IX. Fliegerkorps

Militärischer Verband

Das IX. Fliegerkorps war ein Großverband der Luftwaffe der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.

IX. Fliegerkorps


Flagge des Kommandierenden Generals eines Fliegerkorps
Aktiv 16. Oktober 1940 bis 8. Mai 1945
Staat Deutsches Reich NS Deutsches Reich
Streitkräfte Wehrmacht
Teilstreitkraft Luftwaffe
Typ Flieger-Korps
Gliederung Unterstellte Verbände
Hauptquartier Soesterberg[1] (Oktober 1940 bis Juni 1941)
Franc Port[2] (Juni 1941 bis Oktober 1943)
Beauvais[3] (Oktober 1943 bis August 1944)
Eindhoven[4] (August 1944)
Zerbst (August bis November 1944)
Prag[5] (November 1944 bis Januar 1945)
Treuenbrietzen[6] (Februar bis April 1945)
München (April bis Mai 1945)
Kommandierender General
Erster Kommandierender General Generalleutnant Joachim Coeler
Letzter Kommandierender General Generalmajor Dietrich Peltz

Geschichte

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Das IX. Fliegerkorps wurde am 16. Oktober 1940 in Soesterberg in den deutschbesetzten Niederlanden aus der 9. Flieger-Division gebildet. Es stand bis Juni 1941 unter dem Kommando der Luftflotte 2 und nahm an der Luftschlacht um England teil.

Nachdem im Juni 1941 der größte Teil der fliegenden Verbände, in Anbetracht des bevorstehenden deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, in den Osten verlegt wurde, blieb es als einziges Fliegerkorps im Westen zurück und führte den Luftkrieg gegen Großbritannien mit geringen Mitteln fort. Dazu war es der Luftflotte 3 unterstellt.

Von April bis Juni 1942 führte das Korps Luftangriffe auf militärisch unbedeutende Städte in England durch. Bei dieser von den Alliierten Baedeker Blitz bezeichneten Angriffsserie auf Exeter, Bath, Norwich, York und Canterbury nahmen bis zu 100 Bomber pro Angriff teil. Bei den Angriffen kamen in den fünf Städten insgesamt 1637 Zivilpersonen ums Leben, 1760 wurden verletzt. Mehr als 50.000 Gebäude wurden zerstört oder schwer beschädigt. Bekannte Gebäude waren die Guildhall in York und die Assembly Rooms in Bath.[7][8]

Im Jahre 1943 setzte das Korps die nächtlichen Luftangriffe auf britische Städte fort, wenn auch mit geringen Mitteln. Die beiden zahlenmäßig schwersten Luftangriffe mit je 118 und 117 Bombern galten am 17. Januar und am 3. März London. Jeweils sechs Bomber gingen verloren. Über das Jahr verteilt erfolgten weitere Luftangriffe von Aberdeen in Schottland am 21. April über Cardiff in Wales am 17. Mai bis Norwich das gleich dreimal betroffen war.[9] Dagegen spielten die Jagdbomberangriffe des Schnellkampfgeschwaders 10 eine noch geringere Rolle. In einer Stärke von höchstens 28 Jagdbombern griffen sie tagsüber britische Städte an, bei denen es sich überwiegend um wenig geschützte Städte wie Yarmouth, Lowesoft oder Eastbourne handelte.[10]

Ab Januar 1944 flog das Korps, im Rahmen des Unternehmens Steinbock, wieder verstärkt Luftangriffe auf London und andere britische Städte.[11] Dazu war es massiv mit Bomberverbänden von anderen Kriegsschauplätzen aufgerüstet worden. So kamen die Kampfgeschwader 30, 54 und die I. Gruppe des Kampfgeschwaders 76 aus dem Mittelmeerraum und die I./KG 100 von der Ostfront. Dazu kamen die Kampfgeschwader 2, 6 und I./SKG 10. Die I./KG 66, ein neu aufgestellter Verband, war speziell für die Zielfindung/Zielmarkierung (Pfadfinder-Aufgaben) ausgebildet. Ab dem 21. Januar griff das Korps mehrmals zur Nachtzeit London an. Die Zahl der angreifenden Bomber bewegte sich dabei von 447 im Januar bis 75 im März, mit abnehmender Tendenz.[12]

Zur Behinderung der alliierten Invasionsvorbereitungen griff das Korps in den Nächten des 25./26. April mit 193 Bombern, am 26./27. April mit 78 Bombern den Hafen von Portsmouth und in der Nacht 29./30. April mit 101 Bombern den Hafen von Plymouth an. Auch warf es Seeminen vor die Hafenmündung von Portsmouth.[13] Im Mai setzte das Korps diese Luftangriffe in der Nacht des 14./15. Mai mit 91 Bombern (13 Verluste) auf Bristol, in den Nächten 15./16. Mai mit 106 Bombern (6 Verluste) und 22./23. Mai mit 104 Bombern (8 Verluste) auf Portsmouth fort. In den folgenden Nächten attackierte es kleinere Kanalhäfen, so am 27./28. Mai mit 66 Bombern Weymouth, am 28/29. Mai mit 65 Bombern Torquay und am 29./30. Mai mit 51 Bombern (2 Verluste) Falmouth.[14] Bei allen Luftangriffen wurden keine bestätigten Versenkungen von Schiffen erzielt.

