Depression-Versorgungsleitlinie

deutsche Disease Management-Leitlinie Unipolare Depression

Die Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression (kurz NVL Unipolare Depression auch Depression-Versorgungsleitlinie) ist eine Medizinische Leitlinie über die Behandlung von Menschen mit Unipolarer Depression, die im Rahmen des deutschen Programms für Nationale Versorgungsleitlinien erstmals im Dezember 2009 veröffentlicht und im September 2022 in der dritten Version publiziert wurde. Die Leitlinie ist gültig bis zum 28. September 2027.[1][2][3][4]

Hintergrund

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Im Rahmen des Programms für Nationale VersorgungsLeitlinien (NVL) von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) haben die zuständigen Fachgesellschaften und Organisationen inhaltliche Eckpunkte für die 3. Version der NVL Unipolare Depression konsentiert. Die Beteiligung von Patienten und Patientinnen wurde durch die Kooperation mit mehreren Patientenorganisationen gewährleistet.

Zielsetzung

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Nationale Versorgungsleitlinien sollen die Versorgung von Patienten und Patientinnen in Deutschland verbessern durch aktuelle wissenschaftlich begründete Empfehlungen zu Diagnostik, Behandlung, Rehabilitation und Teilhabe sowie zu einem strukturierten und optimierten Management der Erkrankung beitragen. Dazu gehört insbesondere auch eine verbesserte Kommunikation zwischen den Behandelnden über alle Sektoren- und Fächergrenzen hinaus sowie der Einbezug der Patientinnen und Patienten in alle Behandlungsentscheidungen.

Neben diesen allgemeinen Zielen erhoffen sich die Autorinnen und Autoren sowie die herausgebenden Organisationen von der Nationalen VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression unter anderem:

  • Eine Verbesserung der Diagnostik zur Vermeidung von Über- und Unterdiagnostik. Dies beinhaltet die Schärfung der Schweregrad-Einstufung, die Erfassung subjektiver Symptome und die Berücksichtigung des biopsycho-sozialen Modells gemäß der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF).
  • Die Stärkung der Kommunikation zwischen Behandelnden und Patientinnen/Patienten mit dem Ziel, die gemeinsame Entscheidungsfindung sowie die Adhärenz zu gemeinsam vereinbarten Therapiezielen zu fördern.
  • Eine stärkere Berücksichtigung niedrigintensiver Interventionen inklusive technologiebasierter Anwendungen.
  • Eine individuellere medikamentöse Therapie mit spezifischen Empfehlungen zum Absetzen.
  • Eine verstärkte Berücksichtigung von psychischer und somatischer Komorbidität.
  • Eine verbesserte Suizid-Prävention.
  • Die Aufnahme ICF-orientierter Empfehlungen zu Rehabilitation und Teilhabe mit besonderer Berücksichtigung des Zusammenhanges zwischen Arbeit und psychischer Gesundheit.
  • Eine verbesserte Kenntnis von verfügbaren Leistungen, deren Anbietern und den Zugangswegen, ein verbessertes Management von Schnittstellen zwischen den Sektoren und eine verbesserte Koordination und Kommunikation der beteiligten Berufsgruppen.

Die medizinischen Inhalte der Leitlinie finden sich in folgenden Kapiteln:

  1. Grundlagen: Definition, Klassifikation, Epidemiologie, Ätiopathogenese, Risikofaktoren, Verlaufsformen, prognostische Faktoren
  2. Diagnostik und Monitoring
  3. Therapieplanung
  4. Therapieoptionen und Therapieprinzipien
  5. Behandlung bei akuter depressiver Episode
  6. Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe
  7. Maßnahmen bei Nichtansprechen und Therapieresistenz
  8. Behandlung chronischer Formen
  9. Psychosoziale Therapien und unterstützende Maßnahmen
  10. Spezielle klinische Situationen
  11. Komorbidität
  12. Management bei Suizidalität und anderen Notfallsituationen
  13. Medizinische Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe
  14. Versorgungskoordination
  15. Forschungsbedarf

Ausgewählte Empfehlungen der Leitlinie

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Die nachstehende Übersicht enthält solche Empfehlungen der Leitlinie, die auch für die Öffentlichkeit von Interesse sein könnten. Die Originaltexte der Leitlinien sind kursiv gesetzt (Quelle: NVL Depression 2022 Langfassung, publiziert im AWMF-Leitlinienregister[5])

Kapitel 2. Diagnostik und Monitoring

Kapitel 2.1. Diagnostischer Algorithmus

Empfehlung 2-1: Die Diagnostik der unipolaren Depression soll gemäß Algorithmus (Abbildung 2) erfolgen. Abbildung 2: "Diagnostischer Prozess depressiver Störungen" auf Seite 8 der Kurzfassung der Leitlinie.

