KGB-Residentur Magdeburg
Die KGB-Residentur Magdeburg (russisch Резидентура КГБ в Магдебурге) war eine regionale Außenstelle des sowjetischen Auslandsgeheimdienstes KGB in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Sie war in verschiedenen Gebäuden auf den Grundstücken Klausenerstraße 18 bis 23 in Magdeburg untergebracht. In der Residentur wurde Problemen der sowjetischen Streitkräfte im Bezirk Magdeburg – Magdeburg gehörte zu den größten Garnisonsstädten der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (3. Armee) – ebenso nachgegangen wie allen weiteren auslandsgeheimdienstlichen Tätigkeiten. Dafür bestand ein enges Arbeitsverhältnis mit der Bezirksverwaltung Magdeburg des Ministeriums für Staatssicherheit. Als Außenstellen der Residentur fungierten das Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft in Magdeburg und weitere Einrichtungen mit sowjetischem Bezug, wie die dortige Sowjetische Handelsvertretung.
KGB-Residentur Magdeburg | |
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Ehemalige KGB-Residentur Klausenerstraße 18 in Magdeburg | |
Daten | |
Ort | Magdeburg |
Architekt | Anton Esche |
Bauherr | Mundt |
Baujahr | 1879 |
Koordinaten | 52° 6′ 47″ N, 11° 36′ 24,2″ O |
Arbeitsgebiet der KGB-Residentur Magdeburg von 1945 bis 1994 |
Mit dem Abzug der Sowjetarmee vom Gebiet der ehemaligen DDR wurde auch die KGB-Residentur aufgegeben.[1] Bei anschließenden Bauarbeiten auf dem Gelände wurden von 1994 bis 1996 Massengräber von etwa 60 Männern entdeckt, deren Identität noch nicht geklärt werden konnte.[2]
Standort und Struktur
BearbeitenDie KGB-Residentur befand sich in verschiedenen Gebäuden auf den Grundstücken Klausenerstraße 18 bis 23 in Magdeburg. Bereits 1970 wurde beispielsweise das Gebäude Klausenerstraße 23 (vormals Westendstraße 36) an die Behörden der DDR zurückgegeben.[3][4] Zentraler Bau der KGB-Residentur war das Gebäude Klausenerstraße 18, eine 1879 vom Architekten und Zimmermeister Anton Esche erbaute Villa. Zeitweise dazu gehörte auch das Gebäude Klausenerstraße 22 (Sudenburg Nr. 18), eine zweistöckige Villa mit ehemals flachem Dach, die 1880 ebenfalls von Esche für Rudolf Weinlig, 1879–1888 Direktor des Magdeburger Vereins für Dampfkesselbetrieb[5], errichtet wurde. Der ehemals reich verzierte Anbau auf der Gartenseite wurde 1889 im Auftrag eines neuen Besitzers angefügt.[6]
Die KGB-Residentur Magdeburg verfügte – wie alle Residenturen in den Bezirksstädten – über ein „Inneres Gefängnis“. Solche „Inneren Gefängnisse“ wurden dazu genutzt, Festgenommene zu sammeln, sie in Untersuchungs- oder Vorbeugehaft zu nehmen und sie auf spezielle Lager zu verteilen oder in Haftstätten in der UdSSR zu deportieren.[7] Die Einrichtung der KGB-Residentur erfolgte nach der sowjetischen Besetzung Magdeburgs im Jahr 1945.
Leiter der Residentur
BearbeitenLeitender Verbindungsoffizier des KGB war vom 7. August 1956 bis Juli 1960 Oberst Nikolai Iwanowitsch Deschin (1916–1977, Николай Иванович Дешин).[8][9]
Geschichtlicher Kontext
BearbeitenGerüchte über Hitlers Gebeine
BearbeitenNach Aussage des ehemaligen KGB-Oberleutnants Wladimir Gumenjuk sollen im Frühjahr 1970 auf einem der Grundstücke der KGB-Residentur in Magdeburg ein Teil der sterblichen Überreste von Adolf Hitler und Eva Braun exhumiert worden sein, die dort ab 1945 deponiert gewesen sein sollen. „Auf dem Gelände der Garnison wurde an der Stelle des Grabs ein Zelt errichtet, angeblich, um darin Gasmasken zu schwefeln.“ Die angeblich freigelegten Kisten seien zu einem Scheiterhaufen gestapelt worden, der mit 20 Liter Benzin übergossen und angezündet wurde. Die Asche sei in einen Fluss geworfen worden.[3][10]
KGB-Tätigkeit
BearbeitenIm November 1971 kam es im unmittelbaren Zuständigkeitsbereich der KGB-Residentur zu einem „Vorkommnis mit sowjetischen Soldaten in Burg“ (27 km von Magdeburg entfernt) bei dem zwei Revierförster illegale Jagdaktivitäten zu verhindern suchten. Der Umfang der Untersuchung bleibt aber unklar, da von dem Vorgang nur eine Zusammenfassung der Staatssicherheit überliefert geblieben ist.[11] Die Auflösung der KGB-Residentur erfolgte zwischen 1990 und dem Abzug der letzten sowjetischen Truppen aus dem Militärstädtchen Nr. 7 am 15. August 1994.
Tote aus den Massengräbern
BearbeitenIn den Jahren 1994 und 1996 wurden bei Bauarbeiten auf dem Grundstück Klausenerstraße 18 die sterblichen Überreste von zahlreichen Menschen entdeckt. Die Überreste stammen wahrscheinlich aus den 1950er Jahren und wurden geborgen, rechtsmedizinisch untersucht und 2003 auf dem Westfriedhof beigesetzt.[12] Insgesamt waren hier etwa 60 Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren getötet und vergraben worden.
