Einstellige Verknüpfung

Verknüpfung mit nur einem Operanden

Eine einstellige Verknüpfung (auch unäre oder monadische Verknüpfung) ist in der Mathematik eine Verknüpfung mit nur einem Operanden. Ein einfaches Beispiel einer einstelligen Verknüpfung ist das unäre Minus zur Bildung der Gegenzahl einer Zahl. Einstellige Verknüpfungen werden üblicherweise als Funktionen auf einer gegebenen Menge angesehen. Sie werden unter anderem in der Algebra, der Logik und der Informatik eingesetzt.

Definition

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Eine einstellige Verknüpfung   auf einer Menge   ist eine Selbstabbildung

 .

Das Paar   heißt dann auch einstellige Algebra oder Kette. Die einstellige Verknüpfung   ist die zugehörige Strukturabbildung.

Notation

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Einstellige Verknüpfungen werden verschieden notiert.

  • Die Notierung als Funktion. Das ist die in der Mathematik übliche Bezeichnung. Das Funktionszeichen steht vor dem Argument, auf welches die Funktion angewendet wird. Beispielsweise:  . Ist es klar was das Funktionszeichen und was das Argument ist, so kann man auf die Klammerung verzichten. Dies ist zum Beispiel bei der Wurzelfunktion der Fall.
  • Die Präfixnotation. Dies ist eigentlich nichts anders als die oben beschriebene Funktionsnotation. Das Funktionszeichen steht vor dem Argument. In manchen Programmiersprachen wird dies konsequent durchgeführt. So beispielsweise in Lisp.
  • Die Postfixnotation. Das Funktionszeichen steht hinter dem Argument.
  • Die Verwendung von Diakritika.

Beispiele

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Beispiele für einstellige Verknüpfungen sind:

  •   (Negation, Bildung der Gegenzahl einer Zahl  ). Dies ist ein Beispiel für die Präfixnotation.
  •   (Fakultät einer natürlichen Zahl  ). Dies ist ein Beispiel für die Postfixnotation.
  •   (Quadrieren einer reellen Zahl  )
  •  : Ist   die Menge der komplexen Zahlen, so ist die Funktion   eine einstellige Verknüpfung von  . Der Funktionswert von   wird   bezeichnet. (Konjugation einer komplexen Zahl  ). Dies ist ein Beispiel für die Verwendung diakritischer Zeichen.

Geschichte

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Richard Dedekind[1] untersucht in seiner Schrift von 1887 „Was sind und was sollen die Zahlen“ Mengen   zusammen mit einer Selbstabbildung  . Er untersucht also, wenn man die Sprache dieses Artikels verwendet, Mengen mit einer einstelligen Verknüpfung. Er nennt eine Menge ein System. Eine Teilmenge  , für die   ist, nennt er Kette.   ist also abgeschlossen gegenüber der Operation  . Die Menge   ist selbst eine Kette.

Vielleicht hatte Dedekind die folgende Vorstellung, als er den Namen Kette wählte. Startet man bei   und wendet immer wieder die Selbstabbildung   an, so erhält man eine Bahn oder Kette.

 

Um diese Ketten zu untersuchen, entwickelt er einen beträchtlichen Teil der heutigen Mengensprache. So erklärt er, was Durchschnitt und Vereinigung von Mengen ist. Jede Teilmenge   ist in einer kleinsten Unterkette von   enthalten. Dies ist die von   erzeugte Unterkette von  . Das Prinzip der vollständigen Induktion besagt nun: Es sei   zusammen mit der einstelligen Verknüpfung   eine von der Teilmenge   erzeugte Kette. Um zu zeigen, dass eine Eigenschaft   jedem Element aus   zukommt, muss gezeigt werden:

  1. Jedes Element aus   hat diese Eigenschaft.
  2. Die Menge aller Elemente mit der Eigenschaft   ist gegenüber   abgeschlossen.

Bis hierher geht noch keine besondere Eigenschaft der natürlichen Zahlen ein.

Elegant definiert er, was eine unendliche Menge ist. Eine Menge   heißt unendlich, wenn es eine injektive, aber nicht surjektive Funktion   gibt. Aus der Existenz einer unendlichen Menge leitet er dann die Existenz der Menge der natürlichen Zahlen mit den Operationen   her. Peano hat dies kurze Zeit später aufgegriffen.