Kapitel 2.2. Erkennen depressiver Störungen

Empfehlung 2-2: In der Versorgung von Patient*innen, die einer Risikogruppe angehören (Tabelle 6), sollen bei Kontakten in der Hausarztversorgung und in Allgemeinkrankenhäusern Maßnahmen zur Früherkennung depressiver Störungen angeboten werden. Tabelle 6 : "Wichtige Risikofaktoren für eine depressive Störung" nachstehend.

Tabelle: Wichtige Risikofaktoren für eine depressive Störung
  • frühere depressive Episoden
  • bipolare oder depressive Störungen in der Familiengeschichte
  • Suizidversuche in der eigenen Vor- oder der Familiengeschichte
  • somatische und psychische Erkrankungen
  • Substanzmissbrauch bzw. Substanzabhängigkeit
  • aktuell belastende Lebensereignisse
  • Mangel an sozialer Unterstützung

Empfehlung 2-3: Wenn Beschwerden oder Merkmale vorliegen, die auf eine depressive Störung hinweisen (Tabelle 7), soll das Vorliegen einer depressiven Störung bzw. das Vorhandensein weiterer Symptome einer depressiven Störung aktiv exploriert werden. Tabelle 7 : "Beschwerden und Merkmale, die auf eine depressive Störung hinweisen" nachstehend.

Tabelle: Beschwerden und Merkmale, die auf eine depressive Störung hinweisen
Patientenberichtete Beschwerden
  • allgemeine körperliche Abgeschlagenheit, Mattigkeit, Kraftlosigkeit
  • Schlafstörungen (Ein- und Durchschlafstörungen, Früherwachen)
  • Appetitstörungen, Magendruck, Gewichtsverlust, Obstipation, Diarrhöe
  • diffuser Kopfschmerz
  • Druckgefühl in Hals und Brust, Globusgefühl
  • funktionelle Störungen von Herz und Kreislauf (z. B. Tachykardie, Arrhythmie, Synkopen), Atmung (z. B. Dyspnoe), Magen und Darm
  • Schwindelgefühle, Flimmern vor den Augen, Sehstörungen
  • Muskelverspannungen, diffuse Nervenschmerzen (neuralgiforme Schmerzen)
  • Libidoverlust, Sistieren der Menstruation, sexuelle Funktionsstörungen
  • Gedächtnisstörungen
Merkmale des äußeren Erscheinungsbildes und des interaktionellen Verhaltens
  • Vernachlässigung von Körperpflege und Kleidung
  • veränderte Gestik, Mimik und Physiognomie
  • verändertes Sprechverhalten (Klang, Tempo, Modulation)
  • Beeinträchtigung des sprachlichen Ausdrucks und des Sprachverständnisses
  • psychomotorische Verlangsamung

Kapitel 2.3. Diagnosestellung

Empfehlung 2-4: Bei Hinweisen auf depressive Symptome oder auffälligen Testwerten soll die Diagnose einer behandlungsrelevanten depressiven Störung durch die anschließende direkte und vollständige Erfassung der Haupt- und Zusatzsymptome (Schweregrad) sowie Fragen zu Verlauf und Dauer gestellt werden.

Kapitel 2.4.4. Organische affektive Störungen

Empfehlung 2-5: Bei Verdacht auf eine der Depression zugrundeliegende somatische Erkrankung (Tabelle 13) soll eine weiterführende Diagnostik gemeinsam mit den Patient*innen abgewogen werden, insbesondere bei sehr aufwändigen und/oder belastenden Verfahren. Dabei soll berücksichtigt werden, ob sich aus der Diagnostik therapeutische Konsequenzen ergeben können. Tabelle 13 : "Anhaltspunkte („Red Flags“) für das Vorliegen einer organischen affektiven Störung" nachstehend.

