Was schreib’ ich nur? Was schreib’ ich nur?

Warum ich Artikel schreibe – eine subjektive Sicht auf die Gründe, die mich dazu gebracht haben, den einen oder anderen Artikel zu schreiben. Vielleicht haben manche von ihnen nicht nur für mich Gültigkeit, sondern stehen ganz allgemein für den Antrieb, der Menschen dazu bringt, sich mit immer wieder überraschendem Engagement und Enthusiasmus in dieses Projekt einzubringen.

Themen, die am Herz liegen

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Natürlich ist die erste Motivation über Dinge zu schreiben, die man mag, und an denen man andere („die Welt“) teilhaben lassen möchte. So war es selbstverständlich auch kein Zufall, dass ich, nachdem ich mich endlich zur Mitarbeit entschlossen hatte, meinen ersten Edit einem Lieblingsfilm widmete: Der Freund meiner Freundin von Eric Rohmer.

Wissen spenden

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I want YOU to write articles!

Spende der Wikipedia dein wertvollstes und seltenstes Wissen“ hat Elian einmal formuliert. Ich weiß nicht, ob ich diese Aufforderung schon ganz zu Beginn entdeckte. Ich weiß nur, als ich sie entdeckte, überzeugte sie mich sofort. Und tatsächlich bemühte ich mich mit meinen ersten Artikeln vor allem um Lücken, bei denen ich den Eindruck hatte: Wenn darüber nach so langer Zeit noch niemand einen Artikel geschrieben hat, dann bist Du wohl selbst gefordert. Herausgekommen sind etwa Neuanlagen wie Marcel Mouloudji und Henry Jaglom oder der Ausbau von Jean-Claude Izzo und Carlos Saura. Alles nicht meine Leib-und-Magen-Themen, aber Themen, die nach meinem Eindruck der Wikipedia fehlten.

Anerkennung

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Die Rückmeldung auf meine ersten vier Artikel war exakt: Null, Zero, Nada. Statt dessen wurden die Artikel, kaum hatte ich auf den Speicherknopf gedrückt, sogleich von emsigen Kontrolleuren abgeändert und korrigiert, ob in Rechtschreibung, Kategorien, Sortierung oder dem Verschieben auf ein anderes Lemma. Für mich als Neuling war die Botschaft klar: „Dein Artikel war noch nicht perfekt genug für uns.“ Da war es dann sehr erhebend, in meinem fünften Artikel unvermittelt den Edit-Kommentar von ADwarf zu lesen: „typo, schöner Artikel ... DANKE“. Dass ein Verhältnis von 5 Artikeln auf 1 lobendes Wort für die Wikipedia ungewöhnlich freundlich ist, konnte ich damals natürlich noch nicht ahnen.

Qualitätsarbeit

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Exzellente und …
 
Lesenswerte Artikel

Jaja, die Lesenswert- und Exzellentbapperl dienen natürlich nur einer zutiefst verachtenswerten Selbstbeweihräucherung und widersprechen ohnehin komplett der urkommunistischen Ausrichtung „Jeder Artikel ist gleich, nur die Meta-Diskutierer sind gleicher.“ Und ich muss schon ein merkwürdiger Neuling gewesen sein, dass ich mich tatsächlich an diesen Bewertungen orientiert habe, um zu lernen, wie gute Artikel aussehen sollen. Auch mein erster eigener Vorstoß in die „höheren Sphären“ der Artikelarbeit ging von einem lesenswerten Artikel aus: Rituale von Thomas Schultz, ein Roman von Cees Nooteboom, für den ich mich selbst interessierte, dazu war der Artikel in Aufbau und Stil so gehalten, dass ich mir Vergleichbares selbst zutraute. Also schaffte ich das erste Mal extra für die Wikipedia Sekundärliteratur an (naja, damals noch eine kleine Lektürehilfe) und versuchte mich an Die folgende Geschichte, was in doppeltem Sinne von Erfolg gekrönt war: Ich erhielt den ersten Kontakt zu einem anderen Benutzer und durfte mir am Ende selbst das erste Bapperl an die Brust (bzw. auf die Benutzerseite) heften – wenn auch erst nach dem Wechselbad der Gefühle einer heftigen Auswertungsdiskussion, bei der ich immerhin die Solidarität anderer Wikipedianer erleben durfte.

