wenn die korrekten Rituale nicht eingehalten werden. Vorzeichen, Amulette und Träume sind sehr wichtig. Die Menschen glauben, sie könnten sich in Tiere verwandeln und anderen derart die Lebenskraft entziehen. Glaube und Frömmigkeit als solche sind entsprechend nicht sehr wichtig, hingegen sind es die Rituale und ihre korrekte Einhaltung. Dasselbe gilt für die Integration des Einzelnen in formelle religiöse Hierarchien von Sippe und Stamm.
    Dieses religiöse Profil trifft vor allem auf die einstigen Machtbereiche der alten Hochreligionen der Mayas, Azteken, Mixteken, Tarasken und Zapoteken zu. Im Nordwesten Mexikos findet sich aufgrund differierender ökosozialer Bedingungen eine größere, zwischen althergebracht und neu fluktuierende religiöse Variationsbreite. Dasselbe gilt für die Indianer der Küsten und für die Plantagenarbeiter, die inzwischen Teil einer modernen Exportwirtschaft sind bzw. ein ländliches Proletariat entwickelt haben.[182]
  • Was den mittel- und südamerikanischen Schamanismus angeht, so weicht er vom nordamerikanischen vor allem in einem Punkte entscheidend ab, und das ist der intensive Gebrauch von teils sehr wirkungsstarken und hochgiftigen halluzinogenen Drogen wie Peyote oder Meskal, die, da in der tropischen Natur vielfältig vorhanden, zur Erreichen der Trance nun regelmäßig eingesetzt werden.[183]
  • Das Amt der religiösen Spezialisten in Mesoamerika und in den Anden weist insgesamt aber große Ähnlichkeiten auf mit dem Medizinmannwesen im übrigen Lateinamerika und mehr oder weniger auch mit dem sibirischen Schamanismus. Das betrifft sowohl die Berufung, etwa durch einen Gott, Geist, Blitz usw., aber auch Phänomene wie die Berufungskrankheit mitsamt dem Zerstückelungsmotiv, wonach der Schamane nach seiner Berufung erst stirbt, von den Geistern zerteilt und dann wieder neu zusammengesetzt wird. Auch die Lehrzeit, ihre Inhalte, die Initiation und die vom Schamanen geforderten Fähigkeiten, vor allem die eines Heilers, die er durch Hilfsgeister bewirkt, sind sehr ähnlich, so ähnlich, dass die Medizinmänner außerhalb des klassischen hochkulturellen Bereichs häufig ausdrücklich als Schamanen bezeichnet werden. Meist sind es Männer, mit Ausnahme der Mapuche in Chile, für deren Schamanismus Eliade große Ähnlichkeit mit dem Schamanismus Sibiriens und des Altai feststellt.[184] Auch der Kampf mit bösen Geister (bei der Krankenheilung), Tier/Menschenseele und die Verwandlung von der einen in die andere, die Fahrt ins Totenreich oder zum Herrn der Tiere, um bei ihm die Entsendung der Jagdtiere zu erbitten, all dies in Trance, gehören zu den unabdingbaren Fähigkeiten der mittel- und südamerikanischen Medizinmann-Schamanen. Selbst die Ausrüstung wie das Schamanenkleid oder Trommel und/oder Rassel usw., die während der Ausbildung erworben werden, gleicht in vielem der der sibirischen Schamanen. Ähnliches gilt für die religiösen Riten zur Aufrechterhaltung der kosmischen Ordnung, für die der Schamanen die Verantwortung trägt und die zu verschiedenen ökonomischen, altersbedingten oder gesellschaftlichen Anlässen abgehalten werden, nicht zuletzt, um den Weiterbestand der Welt zu garantieren, wie dies auch manche nordamerikanischen Indianerstämme glauben. Die Jivaro in Ekuador kennen die auch in Sibirien, ja weltweit und in vielen frühen Kulturen wie etwa der ägyptischen (siehe unten) vorkommende Vorstellung, der Mensch habe mehrere Seelen. In schamanischen Vorstellungen ist eine davon eine Tierseele, und wenn dieses Tier stirbt, ist das auch der Tod des Menschen.[185]
  • Was das Weiterleben ritueller Traditionen in Lateinamerika angeht, so ist hier eine auffällige Vermischung mit dem Katholizismus zu beobachten, und in ganz Lateinamerika finden sich daher noch derart amalgamierte alte Kulturmuster, nicht überraschend, denn die Subsistenzstrategien der ländlichen Bevölkerung sind immer noch weitgehend dieselben. Schon die frühen Missionare bedienten sich der alten Symbole (wie das auch im Falle der Missionierung in Europa üblich war). So war etwa das Kreuz ein mächtiges Maya-Zeichen, und die Sonne verschmolz mit Christus, während Maria wiederum mit der Mondgöttin (im Maya-Gebiet) gleichgesetzt wird oder in den Anden mit der Erdmutter, der Donnergott hingegen mit dem heiligen Jakob (Santiago), der der Schutzpatron der mit Gewehren ausgestatteten spanischen Soldaten war. Heiligenfeste werden von der Kirche mit Maskentänzen begangen, andere Riten finden in der Natur an heiligen Plätzen statt, wo wie früher geopfert wird, oft in Verbindung mit christlichen Zeremonien. Berge gelten als besonders heilig. Zur Beseelung, welche die Natur in den Augen der Menschen durch die hier besonders häufigen Katastrophen wie Erdbeben und Vulkanausbrüche zeigt (Pazifischer Feuerring), tritt das kosmische Grundprinzip, das nach wie vor die Vorstellungswelt beherrscht: Die Sonne erhebt sich im Osten über den heiligen Bergen und stirbt im Westen im Ozean und im Land der Toten.[186] Nicht überraschend, dass auch der im Volk traditionelle Schamanismus hier im Rahmen einer gesamtamerikanischen Kontinuität bis heute seinen Platz findet.[187]

Mittelamerika

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Die mittelamerikanischen Indianerkulturen sind bis heute geprägt von ihren Vorläufern, den Mayas und Azteken (siehe dazu oben). Dabei sind zahlreiche unterschiedliche Synkretismusformen mit dem Christentum entstanden. S. A. Tokarew nennt in diesem Zusammenhang für den gesamten iberoamerikanischen Raum vier Regionen mit jeweils selbständigen Kultzentren, die vor dem Eintreffen der Europäer bestanden.[188] Gemeinsam war ihnen die Verbindung zwischen archaischen Formen, wie sie in den religiösen Vorstellung der weniger entwickelten Völker der Region vorkommen, mit den komplizierten Formen des von lokalen Eroberern eingeführten Staatskultes mit seinen teils bizarren theologischen Systemen, die mitunter massenhafte Menschenopfer praktizierten und die neben der bäuerlichen Volksreligion bestanden, bis die Trägerstaaten untergingen. Diese vier alten Kultzentren waren:

  1. Zentralmexiko mit den Azteken
  2. Guatemala und Yucatan mit den Maya
  3. Kolumbien vor allem im Bereich von Bogota mit den Chibcha-Stämmen
  4. Peru mit den Quechua-Stämmen unter Führung der Inka (die Quechua werden heute allerdings den südamerikanischen andinen Kulturen zugerechnet). (Siehe dazu unten: Südamerika.)
  5. Als fünfter Bereich sind hier noch die allerdings fast ausgerotteten Kariben und Arawaken zu nennen, bei denen jedoch keine Staatskulte bestanden und die daher zu Recht von Tokarew nicht erwähnt werden.

Von dieser historischen Grundlage ausgehend sieht man heute von Norden nach Süden fortschreitend folgende religiöse Regionen mit ihren jeweils spezifischen archaischen Schamanismusformen, hochkulturellen Resten und christlich-katholischen Synkretismen.

Nordmexikanische Indianerkulturen

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Diese Kulturzone erstreckt sich von der Grenze zu den USA in etwa südwärts bis zur Nordgrenze der einstigen präkolumbianischen Hochkulturzone. In Nordmexiko leben vor allem Völker des uto-aztekischen Sprachbereichs. Die dort lebenden Völker sind schon seit Jahrtausenden Bauern (vor allem Mais, Bohnen und Kürbis) mit einer meist kleinen Viehhaltung.

Alle nordmexikanischen Indianer sind formell Katholiken, von einigen kleineren Ethnien wie den Huichol und den Tarahumara einmal abgesehen. Allerdings haben selbst diese Gruppen christliche Vorstellungen und Rituale integriert. Vor allem bei den uto-aztekischen Indianer der Nordens finden sich traditionelle Elemente, die in Ausmaß und Erscheinungsform jedoch von Gruppe zu Gruppe stark schwanken. In den meisten dieser Gruppen gibt es einen Curandero genannten Schamanen oder Medizinmann – die deutsche Übersetzung ist „Kurpfuscher, Quacksalber“ (statt des wörtlichen „Heiler“), was einiges über die hochkulturelle Verachtung gegenüber der Volksreligion aussagt –, der schamanische Heilungen und Fruchtbarkeitsmagie durchführt und überhaupt Beistand in Situationen leistet, in denen göttliche Hilfe vonnöten scheint. Der Curandero ist praktisch im gesamten iberoamerikanischen Bereich verbreitet (s. Abbildung). Der Glaube an Hexerei ist verbreitet. Sogar ein Schamane kann dessen angeschuldigt werden.

