Ellis-van-Creveld-Syndrom

Krankheit
(Weitergeleitet von Ellis-van-Crefeld-Syndrom)
Klassifikation nach ICD-10
Q77.6 Chondroektodermale Dysplasie
Inkl.: Ellis-van-Creveld-Syndrom
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Ellis-van-Creveld-Syndrom (EVC), auch als chondroektodermale Dysplasie bezeichnet, ist eine sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte Krankheit. Es gehört zur Gruppe der Kurzripp-Polydaktylie-Syndrome (SRPS für Short Rib-Polydactyly Syndrome).

Klinisches Bild

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Beidseitige Polydaktylie, sowie verkürzte Finger bei einem EVC-Patienten.[1]
 
Fünfjähriger EVC-Patient mit langem, schmalem Brustkorb und verkürzten Beinen.[1]
 
Im Gebiss dieses EVC-Patienten fehlen die oberen Schneidezähne. Die unteren Schneidezähne weisen eine konische Form auf.[1]

Das Ellis-van-Creveld-Syndrom ist eine chondrale und ektodermale Dysplasie (chondroektodermale Dysplasie). Sie ist bei den betroffenen Patienten durch kurze Rippen, Polydaktylie (Vielfingerigkeit), Kleinwuchs, ektodermale Defekte und Herzfehler gekennzeichnet.

Die äußerlichen Hauptsymptome sind der Kleinwuchs, Thoraxdeformität mit verkürzten Rippen, die Polydaktylie, sowie hypo- oder dysplastische Fingernägel und Zähne. Die Polydaktylie ist an den Händen üblicherweise beidseitig, postaxial (Außen) auf der ulnaren Seite. Bei etwa 10 % der Patienten sind auch die Füße von der Polydaktylie betroffen. Häufig ist zwischen der Großzehe (Hallux) und der zweiten Zehe ein größerer Zwischenraum.[2] Die Extremitäten wirken meist plump. Die mesomele (mittlere Anteile, das heißt Unterarm beziehungsweise -schenkel) und akromele (distale Anteile, das heißt Finger beziehungsweise Zehen) Verkürzung der Gliedmaßen ist sehr häufig. Sehr oft können die Patienten die Hand nicht zu einer Faust ballen.[3][4]

Bei etwa 60 % der Patienten liegt ein Herzfehler, meist in Form eines Atriumseptumdefektes (ASD), vor. Die kognitive und motorische Entwicklung verläuft dagegen normal.[1]

Häufigkeit

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Die weltweite Häufigkeit des Ellis-van-Creveld-Syndroms wird bei Neugeborenen auf etwa 1 : 60.000[5] bis 1 : 200.000 geschätzt. In einigen Populationen tritt es signifikant häufiger auf. So beispielsweise in der Gemeinschaft der Amischen in Lancaster County (Pennsylvania) und den Aborigines in Westaustralien.[6] Bei den Amischen in Lancaster County liegt die Prävalenz bei etwa 1 : 5000 pro Neugeburt.[4] Dort wurden bis zum Jahr 2000 insgesamt 52 Fälle in 30 Sippschaften berichtet.[7]

Weltweit gab es im Jahr 2007 etwa 150 dokumentierte Fälle von EVC.[1] Andere Quellen berichten von 300 Fällen im Jahr 1998.[4][8]

Genetik und Pathologie

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Der autosomal-rezessive Erbgang des Ellis-van-Creveld-Syndrom

Das Ellis-van-Creveld-Syndrom wird autosomal-rezessiv vererbt. Die Ursache sind Mutationen in den Genen EVC1 (auch EVC genannt) und EVC2. Die beiden Gene liegen beim Menschen auf Chromosom 4, „Kopf an Kopf“ auf dem Genlocus p16. Andere genetische Faktoren scheinen ebenfalls einen Einfluss auf die Krankheit zu haben.

