Katakombenpakt wird eine am 16. November 1965, während des Zweiten Vatikanischen Konzils, in der Basilika der heiligen Nereus und Achilleus über den Domitilla-Katakomben in Rom von einer Gruppe von Bischöfen unterzeichnete Selbstverpflichtung zu einem einfachen Lebensstil und zum Dienst an den Armen genannt.

Sogenannte Katakombenbasilika über den Domitilla-Katakomben, wo 1965 der Katakombenpakt unterzeichnet wurde

Geschichte

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Katakombenpakt 1965

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Wenige Wochen vor dem Ende des Konzils feierten 40 Konzilsväter aus der ganzen Welt miteinander Eucharistie und gingen am Ende der Messfeier den nach dem Ort des Geschehens benannten Pakt ein. Zu den Erstunterzeichnern gehörten zwei Deutsche: Julius Angerhausen (1911–1990), Weihbischof in Essen, und Hugo Aufderbeck (1909–1981), Weihbischof in Erfurt.[1] Später schlossen sich 500 weitere Bischöfe aus der ganzen Welt diesem Pakt an.

Als wesentliche Initiatoren der Gruppe gelten Hélder Câmara, Bischof Guy-Marie Riobé von Orléans und Kardinal Giacomo Lercaro.[2]

Der Pakt griff Thomas Fornet-Ponse zufolge folgende Impulse auf:[3]

  • das Leitwort Johannes’ XXIII. von einer „Kirche der Armen“:[4][5][6] „Die Kirche als das, was sie ist und sein will, [erweise sich als] die Kirche aller, vornehmlich die Kirche der Armen.“[7]
  • den Aufruf aus Nazareth von P. Paul Gauthier, einem Arbeiterpriester in Nazareth, und seiner „Bruderschaft der Gefährten des Zimmermanns Jesus von Nazareth“ mit der Überschrift Jesus, die Kirche und die Armen. Diesen Aufruf verteilten Maximos V. Hakim, Bischof (seit 1964 Erzbischof) der melkitischen Kirche in Nazareth, und der belgische Bischof Charles-Marie Himmer von Tournai an zahlreiche Mitbischöfe. P. Gauthier, Bischof Maximos und Bischof Himmer warben dafür, dass „das Geheimnis Christi in den Armen […] nicht ein Thema des Konzils unter anderen sein, sondern […] die zentrale Frage werden“ müsse.[8]
  • die Studie von Yves Congar OP Für eine dienende und arme Kirche.

Die Bischöfe machten sich in einer Ich-Botschaft das Vorbild Jesu und dessen Auftrag an seine Jünger zu eigen. Die Unterzeichner bemerkten, dass sich trotz einzelner Erfolge ihr Einsatz für eine Kirche der Armen gesamtkirchlich nicht realisieren würde.[9] Sie beschlossen daher, selbst mit ihrem Beispiel voranzugehen.

Laut Luigi Bettazzi, dem zuletzt letzten lebenden Erstunterzeichner des Paktes, setzt Papst Franziskus durch seinen Lebensstil und seine Amtsführung die Ideen des Katakombenpaktes um.[10]

Katakombenpakt 2019

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Am 20. Oktober 2019 wurde am selben Ort während der Amazonas-Synode der „Katakombenpakt für das Gemeinsame Haus“ geschlossen. Er wurde in Erinnerung an den ersten Pakt von 1965 im Rahmen eines Gottesdienstes in der Basilika von rund 50 Bischöfen und zahlreichen Laien unterzeichnet. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem der brasilianische Kardinal und Präsident des kirchlichen Panamazonien-Netzwerks REPAM (Red Eclesial PanAmazonica), Kardinal Claudio Hummes, der die Amazonas-Synode als Generalrelator moderierte, und Erwin Kräutler.