  • Mischformen: [189] Bei all diesen Mischformen ist die Integration des Christentums zweifelhaft. Jedenfalls stehen im Vordergrund alte Religionsfunktionen wie der Schutz der Gesundheit, Regen- und Fruchtbarkeitszauber und weit weniger die christliche Sicherung eines seligen Jenseitslebens, so dass das Verhältnis zum Christentum eher dürftig erscheint.[189]
  • Das Volk der Cora hat traditionelle Götter mit christlichen Gestalten verschmolzen.
  • Die Yaqui und Mayo haben eine relativ homogene christlich-präkolumbianische Mischung hervorgebracht.
  • Die Tarahumara:[190] Bis vor wenigen Jahren waren sie die größte Ethnie Nordmexikos. Die katholische Kirche war mit ihrem Gedankengut nie sehr tief in die dortigen Glaubensvorstellungen eingedrungen, doch scheinen ihre Rituale, etwa mit Weihrauch, die Tarahumara beeindruckt zu haben, denn inzwischen liegt ein Teil des katholischen Rituals in schamanischen Händen, so dass wir hier eine extreme Form des Komplexschamanismus vor uns haben, denn wo nötig wurden diese Zeremonien modifiziert. Der Ewe-ame genannte Schamane übt demnach weiter sein traditionelles Amt aus, heilt Kranke teils mit Kräutern, sofern er ein einfacher Schamane ist, benutzt Peyote, um die verlorene oder fliehende Seele des Kranken zu halten oder wieder zurückzuholen, wirkt gegen Hexerei und hat einen fast halbgöttlichen Status, wenn er als echter Ewe-ame gilt. Gelingt der Seelenfang nicht, stirbt der Mensch und die Seele wandert in ein Tier oder wird zu einem Stern am Himmel. Alle Sterne sind daher Seelen verstorbener Tahahumaras.
  • Die Huichol[191] haben marakame genannte Medizinmänner, die wegen ihrer Fähigkeiten und ihrer Macht bei den Völkern der Sierra madre occidental berühmt sind. Ihre Religion enthält mit am stärksten präkolumbianische Elemente.

Zentralamerikanische und karibische Indianerkulturen

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Zu den Ursprüngen und den präkolumbianischen Religionen, die den mesoamerikanischen Kulturkomplex umschreiben, siehe oben. Nach der Herrschaft dieser alten Hochreligionen beendete das Christentum zumindest formell diese Phase. Vor allem in ländlichen und abgelegenen Gebieten ist für diese Völker aber ein recht oberflächliches bis synkretistische Verhältnis zum Christentum typisch, wie es bereits für Nordmexiko beschrieben wurde. Insgesamt ist es den mittelamerikanischen indigenen Ethnien gelungen, ihre kulturelle Integrität zu erhalten, und schamanische Praktiken bei Heilmagie und Zauberei sowie die Verehrung von Naturphänomenen sind weit verbreitet. Allerdings überlebten nach der Ankunft der Europäer in dieser Region anders als im übrigen Lateinamerika fast keine dieser Kulturen, so dass strittig ist, ob überhaupt und welche dieser Bevölkerungsgruppen als kulturell, sprachlich und anthropologisch identifizierbare Gesellschaften im engeren Sinne gelten können.[192] Weitere Einzelheiten siehe oben in der Übersicht zu den mittel- und südamerikanischen Hochreligionen.
Einige Gebiete und Völker ragen durch Besonderheiten hervor:

  • Die Maya: Die meisten Mayas leben heute in Guatemala, Belize und im mexikanischen Bundesstaat Chiapas, wo sie den ärmsten Bevölkerungsteil Mexikos repräsentieren. Die Lakandonen sind ihr traditionellster Teil und pflegen bis heute die alten Maya-Bräuche. Das Medizinmannwesen ist verbreitet. Peyote ist zentral für die Erzeugung von Trancezuständen.[193] Im Nahuatl, der alten Sprache der Azteken, die noch heute in Teilen Mexikos gesprochen wird, heißt der Schamanismus cualli ohtli („der gute Weg“), der einen Weg ins Jenseits öffnen könne.
  • Die Cuna in Panama: Sie sind ein Relikt der alten, von Häuptlingen beherrschten präkolumbianischen, matrilinear organisierten Gesellschaften, die ursprünglich die Inseln und Küstengebiete der Karibik bevölkerten. Sie hatten einen Pantheon von Göttinnen. Schamanen wirken als Hellseher und können in Trance in die Unterwelt eindringen. Talismane sind verbreitet.[193]
  • Karibik und nordöstliche Küstenbereiche Südamerikas: Schamanismus war bei den zentralamerikanischen Völkern am Rande und außerhalb der Einflusszonen der präkolumbianischen Hochreligionen weit verbreitet. Die alten Religionen sind hier aber weitgehend durch die Praktiken des Voodoo abgelöst worden, deren Grundlage allerdings auch schamanisch-magisch sind. Einige Reste alter Völker wie die Chibcha, Arawaken, und der ursprünglich auf den Großen Antillen lebenden Kariben gibt es noch. Vor allem bei den Chibcha und den Kariben sowie den Arawaken, dem mächtigsten Volk der Großen Antillen, waren Menschenopfer, dazu Kannibalismus üblich (das Wort „Kannibale“ ist von „Kariben“ abgeleitet), gelegentlich in Verbindung mit dem auch von den Mayas und Azteken ausgeübten rituellen Ballspiel, bei dem es ebenfalls Menschenopfer gab.
    Von besonderer Bedeutung war bei den Arawaken ein dreieckiger, eingekerbter, zemi („heilig“) genannter, wohl einen Berg bzw. Vulkan symbolisierenden Stein, der die hierarchische Position des Schutzgottes für jeden Haushalt bezeichnete, aber auch für Götter, Götterbilder, Verstorbene und die kosmischen Mächte stand. Ähnliche Symbole gab es auf Haiti, in Puerto Rico und der Dominikanischen Republik. Zemí entspricht in etwa dem huaca in den Anden. Man verwendete das Symbol bei einem Ritual, bei dem Schamanen mit einem Halluzinogen versetzten Tabak schnupften und in Trance die Zukunft weissagten, indem sie so mit dem zemí in Verbindung traten. Insgesamt überkreuzen sich im Bereich der Kariben und Arawaken die mesoamerikanisch hochkulturellen mit den Einflüssen aus dem Nordosten Südamerikas.[194]
    Die Wai Wai Guyanas und Nordbrasiliens, die ebenfalls noch zu dieser Kulturzone gehören, haben einen ausgeprägten Schamanismus. Die yaskomo genannten Schamanen verfügen über ausgeprägte Fähigkeiten des Seelenfluges und können derart alle diesseitigen und jenseitigen Sphären aufsuchen.

Südamerika

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Übersicht

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Die Bevölkerung Südamerikas umfasst zahlreiche sehr heterogene Ethnien und Sprachgruppen mit ebenso heterogenen Gebräuchen, also auch unterschiedlichen Schamanismusformen. Die spanisch-portugiesischen Konquista hat besonders in Südamerika tiefe Spuren hinterlassen. Vor allem dort, wo die größten indianischen Bevölkerungskonzentrationen bestanden hatten, also an den Küsten von Brasilien, den Guineas, Venezuelas, Kolumbiens und Ecuadors sowie entlang der Flüsse, sank die Zahl der indigenen Bevölkerung durch Ermordung, Vertreibung, Versklavung mit mörderischer Zwangsarbeit auf Plantagen und in Minen oder durch eingeschleppte Krankheiten dramatisch. Als Arbeitskräfte wurden sie nach und nach großenteils durch afrikanische Sklaven ersetzt, die beträchtliche kulturell-religiöse Einflüsse auszuüben begannen. In Venezuela stellen die Indios etwa nur noch zwei Prozent der Bevölkerung neben 60 % Mestizen und Mulatten, 20 % Weißen und acht Prozent Schwarzen. In Kolumbien und Ecuador sind die Verhältnisse ähnlich, und Rassenschranken sind vor diesem Hintergrund nicht selten, zumal die Weißen wie in den anderen iberoamerikanischen Ländern die besitzende Oberschicht stellen, insbesondere die Nachfahren der spanischen Hidalgos, weniger die oft als Mischlinge geltenden Kreolen. Die überlebenden indianischen Ethnien zogen sich ins Landesinnere in unzugängliche Gebiete zurück, wo die Europäer aus mangelndem wirtschaftlichem Interesse kaum einmal hinkamen. Dort haben sich auch die meisten schamanisch-animistischen Glaubensvorstellungen erhalten, zumal in Peru die einst staatstragende Inkareligion völlig verschwand. Später ging von diesen Außenposten auch der stärkste Widerstand aus. Andere Gruppen wurden praktisch ausgelöscht, wenn sie der wirtschaftlichen Nutzung durch die Kolonialherren und ihre Nachkommen im Wege standen, die derart im Verein mit dem Klerus auch ihre katholische Religion und Kultur oft mit Gewalt etablierten, ein Trend, der mancherorts – etwa in Amazonien – bis heute und diesmal unter dem Aspekt der Globalisierung andauert, auch wenn inzwischen vermehrt indiostämmige Politiker ihre Heimatländer führen.

Andererseits besteht bis heute trotz der Bemühungen der katholischen Kirche etwa in Peru eine fast unübersehbare Zahl lokaler dörflicher Kulte auf vorchristlicher Grundlage. In Chile fanden Indianeraufstände etwa bei den Mapuche und Huilliche statt, die sich so in ihren Reservaten eine gewisse kulturelle und religiöse Selbständigkeit bewahrten. Die Chocó-Indianer in Panama konnten hingegen ihre Lebensweise erhalten, weil sie den Kontakt mit den Eroberern mieden und sich in die Tiefen der Wälder zurückzogen. So praktizieren sie noch heute magisches Heilen und andere schamanische Gebräuche, ähnlich den zahlreichen im Amazonas-Regenwald verstreuten Stämmen, die man bis heute nicht alle kennt.[195]

Insgesamt kann man in Südamerika auf der Basis der unterschiedlichen Umweltverhältnisse und der daraus resultierenden Subsistenzstrategien drei kulturell-religiöse Großräume unterscheiden:

  1. die Andenkulturen
  2. die südamerikanischen Regenwaldkulturen
  3. die südamerikanischen Nomadenkulturen.