Tabelle: Anhaltspunkte („Red Flags“) für das Vorliegen einer organischen affektiven Störung
Neue schwere depressive Symptomatik und
  • jegliche neue neurologische Fokalsymptomatik, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Entwicklung depressiver Symptome steht (z. B. Paresen, Bewegungsstörungen, Sensibilitätsstörungen etc.)
  • ausgeprägte kognitive Einschränkungen
  • psychotische Symptomatik
  • fehlende Hinweise auf psychosoziale Stressfaktoren und/oder Umstände der Patient*innen (z. B. ausprägt positive Familienanamnese)
  • bekannte schwere chronische oder akute somatische Komorbidität
  • auffällige andere klinische Veränderungen in zeitlichem Zusammenhang mit der Entwicklung depressiver Symptome (z. B.ausgeprägter Gewichtsverlust oder -zunahme; Fieber etc.)

Kapitel 2.5. Erfassung von Komorbidität und Medikamentenanamnese

Empfehlung 2-6: Nach der Erhebung der gegenwärtigen depressiven Symptomatik soll eine ausführliche Anamnese und Befunderhebung bezüglich weiterer psychischer und/oder somatischer Erkrankungen erfolgen.

Empfehlung 2-7: Die Einnahme von Medikamenten und die Exposition gegenüber Noxen, die mit depressiven Symptomen einhergehen können, soll sorgfältig geprüft werden.

Kapitel 2.6. Erfassung von psychosozialen Aspekten, Aktivität und Teilhabe

Empfehlung 2-9: Die Erfassung personen- und umweltbezogener Kontextfaktoren sowie die Erfassung von Aktivität und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen sollen integraler Bestandteil der Diagnostik sein.

Kapitel 2.7. Erfassung von Suizidalität

Empfehlung 2-11: Bei allen Patientinnen und Patienten mit einer depressiven Störung soll Suizidalität regelmäßig, bei jedem Patientengespräch klinisch eingeschätzt und gegebenenfalls exploriert werden.

Kapitel 2.8. Verlaufsdiagnostik, Monitoring

Empfehlung 2-13: Um das Ansprechen der Behandlung bewerten zu können, soll der Ausgangsbefund vor Behandlungsbeginn nachvollziehbar dokumentiert werden, möglichst mithilfe validierter Instrumente.

Kapitel 3. Therapieplanung

3.2.2. Individuelle Therapieziele

Empfehlung 3-1: Patientinnen/Patienten und Behandelnde sollen gemeinsam individuelle Therapieziele vereinbaren und priorisieren. Dabei sollen person- und umweltbezogene Kontextfaktoren sowie die Auswirkungen auf Aktivität und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen berücksichtigt werden.

Empfehlung 3-2: Die mit den Patientinnen und Patienten vereinbarten individuellen Therapieziele sollen regelmäßig und je nach Bedarf evaluiert und ggf. angepasst werden.

Kapitel 3.3. Aufklärung und Information der Patientinnen und Patienten

Empfehlung 3-4: Bei der Aufklärung und Information über Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten der unipolaren Depression sollen die unterschiedlichen Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen umfassend und in verständlicher Form dargestellt werden.

Kapitel 3.4. Partizipative Entscheidungsfindung

Empfehlung 3-6: Diagnostische, therapeutische und versorgungsbezogene Entscheidungen sollen entsprechend dem Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung erfolgen.

Kapitel 3.5. Mitarbeit der Patientinnen und Patienten

Empfehlung 3-7: Die Bedeutung von Adhärenz sowie mögliche förderliche und hinderliche Faktoren sollen vor der Therapieentscheidung sowie vor einer Änderung der Therapie besprochen werden.

Kapitel 3.6. Einbindung von Angehörigen

Empfehlung 3-8: Wenn die Patientinnen/Patienten damit einverstanden sind, sollen Angehörige in die Aufklärung, Information und Behandlung eingebunden werden.