Unklar war zunächst, ob es sich um Opfer sogenannter Endphaseverbrechen oder um Opfer des sowjetischen Geheimdienstes im Kontext des Aufstandes vom 17. Juni 1953 handelte. Um den Todeszeitpunkt einzugrenzen, untersuchten Gerichtsmediziner unter Leitung des Magdeburger Rechtsmediziners Reinhard Szibor die Gräser- und Pflanzenpollen in den Nasenhöhlen von Skeletten aus dem Massengrab. Die Ergebnisse wurden im Wissenschaftsmagazin Nature (1. Oktober 1998) veröffentlicht.[13][14] Die Studie ergab, „daß in den Nasenhöhlen von sieben Schädeln ein Pollenartenspektrum zu finden war, das von Pflanzen stammt, die im Juni bis Juli, aber nicht zur Zeit des Kriegsendes (April bis Mai) blühen. Das waren zum Beispiel Wegerich, Eiche, Linde und Gräser. Wie der Leiter dieser Studie, Professor Dr. Reinhard Szibor, feststellt, stützt der Befund somit die zweitgenannte Hypothese und zeigt zugleich, daß die Pollenanalyse eine wertvolle Ergänzung der Methoden zur Todeszeitbestimmung darstellt.“[15] Weitere Untersuchungen nahm der Biologe Mark Benecke vor, der aufgrund der in 21 Personen gefundenen Sommerpollen ebenfalls von Opfern des Aufstands vom 17. Juni 1953 ausgeht.[16]
Die sterblichen Überreste wurden später in einem denkmalartig gestalteten Gemeinschaftsgrab im Bereich der Kriegsgräberstätten auf dem Westfriedhof in Magdeburg beigesetzt, deren Tafel folgenden Wortlaut hat: „Letzte Ruhestätte für 60 Männer. Im Alter von 18 bis 30 Jahren getötet und vergraben“.
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Denkmal für 60 Tote aus der Klausenerstraße auf dem Westfriedhof
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Gedenktafel am Gemeinschaftsgrab
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Gemeinschaftsgrab mit 60 Toten auf dem Westfriedhof
Akten und Literatur
Bearbeiten- Douglas Selvage, Georg Herbstritt (Hrsg.): Der „große Bruder“. Studien zum Verhältnis von KGB und MfS 1958 bis 1989. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2022, ISBN 978-3-525-31733-4. (doi:10.13109/9783666317330)
- Juri Puschkin: GRU in Deutschland. Die Aktivitäten nach der Wende. Barett-Verlag, Düsseldorf 1992, ISBN 3-924753-56-3.
Weblinks
Bearbeiten- Video: Auf der Suche nach Hitlers Gebeinen. In: Der Spiegel Online vom 23. Juli 2012
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Steffen Honig: Die Russen gingen ohne Groll. In: Volksstimme. 8. April 2024, abgerufen am 16. Oktober 2024.
- ↑ Kriegsgräberstätten. Orte der Erinnerung, des Gedenkens und des Lernens: Magdeburg, Westfriedhof, in: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., eingesehen am 2. November 2024.
- ↑ a b Manfred Quiring: Wie das KGB heimlich Hitlers Gebeine verbrannte. In: Die Welt. 22. November 1999, abgerufen am 16. Oktober 2024.
- ↑ Steffen Könau: Adolf Hitlers Asche wurde in Sachsen-Anhalt verteilt. In: Mitteldeutsche Zeitung. 16. Juni 2016, abgerufen am 16. Oktober 2024.
- ↑ Sudenburg Chronik – Die Industriegeschichte Sudenburgs, abgerufen am 21. November 2024
- ↑ Sabine Ullrich: Gründerzeitliche Villen in Magdeburg. Hrsg.: Landeshauptstadt Magdeburg, Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Protokoll (= Landeshauptstadt Magdeburg). 1993, S. 106, urn:nbn:de:gbv:3:2-127018 (magdeburg.de [PDF]).
- ↑ Alexander Heinert: Ein dunkles Kapitel: Sowjetische Sonderhaftanstalten in Ostdeutschland. Bundeszentrale für politische Bildung, 9. September 2021, abgerufen am 16. Oktober 2024.
- ↑ ДЕШИН Николай Иванович, eingesehen am 27. Oktober 2024.
- ↑ Окружное УМГБ по Магдебургу (BVfS Magdeburg), eingesehen am 27. Oktober 2024.
- ↑ Hitlers Höllenfahrt. In: Spiegel. 2. April 1995, abgerufen am 16. Oktober 2024.
- ↑ Vorkommnis mit sowjetischen Soldaten in Burg. 8. November 1971, abgerufen am 27. Oktober 2024 (BArch, MfS, ZAIG 1987, Bl. 1–3 (3. Expl.)).
- ↑ Magdeburg – Westfriedhof Magdeburg – Grab Opfer Klausener Straße –. Abgerufen am 16. Oktober 2024.
- ↑ Reinhard Szibor, Claudia Schubert, Rüdiger Schöning, Dieter Krause, U. Wendt: Pollen analysis reveals murder season. In: Nature. Band 395, Nr. 6701, 1998, S. 449–450, doi:10.1038/26646, PMID 9774099.
- ↑ Henry Gee: Season of death. In: Nature. 1998, ISSN 1476-4687, doi:10.1038/news981008-2.
- ↑ Kornelia Suske: Blütenstaub enträtselt Massenmord. In: idw-Informationsdoienst Wissenschaft. 10. Januar 1998, abgerufen am 16. Oktober 2024.
- ↑ Bernd Kaufholz: Opfer des 17. Juni in Magdeburg verscharrt? In: Volksstimme. 16. Oktober 2018, abgerufen am 16. Oktober 2024.