Dazu kommen die weiter oben schon erwähnten synkretistischen Religionen der Karibik und Lateinamerikas insgesamt (siehe unten).

Andenkulturen

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Der nordandine Bereich

Die Kulturbereiche im nordandinen Bereich wurden im Zusammenhang mit Zentralamerika dargestellt, da sie mit deren Hochkulturen engen Kontakt hatten und von ihnen beeinflusst waren, wie Gemeinsamkeiten in den Mythen zeigen (etwa im Zusammenhang mit dem Jaguar).[196][197] Auch gab es starke Wechselwirkungen mit den karibischen Ethnien, zu deren Sprachgruppe die Völker dieser Zone meist gehören und von denen die Kariben auch abstammen.[198] Die europäische Invasion überlebten hier nur wenige indigene Ethnien, deren Reste überdies von einem starken sozialen Niedergang betroffen waren und heute oft das entwurzelte Subproletariat der Favelas oder der Plantagen- und Ölindustrie bilden.[199] Dennoch sind schamanische Praktiken wie im gesamten tropischen Bereich Südamerikas vor allem unter der Urbevölkerung weit verbreitet und amalgamieren wie anderswo teilweise mit dem Katholizismus. Vor allem für den nördlichen tropischen Teil Südamerikas bezeichnend ist der Bezug des Schamanismus zu Drogen, oft Tabak, meist aber sehr wirkkräftige Substanzen.[200] Ayahuasca ist als Droge sowohl unter Schamanen wie Nichtschamanen verbreitet, etwa bei den Urarina im peruanischen Amazonien. Die Trance ist extrem und wird oft für die einzig reale Welt gehalten.[201]

Die zentralen Anden (die alte Inka-Zone)

Das einstige Inka-Reich deckt sich in etwa mit dem Staatsgebiet des heutigen Peru. Es erstreckte sich aber in seiner größten Ausdehnung bis nach Bolivien, Ecuador, Argentinien und Chile. Zu der alten Inka-Religion siehe oben: Andine Religionen.

Der Anteil der indigenen Bevölkerung (31 %) Perus ist mit der größte in ganz Südamerika, und es finden sich vermehrt synkretistische Religionsformen sowie Restbestände alter vorkolumbianischer Glaubensformen. Die Inka-Mythen wurden nie völlig vergessen und sind teils bis heute lebendig, etwa im Mythos des Inkarrí (eine Zusammensetzung aus Inka und span. rey = König), des ersten Menschen, in dem Berggeister (apus) eine wichtige Rolle bei der Erschaffung von Sonne und Menschen spielen.[202] Der Kult der Wak'as war auch im Inkareich verbreitet und hat sich seit dessen Untergang am beständigsten erwiesen. Zu den Gemeinschaften mit dem lebendigsten Schamanentum (Altumisayuq, Pampamisayuq) gehört die Quechua-Gemeinde Q'ero in der Provinz Paucartambo (Region Cusco).

Die südlichen Anden

Die südlichen Anden unterscheiden sich sowohl ökonomisch wie gesellschaftlich vom zentralen Bereich. Es gibt kleine Ländereien und Viehhaltung in oft autonomen Dörfern, Verwandtschaftsgruppen oder kleinen Städten. Die generelle Haltung ist konservativ, und aus dem Amazonasgebiet finden sich Einflüsse über das bolivianische Tiefland.[203]

  • Die Schamanen der Mapuche, ein Volk in Südchile, das sich im Arauco-Krieg sehr lange der Kolonisation widersetzte und eine komplexe Mythologie besitzt, waren Frauen, wahrscheinlich als Resultat eines frühen Transvestismus unter den Schamanen. In der Initiation wurde die Schamanin auf der obersten Stufe einer Holzleiter, wo sie die Trommel schlug, in ihr Amt eingeführt. Die Trommel (cultrún) gleicht dabei erstaunlich der der sibirischen Schamanen. Die Leiter (rehué) symbolisiert die Treppe zum Himmel.[201] Eliade berichtet ausführlich über die Riten der Mapuche-Schamanen (bei ihm „Araukanier“), darunter Seelengeleit, Heilung, ekstatischer Flug usw.[204] ebenso Hultkrantz.[205]
  • Die von Harner in Die Jivaro genau untersuchten Schamanen der Jivaro in Ecuador und Peru nehmen in deren Hierarchie eine hohe Stellung ein. Sie kaufen sich gegenseitig ihre Schutzgeister (tsentsak) und damit ihre Machtposition ab. Diese Geisterdiener haben meist Tiergestalt. Es gibt „gute“ und „böse“ Schamanen ähnlich den weißen und schwarzen Schamanen einiger zentralasiatischer Völker (wo diese Differenzierung sich allerdings auf himmlische bzw. irdische/unterirdische Wirkungsbereiche bezieht, siehe oben). Entsprechend kann ein Schamane seine Geisterdiener ausschicken, um jemanden zu verhexen, aber auch, um ihn zu heilen. Ayahuasca dient ihnen als Trancemittel, um so in die einzig wahre Welt eintreten zu können. Allerdings benutzen sie auch konzentrierten Tabaksaft als Stimulans. Ein regelrechter Tabakschamanismus nutzt dabei Nikotin in hochkonzentrierter Form als psychotrope, sehr schnell wirkende Substanz. Tabak wurde zu diesem Zweck offenbar bereits bei den Mayas eingesetzt und findet sich auch bei den Kariben.[206]

Südamerikanische Regenwaldkulturen

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Karte des Amazonas-Einzugsgebietes mit Nebenflüssen.

Die Indianer im tropischen Regenwald Südamerikas sind Stammesvölker mit extrem unterschiedlichen Kulturen und Hunderten verschiedener, aufgrund ständiger Migration völlig irregulär verteilter Sprachen und Dialekte. Das so entstandene kulturelle Mosaik wurde so komplex, dass man es entweder nur punktuell erhellen kann mit dann hochspezifischen Ergebnissen, oder dass man lediglich sehr allgemeine Aussagen treffen kann.