Kapitel 4. Therapieoptionen und Therapieprinzipien

Kapitel 4.3. Internet- und mobil-basierte Interventionen: Optionen und Prinzipien

Empfehlung 4-1: Vor dem Einsatz von Internet- und mobilbasierten Interventionen zur Behandlung depressiver Störungen soll eine adäquate Diagnostik, Differentialdiagnostik, Indikationsstellung, Aufklärung und Verordnung erfolgen.

Empfehlung 4-2: Der Einsatz von Internet- und mobilbasierten Interventionen soll therapeutisch begleitet werden.

Empfehlung 4-2: Bei Einsatz von Internet- und mobilbasierten Interventionen soll ein regelmäßiges Monitoring der Adhärenz und Wirksamkeit erfolgen.

Kapitel 4.4. Medikamentöse Therapie: Optionen und Prinzipien

Empfehlung 4-4: Die Auswahl des Antidepressivums soll gemäß dem Sicherheits- und Interaktionsprofil, der Präferenz des Patientinnen und Patienten, der Erfahrung des Behandelnden sowie der anderen in Tabelle 27 genannten Kriterien erfolgen. Tabelle 27: "Auswahlkriterien für Antidepressiva" auf Seite 26 der Kurzfassung der Leitlinie.

Empfehlung 4-5: Vor Beginn einer medikamentösen Therapie soll mit den Patientinnen und Patienten vereinbart werden, zu welchem Zeitpunkt das Ansprechen der Behandlung bewertet und über das weitere Vorgehen entschieden werden soll. Aufgrund der Wirklatenz soll ein Zeitpunkt 3–4 Wochen nach Erreichen der Standarddosis gewählt werden.

Empfehlung 4-8: In der Regel soll die antidepressive Medikation mit der niedrigen, als „Anfangsdosis“ bezeichneten Tagesdosis begonnen werden.

Empfehlung 4-9: Während der Aufdosierungs- und Wirklatenzphase soll die individuelle Verträglichkeit sorgfältig überwacht werden. Dabei soll insbesondere auf Symptome geachtet werden, die auf eine Erhöhung des Suizidrisikos hindeuten.

Empfehlung 4-10: Ab Erreichen der Standarddosierung soll wegen der Wirklatenz mindestens 3–4 Wochen abgewartet werden. Dann soll gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten beurteilt werden, ob eine positive Entwicklung bezüglich der vereinbarten individuellen Therapieziele vorliegt. Dafür sollen möglichst validierte Instrumente genutzt werden.

Empfehlung 4-11: Bei einer positiven Entwicklung im Sinne der vereinbarten individuellen Therapieziele soll die Fortsetzung der Medikation bis zur Remission mit anschließendem Übergang in die Erhaltungstherapie empfohlen werden.

Empfehlung 4-12: Bei ausbleibendem oder mangelndem Ansprechen sollen mögliche Ursachen abgeklärt werden. Gemeinsam mit den Patientinnen/Patienten soll über eine Anpassung der Behandlungsstrategie gesprochen und entschieden werden.

Empfehlung 4-15: Ist geplant, ein Antidepressivum bei remittierten Patientinnen/Patienten am Ende des Erhaltungstherapiezeitraums oder zur Beendigung einer Rezidivprophylaxe abzusetzen, soll dies zur Vermeidung einer Rebound-Depression und von Absetzsymptomen schrittweise erfolgen.

Empfehlung 4-17: Ist geplant, ein Antidepressivum aufgrund von gefährlichen oder stark belastenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen abzusetzen, soll dies rasch oder abrupt erfolgen.

Empfehlung 4-23: Bereits vor Beginn einer Antidepressiva-Medikation sollen die Patient*innen über die Möglichkeit von Absetzsymptomen und Rebound-Depressionen nach Beendigung einer solchen Medikation aufgeklärt werden.

4.5. Psychotherapie: Optionen und Prinzipien

Empfehlung 4-24: Im Rahmen psychotherapeutischer und niedrigschwelliger gesprächsbasierter Interventionen, die psychotherapeutische Ansätze nutzen, sollen die in Tabelle 33 und Tabelle 34 aufgeführten Wirk- und Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Tabelle 33 : "Verfahrensübergreifende Wirkfaktoren bei depressiven Störungen" und Tabelle 34: "Verfahrensübergreifende Einflussfaktoren bei depressiven Störungen" nachstehend.