Schreibwettbewerb

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Der nächste Schritt war logisch: Mit dem Schreibwettbewerb wagte ich mich erstmals an das ganz große Artikelformat und eine entsprechend umfangreiche Arbeit. Am Ende erreichte Die Glasglocke für mich selbst überraschend den 5. Platz der Gesamtwertung. Bis heute liefert der Schreibwettbewerb mir den Anlass, immer wieder zu neuen Ufern aufzubrechen wie zuletzt mit einer Gedichtinterpretation (Nur zwei Dinge) oder einer umfangreichen Biografie (Georges Simenon). Da der Wettbewerb einen Monat lang die volle Aufmerksamkeit beansprucht, würde es mich langweilen, bloß Themen abzuarbeiten, für die ich inzwischen eine gewisse Routine aufbringe (etwa meine Lieblingsschriftsteller Max Frisch oder Wolfgang Borchert). Die Faszination am Wettbewerb liegt gerade darin, immer wieder neues zu entdecken, sowohl aus dem Thema heraus, das man bearbeitet, als auch in der Art und Weise, wie man etwas bearbeiten kann. Deswegen wird meine nächste Teilnahme möglicherweise auch einem Thema völlig außerhalb der Literatur gelten.

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Was mich überhaupt zu der intensiven Beschäftigung mit Max Frisch gebracht hat, war – neben der Tatsache, dass ich ihn schon immer gerne gelesen habe – nicht zuletzt die Vorlage:Navigationsleiste Werke von Max Frisch mit ihren vielen herausfordernd leuchtenden Rotlinks. Zwar sind solche Themenringe in der Wikipedia nicht gerade populär – aber mich haben die zahlreichen nicht geschriebenen Artikel angetrieben, zuerst bei der Auswahl an welchem Nebenwerk ich mich als Einstieg (ohne große Sekundärliteratur) versuchen wollte, inzwischen wo ich auf eine kleine Max-Frisch-Bibliothek zugreifen kann, alle Romane, Erzählungen und Theaterstücke mit eigenem Artikel zu versorgen. Ähnlich geht es mir aktuell mit der Vorlage:Navigationsleiste Maigret-Romane von Georges Simenon, und ich werde nicht eher ruhen, als bis es zu allen 75 Maigret-Romanen einen Artikel gibt.

Artikel retten

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Erste Hilfe für Artikel

Zwar kann einem das Klima in den Löschkandidaten die Lust an der Wikipedia des Öfteren nachhaltig austreiben, doch der Druck, einen Artikel – der es zumindest von seinem Thema her wert wäre – zu retten, kann eine nicht zu unterschätzende Antriebsfeder sein. Am Ende hat man sich in ein Thema eingearbeitet, zu dem man noch Tage zuvor gar keinen Zugang hatte, etwa bei Reklame (Ingeborg Bachmann) oder San Salvador (Kurzgeschichte), und der Artikel ist etwas ganz anderes geworden, als man aus eigenem Antrieb geschrieben hätte wie Don Quichotes Dulcinea del Toboso. Auch beim Sichten stößt man immer wieder auf eingestellte Texte, die vielleicht schon seit Jahren und begleitet von zahllosen Wikifizierungsedits dennoch in offener Seenot treiben und um Hilfe funken: „Rette mich! Mach einen Artikel aus mir!“ Wenn man auf diese Rufe reagiert, sind am Ende Artikel wie Die Kirschen, Inventur (Günter Eich) oder Das Feuerschiff entstanden.