Das EVC-Gen wurde 1995 zunächst auf dem kurzen Arm von Chromosom 4 gefunden.[9][9] Dies ist ein Gebiet, in dem auch andere kongenitale Chondrodystrophien ihren Ursprung haben. Mutationen in diesem Gen konnten bei EVC-Patienten in Lancaster County sowie Mittel- und Südamerika gefunden werden.[10] Allerdings konnte bei einem Screening von 58 EVC-Patienten nur bei 13 eine homozygote Mutation im EVC-Gen lokalisiert werden. Bei den restlichen 45 Patienten lag keine Mutation in einem oder beiden Allelen vor.[11] Ein zweites Gen wurde bei diesen Patienten als Auslöser des Ellis-van-Creveld-Syndroms identifiziert: EVC2. Es liegt ebenfalls auf Chromosom 4, „Kopf an Kopf“ in unmittelbarer Nachbarschaft zu EVC1.[12] Die beiden Gene sind durch lediglich 2,6 kB getrennt.[13] EVC2 ist 166,4 kB lang und teilt mit EVC1 eine gemeinsame Promotor-Region, während die beiden Sequenzen keine signifikanten Sequenzübereinstimmungen aufweisen – weder auf Protein- noch auf Nukleinlevel. Dennoch lässt sich der Phänotyp beim Ellis-van-Creveld-Syndrom nicht anhand des mutierten Gens – EVC1 oder EVC2 – unterscheiden.[11]

Bei der Sequenzierung von EVC1 und EVC2 bei 65 Patienten mit Ellis-van-Creveld-Syndrom wurde in 20 Fällen eine EVC1-Mutation (31 %) in beiden Allelen und in 25 Fällen eine EVC2-Mutation (38 %) gefunden. Bei letzteren waren in 22 Fällen beide Allele betroffen und in 3 nur ein Allel. In der Mehrzahl aller Fälle ist ein falsch gesetztes Stopcodon der Auslöser der Krankheit. Bei den restlichen 20 Patienten (31 %) wurde in keinem der beiden Gene eine Mutation gefunden. Es wird daher vermutet, dass das Ellis-van-Creveld-Syndrom eine heterogene genetische Erkrankung ist.[13] Heterozygote Mutationen in EVC1 oder EVC2 lösen auch die Akrofaziale Dysostose Typ Weyers (Knochenbildungsstörung der Hände und des Gesichts), aus, das allerdings autosomal-dominant vererbt wird.[1] Auch dass in einigen Fällen heterozygote Merkmalsträger erkranken können – diese Patienten haben nur ein defektes EVC1- oder EVC2-Gen in jeder Körperzelle – spricht für eine komplexe Genetik, in der möglicherweise noch weitere Mutationen in anderen Genen eine Rolle spielen.[6]

 
Ellis-van Creveld Syndrom, Rö-Aufnahme der linken Hand mit Ossifikationsstörung des Os hamatum und Zapfenepiphysen

Diagnose

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In der Pränataldiagnostik können mittels Feinultraschall der enge Thorax, die Verkürzung der langen Röhrenknochen, Hexadaktylie und Herzfehler ab dem späten ersten Trimester erkannt werden.

Radiologische Kriterien sind:[14]

  • Beckendysplasie mit Spornbildung medial am Pfannendach
  • Vorzeitige Ossifikation der proximalen Oberarm- und Oberschenkelepiphyse
  • Überproportional kurze Unterarme und Unterschenkel
  • Verbreiterung der Tibia proximal, nach medial verlagertes Ossifikationszentrum mit massivem Genu valgum
  • zu kurze Fibula
  • Verkürzte Fingerglieder mit Zapfenepiphysen der Mittel- und Endphalangen

Häufig Hexadaktylie, Fusion von Handwurzelknochen (Os hamatum und Os capitatum) Häufig Radiusköpfchenluxation und Patellaluxation, postaxiale Polydaktylie[15].

