In der Mathematik sind symmetrische Räume eine Klasse von Riemannschen Mannigfaltigkeiten mit einem besonders hohen Grad an Symmetrien.
Sie sind eine wichtige Klasse von Beispielen in Geometrie und Topologie und finden Anwendung unter anderem in Darstellungstheorie, harmonischer Analysis, Zahlentheorie, Modulformen und Physik.
Definition
BearbeitenEine zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit ist ein symmetrischer Raum, wenn es zu jedem eine Spiegelung an gibt, d. h. eine Isometrie
mit
- ,
für deren Differential in
gilt, also für alle .
Beispiele
Bearbeiten- Der euklidische ist ein symmetrischer Raum, zu jedem definiert man die Spiegelung durch
- .
- Die Einheitssphäre ist ein symmetrischer Raum. Zu ist der eindeutig bestimmte Punkt auf dem Großkreis durch und , für den sowie (falls und keine antipodalen Punkte sind) gilt.
- Mit einer bi-invarianten Metrik versehene Lie-Gruppen sind symmetrische Räume. Die Spiegelung wird definiert durch
- .
Geodätische Symmetrie
BearbeitenSei eine Geodäte mit . Aus folgt für alle .
Umgekehrt kann man in jeder Riemannschen Mannigfaltigkeit lokal (in einer hinreichend kleinen Umgebung eines Punktes ) eine geodätische Spiegelung durch definieren. Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit heißt lokal symmetrisch, wenn auf seinem Definitionsbereich eine Isometrie ist. Sie ist ein symmetrischer Raum, falls eine Isometrie ist und sich auf ganz definieren lässt.
Homogener Raum
BearbeitenJeder symmetrische Raum ist ein homogener Raum, d. h. von der Form für eine zusammenhängende Lie-Gruppe und eine kompakte Untergruppe , so dass die Riemannsche Metrik unter der Links-Wirkung von invariant ist. Cartan charakterisiert symmetrische Räume wie folgt: Sei eine zusammenhängende Liegruppe, eine kompakte Untergruppe und ein Liegruppenhomomorphismus mit sowie . (Hier bezeichnet die Fixpunkte von und die Zusammenhangskomponente des neutralen Elements. heißt Cartan-Involution.) Dann trägt eine -invariante Riemannsche Metrik und ist ein symmetrischer Raum.
Cartan-Zerlegung
BearbeitenSei ein symmetrischer Raum und die Cartan-Involution. Seien die Lie-Algebren von .
Sei . Wegen sind die einzigen Eigenwerte, ist der Eigenraum zum Eigenwert . Wir bezeichnen mit den Eigenraum zum Eigenwert , er entspricht dem Tangentialraum an in . Dann ist und
- , , .
Die mit Hilfe der Killing-Form definierte Form
ist positiv semidefinit.
Umgekehrt gibt es zu einer Zerlegung mit diesen Eigenschaften immer eine Involution auf , die auf und auf ist. Sei die einfach zusammenhängende Lie-Gruppe mit Lie-Algebra , dann gibt es zu eine Involution mit und damit einen symmetrischen Raum .
Beispiel
Bearbeitenmit ist eine Cartan-Zerlegung.
Typen symmetrischer Räume
BearbeitenDefinitionen
BearbeitenEin symmetrischer Raum ist von kompaktem Typ, wenn die Killing-Form auf negativ semidefinit ist.
Ein symmetrischer Raum ist von euklidischem Typ, wenn abelsch ist.
Ein symmetrischer Raum ist von nichtkompaktem Typ, wenn die Killing-Form auf nicht-ausgeartet, aber nicht negativ semidefinit und eine Cartan-Zerlegung ist. (In diesem Fall ist halbeinfach und eine maximal kompakte Untergruppe.)
Beispiele
Bearbeiten- Die Sphäre ist ein symmetrischer Raum von kompaktem Typ.
- Der euklidische Raum ist ein symmetrischer Raum von euklidischem Typ, ebenso der n-dimensionale Torus.
- Der hyperbolische Raum ist ein symmetrischer Raum von nichtkompaktem Typ. und sind symmetrische Räume von nichtkompaktem Typ.
Produkt-Zerlegung
BearbeitenEin symmetrischer Raum heißt irreduzibel, wenn er sich nicht als Produkt zweier nichttrivialer symmetrischer Räume zerlegen lässt, reduzibel sonst. Jeder symmetrische Raum lässt sich als Produkt irreduzibler symmetrischer Räume von kompaktem, euklidischem und nichtkompaktem Typ zerlegen.