Das Unternehmen lief bis Mai 1944 weiter, brachte aber außer hohen Verlusten unter den Bomberbesatzungen nichts ein. Das XI. Fliegerkorps verlor während der 28 größeren Angriffe innerhalb von fünf Monaten 329 Flugzeuge als Totalverlust. In den angegriffenen Städten starben ungefähr 1500 Menschen.[12]

Im Mai 1944, kurz vor der alliierten Landung in der Normandie verfügte das Korps noch über 107 Bomber.[15] Nach der alliierten Invasion am 6. Juni griff das Korps eine Woche lang erfolglos alliierte Nachschubschiffe im Ärmelkanal an, aufgrund der alliierten Luftüberlegenheit meistens nachts. Allerdings standen dem Korps am Invasionstag nur 24 einsatzbereite Bomber zur Verfügung. Danach verminten sie ohne Erfolg die Seinemündung.[16] Sich den Rückzügen des Heeres ab August 1944 anpassend verlegte das Korps zurück ins Reichsgebiet und wurde der Luftflotte Reich unterstellt.[17] Dort erhielt es am 13. November 1944 die Bezeichnung IX. Fliegerkorps (J) (das J stand für Jagd) und führte ehemalige Bomberverbände, die dazu auserkoren waren, in Jagdgeschwader umzuschulen und umzurüsten.

Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht wurde es am 8. Mai 1945 in München aufgelöst.

Personen

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Kommandierender General

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Dienstgrad Name Datum
Generalleutnant Joachim Coeler 16. Oktober 1940 bis 14. Dezember 1942[18]
Generalleutnant Stefan Fröhlich 29. Dezember 1942 bis 4. September 1943[19]
Oberst Dietrich Peltz 4. September 1943 bis 12. November 1944[20]
Generalmajor Dietrich Peltz 26. Januar 1945 bis 8. Mai 1945[21]

Chef des Stabes

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Dienstgrad Name Datum
Oberst Hans-Armin Czech 16. Oktober 1940 bis 1. August 1941[22]
Generalmajor Alfred Schlemm 1. August 1941 bis 1. Oktober 1941[23]
Oberst Hans-Detlef Herhudt von Rohden 1. Oktober 1941 bis 12. August 1942[24]
Oberst Hans Wolter 23. August 1942 bis 23. November 1944[25]
Oberst Erhart Krafft von Dellmensingen 1. Januar 1945 bis 10. Februar 1945[26]
Oberst Erich Bode 10. Februar 1945 bis April 1945[27]

Erster Generalstabsoffizier

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Dienstgrad Name Datum
Major Franz Böhme 20. Februar 1942 bis 15. August 1943[28]
Major Walter Enneccerus 15. August 1943 bis 1. September 1943[29]
Major Fritz Schürmeyer 6. Februar 1944 bis 24. November 1944[30]
Major Wolfgang Drosson 24. November 1944 bis 8. Mai 1945[31]

Unterstellung

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Unterstellung von bis
Luftflotte 2 November 1940 Juni 1941
Luftflotte 3 Juni 1941 September 1944
Luftflotte Reich September 1944 November 1944
Luftflotte 10 November 1944 Januar 1945
Luftflotte Reich Januar 1945 Mai 1945

Unterstellte Verbände

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22. Juni 1941[32][A 1]
Stab, I. und III./Kampfgeschwader 4; I./Kampfgeschwader 28; III./Kampfgeschwader 26; Stab, I. und III./Kampfgeschwader 30; 3./Fernaufklärungsgruppe 122
Juni 1942[33]
Stab, I. und II./Kampfgeschwader 2; II./Kampfgeschwader 40; Kampfgruppe 506; Erprobungskommando 100
Juni 1943[33]
Stab, I. und II./Kampfgeschwader 2; II./Kampfgeschwader 40; Stab, I., II., III. und 15./Kampfgeschwader 6; Stab, I. und II. Schnellkampfgeschwader 10; 10./Jagdgeschwader 2; 10./Jagdgeschwader 54; Kampfgruppe 506; Erprobungskommando 100
6. Juni 1944[34]
Stab, I., II. und III./Kampfgeschwader 2; Stab, I., II. und III./Kampfgeschwader 6; Einsatzstaffel Kampfgeschwader 101; I./Schnellkampfgeschwader 10; I./Kampfgeschwader 66; 3./Fernaufklärungsgruppe 122

Anmerkungen

  1. Bedeutung der Abkürzungen, siehe Organisation der Geschwader

Literatur

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  • Georg Tessin: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945, Vierzehnter Band, Die Landstreitkräfte: Namensverbände/Die Luftstreitkräfte (Fliegende Verbände)/Flakeinsatz im Reich 1943–1945, Biblio Verlag Osnabrück 1980, ISBN 3-7648-1111-0.