Differentialdiagnose

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In der Differentialdiagnose sind das Jeune-Syndrom, das McKusick-Kaufman-Syndrom, das Weyers-Syndrom, das Pallister-Hall-Syndrom und vor allem das Verma-Naumoff-Syndrom abzugrenzen,[1] ferner die Kranioektodermale Dysplasie.

Diagnosesicherheit bietet ein Gentest auf EVC[16] beziehungsweise EVC2[17].

Therapie

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Das Ellis-van-Creveld-Syndrom ist derzeit nicht heilbar.

Die Patienten brauchen schon ab der Geburt eine multidisziplinäre fachärztliche Betreuung. Der enge Thorax verursacht in vielen Fällen Atemprobleme. Mögliche Herzfehler müssen überwacht und symptomatisch behandelt werden. Die Knochendeformationen erfordern eine regelmäßige orthopädische Kontrolle. Die Zähne bedürfen einer fachzahnärztlichen Betreuung.[1] Für das perioperative / anästhesiologische Management sind aktuelle Handlungsempfehlungen erschienen (Eintrag bei OrphanAnesthesia).[18]

Prognose

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Die Prognose wird in den ersten Lebensmonaten durch die wegen des verengten Thorax eingeschränkte Atmung bestimmt. Später sind etwaige Herzfehler der wesentliche prognostische Faktor. Die adulte Körpergröße ist nur schwer vorauszusagen.[1]

Erstbeschreibung

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1940 beschrieben die beiden Pädiater Richard Ellis (1902–1966) und Simon van Creveld (1894–1971) bei drei Patienten erstmals ein Syndrom,[19] das später nach den beiden Erstbeschreibern benannt wurde.[20] Das Syndrom wurde teilweise bereits in einigen früheren Veröffentlichungen beschrieben.[21] Ellis und van Creveld definierten es jedoch als erste.