Schnittkrümmung
BearbeitenSymmetrische Räume von kompaktem Typ haben Schnittkrümmung , symmetrische Räume von euklidischem Typ haben Schnittkrümmung , symmetrische Räume von nichtkompaktem Typ haben Schnittkrümmung .
Symmetrische Räume von nichtkompaktem Typ sind CAT(0)-Räume und zusammenziehbar.
Dualität
BearbeitenDer symmetrische Raum mit ist von kompaktem Typ genau dann, wenn der symmetrische Raum mit von nichtkompaktem Typ ist. Man bezeichnet diese beiden symmetrischen Räume als dual zueinander. Zu einem gegebenen symmetrischen Raum von nichtkompaktem Typ wird das kompakte Dual mit bezeichnet.
Beispiele:
- Der hyperbolische Raum ist dual zur Sphäre.
- ist dual zu .
Rang
BearbeitenDer Rang eines symmetrischen Raumes ist definiert als
- ,
d. h. die Dimension eines maximalen Unterraumes, auf dem die Schnittkrümmung verschwindet.
Beispiel: .
Symmetrische Räume vom Rang 1
BearbeitenDie einzigen nichtkompakten symmetrischen Räume mit sind
- ,
- die reell-hyperbolischen Räume ,
- die komplex-hyperbolischen Räume ,
- die quaternionisch-hyperbolischen Räume und
- die Cayley-hyperbolische Ebene .
Die einzigen kompakten symmetrischen Räume vom Rang 1 sind die
- Sphären,
- die reellen projektiven Räume,
- die komplexen projektiven Räume,
- die quaternionischen projektiven Räume und
- die Cayley-projektive Ebene.
Klassifikation
BearbeitenEs gibt eine vollständige Klassifikation symmetrischer Räume. Im Fall kompakter symmetrischer Räume ergibt sich folgende Tabelle (für die irreduziblen Faktoren, in die sich jeder symmetrische Raum zerlegen lässt):
Label | Dimension | Rang | ||
---|---|---|---|---|
AI | ||||
AII | ||||
AIII | ||||
BDI | ||||
DIII | ||||
CI | ||||
CII | ||||
EI | 42 | 6 | ||
EII | 40 | 4 | ||
EIII | 32 | 2 | ||
EIV | 26 | 2 | ||
EV | 70 | 7 | ||
EVI | 64 | 4 | ||
EVII | 54 | 3 | ||
EVIII | 128 | 8 | ||
EIX | 112 | 4 | ||
FI | 28 | 4 | ||
FII | 16 | 1 | ||
G | 8 | 2 |
Die Klassifikation (irreduzibler) symmetrischer Räume von nichtkompaktem Typ ergibt sich aus der Klassifikation kompakter symmetrischer Räume mit dem Dualitätsprinzip.
Literatur
Bearbeiten- Helgason, Sigurdur: Differential geometry, Lie groups, and symmetric spaces. Corrected reprint of the 1978 original. Graduate Studies in Mathematics, 34. American Mathematical Society, Providence, RI, 2001. ISBN 0-8218-2848-7
- Köhler, Kai: Differentialgeometrie und homogene Räume. Springer Spektrum, 2014. ISBN 978-3-8348-8313-1
- Arvanitoyeorgos, Andreas: An introduction to Lie groups and the geometry of homogeneous spaces. Translated from the 1999 Greek original and revised by the author. Student Mathematical Library, 22. American Mathematical Society, Providence, RI, 2003. ISBN 0-8218-2778-2
- Cheeger, Jeff; Ebin, David G.: Comparison theorems in Riemannian geometry. Revised reprint of the 1975 original. AMS Chelsea Publishing, Providence, RI, 2008. ISBN 978-0-8218-4417-5
- Helgason, Sigurdur: Geometric analysis on symmetric spaces. Second edition. Mathematical Surveys and Monographs, 39. American Mathematical Society, Providence, RI, 2008. ISBN 978-0-8218-4530-1
- Helgason, Sigurdur: Topics in harmonic analysis on homogeneous spaces. Progress in Mathematics, 13. Birkhäuser, Boston, Mass., 1981. ISBN 3-7643-3051-1
Weblinks
Bearbeiten- Symmetrische Räume (PDF; 466 kB)
- Homogene Räume (PDF; 519 kB), Abschnitt 4
- Lecture Notes on Symmetric Spaces (englisch)
- Symmetric spaces (englisch)
- Groupes et géométries (französisch), Abschnitt 4
- Differential Geometry and Symmetric Spaces (englisch)
- Lie groups, representation theory and symmetric spaces (englisch)