  • Die Subsistenzstrategien der Regenwaldindianer sind wie anderswo von der jeweiligen Umwelt abhängig (hier Regenwald, Flussläufe, Sümpfe, Galeriewälder, Savannen). Dazu gehören Jagen, Sammeln, Fischen und für Flussläufe typischer, allerdings durch regenzeitbedingte Überflutungen eingeschränkter Gartenbau, mit jeweils angepassten kulturellen Mustern. An den Ufern der Flüsse, jedoch auch in den Wäldern und Savannen, ernähren sich die Stämme von der Fischerei und vom Ackerbau. Fast alle Jäger-Sammler betreiben zusätzlich kleine, rudimentäre Landwirtschaften, meist als Hackbau.[207]
  • Die dortigen Völker leben in kleinen Gemeinschaften, von denen jede ihre eigenen, unverwechselbaren Mythen besitzt, die als Nabelschnur zwischen Gegenwart und Vergangenheit dienen und die inhaltlich auch von anderen Völkern verstanden werden können. Claude Lévi-Strauss sieht diese als Bestandteil von Transformationsprozessen, die eine gemeinsame Grundhaltung repräsentieren und einer gemeinsamen Logik folgen.[208] Somit verfügen die Ureinwohner dieses riesigen Gebietes über keine gemeinsamen Götter und Kulturheroen, jedoch über einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund, in den die Mythen eingebettet und auf den sie bezogen sind.[207] In mythischen Welten treten Menschen als Tiere und Tiere als Menschen auf und verwandeln sich ineinander. Weit verbreitet ist der Mythos von der Anakonda als Herrin der Kulturpflanzen und dem Jaguar als Herren des Feuers, der das ständige Ringen zweier Grundprinzipien aufzeigt (ähnlich den nordamerikanischen Mythen vom Kampf zwischen Donnervögeln, Unterwasserpanthern und gehörnten Riesenschlangen). Grundlage allen Glaubens ist dabei die Bewahrung der idealen und harmonischen Beziehungen, die zwischen allen existierenden Kräften eingehalten werden müssen, damit die Gemeinschaft überleben kann.[209] Fast alle südamerikanischen Mythologien kennen einen Schöpfer des Universums und des Menschen, dem aber meist kein Kult gewidmet ist, da er kein weiteres Interesse an seiner Schöpfung zeigt. Vielmehr sind es Kulturheroen, die diese Schöpfung in für Menschen günstige Weise mit sozialen Techniken, Kulturpflanzen, Fertigungsmethoden, Bräuchen, Wissen usw. ausfüllen. Bei den Mapuche in den Anden spielt ein auch in der afrikanischen Mythologie typisches Zwillingspaar eine Rolle, sowie bei einigen nordamerikanischen Indianerstämmen ein Trickster, dem meist die negative Rolle zugedacht ist.[210]
  • Die Grundstruktur ihrer Weltsicht ist animistisch. Das Wohlergehen der Menschen hängt ab von der Kontrolle der zahllosen übernatürlichen Kräfte, die persönlich oder unpersönlich Dinge der Umgebung, Tiere, Pflanzen, ja die Natur als solche bewohnen. Mit Hilfe schamanischer Riten oder kollektiver Zeremonien muss der Mensch diese universale Harmonie bewahren und derart die Mächte im Universum kontrollieren, deren günstige oder ungünstige Auswirkungen wiederum vom Verhalten der Menschen bestimmt werden. Magische Mittel spielen dabei eine wichtige Rolle. Dabei gibt es gute und böse Geister bzw. Dämonen, und viele Pflanzen und Tiere wie Mais, Maniok oder Jagdtiere haben einen Herrn oder auch eine Herrin als Schutzgottheit oder -geist, deren Wohlwollen erbeten werden muss.[211]
  • Garant eines solchen Weltverständnisses ist der Schamane, der nicht zuletzt der Meister der Transformation ist. Sie wird durch die ekstatische Verzückung ermöglicht, in deren Verlauf der Schamane zum quasi göttlichen Wesenskern vordringen und ihn verstehen kann. Stimulanzien und Narkotika wie Tabak, Alkohol oder Kokablätter sind dabei für die Regenwaldindianer von größter Bedeutung, desgleichen regelrechte Halluzinogene, die teils wie das aus einer Lianenart gewonnenen Ayahuasca als göttlich angesehen werden und vor allem im Amazonas-Orinoco-Bereich Verwendung finden. Teilweise sind sie den Schamanen vorbehalten, in manchen Völkern werden sie und die mit ihnen einhergehenden magischen Praktiken aber von allen genutzt. Der Schamane ist meist hoch angesehen, jedoch selten ein Priester im eigentlichen Sinne. Mitunter übertrifft sein Einfluss den des Stammeshäuptlings, sofern er nicht ohnehin wie etwa bei den Guarani dessen Rolle ebenfalls besetzt. Manchmal reicht sein Einfluss über den Tod hinaus. In Guyana wird seine Seele etwa zum Hilfsgeist. Krankenheilung mit magischen wie konventionellen Mitteln ist auch hier die Hauptaufgabe des Schamanen.[212]
  • Die Seele. mitunter sind es mehrere, vor allem eine Geist- und eine Tierseele (bei den Guarani), lebt im Körper oder einem seiner Teile. Die Tierseele beherrscht die Instinkte und Emotionen. Die von einer göttlichen Macht entsandte Geistseele ist für die edlen Eigenschaften des Menschen und seine kognitiven Fähigkeiten verantwortlich. Beim Tod kehrt die Geistseele zu den Götterwesen zurück, die Tierseele wandert umher und bedroht die Lebenden.[210] Der Verwandlungsglaube ist entsprechend ausgeprägt, und ein verbreiteter Werwolfglaube symbolisiert als Therianthropie besonders intensiv den Tier-Mensch-Wechsel. S. A. Tokarew wertet dies als Reste eines ansonsten in Südamerika nicht stark ausgeprägten Totemismus.[150]
  • Zeremonien und Bräuche gestalten sich ebenfalls sehr unterschiedlich und reichten früher vom Kannibalismus der Kariben und Tupí der Küsten über die Kopfjagd der Munduruku und Jivaro bis zu eher rituellen Zeremonien, die für die Aufrechterhaltung der universalen Harmonie bis hin zur Mond- und Sonnenbahn und der Abfolge der Jahreszeiten sehr wichtig waren. Auch die Kommunikation mit den mythischen Ahnen oder Bestattungszeremonien, bei denen die Geister der Toten unschädlich gemacht werden mussten, waren Gegenstand solcher von Schamanen geleiteten Zeremonien. Bei den Guarani stand der Kontakt mit den Göttern im Zentrum. Die Bestattungsbräuche waren sehr verschieden und reichten von der Urnen- zur Erdbestattung (mitunter nur für Schamanen) bis zur Sekundärbestattung etwa der Knochen und zum Endokannibalismus.[210]
  • In der Moderne zeigten sich verschiedene Ethnien wie die Guarani, Ticuna und Canela, ein Stamm der Ge-Sprachfamilie im Bundesstaat Maranhão, von Zeit zu Zeit für christlich-messianische Bewegungen anfällig, teils im Bestreben, derart die Unterdrückung durch die Weißen abschütteln und ein sorgenloses Leben in Wohlstand mit den althergebrachten Bräuchen verbinden zu können. In Brasilien nutzen moderne synkretistische Religionen wie Santo Daime und União do Vegetal Elemente des Schamanismus, vor allem die Ayahuasca-Trance, wodurch eine Verbindung zum Geisterreich und von dort aus göttliche Führung erwartet wird.

Einige Beispiele für die mythischen und schamanischen Vorstellungen einzelner rezenter Völker:[213]

  • Vor allem in Amazonien gibt es eigene Religionen wie die Religion der Asháninka oder der Awaëté (Asuriní), die einen stark schamanischen Charakter haben. Formale und inhaltliche Züge ähneln dabei stark denen der sibirischen und nordamerikanischen Schamanen. So gibt es die Jenseitsreise, die üblicherweise in einer durch Drogen hervorgerufenen Trance vollzogen wird. Der Schamane hat tiergestaltige Hilfsgeister, die er sich während seiner Berufung aneignet, die sich ähnlich wie die der sibirischen Schamanen unter großen Qualen vollzieht. Als Accessoire dient ihm unter anderem eine Rassel. Es gibt die Himmelsleitersymbolik, hier oft durch Pfähle repräsentiert. Gesänge sind ein wichtiger Ritualkomplex, ebenso wie Tanz und Tabakrauch. Auch eine Besessenheit kann den Schamanen ergreifen, so dass er dann mit der fremden stimme der Geister, die von ihm Besitzt ergriffen haben, Befehle erteilt. auch das Aufgabenspektrum ist ähnlich; der Schamane, auch weibliche Schamanen gibt es, ist Heiler und beschwört das Jagdglück, bekämpft die wie in Afrika besonders gefürchtete Hexerei etwa durch exorzistische Praktiken. Er handelt als Repräsentant der Gemeinschaft und lebt etwas abgesondert, wobei er bestimmten Einschränkungen unterliegt.
  • Das Volk der Urarina im peruanischen Amazonien hat eine komplexe Kosmologie entwickelt, und der Schamanismus ist dort ein religiöses und gesellschaftliches Schlüsselelement.
  • Einige Völker betonen in ihren Schöpfungsmythen das Wirken abstrakter Kräfte. Nach Ansicht der Piaroa in Venezuela etwa wurde die Welt durch Gedanken oder Vorstellungskraft erzeugt. Meist geschieht die Schöpfung aus bereits Vorhandenem. Mitunter haben Wesen aus früheren Weltzeitaltern deren Untergang überlebt (auch eine mesoamerikanische Vorstellung) und können in die Menschenwelt eindringen. Manche Ethnien haben keine Schöpfungsmythen, vielmehr wanderten die Menschen aus anderen kosmischen Schichten ein.[214]
  • In Ecuador versuchen die Shuar (auch Jivaro genannt) selbst Schamane zu werden, um so ihre Familien besser gegen Feinde verteidigen zu können. Zu den Jivaro s. auch oben.[215]
  • Mit am bekanntesten sind die Yanomami in Venezuela und Brasilien.[216] Deren Kosmologie umfasst ein vierschichtiges Universum. In den beiden obersten Schichten hausen Geister und die Toten in einer idealisierten irdischen Landschaft. Darunter liegt die Menschenwelt, wobei die Menschen die über ihnen liegenden Welten erkennen können (Sterne, Himmel usw.). Die unterste Schicht ist die der bösen Menschen, die von der Menschenwelt heruntergefallen sind und nun dort als Kannibalen leben und darben. Sie können ihre Geister von dort aus in die Menschenwelt schicken, um Kinder zu rauben. Am Schamanen liegt es, neben seinen klassischen Aufgaben wie der Heilmagie, dies zu verhindern und gegen Dämonen zu kämpfen. Dabei werden auch Halluzinogene verwendet. Glaubensvorstellungen und Aktivitäten, die mit dem Schamanismus in Verbindung stehen, gelten den Yanomami als wichtigste Bestandteile ihrer Religion. Der Totenkult beinhaltet einen Endokannibalismus, das heißt hier: Die Asche der Toten wird von den Verwandten verzehrt, so dass die Toten in ihnen weiterleben.
  • Bei den Culina, Siona, Shipibo-Conibo und Matsigenka wird das Schamanenamt durch den Erwerb von Macht hervorgehoben. Die Fähigkeit des Schamanen, Grenzen zu überwinden und Gegensätze zu vereinen, bildet einen sozialen Kontrollmechanismus.[217]
  • Die Tukanao-Indianer des nordwestlichen Amazoniens, die eine eigene Sprachgruppe bilden, verlegen den Ursprung des Schamanismus in die mythische Zeit, in der sie angeblich die Halluzinogene kennenlernten. Ihre kosmologischen Vorstellungen orientieren sich unter anderem an der Milchstraße.[218] Der dortige Schamanismus ist reich an Symbolen, und die Schamanen agieren auch als Organisatoren der knappen Ressourcen.[219]
  • Bei den Canalos. einem Jivaro-Stamm, gelten die Schamanen als besonders mächtig, weil sie die Seelen der Toten inkorporiert haben und als deren Medien fungieren. Man glaubt, dabei handele es sich besonders um die Seelen spanischer Missionare.
  • Die Guarani trieben den Verehrung der Schamanen so weit, dass sie einen Kult um ihre Gebeine hatten, die sie in besonderen Hütten aufbewahrten, ihnen opferten und sie um Rat fragen.[220]
  • Die Tapirapé-Schamanen im brasilianischen Regenwald nutzen vor allem Träume. Frauen können hier nur Kinder bekommen, wenn der Schamane ein Geisterkind zu ihnen herabsteigen lässt.[221] Ähnliches gilt für die Harakmbut-Schamanen Ostperus.
  • Bei den Manacica und Bakairi führt der Schamane die Seelen der Toten auf einem langen, beschwerlichen Weg, den sie ohne seine Hilfe nie bewältigen würden, zum Himmel bis an eine von einer Gottheit bewachte Brücke.[222]
  • Gut beschrieben sind auch die Zeremonien der zur Tupí-Familie gehörenden Awaëté-Indianer am unteren Xingú, die von dem österreichischen Missionar Anton Lukesch 1970 entdeckt und mit ihren noch vom Christentum und westlicher Moderne unbeeinflussten Bräuchen beschrieben wurden. Der Schamane heißt bei ihnen paié, und seine Berufung beginnt mit der Erkrankung des Betreffenden. Der wichtigste Ritualkomplex sind hier die Mbaraká genannten Gesänge, mit denen die überirdischen Mächte angerufen werden. Der Schamanen sitzt dabei auf einem Schemel vor dem ỳwára-Altar, zwei Balken, die man als Leiter zur Anderwelt ansieht. Vor diesem Altar tanzt er dann auch unterstützt von einem Assistenten in Trance und schwingt seine Rassel.[223]