Tabelle: Verfahrensübergreifende Wirkfaktoren bei depressiven Störungen
  • Etablierung eines tragfähigen therapeutischen „Arbeitsbündnisses“
  • Klärung von Motivation, Zielen, Methoden und Setting der Behandlung
  • Festlegung des individuellen Behandlungsrahmens (Umsetzungsvereinbarungen, Verbindlichkeit von Behandelnden, Dauer, Frequenz und Finanzierung) unter Beachtung der teilweisen Unabhängigkeit dieses Rahmens von ICD-Diagnosen
  • Anerkennung von Leidensdruck als Voraussetzung von Veränderung
  • Erleben ungünstiger Verhaltensmuster innerhalb der therapeutischen Beziehung und Ermöglichung korrigierender Lernerfahrungen
  • Ermöglichung von vertieftem emotionalem Erleben
  • Förderung von Selbstregulation und Einsicht in Beziehungsmechanismen und innere Konflikt- und Bewältigungsstrukturen (besonders Handlungs- und Gefühlsvermeidung)
  • Verdeutlichung der teilweisen Funktionalität der Symptomatik
  • Anerkennung bzw. Aktivierung persönlicher und sozialer Ressourcen (z. B. mögliche hilfreiche Akteure der Lebenswelten der Patientinnen und Patienten)
  • Initiierung von Problembewältigung und Kompetenzerleben zur Förderung von Selbstwert, Selbstkongruenz und Selbstwirksamkeit, Integration des „Verstandenen“ und „Erlernten“ in den Alltag
Tabelle: Verfahrensübergreifende Einflussfaktoren bei depressiven Störungen
  • religiöse und kulturgeprägte Kontexte
  • Krankheitsverständnis der Patient*innen
  • Präferenz, Vorstellungen und Erwartungen der Patient*innen bezüglich Verfahren, Methoden und Person der Behandelnden (z. B. Geschlecht, Funktion)
  • biografische und aktuelle Belastungen und Resilienzen
  • pathogene Wirkung traumatischer Erfahrungen in allen Lebensphasen

Empfehlung 4-25: Patienten und Patientinnen sollen zu Beginn einer Psychotherapie über mögliche Nebenwirkungen informiert werden. Wenn es im Verlauf zu unerwünschten Nebenwirkungen kommt, sollen diese mit den Patientinnen und Patienten besprochen werden.

Empfehlung 4-28: Bei ausbleibender Besserung im Sinne der vereinbarten individuellen Therapieziele sollen nach etwa 8–12 Wochen mögliche Ursachen abgeklärt werden. Gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten soll über eine Anpassung des psychotherapeutischen Vorgehens gesprochen und entschieden werden.

Kapitel 5. Behandlung bei akuter depressiver Episode

Kapitel 5.1. Behandlung bei leichten depressiven Episoden

Empfehlung 5-1: Bei einer leichten depressiven Episode sollen Maßnahmen mit niedriger Intensität (angeleitete Selbsthilfe, gesprächsbasierte Interventionen unter Nutzung psychotherapeutischer Techniken) angeboten werden.

Empfehlung 5-2: Internet- und mobilbasierte Interventionen sollen Patient*innen mit leichten depressiven Episoden angeboten werden, eingebettet in ein therapeutisches Gesamtkonzept.

Empfehlung 5-3: Patientinnen und Patienten mit einer leichten depressiven Symptomatik soll eine Psychotherapie angeboten werden,

  • wenn die Symptomatik trotz Nutzung von Interventionen mit geringer Intensität fortbesteht und/oder
  • wenn sie in der Vergangenheit gut auf eine Psychotherapie angesprochen haben und/oder
  • wenn bei ihnen das Risiko für Chronifizierung oder die Entwicklung einer mittelgradigen oder schweren Depression besteht (z. B. frühere depressive Episoden, psychosoziale Risikofaktoren) und/oder
  • wenn sie niedrigschwellige Verfahren ablehnen oder in der Vergangenheit nicht gut auf sie angesprochen haben.