Verwendung

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In der Algebra werden einstellige Verknüpfungen häufig bei der Definition algebraischer Strukturen verwendet. So wird eine Gruppe als Tupel   bestehend aus einer Trägermenge  , einer zweistelligen Verknüpfung  , einem Einselement   (dabei handelt es sich um eine nullstellige Verknüpfung) und einer einstelligen Verknüpfung  , die einem Gruppenelement das zugehörige inverse Element zuordnet, definiert.

In der Logik ist die Negation   einer Aussage   eine wichtige einstellige Verknüpfung.

In Programmiersprachen werden häufig eine Reihe einstelliger Verknüpfungen als vorgefertigte Funktionen bereitgestellt. Beispiele in der Programmiersprache C sind:

Unterketten

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  • Eine Teilmenge   der Kette   heißt Unterkette von  , wenn sie abgeschlossen gegenüber   ist. Das heißt  .
  • Der Durchschnitt und die Vereinigung von Unterketten ist eine Unterkette.
  • Jede Untermenge   ist in einer kleinsten Unterkette von   enthalten, welche   enthält. Sie heißt die von   erzeugte Unterkette und wird in diesem Artikel mit   bezeichnet. Für   schreibt man für die von diesem Element erzeugte Unterkette auch kurz   anstelle von  .
  • Gibt es in der Kette  , so dass  , so sagt man:   ist von einem Element erzeugt.

Morphismen

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Sind   Ketten, mit den Strukturabbildungen  , so heißt eine Abbildung   ein Morphismus , wenn   gilt.

  • Die Identität   ist stets ein Morphismus.
  • Sind   Ketten, und   Morphismen, so ist   ein Morphismus.
Man sagt die Klasse der Ketten zusammen mit den Morphismen bilden eine Kategorie. In dem Buch von F. William Lawvere und Stephen H. Schanuel „Conceptual Mathematics“[2] wird dies die Kategorie der Endomaps genannt. In diesem Artikel soll es als Kategorie der Ketten bezeichnet werden.
 
Ein Morphismus von Ketten

In dem Bild haben wir die Kette   und die Strukturabbildung  . Außerdem die Kette   mit der Strukturabbildung  . Geht man in der oberen Zeile mit   einen Schritt weiter und setzt dann mit   über nach  , so erhält man dasselbe, wie wenn man zuerst mit   übersetzt und dann mit   weiter geht. Ab dem Paar   wiederholt sich das Muster. Man sieht es gibt noch genau einen zweiten Morphismus  . Und zwar den Morphismus mit  .

  • Zwei Ketten heißen   isomorph, wenn es einen Morphismus   gibt, der als Abbildung bijektiv ist. Die Umkehrabbildung ist dann auch ein Morphismus.

Rekursionssatz von Dedekind

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Einfach unendliche Menge

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Eine Kette   mit injektivem   heißt einfach unendlich , wenn es ein   gibt mit   und es ist  . Es ist   von   erzeugt. Mit diesen Begriffen gilt:

Satz: Folgende Aussagen sind äquivalent:
  1. Es gibt eine einfachste unendliche Menge.
  2. Es gibt eine Kette   und  , so dass die Peano-Axiome erfüllt sind. Diese sind:
    1.  .
    2.   ist injektiv.
    3. Jede gegenüber   abgeschlossene Teilmenge  , mit   ist schon gleich  .

Bemerkung: Dies Formulierung stammt im Wesentlichen von Richard Dedekind. Schaut man unter dem Begriff Peano-Axiome nach, so lauten sie ein klein wenig anders.

  • Aber 1. und 2. der dortigen Formulierung heißt   ist eine Kette.
  • 3. in der dortigen Formulierung besagt  .
  • 4. besagt, dass   injektiv ist.
  • 5. der dortige Formulierung ist unser Aussage 3.

Wählt man die obige Formulierung so ist zunächst noch völlig unklar ob es nicht wesentlich verschiedene einfach unendliche Mengen gibt. Man wähle etwa als   die Ebene und als Strukturabbildung eine Drehung um einen bestimmten Winkel.