Die Haupttrennlinie zwischen dem nord- und dem südamerikanischen Schamanismus besteht indes im intensiven Gebrauch von psychotropen Drogen zur Erreichung des Trancezustands. Südamerika ist der Kontinent mit den weltweit meisten psychoaktiven bzw. halluzinogen wirksamen Pflanzenarten, die hier ja auch gehäuft vorkommen. Mittelamerika bildet hier eine Übergangszone, in Nordamerika ist dieser Brauch wenn überhaupt nur schwach ausgebildet und vorzugsweise auf Tabak beschränkt.[224]

Südamerikanische Nomadenkulturen

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Ihre Kulturen sind im Verschwinden begriffen. In Rückzugsgebieten haben sie viele archaische Züge bewahrt. Bei Kontakt mit Weißen entwickeln sie meist eine rudimentäre Landwirtschaft und geben nach und nach ihre alte Lebensweise auf. Früher lebten sie jedoch in ganz Südamerika vom Kap Hoorn bis zum Orinoco. Ihre Subsistenzstrategien war abhängig vom Habitat teils recht unterschiedlich. Folgende fünf Subsistenztypen kann man unterscheiden:[225]

  1. Die heute fast ausgestorbenen bzw. ausgerotteten Schalentier-Sammler, die im Süden das gesamte chilenische Archipel bis zum Kap Hoorn besiedelten: die Ona, Yaghan und Alakaluf. Sie jagten Seehunde und nutzten gestrandete Wale. Die Subsistenzbasis war sehr mager, essbare Pflanzen waren selten. Sie bewegten sich meist mit dem Kanu fort. Organisiert waren sie in weit verstreut lebenden, kaum differenzierten Sippengemeinschaften, und ihre Kultur war entsprechend sehr uneinheitlich.
  2. Die Jäger und Sammler der Steppen und Ebenen zwischen Feuerland (Tierra del Fuego) über Patagonien bis zu den Pampas in Nordargentinien und Uruguay. Bevor sie zu Viehzüchtern und Ackerbauern wurden, ernährten sie sich vor allem von der Jagd auf Guanakos, Nandus und Kleinwild, dazu sammelten sie Kräuter und Wurzeln.
  3. Die Jäger, Sammler und Fischer des Gran Chaco. Die Subsistenzbasis war mager und schloss Pflanzen, jahreszeitlich Fisch, wilden Reis, Honig und Insektenlarven mit ein. Guanakos und Nandus konnten im Südosten gejagt werden. Hauptnahrungsquelle waren jedoch Pflanzen.
  4. Jäger und Sammler des Waldes. Vor allem im Norden des Gran Chaco, wo das Land allmählich in die tropische Regenwaldzone übergeht, insbesondere im Westen Boliviens. In Brasilien findet man vor allem Galeriewälder im Verlauf der großen Flüsse.
  5. Auf dem Wasser lebende Nomaden. Vor allem in den Marschen des Paraguay-Oberlaufes. Die dort lebenden Guatós verbrachten den größten Teil ihres Lebens in Kanus, fischten und jagten im Wasser lebende Tiere wie Kaimane.[226] Auf kleinen Inseln bauten sie temporärer Unterkünfte. Derartige aquatische Nomaden gibt es auch im Norden Südamerikas und in der Karibik.
  • Schamanen oder Medizinmänner waren in all diesen Gruppen wichtig. Sie waren Heiler, die ihre Macht durch tote Schamanen und Schutzgeister erhielten. Die Schamanen der Feuerländer (Jekamusch) hatten übernatürliche Kräfte und man glaubte, sie könnten unter anderem das Wetter beeinflussen. Unter den im Gran Chaco lebenden Gruppen war der Schamanismus besonders hoch entwickelt und bezog sich nicht nur auf das Heilen, sondern auch auf das Wohlergehen des Stammes insgesamt. Krankheit, so glaubte man, entstand aus zwei Ursachen: entweder dadurch, dass Fremdkörper magisch in den Körper eindrangen oder dass die Seele des Kranken seinen Körper verließ. Im ersten Falle saugte der Schamane das krankmachende Agens aus dem Körper, im zweiten ging der Schamane des Nachts hinaus und brachte die Seele zurück.[227]
    Eliade setzt den feuerländischen Schamanismus in Beziehung zum Ursprung der Indianer an sich und schreibt: „Betrachtet man die Feuerländer als die Abkömmlinge einer der ersten Einwandererwellen in Amerika, so darf man in ihrer Religion die Survivance einer archaischen Ideologie erblicken, die … vor allem den Glauben an einen Himmelsgott, schamanische Initiation durch Berufung oder eigenes Streben, Beziehungen zu den Seelen der toten Schamanen und den Hausgeistern (manchmal bis zur »Besessenheit«) und die Vorstellung von der Krankheit als Eindringen eines magischen Objekts oder als Seeleverlust sowie die Widerstandsfähigkeit des Schamanen gegen das Feuer enthält. Nun begegnen (uns) die meisten von diesen Zügen anscheinend in allen Ländern, ob nun der Schamanismus das religiöse Leben der Gemeinschaft beherrscht (Nordamerika, Eskimo, Sibirien) oder nur ein Element des religiös-magischen Lebens bildet (Australien, Ozeanien, Südostasien). Das legt die Vermutung nahe, dass sich in den beiden Amerika schon mit den ersten Einwanderungswellen eine bestimmte Form des Schamanismus verbreitet hat, welches auch ihre »Urheimat« gewesen sein mag. Zweifellos hat der lange dauernde Kontakt zwischen Nordasien und Nordamerika noch lange nach dem Eindringen der ersten Besiedler asiatische Einflüsse ermöglicht.“[228]
  • Kosmologie und religiöse Besonderheiten: Die Yamana aus der Gruppe 1 glaubten an ein höchstes Wesen, das allerdings kein Schöpfer war, aber den Menschen, Pflanzen und Tiere das Leben geschenkt hatte, und sie beteten diesen Hochgott Vatauineva („der Alte, Unveränderliche, Ewige“) bzw. Temaukl an. Als Herr über Leben und Tod stand er über allen Geistern und bestrafte Missetaten, meist mit einem frühen Tod. Die Yamana beten daher ständig zu ihm, Opfer waren aber unbekannt. Allerdings gibt es bei den Selknam einen Primitialopferbrauch (das Opfern der ersten Frucht, Beute etc.).[229] Zentral war bei ihnen die Initiation der Jugendlichen. Sie kannten zudem zwei Zwillingspaare als Kulturbringer. Auch der Glaube an Naturgeister war weit verbreitet. Die Jenseitsvorstellungen sind unklar. Leichen wurden meist verbrannt.[230]
    Die im Gran Chaco lebenden Stämme der Gruppe 3 glaubten hingegen nicht an einen Hochgott, obwohl himmlische Entitäten hie und da den Menschen beeinflussten. Hingegen fürchteten sie Geister und Tote und entledigten sich daher eines Leichnams so schnell wie möglich, begruben ihn in einem Friedhof, verbrannten ähnlich den Bräuchen mancher kalifornischer Indianerstämme seine Habe und sein Haus und brachten Opfer.
    Bei den Waldnomaden der Gruppe 4 waren Rituale und Zeremonien weit weniger entwickelt als bei den Chaco-Gruppen, vermutlich aufgrund des ständigen Zwanges, nomadisierend Nahrung zu suchen. Die Sirióno glaubten zwar nicht an ein höchstes Wesen, sahen aber den Mond als Kulturheros an, der ihnen Mais und Maniok sowie Kulturtechniken gebracht hatte. Sie fürchteten sich außerdem vor den Toten und Buschgeistern.[227]

Lateinamerika und Karibik: Synkretistische Religionen

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Hierher gehören vor allem die afrokaribischen Religionen. Der karibische Raum ist aufgrund seiner wechselvollen Geschichte von starker kultureller Verschiedenheit gekennzeichnet, die im religiösen Leben dieser Region besonders zum Ausdruck kommt und Resultat komplexer Prozesse des Kontaktes zwischen verschiedenen afrikanischen Religionen bis hin zum äthiopischen Christentum und den kolonialen Ausprägungen europäisch-christlicher Volksreligiosität ist. Vor allem in den sozialen Unterschichten verbanden sich dabei regional unterschiedliche Vermischungsformen einzelner afrikanischer und indianischer Traditionen mit selektiver Anlagerung europäischer Elemente. Die Anhänger solcher Religionen rekrutieren sich meist aus afroamerikanischen Bevölkerungsgruppen. Doch scheinen ethnische Kriterien heutzutage nur im Falle der Religionen sogenannter Buschnegergruppen Surinams sowie der jamaikanischen Maroons für die religiöse Gemeinschaftsbildung von Bedeutung zu sein. In den meisten dieser Prozesse spielen schamanische Phänomene vor allem mit dem Erscheinungsbild der Besessenheit eine nicht unbedeutende Rolle, ohne dass diese Religionen jedoch schamanisch genannt werden können.[231]

