Die Malliavin-Ableitung (auch stochastische Ableitung genannt) ist ein Begriff aus dem Malliavin-Kalkül und bezeichnet die Ableitung einer Zufallsvariable bezüglich des Ergebnisparameters
ω
∈
Ω
{\displaystyle \omega \in \Omega }
. Da Zufallsvariablen meistens fast sicher definiert sind und
Ω
{\displaystyle \Omega }
im Allgemeinen nicht die passende topologische Struktur besitzt, versagen klassische Ableitungsbegriffe wie zum Beispiel die Fréchet-Ableitung und es muss ein neuer Differenzierungsoperator unabhängig von der topologischen Struktur definiert werden.
Die Malliavin-Ableitung ist nach dem französischen Mathematiker Paul Malliavin benannt. Der adjungierte Operator der Malliavin-Ableitung ist der Divergenz-Operator, betrachtet man einen L2 -Raum und weißes Rauschen , dann nennt man diesen Skorochod-Integral .
Mit
C
p
∞
(
R
n
)
{\displaystyle C_{p}^{\infty }(\mathbb {R} ^{n})}
notieren wir den Raum der glatten Funktionen , deren partiellen Ableitungen polynomiales Wachstum besitzen, d. h.
|
f
(
k
)
(
x
)
|
≤
C
(
1
+
|
x
|
n
)
{\displaystyle |f^{(k)}(x)|\leq C(1+|x|^{n})}
für alle
k
{\displaystyle k}
und ein
n
{\displaystyle n}
.
Sei
(
Ω
,
F
,
P
)
{\displaystyle (\Omega ,{\mathcal {F}},P)}
ein vollständiger Wahrscheinlichkeitsraum und
W
{\displaystyle W}
ein isonormaler Gauß-Prozess auf einem separablen Hilbert-Raum
H
{\displaystyle H}
und
F
:=
σ
(
W
)
{\displaystyle {\mathcal {F}}:=\sigma (W)}
. Definiere die Klasse
S
⊂
L
2
(
Ω
;
R
)
{\displaystyle {\mathcal {S}}\subset L^{2}(\Omega ;\mathbb {R} )}
glatter Zufallsvariablen der Form
F
=
f
(
W
(
h
1
)
,
…
,
W
(
h
n
)
)
{\displaystyle F=f(W(h_{1}),\dots ,W(h_{n}))}
für
h
1
,
…
,
h
n
∈
H
,
f
∈
C
p
∞
(
R
n
,
R
)
{\displaystyle h_{1},\dots ,h_{n}\in H,\;f\in C_{p}^{\infty }(\mathbb {R} ^{n},\mathbb {R} )}
und
n
∈
N
{\displaystyle n\in \mathbb {N} }
.
Die Malliavin-Ableitung einer Zufallsvariable
F
∈
S
{\displaystyle F\in {\mathcal {S}}}
ist die
H
{\displaystyle H}
-wertige Zufallsvariable
D
F
=
∑
i
=
1
n
∂
i
f
(
W
(
h
1
)
,
…
,
W
(
h
n
)
)
h
i
.
{\displaystyle DF=\sum \limits _{i=1}^{n}\partial _{i}f(W(h_{1}),\dots ,W(h_{n}))h_{i}.}
Die Richtungsableitung nach
h
∈
H
{\displaystyle h\in H}
ist dann definiert als[ 1]
D
h
F
=
⟨
D
F
,
h
⟩
H
=
lim
ε
→
0
1
ε
[
f
(
W
(
h
1
)
+
ε
⟨
h
1
,
h
⟩
H
,
…
,
W
(
h
n
)
+
ε
⟨
h
n
,
h
⟩
H
)
−
f
(
W
(
h
1
)
,
…
,
W
(
h
n
)
)
]
.
{\displaystyle D_{h}F=\langle DF,h\rangle _{H}=\lim \limits _{\varepsilon \to 0}{\frac {1}{\varepsilon }}[f(W(h_{1})+\varepsilon \langle h_{1},h\rangle _{H},\dots ,W(h_{n})+\varepsilon \langle h_{n},h\rangle _{H})-f(W(h_{1}),\dots ,W(h_{n}))].}
Die Ableitung hängt nicht von der Darstellung von
F
{\displaystyle F}
ab.
Der Operator
D
{\displaystyle D}
ist abschließbar von
L
p
(
Ω
)
{\displaystyle L^{p}(\Omega )}
nach
L
p
(
Ω
;
H
)
{\displaystyle L^{p}(\Omega ;H)}
für
p
≥
1
{\displaystyle p\geq 1}
und dieser eindeutige Abschluss wird wieder mit
D
{\displaystyle D}
notiert.[ 2]
Wir definieren die
k
{\displaystyle k}
-te Ableitung als die
H
⊗
k
{\displaystyle H^{\otimes k}}
-wertige Zufallsvariable durch die Iteration
D
k
F
:=
D
D
k
−
1
F
{\displaystyle D^{k}F:=DD^{k-1}F}
.
Die Domäne von
D
k
{\displaystyle D^{k}}
in
L
p
(
Ω
)
{\displaystyle L^{p}(\Omega )}
, d. h. die Vervollständigung von
S
{\displaystyle {\mathcal {S}}}
bezüglich der Malliavin-Sobolew-Norm definiert durch
‖
F
‖
k
,
p
=
[
E
[
|
F
|
p
]
+
∑
j
=
1
k
E
[
‖
D
j
F
‖
H
⊗
j
p
]
]
1
/
p
,
{\displaystyle \|F\|_{k,p}=\left[\mathbb {E} [|F|^{p}]+\sum \limits _{j=1}^{k}\mathbb {E} [\|D^{j}F\|_{H^{\otimes j}}^{p}]\right]^{1/p},}
notieren wir mit
D
k
,
p
{\displaystyle \mathbb {D} ^{k,p}}
. Der Raum wird manchmal auch als Watanabe-Sobolew-Raum bezeichnet.