Weiterführende Literatur

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Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i G. Baujat, M. Le Merrer: Ellis-van Creveld syndrome. In: Orphanet Journal of Rare Diseases. Band 2, 2007, S. 27, ISSN 1750-1172. doi:10.1186/1750-1172-2-27. PMID 17547743. PMC 1891277 (freier Volltext). (Review).
  2. S. Al-Khenaizan, N. Al-Sannaa, A. S. Teebi: What syndrome is this? Chondroectodermal dysplasia–the Ellis-van Creveld syndrome. In: Pediatric Dermatology. Band 18, Nummer 1, 2001 Jan-Feb, S. 68–70, ISSN 0736-8046. PMID 11207979.
  3. R. W. Ellis, J. D. Andrew: Chondroectodermal dysplasia. In: J Bone Joint Surg. Band 44, 1962, S. 626–636.
  4. a b c K. Kurian, S. Shanmugam u. a.: Chondroectodermal dysplasia (Ellis van Creveld syndrome): a report of three cases with review of literature. In: Indian journal of dental research. Band 18, Nummer 1, 2007, S. 31–34, ISSN 0970-9290. PMID 17347543. (Review).
  5. L. Dugoff, G. Thieme, J. C. Hobbins: First trimester prenatal diagnosis of chondroectodermal dysplasia (Ellis-van Creveld syndrome) with ultrasound. In: Ultrasound in Obstetrics & Gynecology. Band 17, Nummer 1, Januar 2001, S. 86–88, ISSN 0960-7692. doi:10.1046/j.1469-0705.2001.00255.x. PMID 11244665.
  6. a b Genetics Home Reference: Ellis-van Creveld syndrome. Abgerufen am 9. Januar 2012
  7. V. A. McKusick: Ellis-van Creveld syndrome and the Amish. In: Nature genetics. Band 24, Nummer 3, März 2000, S. 203–204, ISSN 1061-4036. doi:10.1038/73389. PMID 10700162.
  8. K. M. Zangwill, D. K. Boal, R. L. Ladda: Dandy-Walker malformation in Ellis-van Creveld syndrome. In: American journal of medical genetics. Band 31, Nummer 1, September 1988, S. 123–129, ISSN 0148-7299. doi:10.1002/ajmg.1320310114. PMID 3223493.
  9. a b M. H. Polymeropoulos, S. E. Ide u. a.: The gene for the Ellis-van Creveld syndrome is located on chromosome 4p16. In: Genomics. Band 35, Nummer 1, Juli 1996, S. 1–5, ISSN 0888-7543. doi:10.1006/geno.1996.0315. PMID 8661097.
  10. V. L. Ruiz-Perez, S. E. Ide u. a.: Mutations in a new gene in Ellis-van Creveld syndrome and Weyers acrodental dysostosis. In: Nature genetics. Band 24, Nummer 3, März 2000, S. 283–286, ISSN 1061-4036. doi:10.1038/73508. PMID 10700184.
  11. a b V. L. Ruiz-Perez, S. W. Tompson u. a.: Mutations in two nonhomologous genes in a head-to-head configuration cause Ellis-van Creveld syndrome. In: American Journal of Human Genetics. Band 72, Nummer 3, März 2003, S. 728–732, ISSN 0002-9297. PMID 12571802. PMC 1180248 (freier Volltext).
  12. M. Galdzicka, S. Patnala u. a.: A new gene, EVC2, is mutated in Ellis-van Creveld syndrome. In: Molecular Genetics and Metabolism. Band 77, Nummer 4, Dezember 2002, S. 291–295, ISSN 1096-7192. PMID 12468274.
  13. a b S. W. Tompson, V. L. Ruiz-Perez u. a.: Sequencing EVC and EVC2 identifies mutations in two-thirds of Ellis-van Creveld syndrome patients. In: Human genetics. Band 120, Nummer 5, Januar 2007, S. 663–670, ISSN 0340-6717. doi:10.1007/s00439-006-0237-7. PMID 17024374.
  14. Bernfried Leiber (Begründer): Die klinischen Syndrome. Syndrome, Sequenzen und Symptomenkomplexe. Hrsg.: G. Burg, J. Kunze, D. Pongratz, P. G. Scheurlen, A. Schinzel, J. Spranger. 7., völlig neu bearb. Auflage. Band 2: Symptome. Urban & Schwarzenberg, München u. a. 1990, ISBN 3-541-01727-9.
  15. F. Hefti: Kinderorthopädie in der Praxis. Springer 1998, ISBN 3-540-61480-X, Seite 654
  16. NCBI: EVC-Related Ellis-van Creveld Syndrome. Abgerufen am 9. Januar 2012
  17. NCBI: EVC2-Related Ellis-van Creveld Syndrome. Abgerufen am 9. Januar 2012
  18. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.orphananesthesia.eu
  19. R. W. Ellis, S. van Creveld: A Syndrome Characterized by Ectodermal Dysplasia, Polydactyly, Chondro-Dysplasia and Congenital Morbus Cordis: Report of Three Cases. In: Archives of disease in childhood. Band 15, Nummer 82, 1940, S. 65–84, ISSN 0003-9888. PMID 21032169. PMC 1987729 (freier Volltext).
  20. A. Cahuana, C. Palma u. a.: Oral manifestations in Ellis-van Creveld syndrome: report of five cases. (PDF; 641 kB) In: Pediatric dentistry. Band 26, Nummer 3, 2004 May-Jun, S. 277–282, ISSN 0164-1263. PMID 15185812.
  21. M. Atasu, S. Biren: Ellis-van Creveld syndrome: dental, clinical, genetic and dermatoglyphic findings of a case. In: The Journal of clinical pediatric dentistry. Band 24, Nummer 2, 2000, S. 141–145, ISSN 1053-4628. PMID 11314324. (Review).
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Commons: Ellis-van-Crefeld-Syndrom – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien