Heyrovskýit

seltenes Mineral, Blei-Bismut-Sulfosalz

Heyrovskýit (IMA-Symbol Hyv[2]) ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der chemischen Zusammensetzung Pb6Bi2S9[1], besteht also aus Blei, Bismut und Schwefel im Verhältnis 6 : 2 : 9 und gehört strukturell zu den Sulfosalzen.

Heyrovskýit
Silbrig-glänzende Heyrovskýitkristalle auf Quarz aus Rakovník, Böhmen, Tschechien (Größe: 50 mm × 43 mm × 32 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1970-022[1]

IMA-Symbol

Hyv[2]

Andere Namen
Chemische Formel
  • Pb6Bi2S9[1]
  • (Pb,Ag,Bi)6Bi2S9[4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/E.29-020

2.JB.40b
03.03.03.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m
Raumgruppe Bbmm (Nr. 63, Stellung 5)Vorlage:Raumgruppe/63.5
Gitterparameter a = 13,60 Å; b = 30,48 Å; c = 4,11 Å[4]
Formeleinheiten Z = 4[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5 bis 4[5] (VHN50 = 166 bis 234[6])
Dichte (g/cm3) gemessen: 7,17; berechnet: 7,18[6]
Spaltbarkeit undeutlich nach {001}[7]
Bruch; Tenazität muschelig; spröde
Farbe zinnweiß
Strichfarbe grauschwarz
Transparenz undurchsichtig
Glanz Metallglanz, schwarz anlaufend

Heyrovskýit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem, ist in jeder Form undurchsichtig (opak) und entwickelt meist nadelige bis prismatische Kristalle von bis zu 20 mm[3] Länge, die in Richtung der c-Achse gestreckt und in Richtung der x-Achse abgeflacht sind. Frische Heyrovskýit-Proben sind von zinnweißer Farbe und zeigen einen metallischen Glanz, hinterlassen auf der Strichtafel jedoch einen grauschwarzen Strich. An der Luft laufen die Mineraloberflächen mit der Zeit schwarz an.

Etymologie und Geschichte

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Jaroslav Heyrovský

Erstmals entdeckt wurde Heyrovskýit bei Hůrky in der Gemeinde Čistá u Rakovníka im tschechischen Okres Rakovník (Bezirk Rakonitz) und beschrieben 1971 durch Josef Klomínský[8], M. Rieder, C. Kieft und L. Mráz, die das Mineral nach dem tschechischen Physikochemiker und Nobelpreisträger Jaroslav Heyrovský (1890–1967) benannten.

In älteren Publikationen ist der Mineralname teilweise in der Schreibweise Heyrovskyit[7] bzw. Heyrowskyit[3] (ohne Akut über dem y) bzw. mit w statt mit v zu finden, was allerdings nicht den Vorgaben zur Mineralbenennung der IMA entspricht[9], nach der beispielsweise bei Mineralen, die nach einer Person benannt wurden, darauf geachtet werden muss, dass die Schreibweise des Namens übernommen wird (Ausnahmen sind lediglich Leerzeichen und Großbuchstaben, die beim Mineralnamen beseitigt werden). Die bei vielen Mineralen uneinheitliche Schreibweise ihrer Namen wurde mit der 2008 erfolgten Publikation „Tidying up Mineral Names: an IMA-CNMNC Scheme for Suffixes, Hyphens and Diacritical marks“[10] bereinigt und der Heyrovskýit wird seitdem international in der Schreibweise mit dem zugehörigen Akut geführt.[1][11]

Das Typmaterial des Minerals wird in der Sammlung der Karls-Universität Prag (Katalog-Nr. 14265) aufbewahrt.[6]

Klassifikation

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In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz ist der Heyrovskýit noch nicht verzeichnet. Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/E.29-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort der Abteilung „Sulfosalze (S : As,Sb,Bi = x)“, wo Heyrovskýit zusammen mit Aschamalmit die unbenannte Gruppe II/E.29 bildet (Stand 2018).[5]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Heyrovskýit in die Abteilung der „Sulfosalze mit PbS als Vorbild“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Galenit-Derivate mit Blei (Pb)“ zu finden ist, wo es zusammen mit Aschamalmit und Eskimoit die unbenannte Gruppe 2.JB.40b bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Heyrovskýit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfosalze“ ein. Hier ist er zusammen mit Mozgovait in der unbenannten Gruppe 03.03.03 innerhalb der Unterabteilung „Sulfosalze mit dem Verhältnis 3 < z/y < 4 und der Zusammensetzung (A+)i(A2+)j[ByCz], A = Metalle, B = Halbmetalle, C = Nichtmetalle“ zu finden.

