Clarens VD

Stadtteil von Montreux, Kanton Vaud

Clarens ist ein Quartier der Stadt Montreux in der Romandie, dem französischsprachigen Teil der Schweiz. Es liegt auf dem Schwemmkegel des Bachs Baye de Clarens.

Clarens
Wappen von Clarens
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Waadt Waadt (VD)
Bezirk: Riviera-Pays-d’Enhautw
Gemeinde: Montreuxi2w1
Postleitzahl: 1820
UN/LOCODE: CH MNT
Koordinaten: 558287 / 143361Koordinaten: 46° 26′ 25″ N, 6° 53′ 45″ O; CH1903: 558287 / 143361
Höhe: 380 m ü. M.
Website: www.montreux.ch
Karte
Karte von Clarens
Karte von Clarens
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Clarens in der Literatur und Geschichte

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Clarens, am Fuss des 1442 für Jean de Gingins, den Seigneur de Montreux, errichteten Château du Châtelard,[1] wurde durch Jean-Jacques Rousseaus Briefroman Julie oder Die neue Heloise (1761) berühmt, der in Clarens spielt, während sich Lord Byrons literarisches Augenmerk auf das nahe Schloss Chillon richtete. So entwickelte es sich zum bevorzugten Alterssitz wohlhabender Eliten, darunter Kolonialrückkehrer, hauptsächlich Briten, sowie Russen, allen voran Lew Tolstoi,[1] der sich 1857 während zwei Monaten in dem kleinen Winzerdorf aufhielt und seine Eindrücke in einem Tagebuch notierte.

 
Kolorierte Postkarte der Ile de Clarens et la Dent du Midi, 1890

Der englische Richter und Tourist Sir Thomas Noon Talfourd[2] meinte jedoch 1844 in Vacation Rambles and Thoughts, Clarens ähnle keineswegs einem Geburtsort der Liebe, es sei nämlich ein langgezogenes, fades Ziegeldorf an der Kante eines spärlich bewaldeten Hügels, der steil genug sei für Überdruss, aber nicht steil genug für die Liebe. Um dem abzuhelfen, liess ein wohlhabender Privatmann Ende des 19. Jahrhunderts am Ufer die an ein romantisches Arkadien angelehnte künstliche Insel Ile de Salagnon[1] aufschütten.

Ab 1823 fuhren Dampfschiffe auf dem See.[3] 1861 ging der Bahnhof in Betrieb. Ab 1888 fuhr die elektrische Tramlinie Vevey-Villeneuve.[4] Seit 1880 bewarben die Hoteliers in ihren Inseraten Clarens-Montreux als Riviera[4] nach Art von Nizza. 1914 gab es 27[5] Hotels und Pensionen an diesen Halt auf der Simplonlinie.

 
Luftbild (1964)

Der Financier Emmanuel-Vincent Dubochet[5] konnte sich 1864 den Bau des Schlosses Les Crêtes leisten, für das Eugène Laval aus Architekt zeichnete. Nur wenig bescheidener waren die 21 von Louis Henri Maillard[5] entworfenen Dubochet-Villen, die 1874–1876 entstanden. In einer dieser Residenzen wohnte bis zu seinem Tod Paul Kruger (1825–1904), der exilierte Präsident des Afrikaaner-Staats der Südafrikanischen Republik. Zur Erinnerung wurde eine Stadt in Südafrika Clarens genannt. 1892[4] eröffnete eine Filiale der Reiseagentur Thomas Cook.

Nicht nur Imperialisten fühlten sich von den Gestaden des Lac Léman angezogen, sondern auch Personen mit linken Überzeugungen, war doch etwa der Anarchist und Geograph Élisée Reclus[5] von 1879 bis 1890 in Clarens heimisch und Rosa Luxemburg[6] wählte für Streifzüge durch Wiesen und Weinberge die Pension Mary im Weiler Chailly-sur-Clarens.

Pjotr Iljitsch Tschaikowski komponierte 1877 in Clarens Teile seiner Oper Eugen Onegin[1] und sein Berufskollege Igor Strawinski schrieb hier die Ballette Le sacre du printemps (1913) und Pulcinella (1919). In Clarens wohnte auch, wer auf Angehörige im nahen Luftkurort Leysin wartete, oder wer den Kampf gegen die Tuberkulose aufgegeben hatte.