  • Voodoo:[232] Voodoo ist die Religion der Bauern Haitis, deren Vorfahren meist als Sklaven aus Westafrika kamen. Sie kommt zum Beispiel aber auch in New Orleans vor. Wie viele christlich-heidnische Synkretismen enthält auch dieser bekannteste, der vor allem im karibischen Raum und hier insbesondere auf Haiti (80 % der Bevölkerung hängen ihm an, obwohl formal Katholiken) praktizierte Voodoo (oder auch Wodu) genannte Abkömmling eines westafrikanischen Kultes der Yoruba starke schamanisch-magische Elemente, die man durchaus dem Besessenheitsschamanismus zuordnen kann. Sein zentrales Momentum ist eben die durchaus angestrebte selbstinduzierte Besessenheit des Gläubigen. Dieser hofft dadurch auf direkten Kontakt zu Gottheiten, Ahnen und Geistern, vor allem zu einem loa genannten Schutz- und Führungsgeist. Dies ist nicht unbedingt nur ein afrikanischer Gott, sondern kann auch eine personifizierte Naturgewalt, ein christlicher Heiliger, sogar ein heiliger Gegenstand sein. Dieser loa fährt mit Erlaubnis des obersten loa Legba in den Gläubigen ein und gibt dem in Trance Befindlichen Ratschläge, lässt ihn im Rahmen von kultischen Tänzen und rituellen Tieropfern Heilungen durchführen und spektakuläre Taten vollbringen. Auch der allgemeine Geisterglaube, darunter an Todesgeister, ist wesentlicher Bestandteil des Voodoo.
    Die systematische Zuordnung des Voodoo ist mit denselben Problemen verbunden wie die Zuordnung schamanischer Elemente zu aktuellen Hochreligionen. Hier wirkt sich die definitorische Unschärfe von „schamanisch“ versus „magisch“ besonders stark aus, da es sich um eine reine Volksreligion ohne hochreligiöse Theologie mit präziser Deutungsmacht handelt. Dazu kommt ein eher verschwommener polytheistischer Götterglaube mit vor allem bäuerlichen und westafrikanischen Grundvorstellungen, die aber teils christlich transformiert wurden. Die ursprünglich westafrikanischen Götter haben oft Züge katholischer Heiliger angenommen und verschwimmen überdies meist zu Geistern. Der Fetischglaube ist entsprechend den afrikanischen Ursprüngen ausgeprägt. Wie in Afrika spielt außerdem der Ahnenkult eine wichtige Rolle. Eine besondere Kultform ist die der Zombies. Die Gemeinde wird durch Priester geleitet. Voodoo-Priester und -Priesterinnen (houngan oder mambo) fungieren auch als Heiler und schützen vor Zauberei. Trotz einiger auftretender wesentlicher Eigenschaften des Schamanismus kann der Voodoo aber nicht als schamanisch bezeichnet werden.
  • Ähnliches gilt für andere, ähnlich entstandene karibische und südamerikanische Synkretismusreligionen wie den Shango- bzw. Kélé-Kult[233] auf Grenada, Trinidad und St. Lucia oder die jamaikanische Kumina-Tradition, aber auch für die Spiritual Baptists Trinidads oder die jamaikanischen Revivalists, durchweg Religionen des Volkes oder auch des städtischen Subproletariats. Alle betonen die ekstatische Kommunikation mit dem Göttlichen und glauben an die Einwirkung der Totengeister auf die Lebenden sowie an einen obeach genannten Schadenzauber. Vergleichbar strukturiert ist auch der María Lionza-Kult in Venezuela (Ekstase, Geisterglaube), eine Mischung aus indianischen, afrikanischen und katholischen Elementen. Dasselbe gilt für Umbanda und Candomblé in Brasilien, wo all diese Aspekte ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen, nicht hingegen für das erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts entstandene, stark biblisch-äthiopisch geprägte Rastafari Jamaikas.[234]

Die religiöse Gesamtlage in der karibischen Großregion ganz abseits des offiziellen Katholizismus und der Staatsdoktrin Kubas ist schon aufgrund der gewaltigen Bevölkerungsverschiebungen und -dezimierungen bei der indigenen Bevölkerung nach der Konquista, durch westafrikanische Einflüsse infolge des Zustroms von Sklaven seit dem 18. Jahrhundert sowie durch wirtschaftliche Modernisierungs- und linkssoziale Politik- und Ideologieeinflüsse relativ uneinheitlich und unübersichtlich. Der Einfluss nordamerikanischer protestantischer Sektenbewegungen und der Theologie der Befreiung ist schwer einschätzbar, vor allem, was die Tiefe der oft noch von einem traditionellen katholischen Firnis überzogenen Glaubensüberzeugungen angeht. Das gilt, wenn auch bei weitem nicht in diesem Ausmaß, auch für ganz Südamerika. Die Britannica notiert hier zu Zentralamerika: „During the 20th century the remaining cultures resisted modernization to a degree unusual among Indians of the Americas.“[235]

Afrika: Übersicht und Problematik

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Die gegenwärtige oder frühere Existenz eines Schamanismus in Afrika ist umstritten. Klaus Müller verneint sie, und zwar ausdrücklich auch für die dortigen Jäger- und Sammlergesellschaften wie die San, Hadza und Pygmäen,[73] Eliade äußert sich nur sehr zurückhaltend und behandelt den afrikanischen Schamanismus nur an einer Stelle im Zusammenhang mit der Initiation der „Sudanneger“.[236] Auch in der übrigen Literatur, etwa Baumanns Standardwerk „Die Völker Afrikas und ihre traditionellen Kulturen“ aus dem Jahre 1975, das eine gute Übersicht bietet, da Baumann und seine Koautoren seinerzeit noch viele Phänomene beobachten konnten, die heute weitgehend verschwunden sind (er zielt bewusst möglichst auf den vorkolonialen Status vor Mitte des 19. Jahrhunderts[237]), finden sich wenig Hinweise, und die Begriffe Schamane, schaman(ist)isch und Schamanismus kommen kaum einmal vor. Afrika gilt vielmehr als Kontinent der Magier, Zauberer, Hexen und der Besessenheit.[238] Ähnliches gilt für Frobenius, der zudem den Schamanismus als magische Potenz definiert, als ein „Aufbegehren gegen die natürliche Wirklichkeitsordnung“ und ihm den Manismus (Ahnenkult) gegenüberstellt.[239] Auch S. A. Tokarew erwähnte den Begriff Schamanismus nur einmal im Zusammenhang mit afrikanischen Religionen und spricht meist von Totemismus.[240][241] Hier liegt die Problematik abermals im begrifflich unscharfen Gegensatz von schamanisch versus magisch. Aufgrund der schlechten Überlieferungslage der weitgehend schriftlosen afrikanischen Völker, um die es hier vor allem geht, ist ein vorgeschichtlicher Schamanismus abgesehen von einigen interpretatorisch umstrittenen Felsbildern der Sahara und in einigen anderen Gebieten (siehe Prähistorischer Schamanismus) kaum beweisbar. Hingegen sind die Felsbilder der Khoisan eindeutig schamanisch geprägt, wie Lewis-Williams nachweist (siehe unten). Die Encyclopædia Britannica schreibt zur historischen Entwicklung des Schamanismus generell: „It is generally agreed that shamanism evolved before the development of class society in the Neolithic Period and the Bronze Age; that it was practiced among peoples living in the hunting-and-gathering-stage; and that it continued to exist, somewhat altered, among peoples who had reached the animal-raising and horticultural stage“.[242] Der südafrikanische Felsbildforscher David Lewis-Williams stellt zudem in einer ausführlichen Untersuchung der San-Kultur deren Schamanismus ausdrücklich fest und belegt das vielfach mit ihrer Felsbildkunst.[243]

Vor allem in der Subsahara haben viele Gesellschaften noch vor nicht allzu langer Zeit auf diesen frühen kulturellen Stadien gelebt, pflegen aber religiöse Praktiken, die eindeutig nicht mehr rein schamanisch sind, sondern vorwiegend magisch oder totemistisch. (zur definitorischen Problematik siehe oben in den einleitenden Abschnitten) Es ist andererseits aber nur logisch, ihren Entwicklungsverläufen jene frühe Stufe der religiösen, animistisch fundierten Orientierung zuzubilligen, selbst wenn diese sich außer in ganz wenigen Völkern längst nicht mehr in Reinform erhalten haben, sondern modifiziert bzw. weiterentwickelt wurden. Gerade die Geisteshaltung des Animismus als Vorbedingung eines schamanistischen Weltverständnisses erscheint in Afrika bis heute durchaus lebendig, ja, wie Gustav Mensching formuliert, als „ewiger Strukturtypus“ mit Einflüssen bis in die Universalreligionen.[244] Magisches und schamanisches Handeln sind nicht sauber zu trennen, schon gar nicht in der Person der Akteure und ihren jeweiligen Intentionen. Entscheidend ist, wie sehr man jeweils die Person des in Trance/Ekstase handelnden Schamanen in den Mittelpunkt stellt (Eliade etwa), ob man also einen Schamanismus nur dort feststellt, wo dieser mit diesem quasi „reinen“ Handlungsmuster agiert, oder ob man auch Deutungen zulässt, in denen bestimmte sachliche Phänomene wie Jenseitsreise, animistische Weltdeutungsmuster, Geisterglaube, Ahnenglaube usw. mehr oder weniger einen religiösen Hintergrund liefern, der wenn nicht schamanisch, dann doch schamanistisch genannt werden kann. Von Ausnahmen wie den San, Hadza, Berg-Dama oder Pygmäen sowie einiger anderer kleiner Jäger-Sammler-Ethnien einmal abgesehen, findet sich in Afrika kaum eine eigentliche Schamanismus-Religion. Hultkrantz sieht hier „eine religiöse Konfiguration, ein mythisch-rituelles System“, in denen Visionen kosmischer Welten über psychodynamische Prozesse wahrgenommen werden, die durch Ekstasetechniken in Gang gesetzt wurden.[245]

So gesehen ist der Schamanismus aber in jedem Falle in Afrika präsent, wenn auch nicht im strikten Sinn und keineswegs immer mit allen personellen Ausprägungen und Phänomenen, die sich hier vorwiegend in Form der Besessenheit darstellen und/oder als „Magie“ bzw. „Hexerei“ erscheinen. Die detaillierte Betrachtung der afrikanischen Religionen und der zahlreichen Synkretismen innerhalb der dortigen Großreligionen Islam und Christentum bestätigt diesen Befund.

