Als Eikonal (Altgriechisch εἰκών eikon = Bild, Abbild) wird in der geometrischen Optik die Strecke eines Lichtstrahls zwischen Ausgangs- und Endpunkt bezeichnet[1]. Verwandt damit ist das Bruns-Eikonal[2].


Von der Wellengleichung zum Eikonal

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Die elektrische Feldstärke   von Licht als elektromagnetischer Welle in einem Medium mit dem Brechungsindex n erfüllt die Wellengleichung[3]:

 

mit der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum. Für einfache harmonische Schwingungen mit der Kreisfrequenz ω, bei denen eine beliebige Komponente von   die Form   hat, gilt die zeitunabhängige Gleichung

  
 
 (1)
 

mit der Wellenzahl  . Für den Grenzfall kleiner Wellenlängen λ bzw. großer Wellenzahlen k sucht man eine Lösung dieser Gleichung durch eine näherungsweise ebene Welle

 

mit der langsam veränderlichen Amplitude   und einem nur wenig von der Linearität abweichenden optischen Weglänge   oder auch Eikonal genannt[2]. Mit

 

wird die zeitunabhängige Wellengleichung (1) zu

 

Nun ist k eine sehr große Zahl, solange also   und   ausnahmsweise nicht zu groß werden, kann man sich auf das höchste Glied beschränken und erhält die Eikonalgleichung der geometrischen Optik[4][5]

  
 
 (2)
 

Diese Näherung versagt an Brennflächen, Brennlinien oder Brennpunkten, an denen   groß wird. Auch an optischen Schattengrenzen wird   groß und damit gilt die geometrische Optik nicht mehr und es treten dann Beugungserscheinungen auf[6].

Eigenschaften des Eikonals

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Ist L(x,y,z) eine Lösung der Eikonalgleichung (2), so werden die Flächen mit konstantem L zu Flächen konstanter optischer Phase und definieren damit die Wellenfronten. Die Strahlengänge stehen überall senkrecht auf den Wellenfronten und sind somit ebenfalls durch die Gleichung (2) bestimmt. In einem optisch homogenen Medium mit konstanter Brechzahl n ergeben sich folgende Lösungen[7] von (2):

  • Lösung mit geraden Linien:
 
Die Wellenfront des Eikonals L wird z.B. durch zwei Konstanten α und β beschrieben und ist damit eine Ebene. Die Strahlen verlaufen als parallele Geraden in Richtung α : β : γ.
  • Lösung mit singulärem Punkt ist eine Kugelwelle mit geradem Strahlengang:
 
  • Lösung mit singulärer Linie ist eine Zylinderwelle mit geradem Strahlengang:
 

Der Einheitsvektor   in der Richtung der Flächennormalen   ist proportional zu  , und aus (2) folgt

  
 
 (3)
 

Bei der Näherung braucht n nicht konstant zu sein. Daher kann man n als Ortsfunktion eines inhomogenen Mediums ansehen. Die Strahlen sind dann gekrümmt. Der Lichtweg von P0 nach P wird in jedem Fall durch das über einen Strahl erstreckte Linienintegral

 

dargestellt[6]. Das obige Integral ist wegunabhängig, da   nach (2) Gradient des Potentials L ist, denn[8]  .

Von der Eikonalgleichung zur Strahlengleichung der geometrischen Optik

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Für den Strahlengang   eines Lichtstrahls wählt man geeigneterweise den Parameter der Bogenlänge s

 

d.h. vom Anfangspunkt   zum Punkt   beträgt die Bogenlänge der Bahn

 

Damit ist der Tangentenvektor[9] eine Einheitsvektor:

 

Für ein beliebiges a gilt daher allgemein

 

Eine weitere Ableitung der vektoriellen Eikonalgleichung (3) ergibt

 

Das ist die Strahlengleichung der geometrischen Optik[10]:

  
 
 (4)
 

Die Ableitung des Tangentenvektors   führt auf den zu ihm senkrechten Hauptnormalenvektor[11]   (siehe auch die Frenetschen Formeln:

 

mit dem lokalen Krümmungsradius ρ>0. Damit wird der Hauptnormalenvektor ein Einheitsvektor   und weist in Richtung des Kreismittelpunkt des des Krümmungskreises der Kurve an der Stelle s. Bei Ausführung der Ableitungen in der Strahlengleichung (4) gilt:

 

Da der Hauptnormalenvektor   senkrecht auf den Tangentenvektor   des Lichtstrahls steht gilt   und damit

 

Der Lichtstrahl krümmt sich immer in Richtung der maximalen Zunahme des Brechungsindexes n.