Unweit von Clarens, in La Tour-de-Peilz, entstand ein jüdischer Friedhof. In Clarens ist der französische Ökonom Léon Walras[7] beerdigt, der Tagebuchschreiber Henri-Frédéric Amiel,[8] oder der Historiker Paul Darmstädter.[9] Mit Blick auf die Dents du Midi lebte Eric Ambler mit seiner zweiten Ehefrau Joan Harrison von 1969 bis 1985 am Chemin de l‘Ile de Salagnon 1 am Port du Basset. Er schrieb in Clarens fünf von zwölf Romanen der zweiten Periode. Auch Sydney Chaplin, britischer Filmschauspieler und Halbbruder Charlie Chaplins, fand auf dem Friedhof von Clarens seine letzte Ruhe. Oskar Kokoschka, der am 22. Februar 1980 in Montreux starb, ist unweit davon begraben (seine Mutter und sein jüngerer Bruder Bohuslav Kokoschka, mit dem Oskar zeitlebens ein sehr enges Verhältnis hatte, liegen in einer Gruft in Hollenstein an der Ybbs). Wladimir Nabokow, der mit seiner Frau viele Jahre im Hotel Montreux Palace in Montreux gewohnt hatte und dort starb, ist ebenfalls auf dem Friedhof begraben.

Verkehr und Infrastruktur

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Clarens liegt am Genfersee und wird von den Schiffen der Compagnie Générale de Navigation sur le Lac Léman[10] (CGN) angefahren.

Durch Clarens verkehrt auch die Trolleybuslinie 201 Vevey–Montreux–Cillon–Villeneuve des gleichnamigen Transportunternehmens des öffentlichen Verkehrs. Zudem besitzt Clarens eine Haltestelle an der Bahnstrecke der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) von Lausanne nach Brig (Simplonlinie), welche von zwei Linien des Léman Express bedient wird.

Von 1911 bis 1956 verkehrte zudem von Clarens über Chailly und Fontanivent die Clarens-Chailly-Blonay-Bahn (CCB) nach Blonay. Heute befährt die vom Transportunternehmen Vevey–Montreux–Chillon–Villeneuve (VMCV) betriebene Autobuslinie 214 dieselbe Strecke.

In Clarens ist eine Niederlassung der internationalen Privatschule St. George’s School angesiedelt.

Sehenswürdigkeiten

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Commons: Clarens VD – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c d Federica de Cesco mit Fotografien von Kazuyuki Kitamura: Der Genfersee. Silva Verlag, Zürich 1989, S. 93.
  2. Peter Yapp: The Travellers Dictionary of Quotation – Who Said What, About Where? Hrsg.: P. Yapp. 2. Auflage. Routledge (Routledge, Chapman and Hall), London/New York 1988, ISBN 0-415-90119-7, S. 798.
  3. Dominique Dirlewanger: Tell Me : La Suisse racontée autrement (= Collection Livreo Essais / Histoire. Nr. 8). Éditions Livreo-Alphil, Neuchâtel 2019, ISBN 978-2-88950-028-4, S. 152.
  4. a b c Georges Andrey: La Suisse Romande: Une histoire à nulle autre pareille! Éditions du Belvédère, Pontarlier 2012, ISBN 978-2-88419-227-9, S. 231.
  5. a b c d Evelyne Lüthi-Graf: Clarens. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 13. Januar 2020, abgerufen am 26. Dezember 2023.
  6. Max Gallo: Rosa Luxemburg: „Ich fürchte mich vor gar nichts mehr“. In: Rebellische Frauen. Nr. 26518. Econ & List Taschenbuch Verlag, Düsseldorf und München 1998, ISBN 3-612-26518-0, S. 305 (übersetzt von Rainer Pfleiderer und Birgit Kaiser; Originalausgabe: Une Femme Rebelle. Vie et mort de Rosa Luxemburg, Presses de la Renaissance, Paris 1992).
  7. Léon Walras in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 26. Oktober 2019.
  8. Henri-Frédéric Amiel in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 27. Dezember 2023.
  9. Dr Paul Darmstaedter in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 27. Dezember 2023.
  10. ge.ch, französischsprachiger Handelsregister des Kanton Genf, Schreibweise Compagnie Générale de Navigation sur le Lac Léman beim Eintrag von Michel Jeannet (Schiffsrestauration) Abgerufen am 29. November 2016
  11. Gilles Barbey, Hans Maurer, Jacques Gubler: Les Villas Dubochet à Clarens, ensemble résidentiel de la Riviéra lémanique. (Schweizerische Kunstführer, Nr. 288). Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 1981, ISBN 3-85782-288-0.
  12. Julie Enckell Julliard: Lavaux in der Kunst: Malerei im 20. Jahrhundert. In: Bernard Bovy (Hrsg.): Lavaux: Weinberg-Terrassen. Éditions Favre/AILU Association pour l’inscription de Lavaux au patrimoine mondial de l’UNESCO, Lausanne 2012, ISBN 978-2-8289-1276-5, S. 56–61, hier S. 59.
  13. Markus Schweizer: La Villa Karma. In: Notre Histoire. FONSART (Fondation pour la sauvegarde et la mise en valeur du patrimoine audiovisuel de la Radio Télévision Suisse), 16. August 2022;.