Kapitel 5.2. Behandlung bei mittelgradigen depressiven Episoden

Empfehlung 5-8: Patientinnen und Patienten mit akuten mittelgradigen depressiven Episoden soll gleichwertig eine Psychotherapie oder eine medikamentöse Therapie angeboten werden.

Empfehlung 5-12: In ein therapeutisches Gesamtkonzept eingebettete Internet- und mobilbasierte Interventionen sollen Patientinnen und Patienten mit mittelgradigen depressiven Episoden als alternativer Behandlungsansatz angeboten werden, wenn die Patient*innen sowohl Psychotherapie als auch Antidepressiva ablehnen.

Kapitel 5.3. Behandlung bei schweren depressiven Episoden

Empfehlung 5-13: Patientinnen und Patienten mit akuten schweren depressiven Episoden soll eine Kombinationsbehandlung mit medikamentöser Therapie und Psychotherapie empfohlen werden.

Empfehlung 5-14: Wenn eine Kombinationstherapie von den Patienten und Patientinnen abgelehnt wird, sollen bei akuten schweren depressiven Episoden Psychotherapie oder medikamentöse Therapie gleichwertig als Monotherapie angeboten werden

Kapitel 9. Psychosoziale Therapien und unterstützende Maßnahmen

Kapitel 9.3. Selbsthilfe und Peer Support

Empfehlung 9-3: Patientinnen/Patienten und Angehörige sollen über Selbsthilfe- und Angehörigenangebote, Peer-Counselling sowie Genesungsbegleitung informiert und, wenn angebracht, zur Teilnahme motiviert werden.

9.4. Lichttherapie

Empfehlung 9-4: Bei Depressionen mit saisonalem Muster soll ein Therapieversuch mit Lichttherapie angeboten werden.

9.6. Bewegungs- und Sporttherapien

Empfehlung 9-7: Patientinnen und Patienten mit einer depressiven Störung und ohne Kontraindikation für körperliche Belastungen sollen zu sportlichen Aktivitäten motiviert werden, idealerweise innerhalb einer Gruppe.

Empfehlung 9-8: Patientinnen und Patienten mit einer depressiven Störung und ohne Kontraindikation für körperliche Belastungen sollen zur Teilnahme an einem strukturierten und supervidierten körperlichen Training motiviert und bei der Umsetzung unterstützt werden.

9.10. Komplementär- und alternativmedizinische Interventionen

Empfehlung 9-13: Wenn kein Mangel an Mikronährstoffen vorliegt, sollen Patientinnen und Patienten mit depressiven Störungen Nahrungsergänzungsmittel nicht empfohlen werden.

Empfehlung 9-14: Patientinnen und Patienten mit depressiven Störungen sollen dazu ermuntert werden, sich ausgewogen und gesund zu ernähren.

Beteiligte Organisationen

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An der Entwicklung und Herausgabe der Leitlinie waren folgende Organisationen beteiligt:

Fassungen der Leitlinie

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Die Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression wurde mit folgenden Komponenten publiziert:[2]

  • Langfassung
  • Kurzfassung
  • Patientenleitlinie und Patienteninformationen
  • Weitere Formate: Patientenblätter
  • Leitlinienreports zur Medizinischen Leitlinie und zur Patientenleitlinie

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Übersicht NVL Depression, Version 1 — Versorgungsleitlinien.de. 10. November 2011, archiviert vom Original am 1. November 2011; abgerufen am 9. Oktober 2024.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.versorgungsleitlinien.de
  2. a b NVL Unipolare Depression 2022. In: AWMF-Leitlinienregister. Abgerufen am 9. Oktober 2024.
  3. Unipolare Depression — Leitlinien.de. 14. Juli 2024, archiviert vom Original am 14. Juli 2024; abgerufen am 9. Oktober 2024.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.leitlinien.de
  4. Martin Härter, Peggy Prien: Diagnostik und Behandlung bei unipolarer Depression. Nationale Versorgungsleitlinie. In: Dtsch Arztebl Int. Band 120, 2023, S. 355-61 (aerzteblatt.de).
  5. S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression 2022. Kurzfassung. 10. Juli 2023 (awmf.org [PDF]).