Fehler in Artikeln korrigieren

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Ganz zufällig bin ich im Artikel Todesfuge auf die Aussage gestoßen, das Gedicht sei ein Plagiat. Interessant denke ich mir, habe ich eigentlich noch nie so gehört und muss dann feststellen, dass das außerhalb der Wikipedia auch niemand in dieser drastischen Form sagen würde. Und schon ist man thematisch eingefangen, beginnt zu recherchieren, um ein Gedicht gegen seinen Artikel in Schutz zu nehmen. Am Ende hat die kleine Online-Recherche zum Thema Plagiat eine komplette Neugestaltung des Artikels in mehreren Etappen angestoßen: Erst wollte ich mich nur auf die Rezeption beschränken, fühle mich auf Nachfrage verpflichtet, notdürftig die laienhafte Schülerinterpretation zu überarbeiten, am Ende stößt mit Ratisbon ein Celan-Fachmann dazu, und es gelingt sogar, den Artikel auf Exzellenzniveau zu heben.

Sich von Artikel zu Artikel hangeln

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Oft führt ein Artikel zum nächsten, eine Baustelle zur folgenden, verfängt man sich immer dichter im Gestrüpp eines ganzen Artikelkomplexes. So hat mich die Todesfuge zu Celans Auftritt bei der Gruppe 47, deren Vorgängerzeitschrift Der Ruf und schließlich Adriaan Morriën geführt, einen Autor, den eigentlich niemand mehr kennen würde, stünde er nicht als Preisträger der Gruppe 47 als letzter Rotlink neben Namen wie Böll, Grass und Walser. Oder es interessiert mich der zufällige Fund von Der Mann, der den Zügen nachsah wieder neu für Georges Simenon und zieht neben Maigret auch seine Fälle nach sich. Oder das Zitat ottos mops kotzt bei einem Meinungsbild bringt mich auf die Ideee, dass eigentlich der Artikel ottos mops fehlt, am Ende entstehen zahlreiche weitere Jandleien. Oder...

Fürs inhaltliche Gleichgewicht sorgen

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Artikel in Schieflage

Immer wieder stößt man auch auf eine (gern politisch motivierte) Schlagseite von Artikeln. So sah zum Beispiel der Artikel Dieter Hildebrandt so aus, bevor ich durch die Dritte Meinung darauf aufmerksam wurde und ihn komplett überarbeitet habe: ein kleiner Lebensabschnitt wird überlagert durch die NSDAP-Mitgliedschaft und Vorwürfe der Parteipolitik. Ganz egal, wie man zu Hildebrandt steht, aber das kann kein angemessener Artikel über den wohl bedeutendsten politischen Kabarettisten der Bundesrepublik sein. Auch für meine Neufassung von Wolfgang Borchert war letztlich diese Einfügung der Anlass: Zwar ist die Kritik an Borcherts Jugendgedichten weder falsch noch beleglos, aber sie transportiert sicher nicht die Zentralaussage über Borcherts "Künstlerisches Schaffen", die sich in der Wikipedia finden sollte.

Die eigene Botschaft einbringen

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Man wäre sich selbst gegenüber nicht ehrlich, würde man behaupten, man trüge keine Botschaft in sich. Natürlich sind etwa Artikel wie Dann gibt es nur eins!, vater komm erzähl vom krieg oder Schweiz ohne Armee? Ein Palaver auch ein beabsichtigtes Gegengewicht zu den vielen Hochglanzartikeln aus Militär- und Waffenkunde, die in der Wikipedia ihre Heimat finden. Der Blick der Literatur auf historische Geschehnisse ist oft intensiver, geht mehr unter die Haut als die nüchternen Daten und Fakten der Geschichtsschreibung. Gerade deshalb gehören auch Artikel wie Das Echolot, wien: heldenplatz oder Die Sache mit B. in eine umfassende Wissenssammlung. Doch die Botschaft soll im Artikelthema transportiert werden – und nicht in einer unneutralen Darstellung. Mag Hochhuths Gesellschaftskritik in McKinsey kommt auch einen berechtigten Kern haben, wenn das Stück von den Kritikern nahezu einhellig verrissen wird, dann muss das auch im Artikel klar zum Ausdruck kommen.

