Liste der Stolpersteine in Vacha

Wikimedia-Liste

In der Liste der Stolpersteine in Vacha werden die vorhandenen Gedenksteine aufgeführt, die im Rahmen des Projektes Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig bisher in der thüringischen Stadt Vacha im Wartburgkreis verlegt worden sind. Der Stadtrat von Vacha stimmte der Verlegung der Stolpersteine zur Erinnerung an jüdische Vachaer Bürger im November 2013 zu.[1] Am 18. März 2014 wurden acht Stolpersteine an zwei Adressen verlegt, am 12. März 2018 weitere 10 Stolpersteine an drei Adressen.

Verlegte Stolpersteine

Bearbeiten
Stolperstein Inschrift Standort Verlegedatum Name, Leben
  HIER WOHNTE
ADOLF NUSSBAUM
JG. 1887
STADTRAT BIS 1933
GEDEMÜTIGT / DIFFAMIERT
FLUCHT 1934
PALÄSTINA
ÜBERLEBT
Markt 41
(Standort)
 

 
18. März 2014 Adolf Nussbaum wurde am 30. Dezember 1887 in Vacha geboren. Er heiratete Martha geb. Weiler. Das Paar hatte zumindest eine Tochter, Ilse, geboren 1923. Adolf Nussbaum war Stadtrat bis zur Machtergreifung Hitlers und der NSDAP. Unter dem NS-Regime wurde er in seiner Heimatstadt gedemütigt und diffamiert. 1934 flüchtete die ganze Familie in das damalige Britische Mandatsgebiet Palästina.

Am 7. Juni 1938 wurde im Deutschen Reichsanzeiger die Aberkennung der Staatsbürgerschaft verlautbart. Das U.S. Holocaust Memorial Museum schreibt: „Ausbürgerung mit Beschlagnahmung, Enteignung extra ausgewiesen“.[2]

  HIER WOHNTE
ILSE NUSSBAUM
VERH. LEWY
JG. 1923
FLUCHT 1934
PALÄSTINA
ÜBERLEBT
  HIER WOHNTE
MARTHA NUSSBAUM
GEB. WEILER
JG. 1894
FLUCHT 1934
PALÄSTINA
ÜBERLEBT
  HIER WOHNTE
BERTA STRAUSS
GEB. STRAUSS
JG. 1898
DEPORTIERT 1942
RIGA
1944 STUTTHOF
ERMORDET 30.10.1944
THORN/STUTTHOF
Steinweg 2
(Standort)
 