Kristallstruktur

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Heyrovskýit kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe Bbmm (Raumgruppen-Nr. 63, Stellung 5)Vorlage:Raumgruppe/63.5 mit den Gitterparametern a = 13,6 Å; b = 30,48 Å und c = 4,11 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[4]

Bildung und Fundorte

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Heyrovskýit bildet sich in Quarz-Gängen, wo er meist vergesellschaftet mit Albit, Arsenopyrit, gediegen Bismut, Bursait, Chalkopyrit, Covellin, Cosalit, Galenit, Galenobismutit, Molybdänit, Pyrit, Sphalerit, Siderit, Mikroklin auftritt.

Als seltene Mineralbildung ist Heyrovskýit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen worden, wobei weltweit bisher rund 60 Fundorte dokumentiert sind (Stand 2022).[12] Seine Typlokalität Hůrky ist dabei der bisher einzige bekannte Fundort in Tschechien.

In Deutschland fand man das Mineral bisher nur in der Grube Clara bei Oberwolfach in Baden-Württemberg, den Gruben Storch & Schöneberg bei Gosenbach und Neue Hoffnung im Bensberger Erzrevier in Nordrhein-Westfalen sowie bei Dietersdorf im Südharz in Sachsen-Anhalt.[13]

In Österreich wurde Heyrovskýit bisher vor allem in den Hohen Tauern, genauer in der Scheelit-Lagerstätte im Felbertal, im Gebiet Siglitz-Bockhart im Gasteinertal und an einigen Stellen im Habachtal und Rauris in Salzburg sowie in der Grube Milleiten im Zirknitztal in der Goldberggruppe in Kärnten gefunden.[13]

In der Schweiz konnte Heyrovskýit in Gesteinsproben, die bei Straßenbauarbeiten des Furkapasses nahe dem dortigen Hotel Belvédère und beim Bau des Mittalgraben-Tunnels zwischen Goppenstein und Hohtenn anfielen, nachgewiesen werden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Australien, China, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Papua New Guinea, Rumänien, Russland, der Slowakei, Spanien, im Vereinigten Königreich (UK) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[13]

Siehe auch

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Literatur

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  • J. Klomínský, M. Rieder, C. Kieft, L. Mráz: Heyrovskýite, 6(Pb0.86Bi0.08(Ag,Cu)0.04)S·Bi2S3, from Hurky, Czechoslovakia, a new mineral of genetic interest. In: Mineralium Deposita. Band 6, 1971, S. 133–147, doi:10.1007/BF00206625 (englisch).
  • Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 57, 1972, S. 325–329 (englisch, rruff.info [PDF; 360 kB; abgerufen am 20. November 2022]).
  • Yoshio Takéuchi, Junkou Takagi: The structure of heyrovskyite (6PbS·Bi2S3). In: Proceedings of the Japan Academy. Band 50, 1974, S. 76–79, doi:10.2183/pjab1945.50.76 (englisch).
  • D. Pinto, T. Balić-Žunić, A. Garavelli, F. Vurro: Structure refinement of Ag-free heyrovskýite from Vulcano (Aeolian Islands, Italy). In: American Mineralogist. Band 96, 2011, S. 1120–1128 (englisch, rruff.info [PDF; abgerufen am 20. November 2022]).
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Commons: Heyrovskýite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c d Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  2. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 20. Dezember 2022]).
  3. a b c Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 353.
  4. a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 143 (englisch).
  5. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. a b c Heyrovskýite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 52 kB; abgerufen am 20. November 2022]).
  7. a b Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 482 (Erstausgabe: 1891).
  8. Josef Klomínský bei prabook.org (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  9. Ernest H. Nickel, Joel D. Grice: The IMA Commission on New Minerals and Mineral Names: Procedures and Guidelines on Mineral Nomenclature. In: The Canadian Mineralogist. Band 36, 1998, S. 1–14 (englisch, cnmnc.units.it [PDF; 336 kB; abgerufen am 20. Dezember 2022] General guidelines for Mineral Nomenclature ab S. 8).
  10. Ernst A. J. Burke: Tidying up Mineral Names: an IMA-CNMNC Scheme for Suffixes, Hyphens and Diacritical marks. In: Mineralogical Record. Band 39, Nr. 2, 2008, S. 133 (englisch, rruff.info [PDF; 2,8 MB; abgerufen am 20. November 2022]).
  11. a b Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  12. Localities for Heyrovskýite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 20. November 2022 (englisch).
  13. a b c Fundortliste für Heyrovskýit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 20. November 2022.