In den Nummern 1 bis 3 des in 15 Teile gegliederten Pakts wird die Schöpfungsverantwortung des Menschen und der schonende Umgang mit den Ressourcen der Erde behandelt. Eine erneute Bekräftigung der Option für die Armen, des Schutzes der Vielfalt der südamerikanischen Ureinwohner und ihrer Kulturen, Sprachen und spirituellen Traditionen sowie eine konsequente Ablehnung jeder kolonialistischen Tendenz wird von den Unterzeichnern in den Nummern 4 bis 7 bekundet. Die verbleibenden Aussagen des Texts beziehen sich hauptsächlich auf die pastorale Situation in den südamerikanischen Diözesen. Hierbei werden besonders die Ökumene, ein synodaler Lebensstil, die verschiedenen kirchlichen Dienste, die Diakonie sowie neue Wege und Konzepte pastoralen Handelns angesprochen.[11]

Wesentliche Punkte des Paktes

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  • Wir wollen so leben, im Blick auf Wohnung, Essen und Verkehrsmittel, wie die Menschen um uns herum.
  • Wir verzichten darauf, auch was unsere Amtskleidung angeht, als Reiche zu erscheinen.
  • Wir wollen weder Immobilien noch Mobiliar besitzen.
  • Wir lehnen es ab, mit Titeln angesprochen zu werden.
  • Wir werden jeden Eindruck vermeiden, Reiche und Mächtige zu bevorzugen.
  • Wir wollen uns vor allem den Benachteiligten und Unterentwickelten zuwenden.
  • Unsere sozialen Werke, die wir unterstützen, sollen sich auf Liebe und Gerechtigkeit gründen und Frauen und Männer in gleicher Weise im Blick haben.
  • Das Gleiche wollen wir durch unseren Einsatz bei den Verantwortlichen unserer Regierungen durchsetzen.

Veröffentlichung

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Die 13 Selbstverpflichtungen wurden erstmals am 9. Dezember 1965, dem Tag nach dem feierlichen Abschluss des Konzils, von der französischen Tageszeitung Le Monde veröffentlicht. In deutscher Sprache wurden sie erstmals 1969 in einer in Ost-Berlin erschienenen Biographie von Camilo Torres bekannt gemacht.[12]

Bekannte Erstunterzeichner

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Dokumente zu den Erstunterzeichnern finden sich im Nachlass von Bischof Charles-Marie Himmer.[13] Zu den Erstunterzeichnern gehören:[14][6]

Kirche der Armen

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In der Bischofsgruppe „Opus Angeli“, „Kirche der Armen“, arbeiteten auch die folgenden Bischöfe mit, aber für ihre Unterzeichnung gibt es (noch) keinen Beleg:[6]

  • Manuel Larraín Errázuriz, Bischof von Talca, Chile und Präsident des CELAM (Lateinamerikanische Bischofskonferenz)
  • Marcos G. Mc.Grat, Bischof von Santiago de Veraguas, Panamerikanischer Sekretär des CELAM
  • Leonidas Proaño, Bischof von Ríobamba, Ecuador
  • Alberto Devoto, Bischof von Goya, Argentinien
  • Vicente F. Zazpe, Erzbischof von Sta. Fe, Argentinien
  • J. José Iriarte, Bischof von Reconguista, Argentinien
  • Alfredo Viola, Bischof von Salta, Uruguay
  • Tulio Botero Salazar, Erzbischof von Medellín, Kolumbien
  • Raúl Zambrano Camader, Bischof von Facatativá, Kolumbien
  • Sergio Méndez Arceo, Bischof von Cuernavaca, Mexiko
  • Samuel Ruiz García, Bischof von San Cristóbal de las Casas, Mexiko

Im Rundbrief der „Plattform Theologie der Befreiung“ schrieb Norbert Arntz 2010: „In der gegenwärtigen Lage der Kirche wirkt der Pakt wie ein subversives Vermächtnis des II. Vatikanischen Konzils.“[15]

Katakombenbasilika

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Katakombenbasilika über den ursprünglichen Gräbern der heiligen Nereus und Achilleus in den Domitilla-Katakomben
 
