Tagebucheintrag eines Administrators: ein Jahr im Amt in der Funktion

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Ein typischer Fall von „Was, das ist schon ein Jahr her?“. Am 8. August 2016 um 20:44 Uhr war meine Kandidatur beendet und ich somit gewählter Administrator der deutschsprachigen Wikipedia, um 20:53 Uhr habe ich die berüchtigten „Knöpfe“ bekommen. Damit ist mir nun auch ein Anliegen, ein erstes Resümee zu ziehen. Als kleiner Disclaimer für Mitleser: Mein subjektiver Eindruck gewisser Umstände ist eben genau das, subjektiv. Nicht jeder wird damit etwas anfangen können. Das ist ok. ;-)

Einstieg

Ist man aus rein technischer Sicht nicht ganz unvorbelastet, fällt einem der Einstieg nicht all zu schwer. Das Handling der „Knöpfe“ ist im Regelfall recht einfach gehalten. Hier und da gibt es ein paar Feinheiten, die aber auf den Hilfeseiten gut erklärt werden. Das gilt zunächst mal für die technisch simpleren Dinge wie das Ent-/Sperren von Seiten und Benutzern oder das Löschen von durch die LD gefallenen Artikeln (eine Behaltensentscheidung erfordert keinen „Knopfeinsatz“). Bei etwas komplizierteren (verfahrens-)technischen Fragen hatte ich mich auch an andere Administratoren gewandt, die mir diese, ohne Ausnahme, schnell und gut erklärt haben. Die Hilfsbereitschaft unter den Admins gegenüber Neulingen ist hierzupedia aus meiner Sicht ohne Tadel. Dafür an dieser Stelle nochmal ein kleines Dankeschön.

Und dann?

Dann ging es erstmal ans Tageswerk. Zunächst hatte ich mich daran gemacht, mit offensichtlichen Fällen bei den Schnelllöschkandidaten und auf VM zu trainieren. Also hauptsächlich IP-Vandalismus. Hier kann man meines Erachtens kaum etwas falsch machen, aufgrund der Klarheit der Fälle sind hier auch viele Admins tätig. Dass man so manchen davon nicht auf anderen Funktionsseiten sieht, wurde ja schon mehrfach thematisiert. Nach und nach habe ich mich dann an Löschdiskussionen gewagt und nicht gerade wenige in den letzten 365 Tagen abgearbeitet. Der Ton ist rau dort. Und leider mache ich sehr oft die Erfahrung, dass gute und sinnvolle Sachargumente immer wieder mit unnötigen ad-personam-Sticheleien einhergehen (Dass manche Wortmeldung gar keine Sachargumente enthält, ist weder Mythos, noch Seltenheit). Das erschwert die Abarbeitung ungemein, weil man bei schwierigeren Fällen einfach mehr Zeit investieren muss. Ein sachlicherer Ton würde nicht wenigen Diskutanten gut zu Gesicht stehen. Aber stellen wir diese Gebetsmühle mal bei Seite. Meinem Gefühl nach halten sich meine Entscheidungen in die eine und die andere Richtung die Waage. Manch eine Entscheidung kann gar nicht „richtig“ sein, da es sich um einen Grenzfall handelt. Öffnet man mit einem Behalten hier Tür und Tor für vergleichbare Artikel, wie oft befürchtet wird? Oder verteidigt man die Qualität von Wikipedia, wenn man diesen irrelevanten Kram bitte endlich löscht? Das ist oft genug nicht so einfach zu beantworten. Dennoch: die RK sind und bleiben Einschluss-, keine Ausschlusskriterien. Ist eines gegeben, ist der Fall simpel und schnell abgeschlossen. Den Ermessensspielraum im gegenteiligen Fall sinnvoll zu nutzen, sofern eine Relevanz trotzdem in der Luft liegt, bleibt auch weiterhin eine Herausforderung. Ansonsten sind meine Erfahrungen mit der LD etwas ernüchternd. Viele Diskussionen bleiben lange liegen, nur wenige Kollegen trauen sich (auch regelmäßig) an die Knacknüsse ran. Gleichzeitig gibt es viele Kollegen, die bei ihren Entscheidungen selbst bei LDs, die etwas länger geraten sind, mit weniger als fünf Worten auskommen. Man kann einerseits froh und dankbar sein, dass Sie ihre Zeit für die Entscheidung der LD investiert haben, das mein ich ganz aufrichtig, immerhin gibt es genug Kollegen, die sich aus diesem teils schwierigen Feld raushalten. Andererseits würde eine wenigstens etwas ausführlichere Begründung die Nachvollziehbarkeit etwas erhöhen. Ich meine damit kein Schwafeln, es sollte schon auf den Punkt sein. Denn letztlich ist das, was hier als Entscheidung formuliert wird auch das, was bei einer eventuellen Löschprüfung Ausgangsbasis der Prüfung ist. Ausgenommen sind hierbei nochmals explizit sehr eindeutige Fälle. Bei der Würstchenbude um die Ecke ohne jegliche besondere Merkmale reicht auch weiterhin ein kurzes, präzises „keine Relevanz“. Aber vielleicht nimmt es ja trotzdem der ein oder andere als kleine Anregung mit... ;-)

Sehr aktiv war ich parallel bei den Benutzeransprachen. Das Vorgehen ist soweit (fast) klar definiert. Wer sich nicht innerhalb einer bestimmten Frist verifizieren lässt, wird gesperrt. Wie lange diese Frist andauert, ist letztlich davon abhängig, wann ein Admin die Listen abarbeitet. Sisyphus lässt hier grüßen. Eine recht undankbare Aufgabe, zumal in der Kritik stehend seitens OS. Hier kann ich beide Seiten verstehen. Die Regelung ist nicht in allen Situationen sinnvoll und das gilt es beim Abarbeiten dann auch abzuwägen. Die hier aktiven Admins kann man leider an einer Hand abzählen, ein Besuch im Sägewerk würde die korrekte Zählung nicht ernsthaft gefährden. Ins Blaue geraten würde ich sagen, dass die meisten diese Listen schlicht nicht auf dem Schirm haben, da es nicht zu den „klassischen“ Aufgabengebieten gehört.

Zu guter Letzt habe ich im Laufe der Zeit genug Selbstvertrauen gesammelt, auch VMs zu bearbeiten, die keinen IP-Vandalismus behandeln. Also ganz ehrlich: Uff! Mir war schon klar, worauf ich mich einlasse, aber ohne Lernkurve gehts hier nicht, wie auch sonst im Leben. Wer erstmals etwas tut, wird was falsch machen. Und ich habe die ein oder andere VM falsch abgearbeitet, wenn ich es aus heutiger Sicht betrachte. Sei es die Richtung der Entscheidung oder auch die Art und Weise der Sanktion. Was sinnvoll ist, was „funktioniert“, also den erwünschten Effekt hat, dafür muss man zunächst ein Gespür entwickeln. Ich behaupte, niemand kann dieses Gespür von Anfang an in einer Weise haben, die einen vor harten Diskussionen im Nachgang auf der Benutzerdisk oder der ein oder anderen Wiederwahl-Stimme schützt. Wobei das, je nach Meldung, Melder, Gemeldetem oder Zaungast eher Wunschdenken ist. Im VM-Feld ist die Stimmung dafür zu unausgeglichen. Es gibt Benutzer, selbst unter direkt Betroffenen, die Fehler durch den abarbeitenden (neuen) Admin sachlich ansprechen und mit ihm diskutieren können. Nicht selten erzeugt das zum Ende hin auf beiden Seiten ein zufriedenstellendes Ergebnis. Das geht natürlich nur, wenn man sachlich diskutieren kann - und will. Was für Neu-Admins auf VM gewöhnungsbedürftig ist, sind weniger die direkten Kommentare auf VM oder der Disk, sondern die ad-personam-Spitzen auf der Wiederwahlseite. Mein Charakter ist gefestigt genug, solche Kommentare einordnen und bewerten zu können. Schön sind sie trotzdem nicht. Ich bekam den Rat, „meine“ AWW-Diskseite von der Beobachtungsliste zu nehmen, das fände ich aber nicht ok. Ich bekomme hier Feedback, das ich mir anschauen sollte. Ob ich damit auch wirklich was anfangen kann, kommt auf den Einzelfall an. Überraschend finde ich , dass die WW-Seiten bzw. die Disks vom