Anwendungen der Strahlengleichung der geometrischen Optik

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Fata Morgana

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Fata Morgana am Chott el Djerid in Tunesien

Einfachste Fall ist eine lineare Abhängigkeit des Brechungsindex   von der Höhe z, wie dies bei der horizontal geschichteten Atmosphäre auftritt ( ). Die Strahlengleichung (4) für den Lichtstrahl   lautet dann:

 

Für die Konstante kann man hier C = 1 setzen, denn damit wird nur die x-Koordinate skaliert[12]. Für die Strahlengleichung der z-Koordinate gilt dann mit dx/ds=1/n:

 

Mit   und   für   ergibt sich die Differentialgleichung

 

die leicht zu integrieren ist:

 

Nimmt der Brechungsindex mit der Höhe zu (ζ > 1), was bei Luft über dem heißen Asphalt an einem Sommertag der Fall ist, so ist der Strahlenverlauf entlang eine nach oben geöffnete flache Parabel. Das ist bei einer unteren Fata Morgana der Fall[13]

Gradientenindexfasern

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In der optischen Kommunikationstechnik werden bestimmte Lichtwellenleiter, sogenannte Gradientenindexfasern, eingesetzt, deren Brechungsindex radial nach außen hin allmählich abnimmt. Bei Multimode-Fasern hat dies den Vorteil, dass die Dispersion der verschiedenen Moden geringer ist als bei Fasern mit einem stufenförmig abfallenden Brechungsindex. Um die durch das Brechzahlprofil verursachte Krümmung eines Lichtstrahls zu bestimmen, wird die Strahlengleichung (4) herangezogen. In der paraxialen Näherung ds   dz und unter Annahme einer zylindrisch symmetrischen Faser (ρ = (x2+y2)½, z) vereinfacht sich diese Gleichung erheblich[14]:

 

Für ein parabolisches Brechzahlprofil

 

mit der Brechzahldifferenz Δ = (n1 - n2)/n1 bei dem der Brechungsindex von einem Maximalwert n1 bei ρ = 0 auf n2 bei ρ = a abnimmt, ergibt sich eine Bewegungsgleichung, die der eines harmonischen Oszillators entspricht.

 

Daraus lässt sich direkt ableiten, dass der Lichtstrahl Pendelbewegungen mit dem maximalen Ausschlag ρ0 = a um die Achse z ausführt:

 

Hamilton's charakteristische Funktion

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William Rowan Hamilton verfolgt die Lichtstrahlen, die von einem Punkt P(x0,y0,z0) im Objektraum ausgehen. Dann konstruiert er die Fläche konstanten Lichtwegs[6]

 

Als Funktion vom Anfangspunkt P(x0,y0,z0) im Objektraum zum Endpunkt P1(x1,y1,z1) im Bildraum ist L Hamilton's charakteristische Funktion. Als Funktion der Koordinaten   (x1,y1,z1) des Endpunkts P1(x1,y1,z1) genügt sie der Gleichung[15]

  
 
 (5)
 

mit den Nabla-Operator  . Entsprechend der Bedeutung des Linienintegrals gilt für die Ableitung nach x0, y0, z0:

  
 
 (6)
 

Zusammengefasst lautet beide Gleichungen (5) und (6)

  
 
 (7)
 

Durch die Anwendung des Fermatschen Prinzips der extremalen Laufzeit, das Hamilton sein Prinzip der kleinsten Wirkung nannte, versuchte er, eine einzige Funktion zu finden, die jeden Weg durch ein optisches System charakterisiert. Da sie die Eingangsstrahlen den Ausgangsstrahlen zuordnete, war sie die allgemeinste Charakterisierung eines definierten optischen Systems. Die charakteristische Funktion definiert Flächen mit konstanter Wirkung, deren Normalenvektoren die Strahlen des optischen Systems sind.

Bruns-Eikonal

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Eine ähnliche Funktion, die jeden Weg durch ein optisches System charakterisiert, fand Bruns später unabhängig von Hamilton. Das Bruns-Eikonal oder Brunssche Eikonal ist eine Funktion, die nach dem Fermatschen Prinzip den kürzesten Weg zwischen zwei durch optische Medien getrennten Punkten beschreibt. Sie wurde vom deutschen Mathematiker Heinrich Bruns 1895 veröffentlicht und in der Strahlenoptik benutzt. Der Name Eikonal stammt von Bruns, das Verfahren war aber schon William Rowan Hamilton bekannt, der es charakteristische Funktion nannte (Hamilton-Jacobi-Gleichung) und in Optik und Mechanik anwandte.

Man erhält den Ansatz von Bruns aus dem von Hamilton durch folgende Transformation[16]. Auf einem Strahl wählt man zwei Punkte im Objektraum,   und   im Abstand  , und zwei Punkte   und   im Bildraum, im Abstand  ; und zwar so

 

Eingesetzt in Gleichung (7) mit   und   erhält man

  
 
 (8)
 

Wählt man   und   für die x-Koordinaten der Punkte   und  , so kann man statt   auch   und an Stelle von   auch   zur Bestimmung des Strahls einführen. Mit den Richtungskosinussen für   für   und   für   für die Einheitsstrahlvektoren erhält man aus (8): [15]

 

mit

  
 
 (9)
 

Fasst man also L als Funktion von   und   auf so gilt

 

wo E nach (9) als Funktion von   allein angesehen werden kann. Diese Funktion   hat Bruns Eikonal genannt. Sie ist an keine Differentialgleichung mehr gebunden; denn die Gleichung   angewandt auf Anfangs- und Endpunkt ist gleich bedeutend mit

 

was nach der obigen Gleichung keine Bedingung für der Bruns-Eikonal E darstellt.