Basilika Santi Nereo e Achilleo an den Caracalla-Thermen

Über den Domitilla-Katakomben wurde um 390 unter Papst Siricius (384–399) die Basilika der heiligen Nereus und Achilleus in der Weise erbaut, dass man die Kirche zur Hälfte unter die Erdoberfläche verlegte, um den Altar unmittelbar über den dortigen Gräbern der um 295 als Märtyrer verstorbenen kaiserlichen Soldaten Nereus und Achilleus errichten zu können. Diese Bauform wird als Katakombenbasilika oder Coemeterialbasilika (Basilica ad corpus) bezeichnet. Der im 9. Jahrhundert dem Verfall preisgegebene Kirchenbau wurde 1874 wiederentdeckt, die vorgefundenen Reste ausgegraben und der Bau nach alten Plänen neu errichtet.[16] Die Katakombenbasilika darf nicht verwechselt werden mit der gleichnamigen Kirche Santi Nereo e Achilleo in Nähe der Caracalla-Thermen, in welche die Reliquien der Kirchenpatrone und anderer Heiliger im 6. Jahrhundert aus Sicherheitsgründen übertragen worden waren.

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Literatur

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  • Die dreizehn Selbstverpflichtungen ungenannter Bischöfe auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil. In: Concilium. Band 13, Heft 4, 1977, S. 262–263 (vollständiger Text des Pakts in deutscher Übersetzung).
  • Norbert Arntz: „Für eine dienende und arme Kirche“. Der Katakombenpakt als subversives Vermächtnis des II. Vaticanums. In: Gottfried Bitter, Martina Blasberg-Kuhnke (Hrsg.): Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft. Für Norbert Mette (= Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge. Band 86). Echter, Würzburg 2011, ISBN 978-3-429-03424-5, S. 297–307.
  • Norbert Arntz: Der Katakombenpakt. Für eine dienende und arme Kirche (= Topos Taschenbuch. 1037). Kevelaer 2015, ISBN 978-3-8367-1037-4.
  • Norbert Copray: Der vergessene Katakombenpakt. Heute kämpft Roms Kirche nicht mehr für, sondern gegen Arme. In: Publik-Forum. Heft 22, 23. November 2012 (publik-forum.de Artikelanfang frei abrufbar).
  • Luigi Bettazzi: Das Zweite Vatikanum. Neustart der Kirche aus den Wurzeln des Glaubens. Übersetzung aus dem Italienischen von Barbara Häußler. Echter, Würzburg 2012, ISBN 978-3-429-03531-0.
  • Franz Jussen: Im Pakt mit den Armen. Es ist eine Art Gelübde: Vor 50 Jahren versprachen 40 Konzilsväter, ein einfaches Leben zu führen, auf Machtinsignien zu verzichten und einen Pakt mit den Armen zu schließen. Was ist geblieben von der Idee des legendären Katakombenpakts in der Unterwelt Roms? In: Kontinente. Eine Welt. Ein Magazin. 6/2015, S. 32–34.
  • Thomas Fornet-Ponse: Für eine arme Kirche! Der Katakombenpakt von 1965 als Beispiel der Entweltlichung. In: Stimmen der Zeit. Heft 10, 2012, S. 651–661 (stimmen-der-zeit.de).
  • Norbert Arntz, Philipp Geitzhaus, Julia Lis (Hrsg.): Erinnern und Erneuern. Provokation aus den Katakomben (= Edition-ITP-Kompass. Band 22). ITP, Münster 2018.
  • Stefan Silber: Kirche, die aus sich herausgeht. Auf dem Weg der pastoralen Umkehr, Würzburg: Echter 2018, S. 93–162.