Das Bewahrenswerte bewahren

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Auch dies ist eine Botschaft: die Verpflichtung gegenüber dem Artikelthema, das Bewahrenswerte auch für künftige Leser zu bewahren. Dazu gehört für mich, dass ein Autor wie Max Frisch in der Wikipedia zu seinem 100. Geburtstag als Artikel des Tages auf der Hauptseite steht. Auch wenn dazu Vorarbeiten über ein ganzes Jahr hinweg nötig sind. Ebenso verdient Ernst Jandl einen Artikel, der anders aussieht als so, oder sollte der Artikel der Frauenikone Sylvia Plath nicht nur über eine (immer noch) unvollständige Biografie Auskunft bieten sondern vor allem über ihre literarische und gesellschaftliche Bedeutung. Viele Themen würden bessere Artikel verdienen als diejenigen, die sie haben. Leider ist die Zeit begrenzt, überall dort einzugreifen, wo man eingreifen müsste.

Für die Leser schreiben

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Natürlich ist es auch ein Anreiz, für den Leser zu schreiben: Zu schauen, bei welchen Artikeln die Schere zwischen Aufrufzahlen und Artikelqualität besonders stark auseinanderklafft. Im Literaturbereich ist es besonders die Schullektüre, die häufig nachgefragt (und beinahe ebenso häufig vandaliert) wird, Texte wie Homo faber (Roman), Die Physiker oder Nachts schlafen die Ratten doch. Und auch wenn man die Meinung vertreten kann, Schüler sollten sich ihre Hausaufgaben nicht nur zusammengooglen: wenn sie schon googlen, dann sollen sie lieber seriöses Wissen in der Wikipedia finden als sich auf halbseidenen Hausaufgabenforen oder Bezahlseiten herumzutreiben. Und vielleicht interessiert ein guter Artikel einen Schüler hin und wieder auch über das Abschreiben der Hausaufgabe hinaus und regt ihn zu einer vertiefenden Beschäftigung mit Autor oder Buch an – und sei es, wie oft bei mir selbst, erst viele Jahre nachdem einem ein Lehrer die Lektüre einst verleidet hat.

Für sich selbst schreiben

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Viel Spaaaaaaaß!

Und dann gibt es noch die ganz egoistische Motivation, einfach für sich selbst zu schreiben, egal ob das Thema kaum eine Handvoll weiterer Leser interessieren wird. Hin und wieder muss man auch mal Artikel schreiben wie Ein Mann der schläft, Mittelmäßiges Heimweh oder Das Jahr magischen Denkens. Oder sich gerade deswegen bei Maigret-Krimis entspannen, weil sich die Inhaltsangabe und Interpretation so viel anspruchsloser gestaltet, als wenn man zur Hochliteratur verstiegene Interpretationen aus schwer beschaffbarer Sekundärliteratur verstehen, gegeneinander abwägen und dann in eigenen Worten wiedergeben soll. Neben der eigenen Freude am Geschriebenen sorgt die Wikipedia manchmal ja auch für Anlässe, mit seinen Artikeln anderen Autoren eine Freude zu machen und zum Beispiel einen Weihnachtswunsch zu erfüllen wie: Weihnachtslied, chemisch gereinigt.

Schlicht Spaß

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Über allen anderen Gründen sollte der schlichte Spaß an der Sache stehen. Und so sind vielleicht auch diejenigen Artikel die schönsten, die zwischen all der trockenen Information auch den Spaß aufscheinen lassen, was hoffentlich bei ottos mops oder Zazie in der Metro ein wenig gelungen ist.