Megazystis-Mikrokolon-intestinale Hypoperistaltik-Syndrom
Klassifikation nach ICD-10 | |
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Q43.8 | Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungen des Darmes |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Das Megazystis-Mikrokolon-intestinale Hypoperistaltik-Syndrom (MMIHS) ist eine sehr seltene angeborene Erkrankung mit den namensgebenden Hauptmerkmalen zu große Harnblase (Megazystis), Mikrokolon, verminderte bis fehlende Peristaltik (Hypoperistaltik) des Darmes.[1][2] S. 461[3]
Das Syndrom wird von der Datenbank OMIM in Familiäre viszerale Myopathie eingegliedert.[4][5]
Synonym: Berdon-Syndrom
Die Namensbezeichnung bezieht sich auf den Erstautor der Erstbeschreibung aus dem Jahre 1976 durch den US-amerikanischen Kinderradiologen W. E. Berdon und Mitarbeiter.[6]
Verbreitung
BearbeitenDie Häufigkeit ist nicht bekannt, bislang wurde über 230 Betroffene berichtet, davon waren 71 % weiblich. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant oder autosomal-rezessiv.[1]
Ursache
BearbeitenDie Ursache ist nicht bekannt. Es werden genetische, neurogene, myogene und hormonelle Faktoren diskutiert.[1]
Der Erkrankung können folgende Mutationen zugrunde liegen:[3]
- im ACTG2-Gen auf Chromosom 2 Genort p13.1, 44 %, autosomal-dominant[4]
- im LMOD1-, MYH11-, MYL9- oder MYLK-Gen, jeweils Einzelfälle, autosomal-rezessiv
in etwa 55 % ist die Ursache unbekannt.
Klinische Erscheinungen
BearbeitenKlinische Kriterien sind:[2][1]
Die Neugeborenen fallen durch vorgewölbtes Abdomen aufgrund der massiv vergrößerten Harnblase ohne Spontanentleerung auf. Hinzu können galliges Erbrechen und ausbleibender Mekoniumabgang kommen.
- Megazystis ohne spontane Entleerung, Dauerkatheter erforderlich
- Hydroureteren, Hydronephrose, eventuell Bild des Prune-Belly-Syndroms, aber ohne Abflusshindernis
- Mikrokolon mit ausgedünnter Muskelschicht bei normalen Ganglienzellen, eventuell verkürztes Mesenterium, dilatierter Dünndarm und/oder Malrotation
- Hypoperistaltik, dauerhafte parenterale Ernährung notwendig machend
- Entwicklungsretardierung
- Gesichtsdysmorphien wie breite Stirn, Hypertelorismus, kurze Nase, kleine Mandibula, eventuell Gaumenspalte, Ohrmuscheldysplasie
Hinzu können Herzfehler, Klumpfuß, Nagelhypoplasien kommen.
Diagnose
BearbeitenDas Leitsymptom der vergrößerten Harnblase mit Auftreibung des Bauches kann schon pränatal durch Sonografie und Feinultraschall ab dem 2., das begleitende Polyhydramnion ab dem 3. Trimenon erkannt werden.[1][7] Der Einsatz der Magnetresonanztomographie ist gleichfalls möglich.
Die Diagnose stützt sich nach der Geburt auf die Klinik sowie bildgebende Verfahren wie Sonografie, Röntgenaufnahme und Kolonkontrasteinlauf.
Differentialdiagnose
Bearbeiten- Chronische intestinale Pseudoobstruktion (CIPO)[8]
- Harnwegsobstruktion
- Kongenitales Megakolon
- Darmatresien
- Analatresie (anorektale Malformation)
- Mekoniumileus, Mekoniumpfropfsyndrom
- Hypothyreose
- Neugeborenensepsis
- medikamentös z. B. Magnesiumsulfat, Opioide
- Embryofetopathia diabetica
- Prune-Belly-Syndrom
- Multisystemische Dysfunktion der glatten Muskeln (MSMDS)[9]
Therapie
BearbeitenEine durchgreifende Behandlung gibt es bislang nicht. Meist wird eine totale parenterale Ernährung erforderlich. An eine Multi-Organtransplantation kann gedacht werden. Die Lebenserwartung gilt als kurz, meist aufgrund von Sepsis oder Multiorganversagen.[3][1][2]
Literatur
Bearbeiten- P. Puri: Megacystis-Microcolon-Intestinal Hypoperistalsis Syndrome. In: A. Holschneider, P. Puri (Hrsg.): Hirschsprung’s Disease and Allied Disorders. Springer, Berlin / Heidelberg 2008, S. 267–273, doi:10.1007/978-3-540-33935-9_19, Print ISBN 978-3-540-33934-2, Online ISBN 978-3-540-33935-9
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d e f g Eintrag zu Megazystis-Mikrokolon-intestinale Hypoperistaltik-Syndrom. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ a b c Bernfried Leiber (Begründer): Die klinischen Syndrome. Syndrome, Sequenzen und Symptomenkomplexe. Hrsg.: G. Burg, J. Kunze, D. Pongratz, P. G. Scheurlen, A. Schinzel, J. Spranger. 7., völlig neu bearb. Auflage. Band 2: Symptome. Urban & Schwarzenberg, München u. a. 1990, ISBN 3-541-01727-9.
- ↑ a b c d [Megacystis-Microcolon-Intestinal Hypoperistalsis Syndrome Overview. L. Ambartsumyan In: M.P. Adam, H. H. Ardinger et al. (Hrsg.). GeneReviews® [Internet]. Seattle (WA): University of Washington, Seattle; 1993–2019. 2019 May 9. PMID 31070878]
- ↑ a b Visceral myopathy. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
- ↑ Eintrag zu Myopathie, familiäre viszerale. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ W. E. Berdon, D. H. Baker, W. A. Blanc, B. Gay, T. V. Santulli, C. Donovan: Megacystis-microcolon-intestinal hypoperistalsis syndrome: a new cause of intestinal obstruction in the newborn. Report of radiologic findings in five newborn girls. In: American Journal of Roentgenology. Band 126, Nummer 5, Mai 1976, S. 957–964, doi:10.2214/ajr.126.5.957, PMID 178239.
- ↑ L. Tuzovic, K. Anyane-Yeboa, A. Mills, K. Glassberg, R. Miller: Megacystis-microcolon-intestinal hypoperistalsis syndrome: case report and review of prenatal ultrasonographic findings. In: Fetal Diagnosis and Therapy. Band 36, Nummer 1, 2014, S. 74–80, doi:10.1159/000357703, PMID 24577413 (Review).
- ↑ Eintrag zu Pseudoobstruktion, chronische intestinale. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Multisystemische Dysfunktion der glatten Muskeln. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)