Das Bruns-Eikonal wird bei akustischen Wellen und anderen Wellenphänomenen angewendet, z. B. in der Seismologie zur Berechnung der Ausbreitung seismischer Wellen.

Herleitung der Eikonal-Gleichung der Akustik

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Nachfolgend soll die Eikonalgleichung als Hochfrequenzapproximation der akustischen Wellengleichung hergeleitet werden. In der Quantenmechanik wird ein ähnliches Verfahren verwendet, die semiklassische WKB-Näherung.

Wir gehen also von der akustischen Wellengleichung mit dem Druck  , dem Ortsvektor  , der ortsabhängigen Ausbreitungsgeschwindigkeit   und konstanter Dichte aus

 

Gesucht ist ein zeitlich harmonischer Hochfrequenzansatz, für den eine frequenz- und zeitunabhängige Amplitude   und die Laufzeitfunktion   angenommen werden kann. Sie hat die Form

 

Zunächst berechnet man die Zeitableitungen der Wellengleichung:

 

Nun folgen die Ortsableitungen:

 

Wegen der vektoriellen Identität   gilt weiter:

 
 
 
 

Die beiden Ableitungen in die Wellengleichung eingesetzt ergeben nach Division durch  

 

Eine Division durch   führt dann zu

 

Da Real- und Imaginärteil der Gleichung unabhängig voneinander gleich null sein müssen, folgt:

 

Bei der Näherung geht man davon aus, dass die Amplitude   nur schwach ortsabhängig,   also beschränkt ist. Da gleichzeitig weder die Laufzeit   noch die Amplitude   frequenzabhängig sind, ist der zweite Term für sehr hohe Frequenzen klein gegenüber dem ersten Term und die Gleichung vereinfacht sich auf:

 

Die Lösung   der Eikonalgleichung ordnet jedem Punkt im Ortsraum die Laufzeit der Welle zu. Linien gleicher Laufzeit lassen sich entsprechend als Wellenfronten interpretieren.

Varianten der Eikonal-Gleichung

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Herleitung der Strahl-Gleichung

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Einzelnachweise

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  1. Ágoston Budó: Theoretische Mechanik. 4. Auflage. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1967, § 39, S. 207.
  2. a b Arnold Sommerfeld: Optik. 3. Auflage. Harri Deutsch, Thun und Frankfurt/Main 1978, ISBN 3-87144-377-8, S. 180.
  3. John David Jackson: Klassische Elektrodynamik. 5. Auflage. de Gruyter, Berlin 1981, ISBN 3-11-008074-5, S. 342.
  4. Herbert Goldstein: Klassische Mechanik -. 5. Auflage. Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden 1978, ISBN 3-400-00134-1, S. 345.
  5. Ágoston Budó: Theoretische Mechanik. 4. Auflage. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1967, § 22, S. 206.
  6. a b c A. Sommerfeld, J. Runge: Anwendung der Vektorrechnung auf die Grundlagen der geometrischen Optik. In: Annalen der Physik. Band 340, Nr. 7, Januar 1911, S. 277 - 298, doi:10.1002/andp.19113400705.
  7. Arnold Sommerfeld: Optik. 3. Auflage. Harri Deutsch, Thun und Frankfurt/Main 1978, ISBN 3-87144-377-8, S. 181.
  8. I.N. Bronstein, K. A. Semendjajew: Taschenbuch der Mathematik. 19. Auflage. Harri Deutsch, Thun und Frankfurt/Main 1980, ISBN 3-87144-492-8, S. 629.
  9. Rainer Müller: Klassische Mechanik - Vom Weitsprung zum Marsflug. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin / New York 2010, ISBN 978-3-11-025002-2, S. 61.
  10. Dieter Meschede: Optik, Licht und Laser. 3. Auflage. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8351-0143-2, S. 7.
  11. Rainer Müller: Klassische Mechanik - Vom Weitsprung zum Marsflug. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin / New York 2010, ISBN 978-3-11-025002-2, S. 415.
  12. Dieter Meschede: Optik, Licht und Laser. 3. Auflage. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8351-0143-2, S. 8.
  13. Fata Morgana. Abgerufen am 2. Januar 2025.
  14. Dieter Meschede: Optik, Licht und Laser. 3. Auflage. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8351-0143-2, S. 16.
  15. a b Max Born: Optik -. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 1972, ISBN 3-540-05954-7, S. 69.
  16. Felix Klein: Über das Brunssche Eikonal. In: Zeitschrift f. Mathematik u. Physik. Band 46, Nr. 7, Januar 1901, S. 601.

Kategorie:Geometrische Optik Kategorie:Partielle Differentialgleichung Kategorie:Klassische Mechanik