Siehe auch

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Commons: Shamanism – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Schamanismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

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Die folgenden Werke wurden zur Erstellung dieses Artikels herangezogen (OA = Originalausgabe bei älteren Werken):

Allgemeine und spezielle Nachschlagewerke lag, Freiburg 1991, ISBN 3-451-04036-0.

  • Andrew Sherratt (Hrsg.): Die Cambridge Enzyklopädie der Archäologie. Christian Verlag, München 1980, ISBN 3-88472-035-X.
  • The New Encyclopædia Britannica. 15. Auflage. Encyclopædia Britannica Inc., Chicago 1993, ISBN 0-85229-571-5.
  • Heinz-Gerhard Zimpel, Ulrich Pietrusky: Lexikon der Weltbevölkerung. Geographie Kultur Gesellschaft. Nikol Verlagsges., Hamburg 2000, ISBN 3-933203-84-8.

Schamanismus in Vor- und Frühgeschichte

Schamanismus in historischen und lebenden Religionen, Mythologie

  • Marilia Albanese: Angkor. Vergessene Tempel. Weltbild Verlag, Augsburg 2002, ISBN 3-8289-0823-3.
  • Richard Cavendish, Trevor O. Ling: Mythologie. Eine illustrierte Weltgeschichte des mythisch-religiösen Denkens. Christian Verlag, München 1981, ISBN 3-88472-061-9.
  • Michael D. Coe (Hrsg.), Dean Snow, Elizabeth Benson: Weltatlas der alten Kulturen: Amerika vor Kolumbus. Geschichte, Kunst Lebensformen. Christian Verlag, München 1986, ISBN 3-88472-107-0.
  • Martin Colcutt, Marius Jansen, Isao Kumakura: Weltatlas der alten Kulturen: Japan. Geschichte, Kunst Lebensformen. Christian Verlag, München 1989, ISBN 3-88472-151-8.
  • Fernand Comte: Mythen der Welt. WBG, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-20863-0.
  • Mircea Eliade: Geschichte der religiösen Ideen. 4. Bde. Herder Verlag, Freiburg 1978, ISBN 3-451-05274-1.
  • Gottfried Hierzenberger: Der Glaube in den alten Hochkulturen: Ägypten, Mesopotamien, Indoeuropäer, Altamerikaner. Lahn Verlag, Limburg 2003, ISBN 3-7867-8473-6.
  • Hans Läng: Kulturgeschichte der Indianer Nordamerikas. Gondrom Verlag, Bindlach 1993, ISBN 3-8112-1056-4.
  • Ernst Lokowandt: Shintō. Eine Einführung. IUDICUM Verlag, München 2001, ISBN 3-89129-727-0.
  • Julien Ries: Ursprung der Religionen. Pattloch Verlag, Augsburg 1993, ISBN 3-629-00078-9.
  • S.A. Tokarew: Die Religion in der Geschichte der Völker. Dietz Verlag, Berlin 1968.
  • Monika u. Udo Tworuschka: Religionen der Welt. In Geschichte und Gegenwart. Bassermann Verlag, München 1992/2000, ISBN 3-8094-5005-7.
  • Richard Waterstone: Indien. Götter und Kosmos. Karma und Erleuchtung. Meditation und Yoga. Taschen, Köln 2001, ISBN 3-8228-1335-4.
  • Herbert Zachert: Die Mythologie des Shintō. In: Hans Werner Haussig (Hrsg.): Wörterbuch der Mythologie. Band VI: Götter und Mythen Ostasiens. Klett-Cotta, Stuttgart 1994, ISBN 3-12-909710-4.

Ethnischer Schamanismus

  • Hermann Baumann (Hrsg.): Die Völker Afrikas und ihre traditionellen Kulturen. 2 Bde. Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1975 und 1979, ISBN 3-515-01968-5 und ISBN 3-515-01974-X.
  • George Catlin: Die Indianer Nordamerikas. Abenteuer und Schicksale. Neu bearbeitet von Ernst Bartsch. Edition Erdmann. K. Thienmanns Verlag, Stuttgart 1994, OA 1924, ISBN 3-522-61220-5.
  • Mircea Eliade: Schamanismus und schamanische Ekstasetechnik. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, OA 1951, ISBN 3-518-27726-X.
  • Valentina Gorbatcheva, Marina Federova: Die Völker des Hohen Nordens. Kunst und Kultur Sibiriens. Parkstone Press, New York 2000, ISBN 1-85995-484-7.
  • Mihály Hoppál: Das Buch der Schamanen. Europa und Asien. Econ Ullstein List, München 2002, ISBN 3-550-07557-X.
  • Thomas, Nicolas u. Caroline Humphrey: Introduction. In: Thomas, Nicolas und Caroline Humphrey (Hrsg.), Shamanism, History and the State. University of Michigan Press, Ann Arbor 1996.
  • Åke Hultkrantz, Michael Rípinsky-Naxon, Christer Lindberg: Das Buch der Schamanen. Nord- und Südamerika. München 2002, ISBN 3-550-07558-8.
  • Adolf Ellegard Jensen: Mythos und Kult bei Naturvölkern. Religionswissenschaftliche Betrachtungen. dtv, München 1992 (OA 1951), ISBN 3-423-04567-1.
  • Adolf Ellegard Jensen: Die getötete Gottheit. Weltbild einer frühen Kultur. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966.
  • Erich Kasten (Hrsg.): Schamanen Sibiriens. Magier – Mittler – Heiler. Zur Ausstellung im Linden-Museum Stuttgart, 13. Dezember 2008 bis 28. Juni 2009, Reimer Verlag 2009, ISBN 978-3-496-02812-3.
  • Mongusch B. Kenin-Lopsan: Schamanengeschichten aus Tuwa. Lamuv, Göttingen 2011, ISBN 978-3-88977-693-8.
  • Mongusch B. Kenin-Lopsan: Schamanengesänge aus Tuwa. Lamuv, Göttingen 2013, ISBN 978-3-88977-694-5.
  • Klaus E. Müller: Schamanismus. Heiler, Geister, Rituale. 3. Auflage. Beck, München 2006, ISBN 3-406-41872-4.
  • Wolfgang Müller (Ethnologe): Die Indianer Amazoniens. Völker und Kulturen im Regenwald. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39756-5.
  • Richard Nile, Christian Clerk: Weltatlas der alten Kulturen: Australien, Neuseeland und der Südpazifik. Geschichte Kunst Lebensformen. Christian Verlag, München 1995, ISBN 3-88472-291-3.
  • Axel Schulze-Thulin: Der Tanz der Langhaarigen. Anmerkungen zum Regentanz der Long-haired Kachinas in Old Oraibi. In Tribus, Veröffentlichungen des Linden-Museums Stuttgart Nr. 28, Nov. 1979. S. 123–143. ISSN 0082-6413.
  • Friedrich Seltmann: Vergleichende Komponenten der Schattenspielformen. In Tribus, Veröffentlichungen des Linden-Museums Stuttgart Nr. 23, Nov. 1974. S. 23–70.

Psychologie, Ethologie, Kulturanthropologie, Religionssoziologie, Neoschamanismus, Sonstiges

  • Norbert Benecke: Der Mensch und seine Haustiere. Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-8062-1105-1.
  • Leo Frobenius: Kulturgeschichte Afrikas. Prolegomena zu einer historischen Gestaltlehre. Peter Hammer Verlag, Wuppertal u. Frobenius-Institut, Frankfurt am Main 1993. OA 1933/1954 ISBN 3-87294-525-4.
  • Edmund Leach: Claude Lévi-Strauss zur Einführung. 3. Auflage. Junius Verlag, Hamburg 2006, ISBN 3-88506-628-9.
  • Åke Ohlmarks: Studien zum Problem des Schamanismus. Lund 1939.