Einzelnachweise

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  1. Giancarlo Collet: „Kirche der Armen“ – eine bleibende Herausforderung. In: DRS.GLOBAL – Aus der weltkirchlichen Arbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Heft Juli 2013, S. 1–2 (drs.de).
  2. Joseph Famarée: Bischöfe und Bistümer. In: Giuseppe Alberigo, Klaus Wittstadt (Hrsg.): Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Band 3: Das mündige Konzil. Zweite Sitzungsperiode und Intersessio, September 1963 bis September 1964. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2002, ISBN 3-7867-2339-7, S. 139–222, dort Kap. 6.2: Die Gruppe „Jesus, die Kirche und die Armen“. S. 194–195.
  3. Raphael Rauch: Kirchengeschichte: Die traurige Aktualität des Katakombenpakts von Wien. In: Die Welt. 14. November 2013, abgerufen am 1. Januar 2024.
  4. Sebastian Pittl: Der Katakombenpakt – das vergessene Erbe des II. Vatikanums. In: kav-wien.at. Katholischer Akademikerverband der Erzdiözese Wien, 14. November 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. April 2013; abgerufen am 21. Oktober 2012.
  5. fachstelle medien und kommunikation (Hrsg.): Fünfzig Jahre Konzil. Materialien. Medien. Hinweise (= MUK, Medien und Kommunikation, Fachstelle Medien und Kommunikation der Erzdiözese München [Hrsg.]: muk-publikationen. Nr. 52). Juni 2012, ISSN 1614-4244, Kap.: 1. Der Katakombenpakt, S. 3–7 (erzbistum-muenchen.de (Memento vom 28. Juli 2013 im Internet Archive) [PDF; 139 kB; abgerufen am 21. Oktober 2012]).
  6. a b c Projektgruppe pro-konzil: Katakombenpakt: „Für eine dienende und arme Kirche“. In: pro-konzil.de. Westfälische Wilhelms-Universität, 11. Oktober 2012, abgerufen am 2. Januar 2024 (Einleitung und deutsche Übersetzung aus dem Spanischen: Norbert Arntz).
  7. Rundfunkansprache vom 11. September 1962, im Volltext in: Herder Korrespondenz. Jg. 17 (1962/1963), S. 43–46.
  8. Hilari Raguer: Das früheste Gepräge der Versammlung. In: Giuseppe Alberigo, Klaus Wittstadt (Hrsg.): Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Band 2: Das Konzil auf dem Weg zu sich selbst. Erste Sitzungsperiode und Intersessio, Oktober 1962 bis September 1963. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2000, ISBN 3-7867-2227-7, S. 201–272, dort Kap. 3.2: Die Gruppe „Kirche der Armen“, S. 237–241.
  9. Normann Tanner: Kirche in der Welt: Ecclesia ad extra. In: Giuseppe Alberigo, Günther Wassilowsky (Hrsg.): Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Band 4: Die Kirche als Gemeinschaft, September 1964 bis September 1965. Matthias-Grünewald-Verlag, Ostfildern 2006, ISBN 3-7867-2526-8, S. 313–448, dort das Kapitel Die Gruppe „Kirche der Armen“ und Lercaros Bericht über die Armut, S. 441–448, vor allem S. 445, Anm. 181.
  10. Christoph Renzikowski: Armer kleiner Bischof. Don Luigi ist der letzte Erstunterzeichner des „Katakombenpakts“. In: katholisch.de, 16. November 2015, abgerufen am 2. Januar 2024.
  11. Gudrun Sailer: Amazonien-Bischöfe schließen neuen Katakombenkpakt. In: vaticannews.va, 20. Oktober 2019, abgerufen am 2. Januar 2024.
  12. Germán Guzmán Campos: Camilo Torres. Persönlichkeit und Entscheidung. Union Verlag, (Ost-)Berlin 1969, S. 125–128.
  13. Archives de l’Université catholique de Louvain, Fonds Ch.-M. Himmer, darin: Concile Vatican II, le groupe « Jésus, l’Église et les pauvres » (uclouvain.be).
  14. Vera Krause: Kirchliche Basisgemeinden in Lateinamerika. Grundlagenartikel zur Adveniat-Aktion 2012. Hrsg.: Bischöfliche Aktion Adveniat. Essen 2012, Kap. Katakombenpakt, S. 14–17, hier S. 15, Fußnote 37 (adveniat.de (Memento vom 20. April 2015 im Internet Archive) [PDF; 6,2 MB]).
  15. Rundbrief der „Plattform Theologie der Befreiung“. Nr. 12, November 2010, ISSN 2220-0711, S. 6, urn:nbn:de:101:1-201103243471 (PDF; 1,1 MB).
  16. Hans Georg Wehrens: Rom. Die christlichen Sakralbauten vom 4. bis zum 9. Jahrhundert. Ein Vademecum. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. Herder, Freiburg / Basel / Wien 2017, ISBN 978-3-451-38300-7, S. 164 f. (mit Grundriss).