 
18. März 2014 Berta Strauss geb. Strauss, auch Bertha, wurde am 24. März 1898 in Vacha geboren. Sie wurde mit ihren Töchtern und ihrer Schwiegermutter ins Baltikum deportiert und dort ermordet.[3][4][5]
  HIER WOHNTE
BRUNHILDE STRAUSS
JG. 1928
DEPORTIERT 1942
RIGA
1944 STUTTHOF
TODESMARSCH
TOT FEB. 1945
Brunhilde Strauss wurde am 15. Juni 1928 in Vacha geboren. Mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und ihrer Großmutter nach Riga deportiert, wurde sie schließlich im KZ Stutthof ermordet.[6][4][5]
  HIER WOHNTE
HERMANN STRAUSS
JG. 1896
'SCHUTZHAFT' 1938
BUCHENWALD
FLUCHT 1939
USA
ÜBERLEBT
Hermann Strauss wurde am 17. März 1896 als Sohn von Meier Strauss und Jette geb. Strauss geboren. Er wurde Kaufmann und heiratete Berta geb. Strauss. Das Paar hatte zwei Töchter, Susanne, geb. 1926, und Brunhilde, geb. 1928. Am Abend der Novemberpogrome 1938 konnte sich Hermann Strauss vorerst auf dem Boden verstecken, während der nationalsozialistische Mob die Haustür eindrückte und in die Wohnung eindrang. Seine Frau wurde geschlagen, er selbst später in sogenannte „Schutzhaft“ genommen und am nächsten Tag in das KZ Buchenwald verschleppt.[7] Er blieb vier Wochen inhaftiert und wurde mutmaßlich gefoltert. Er wurde unter der Bedingung entlassen, dass er baldigst das Deutsche Reich verlassen würde. Anfang 1939 flüchtete er nach Belgien, im Februar 1940 gelangte er in die Vereinigten Staaten. Seine Familie konnte er nicht mehr nachholen. Mutter, Ehefrau und jüngere Tochter wurden vom NS-Regime ermordet. Die ältere Tochter überlebte KZ-Haft und Todesmarsch, heiratete Hermann Taube aus Łódź und konnte 1947 mit ihrem Mann zu ihrem Vater in die USA emigrieren. Hermann Strauss erlebte die Geburt seiner vier Enkelkinder, er starb im Juli 1966 in Baltimore, Maryland.[4]
  HIER WOHNTE
JETTE STRAUSS
GEB. STRAUSS
JG. 1872
DEPORTIERT 1942
RIGA
ERMORDET 5.2.1942
Jette Strauss geb. Strauss wurde am 20. August 1872 in Langenschwarz im Landkreis Hünfeld geboren. Sie heiratete Meier Strauss aus Vacha. Das Paar hatte zumindest einen Sohn, Hermann, geboren 1896. Der Ehemann starb. 1938 wurde das Geschäft des Sohnes vandaliert, er selbst wurde in das KZ Buchenwald verschleppt. Sehr rasch nach seiner Entlassung flüchtete der Sohn nach Belgien und vor dort in die Vereinigten Staaten. Aufgrund des Kriegsausbruchs konnte er die Familie nicht nachholen. In Vacha konnten sie wegen der antisemitischen Hassausbrüche auch nicht mehr bleiben. Daher organisierte Jette Strauss die Abreise mit Schwiegertochter und Enkeltöchtern nach Berlin. Als letzte Adresse der älteren Dame ist die Kaiser-Friedrich-Straße 53 in Berlin-Charlottenburg vermerkt. 1942 wurde sie nach Riga deportiert und am 5. Februar 1942 von NS-Schergen im Wald erschossen.[8][4]
  HIER WOHNTE
SUSAN STRAUSS
VERH. TAUBE
JG. 1926
DEPORTIERT 1942
RIGA
1944 STUTTHOF
BEFREIT / ÜBERLEBT
Susanne Strauss, später verehelichte Susan Taube, wurde am 9. Januar 1926 in Vacha geboren. Ihre Eltern waren Hermann Strauss und Bertha geb. Strauss. Sie hatte eine jüngere Schwester, Brunhilde, geboren 1928. 1938 wurde sie von der Schule ausgeschlossen. Danach besuchte sie gemeinsam mit ihrer Schwester die Jüdische Schule in Frankfurt am Main. Bei den Novemberpogromen 1938 wurde das Geschäft ihres Vaters vandaliert, er selbst verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Nach seiner Entlassung flüchtete er nach Belgien und vor dort in die USA. Wegen des Kriegsausbruchs im September 1939 konnte er die Familie nicht mehr nachholen. Susanne Strauss musste ihre Heimatstadt verlassen, gemeinsam mit Großmutter, Mutter und Schwester ging sie nach Berlin, wo die vier Frauen Zwangsarbeit verrichten mussten – in der Produktion von Funkgeräten für deutsche U-Boote. Am 25. Januar 1942 wurden die vier Frauen verhaftet und in das besetzte Riga deportiert. Schritt für Schritt wurden ihre Angehörigen ermordet. Die Großmutter wurde kurz nach der Ankunft in den Wald geführt und erschossen. Nach der Auflösung des Ghettos im Oktober 1943 wurden die Mutter mit ihren Töchter in das Konzentrationslager Kaiserwald überstellt. Dort wurde Susanne Strauss von Mutter und Schwester getrennt, musste in der Meteor-Fabrik Zwangsarbeit verrichten und wurde im August 1944 per Schiff in das KZ Stutthof deportiert. Susanne Strauss wurde bereits nach zwei Wochen in Stutthof nach Sophienwalde geschickt, wo sie Schwerarbeit in der Holzwirtschaft und der Ziegelei verrichten musste. Im Januar 1945 wurde sie auf einen Todesmarsch geschickt und gelangte nach 150 Kilometern zu Fuß nach Lauenburg.