Ton her schlimmer als VM oder LD sind, allerdings administrativ hier aber nur in Ausnahmefällen moderiert wird. Es mag in der Natur der Sache liegen, dass die Community hier besonders sensibel auf administrative Eingriffe reagiert, das ist grundsätzlich auch gut so. Andererseits geht es vorrangig um Stimmabgaben und niemand käme auf die Idee, Stimmen zu entfernen (außer vielleicht bei gesperrten Socken). Nicht jeder Kommentar ist unbedingt mit KPA vereinbar. Diesen Grundsatz auch auf solchen Seiten durchzusetzen, sollte eigentlich normal sein. Ich bin überzeugt, dass manch erfahrener Benutzer kein Adminamt übernimmt, weil er genau weiß, dass er, egal, wie und was er letztlich entscheidet, mit solchen Dingen konfrontiert wird. Nicht jeder kommt damit gut klar bzw. ist bereit, für sowas seine freie Zeit zu opfern.

Der eigene Maßstab

In meiner Kandidatur habe ich mir das ein oder andere vorgenommen. Schauen wir mal: den Punkt Wieso sollte ich - hoffentlich :-) - ausgefüllt haben. Interessanter wird es aber beim Ausblick. Ich wollte keine eierlegende Wollmilchsau sein. Aktiv bin ich nunmehr in LD, VM, SL und BA, teils auch in LP und die AA/AN lese ich immer wieder mit. Hier bin ich aber erst nach und nach überall tiefer reingerutscht und zumindest meinem Empfinden nach ist man nach einem Jahr bei ausreichend zur Verfügung stehender Zeit kundig genug, dort mitzuarbeiten, ohne überfordert zu sein. Honeypots hatte ich in der Anfangszeit streng gemieden und das kann ich nur jedem Neuling wärmstens empfehlen (Stichwort „Gespür“ in Kombination mit dem Stichwortpaar „Wiederwahlseite“ und „Frust“). Es gibt Situationen, die man erfahrenen Kollegen überlassen sollte, ehe man selbst etwas Erfahrung gesammelt hat (als aktiver Admin, nicht als Leser!). Und das wäre eine. Meine Ausführlichkeit der Entscheidungen müssen andere bewerten, ich für meinen Teil achte jedenfalls darauf, die oben von mir kritisierten Fünf-Worte-Begründungen zu vermeiden. Das geling nicht in allen Fällen, aber ich hoffe doch in 9,5 von 10.

Fazit (tl;dr)

Das Amt kann, wenn mal gewillt ist, fernab des reinen IP-Vandalismus zu agieren, schwierig und anstrengend sein. Man macht, gerade zu Beginn, eben auch Fehler. Man ist, auch deswegen, teils pauschalen Anfeindungen ausgesetzt, von deren Existenz man aber schon vorher wusste, was es bedingt erträglicher macht. Das kann demotivieren. Das kann frustrieren. Man lernt, dass man seinen Einsatz hier richtig dosieren muss, da einem sonst die Hutschnur hochgeht. Wenn man das aber schafft, dann macht es beinahe sogar Spaß... ;-) Selbst nach einem Jahr noch. Eigentlich ein gutes Zeichen. - Squasher (Diskussion) 20:44, 8. Aug. 2017 (CEST)