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Leroi-Gourhan: Prähistorische Kunst. 1975, S. 27.
  2. Hoppál, S. 58/59.
  3. Benecke, S. 340 ff.
  4. Gorbatcheva, S. 31–34.
  5. a b Kasten, S. 164–167.
  6. Kasten, S. 168 f.
  7. Ralph Tuchtenhagen: Religion in Norwegen, erschienen in: Markus Porsche-Ludwig, Jürgen Bellers (Hrsg.): Handbuch der Religionen der Welt. Bände 1 und 2, Traugott Bautz, Nordhausen 2012, ISBN 978-3-88309-727-5. S. 327–328.
  8. Eliade: Schamanismus, 2001, S. 216 f.
  9. Tworuschka, S. 436 f.
  10. K. E. Müller, S. 30.
  11. Gorbatcheva, S. 210–212.
  12. Kasten, S. 11 und Hoppál, S. 58 f.
  13. K. E. Müller, S. 30 f.
  14. Gorbatcheva, S. 170 f.
  15. Kasten, S. 188–203.
  16. Hoppál, S. 115.
  17. Britannica, Vol. 26, S. 1013.
  18. K. E. Müller, S. 29–34.
  19. Gorbatcheva, S. 45.
  20. Anmerkung: Fischfang bedeutete im Folgenden stets auch Jagd auf Meeressäuger, also Wale, Robben usw. Wenn Kosmologie, Typus und Zeremonien (kamlanie) als „klassisch“ bezeichnet werden, entsprechen sie weitgehend der obigen Darstellung.
  21. Tworuschka, S. 419–422.
  22. Hoppál, S. 86 f.
  23. Tworuschka, S. 421.
  24. Lowenstein, S. 126 f.
  25. Lowenstein, S. 134 ff.
  26. Tworuschka, S. 421 f.
  27. K. E. Müller, S. 31 ff.
  28. Tworuschka, S. 349 f.
  29. Tworuschka, S. 423 f.
  30. Blunden, S. 188.
  31. Hoppál, S. 102.
  32. Hierzenberger: Chinesen und Japaner, 2003, S. 72 f.
  33. Eliade: Geschichte der religiösen Ideen, Bd. 2, S. 36 ff.
  34. Hoppál, S. 80 ff.
  35. Taiwan: Theological Shamanism Lardenois (PDF; 113 kB).
  36. Collcutt, S. 36, 37.
  37. Jensen: Mythos und Kult, 1992, S. 197 f.
  38. Hoppál, S. 91.
  39. Tokarew, S. 343.
  40. Lokowandt, S. 37.
  41. Colcutt, S. 48, 52.
  42. Hoppál, S. 90.
  43. Nach Tworuschka, S. 369 ff.
  44. Tokarew, S. 345.
  45. Zachert, S. 39 f.
  46. Miyako-Schamanismus.
  47. Eliade: Schamanismus. 2001, S. 333, 384–401, 449 ff.
  48. Comte, S. 170.
  49. Ries, S. 74 ff.; Eliade: Schamanismus, S. 124–126.
  50. Tokarew, S. 354 ff.
  51. Eliade: Schamanismus, 2001, S. 396 ff., 409 ff.
  52. Sherratt, S. 164.
  53. Waterstone, S. 11, 85.
  54. Eliade: Schamanismus. 2001, S. 384–401.
  55. Cavendish, S. 14.
  56. Eliade: Schamanismus, 2001, S. 438 ff.
  57. Tworuschka, S. 422 f.
  58. Vgl.Eliade: Schamanismus, S. 3.
  59. Tworuschka, S. 423.
  60. Aranadan
  61. a b K. E. Müller, S. 28.
  62. Albanese, S. 72.
  63. Vietnam
  64. Eliade: Schamanismus, 2001, S. 323–345.
  65. Schamanismus, S. 331.|WP.en.
  66. Slattum, J. (2003) Balinese Masks: Spirits of an Ancient Drama. Indonesia, Asia Pacific, Japan, North America, Latin America and Europe Periplus Editions (HK) Ltd.
  67. Seltmann, S. 31–55.
  68. Bali
  69. Tworuschka, S. 424 f.
  70. Eliade: Schamanismus, 2001, S. 330.
  71. Cavendish, S. 284.
  72. Nile, S. 37 f.; Cavendish, S. 284–292; Tokarew, S. 41–78.
  73. a b K. E. Müller, S. 29.
  74. Eliade: Schamanismus, 2001, S. 54 ff., 135 ff., 139 ff.
  75. Ebd. S. 59 ff.
  76. Nile, S. 32 f.
  77. Tokarew, S. 46 f., 59, 70 f.; Nile, S. 39.
  78. a b Nile, S. 38.
  79. Nile, S. 40.
  80. Nile, S. 45 ff.
  81. Tokarew, S. 56 ff.
  82. Tokarew, S. 63 f.
  83. Tokarew, S. 60 ff.
  84. Trance
  85. Nile, S. 37 f., Britannica, Bd. 14, S. 438.
  86. Tokarew, S. 65 f., 71 f.
  87. Vialou, S. 400 ff.; Nile, S. 45.
  88. Vialou, Abb. 60, 178.
  89. Vialou, Abb. 60–64.
  90. Vialou, Abb. 155.
  91. Vialou, Abb. 265 f.
  92. Vialou, Abb. 326.
  93. Vialou, Abb. 327–330, 332.
  94. Vialou, Abb, 296, 300 f.
  95. Cavendish, S. 284; Tokarew, S. 75 ff.
  96. Vialou, S. 402.
  97. Tworuschka, S. 426 f.; Comte, S. 246–255; Cavendish, S. 272–283; Tokarew, S. 79–119; Eliade: Schamanismus, 2001, S. 345–357.
  98. K. E. Müller, S. 29; Britannica, Bd. 26, S. 1017.
  99. Jensen: Die getötete Gottheit, 1966, S. 120 ff.
  100. Eliade, Schamanismus, 2001, S. 345–350.
  101. Nile, S. 55–67.
  102. Comte, S. 246 f.
  103. a b Tworuschka, S. 426.
  104. Jensen: „Die getötete Gottheit“, 1966, und „Mythos und Kult bei Naturvölkern“, 1951.
  105. Jensen: Mythos und Kult, 1992, S. 310.
  106. Tokarew, S. 93, 95, 96 f.
  107. Jensen: Mythos und Kult, 1992, S. 318 f.
  108. Tokarew, S. 98 f.
  109. Tworuschka, S. 425 f.; Tokarew, S. 80 ff.
  110. Jensen: Die getötete Gottheit, 1966, S. 39–46.
  111. Tworuschka, S. 427 f.; Cavendish, 274 f., Eliade: Schamanismus, S. 350–357.
  112. Tworuschka, S. 427 f.
  113. Tokarew, S. 112 f.
  114. Britannica; Bd. 25, S. 90.
  115. Tworuschka, S. 103, 109 f.
  116. Tokarew, S. 105.
  117. Eliade: Schamanismus, 2001, S. 356 f.
  118. Tokarew, S. 114.
  119. Kahuna: [1].
  120. Tokarew, S. 116 f.
  121. Coe, S. 18–23.
  122. Britannica, Bd. 13, S. 350.
  123. Britannica, Bd. 13, S. 392, 402; Übersicht: Bd. 22, S. 760–781.
  124. Coe, S. 13–15.
  125. Coe, S. 28–37; Haberland, S. 138 ff.
  126. Tokarew, S. 140.
  127. Hultkrantz, S. 9; Tworuschka, S. 408.
  128. Haberland, S. 116–138.
  129. Tokarew, S. 165.
  130. Tokarew, S. 171 f.
  131. Tokarew, S. 171.
  132. Catlin, S. 37 ff.
  133. Tokarew, S. 164 f.
  134. Hultkrantz, S. 7.
  135. Lewis-Williams, S. 163–179.
  136. Britannica, Bd. 26, S. 1016.
  137. Hultkrantz, S. 50.
  138. Tworuschka, S. 410 f.
  139. Läng, S. 287 ff.; Eliade: Schamanismus, S. 309.
  140. Tokarew, S. 155.
  141. Lewis-Williams, S. 174 f.; Vialou, S. 405–408.
  142. Haberland, S. 163.
  143. K. E. Müller, S. 29 f.
  144. Läng, S. 48, 50 f.
  145. Läng, S. 75 ff., 101–103; Eliade: Schamanismus, 2001, S. 276–285; Hultkrantz, S. 24–31; Tokarew, S. 144–149, Tworuschka, S. 407 f.; Britannica, B. 26, S. 1014, 1016.
  146. Zimpel, S. 145.
  147. Läng, S. 85–107.
  148. Hultkrantz, S. 32–49, 88; Läng, S. 324–332; Britannica, Bd. 13, S. 362 ff., 371 ff.
  149. Eliade: Schamanismus, S. 301–309.
  150. a b Tolkin, S. 157.
  151. Tokarew, S. 156 f.
  152. Tworuschka, S. 409.
  153. Hultkrantz, S. 66–73; Läng, S. 182–218; Tokarew, S. 154–175.
  154. Catlin, S. 37.
  155. Catlin, S. 112 ff., 144 ff., 151 ff., 191 ff.
  156. Hultkrantz, S. 60 ff.
  157. Läng, S. 108–181; Tworuschka, S. 408 f.; Hultkrantz, S. 50–59.
  158. Cavendish, S. 230–233.
  159. Tokarew, S. 157 f.
  160. Britannica, Bd. 13, S. 390 f.
  161. Läng, S. 278–289; Britannica, Bd. 13, S. 374.
  162. Cavendish, S. 238, 240.
  163. Läng, S. 284 f., Britannica, Bd. 13, S. 374.
  164. Läng, S. 287 ff., Tworuschka, S. 409 f.
  165. Läng, S. 219–276; Britannica, Bd. 13, S. 379 ff.
  166. Britannica, Bd. 29, S. 202.
  167. Tworuschka, S. 409; Längs, S. 256 ff.; Britannic, Bd. 13, S. 382.
  168. Läng, S. 336–357; Britannica, Bd. 13, S. 366–369; Hutkrantz, S. 374–379.
  169. Läng, S. 344 f.
  170. Hultkrantz, S. 77.
  171. Hultkrantz, S. 89.
  172. White-deerskin-Tanz
  173. Läng, S. 340 ff.
  174. Hultkrantz, S. 80–87; Läng, S. 358–387; Britannica, Bd. 13, S. 375–379; Tworuschka, S. 410.
  175. Läng, S. 363.
  176. Läng, S. 379 ff.; Britannica, Bd. 13, S. 377.
  177. Hultkrantz, S. 85–87; Läng, S. 372–377; Schulze-Thulin, S. 123–134. Die Papagos nehmen hier eine Zwischenstellung zwischen Pueblos und Yuma ein.
  178. Hultkrantz, S. 80 ff.
  179. a b Britannica, Bd. 13, S. 378.
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  187. Hultkrantz, S. 7 ff.
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