Rekursionssatz

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Satz: (Rekursionssatz von Dedekind 1887)
Ist   eine einfach unendliche Menge, so gilt:
Zu jeder Kette   und jedem   gibt es genau einen Morphismus   mit  .
Folgerung: Je zwei einfach unendliche Ketten sind isomorph. Das heißt, es gibt einen Isomorphismus zwischen den Ketten. Sie sind insbesondere als Mengen gleichmächtig.

Algebraische Struktur der natürlichen Zahlen

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Die Addition

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Man wählt eine einfach unendliche Menge und nennt sie N. Die Strukturabbildung soll mit 1+ bezeichnet werden. Das erzeugende Element heiße 0. Dann kann mit dem Rekursionssatz definiert werden: Zu jedem   gibt es genau einen Morphismus   mit  . Man betrachte hierzu die Zeichnung.

 
Zu a wir die Zahl n addiert

Im Grunde ist es die Addition zweier Zahlen mit Hilfe von Meterstäben. Man legt zwei Meterstäbe übereinander und verschiebt den oberen um a. Möchte man erfahren was   ist, liest man unter b – dort wo der grüne Pfeil hinzeigt – auf dem unteren Meterstab ab.

Es gilt nun der folgende Satz:

Satz: Die oben definierte Abbildung hat folgende Eigenschaften.

  1. Für alle   ist  . Die Abbildung   ist also die Identität.
  2. Für alle   ist  .
  3. Für alle   ist  .
  4. Für alle   gilt: Ist  , so ist  .

Das Zeichen   soll an Summe erinnern. Und so wird der Satz gleich vertrauter, wenn wir das übliche Zeichen verwenden und es zwischen die Argumente schreiben.

Satz: Die Abbildung   hat die folgenden Eigenschaften.

  1. Für alle   ist  .
  2. Für alle   ist:  .
  3. Für alle   ist:  .
  4. Für alle   gilt: Ist  , so ist  .

Die zweite Formulierung hat den Vorteil der Vertrautheit. Sie hat den Nachteil, dass sie die Freiheiten versteckt, die man noch hat. Die erste Formulierung ist auf jede einfach unendliche Menge anzuwenden. Auch auf eine mit einer völlig anderen Strukturabbildung.

Zusammengefasst sagt man:   ist ein kommutativer regulärer Monoid.

Die Multiplikation

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Wir schreiben jetzt das gewohnte   Zeichen zwischen die Argumente. Also   anstelle von  . Die Abbildung

  macht aus   eine Kette  .
 
Die Multiplikation mit 2 wird in einem Pfeildiagramm dargestellt

Daher gibt es genau einen Morphismus   mit  . Es ist dann  . Und es ist  . Wir sehen es ist genau das getroffen, was man unter der Multiplikation von   mit einer Zahl   naiv gemeint ist.   wird   zu sich selbst addiert. Schreiben wir für  , so gilt der folgende Satz:

Satz:
  1.   für alle  .
  2.   für alle  .
  3.   für alle  .
  4.   für alle  .
  5.   für alle  .
  6.   für alle  .
  7. Ist  , so ist   oder  .

Man fasst die Eigenschaften 1) bis 6) zusammen, wenn man sagt   ist ein kommutativer Halbring mit neutralem Element  . Dies ist der wichtigste Halbring überhaupt. Diese Verfahren kann man fortsetzen und kommt so zur Exponentiation  . Man beachte, dass in der ganzen Konstruktion niemals die natürlichen Zahlen als Kardinalzahlen benutzt wurden. Es sind die reinen Zählzahlen. Aber Zählen nicht im Sinne von die Anzahl einer Menge zählen, sondern einfach im Sinne von die Zahlwörter geordnet aufsagen.

Siehe auch

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Literatur

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  • Richard Dedekind: Was sind und was sollen die Zahlen. Vieweg, 1965.
  • Hartmut Ernst: Grundkurs Informatik. Springer, 2013, ISBN 978-3-322-91968-7, S. 266.
  • Ulrich Knauer, Kolja Knauer: Diskrete und algebraische Strukturen – kurz gefasst. Springer, 2015, ISBN 978-3-662-45177-9, S. 141.
  • F. William Lawvere, Stephan H. Schanuel: Conceptual Mathematics A first introduction to categories. 2009, ISBN 978-0-521-71916-2.

Einzelnachweise

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  1. Richard Dedekind "Was sind und was sollen die Zahlen"
  2. Siehe das Buch von F, William Lawvere und Stephen H. Schanuel
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