Einzelnachweise

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  1. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–1945, the Netherlands, S. 20, abgerufen am 27. September 2023.
  2. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–45, France (with Corsica and Channel Islands), S. 113, abgerufen am 19. September 2023.
  3. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–45, France (with Corsica and Channel Islands), S. 38, abgerufen am 19. September 2023.
  4. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–1945, the Netherlands, S. 11, abgerufen am 27. September 2023.
  5. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–1945, Czechoslovakia S. 29, abgerufen am 30. September 2023.
  6. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–45 Germany (1937 Borders), S. 650, abgerufen am 17. September 2023.
  7. A. C. Grayling: Among the Dead Cities. Bloomsbury Publishing PLC 2006, ISBN 0-7475-7671-8, S. 52.
  8. The Open University (Hrsg.): Whose heritage? Stories of Britain’s changing attitudes to heritage. The Open University, o. O. (London) 2009, S. 4–5 Online PDF@1@2Vorlage:Toter Link/media.open2.net (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) 1.255 kB, abgerufen am 8. September 2013.
  9. Horst Boog: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 7. dva, ISBN 3-421-05507-6, S. 370.
  10. Horst Boog: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 7. dva, ISBN 3-421-05507-6, S. 371.
  11. Percy E. Schramm: Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht 1944–1945. Teilband 1 Eine Dokumentation. Bernard & Graefe Verlag, Bonn, ISBN 3-7637-5933-6, S. 291.
  12. a b Horst Boog: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 7. dva, ISBN 3-421-05507-6, S. 377–379.
  13. Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, April 1944. Abgerufen am 17. Oktober 2023.
  14. Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, Mai 1944. Abgerufen am 17. Oktober 2023.
  15. Horst Boog: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 7. dva, ISBN 3-421-05507-6, S. 483.
  16. Horst Boog, Gerhard Krebs, Detlef Vogel: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Das Deutsche Reich in der Defensive. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, München 2001, ISBN 3-421-05507-6, S. 296.
  17. Horst Boog, Richard Lakowski, Werner Rahn, Manfred Zeidler, John Zimmermann: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 10/1 - Die militärische Niederwerfung der Wehrmacht. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008, ISBN 978-3-421-06237-6, S. 814.
  18. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section A–F. (PDF) 2017, S. 734, abgerufen am 13. September 2023 (englisch).
  19. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section A–F. (PDF) 2017, S. 1222–1223, abgerufen am 13. September 2023 (englisch).
  20. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section L–R. (PDF) 2016, S. 778–779, abgerufen am 8. September 2023 (englisch).
  21. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section L–R. (PDF) 2016, S. 778–779, abgerufen am 8. September 2023 (englisch).
  22. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section A–F. (PDF) 2017, S. 756, abgerufen am 13. September 2023 (englisch).
  23. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section S–Z. (PDF) 2016, S. 124–125, abgerufen am 23. Oktober 2022 (englisch).
  24. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section G–K. (PDF) 2017, S. 494, abgerufen am 13. September 2023 (englisch).
  25. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section S–Z. (PDF) 2016, S. 1068–1069, abgerufen am 13. September 2023 (englisch).
  26. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section G–K. (PDF) 2017, S. 1147, abgerufen am 13. September 2023 (englisch).
  27. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section A–F. (PDF) 2017, S. 474, abgerufen am 13. September 2023 (englisch).
  28. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section A–F. (PDF) 2017, S. 495, abgerufen am 14. September 2023 (englisch).
  29. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section A–F. (PDF) 2017, S. 1013, abgerufen am 14. September 2023 (englisch).
  30. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section S–Z. (PDF) 2016, S. 336, abgerufen am 15. September 2023 (englisch).
  31. Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section A–F. (PDF) 2017, S. 902, abgerufen am 14. September 2023 (englisch).
  32. Leo Niehorster: German Air Force, Order of Battle, 3rd Air Fleet, 22 June 1941, abgerufen am 13. September 2023.
  33. a b German Luftflotte 1939–1945 (PDF; 154 kB), S. 4–5.
  34. Leo Niehorster: German Air Force, Order of Battle, 3rd Air Fleet, 6 June 1944, abgerufen am 14. September 2023.