Falls
g
∈
C
p
∞
(
R
d
,
R
)
{\displaystyle g\in C_{p}^{\infty }(\mathbb {R} ^{d},\mathbb {R} )}
und
Z
=
(
Z
1
,
…
,
Z
d
)
{\displaystyle Z=(Z_{1},\dots ,Z_{d})}
mit
∀
j
=
1
,
…
,
d
,
Z
j
∈
D
1
,
2
{\displaystyle \forall j=1,\dots ,d,\;Z_{j}\in \mathbb {D} ^{1,2}}
, dann gilt
g
(
Z
)
∈
D
1
,
2
{\displaystyle g(Z)\in \mathbb {D} ^{1,2}}
und die Kettenregel
D
g
(
Z
)
=
∑
i
=
1
d
∂
i
g
(
Z
)
D
Z
i
.
{\displaystyle Dg(Z)=\sum \limits _{i=1}^{d}\partial _{i}g(Z)DZ_{i}.}
Für
H
=
L
2
(
T
)
{\displaystyle H=L^{2}(T)}
ist die Ableitung ein Prozess wegen der Identifikation
L
2
(
Ω
;
H
)
≅
L
2
(
T
×
Ω
)
{\displaystyle L^{2}(\Omega ;H)\cong L^{2}(T\times \Omega )}
und häufig als
{
D
t
F
,
t
∈
T
}
{\displaystyle \{D_{t}F,t\in T\}}
respektive allgemeiner für
F
∈
D
k
,
p
{\displaystyle F\in \mathbb {D} ^{k,p}}
mit der Identifikation
L
2
(
Ω
;
H
⊗
k
)
≅
L
2
(
T
k
×
Ω
)
{\displaystyle L^{2}(\Omega ;H^{\otimes k})\cong L^{2}(T^{k}\times \Omega )}
als
{
D
t
1
,
…
,
t
k
k
F
,
t
i
∈
T
}
{\displaystyle \{D_{t_{1},\dots ,t_{k}}^{k}F,t_{i}\in T\}}
notiert.[ 3]
Der adjungierte Operator von
D
{\displaystyle D}
wird Divergenzoperator genannt und üblicherweise mit
δ
{\displaystyle \delta }
notiert. Im
L
2
{\displaystyle L^{2}}
-Fall für weißem Rauschen nennt man diesen Skorochod-Integral .
Durch Tensorierung können wir die Definition auf Hilbert-wertige Variablen
S
(
V
)
:=
S
⊗
V
{\displaystyle {\mathcal {S}}(V):={\mathcal {S}}\otimes V}
erweitern und erhalten eine Abbildung
S
(
V
)
⊂
L
p
(
Ω
;
V
)
{\displaystyle {\mathcal {S}}(V)\subset L^{p}(\Omega ;V)}
nach
L
p
(
Ω
;
H
⊗
k
⊗
V
)
{\displaystyle L^{p}(\Omega ;H^{\otimes k}\otimes V)}
.
Es existiert auch eine Erweiterung zu einem Banach-wertigen Operator
D
:
D
k
,
p
→
L
p
(
Ω
;
γ
(
H
,
E
)
)
{\displaystyle D:\mathbb {D} ^{k,p}\to L^{p}(\Omega ;\gamma (H,E))}
, wobei
γ
(
H
,
E
)
{\displaystyle \gamma (H,E)}
das Operator-Ideal der
γ
{\displaystyle \gamma }
-radonifizierten Operatoren ist.
Wir betrachten das kanonische Modell
Ω
=
C
0
(
[
0
,
1
]
;
R
)
{\displaystyle \Omega =C_{0}([0,1];\mathbb {R} )}
und
H
=
L
2
(
[
0
,
1
]
;
R
)
{\displaystyle H=L^{2}([0,1];\mathbb {R} )}
und
F
=
f
(
W
(
t
1
)
,
…
,
W
(
t
n
)
)
,
f
∈
C
p
∞
(
R
n
)
,
0
≤
t
1
<
⋯
<
t
n
≤
1
{\displaystyle F=f(W(t_{1}),\dots ,W(t_{n})),\quad f\in C_{p}^{\infty }(\mathbb {R} ^{n}),\quad 0\leq t_{1}<\cdots <t_{n}\leq 1}
mit weißem Rauschen
W
(
t
i
)
:=
W
(
1
[
0
,
t
i
]
)
=
∫
0
t
i
d
W
t
,
{\displaystyle W(t_{i}):=W(1_{[0,t_{i}]})=\int _{0}^{t_{i}}\mathrm {d} W_{t},}
dann ist die Ableitung in Richtung
h
∈
H
{\displaystyle h\in H}
gegeben durch
⟨
D
F
,
h
⟩
H
=
∑
i
=
1
n
∂
i
f
(
W
(
h
1
)
,
…
,
W
(
h
n
)
)
∫
0
t
i
h
(
s
)
d
s
=
d
d
ε
F
(
ω
+
ε
∫
0
⋅
h
(
s
)
d
s
)
|
ε
=
0
.
{\displaystyle {}{\begin{aligned}\langle DF,h\rangle _{H}&=\sum \limits _{i=1}^{n}\partial _{i}f(W(h_{1}),\dots ,W(h_{n}))\int _{0}^{t_{i}}h(s)\mathrm {d} s\\&={\frac {\mathrm {d} }{\mathrm {d} \varepsilon }}F\left(\omega +\varepsilon \int _{0}^{\cdot }h(s)\mathrm {d} s\right){\bigg |}_{\varepsilon =0}.\end{aligned}}}