Sie kam nach Kriegsende, weil sie nirgendwo hingehen konnte, zum Arbeitsdienst auf einen sowjetischen Bauernhof. Schließlich wurde sie nach Koszalin geschickt, vormals Westpommern, wo sie Hermann Taube kennen lernte, einen polnischen Juden aus Łódź. Die beiden heirateten im Juli 1945. Ein Jahr später, nach dem Pogrom von Kielce, verließen sie Polen und gingen zuerst in das von den Alliierten kontrollierte Deutschland. Von hier aus emigrierten sie im April 1947 in die Vereinigten Staaten. Sie zogen zu Susannens Vater nach Baltimore und bekamen vier Kinder. Susan Taube wirkte hier als ehrenamtliche Mitarbeiterin des U.S. Holocaust Memorial Museum.[4]

  HIER WOHNTE
EDITH OPPENHEIM
JG. 1909
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Schulstraße 6
(Standort)
 

 
12. März 2018 Edith Oppenheim
  HIER WOHNTE
ROSA OPPENHEIM
JG. 1877
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 11.10.1943
Rosa Oppenheim


  HIER WOHNTE
LOUIS BACHRACH
JG. 1876
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 28.5.1944
Sandweg 1
(Standort)
 

 
12. März 2018 Louis Bachrach
  HIER WOHNTE
META BACHRACH
GEB. MANN
JG. 1880
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 10.12.1943
Meta Bachrach
  HIER WOHNTE
ENNY BACHRACH
JG. 1907
FLUCHT 1939
BOLIVIEN
Enny Bachrach
  HIER WOHNTE
ALFRED SCHOEN
JG. 1916
FLUCHT 1936
USA
Steinweg 6
(Standort)
 

 
12. März 2018 Alfred Schoen
  HIER WOHNTE
THERESE SCHOEN
JG. 1874
FLUCHT 1939
USA
Therese Schoen
  HIER WOHNTE
KAUFMANN SCHOEN
JG. 1867
FLUCHT 1939
USA
Kaufmann Schoen
  HIER WOHNTE
SELMA SCHOEN
JG. 1906
EINGEWIESEN 1939
HEILANSTALT HILDBURGHAUSEN
ERMORDET 1941
Selma Schoen
  HIER WOHNTE
SIEGFRIED SCHOEN
JG. 1914
FLUCHT 1936
USA
Siegfried Schoen
Bearbeiten
Commons: Stolpersteine in Vacha – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Vacha erinnert an jüdisches Leben. insuedthueringen.de; abgerufen am 4. Oktober 2014
  2. U.S. Holocaust Memorial Museum: ADOLF NUSSBAUM, abgerufen am 19. Juni 2020
  3. Strauss, Berta. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Bundesarchiv, abgerufen am 14. Januar 2016.
  4. a b c d e U.S. Holocaust Memorial Museum: Susan Taube (Strauss), abgerufen am 19. Juni 2021
  5. a b Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Riga-Komitee der deutschen Städte, Wolfgang Scheffler, Diana Schulle (Hg.): Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden, de Gruyter 2011, S. 296 (Transportliste Berlin–Riga, 25. Januar 1942)
  6. Strauss, Brunhilde Hilde. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Bundesarchiv, abgerufen am 14. Januar 2016.
  7. Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Vacha/Werra (Thüringen), abgerufen am 19. Juni 2021
  8. Strauss, Jette. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Bundesarchiv, abgerufen am 14. Januar 2016.