Unter moderner griechischer Architektur wird die Entwicklung der griechischen Architektur seit der Gründung des neuzeitlichen griechischen Staates (griechisch Νεοελληνική αρχιτεκτονική Neoelliniki architektoniki, deutsch ‚Neugriechische Architektur‘) verstanden.

Nach der Eroberung von Konstantinopel (1453) durch die Osmanen und der darauf folgenden griechischen Migration in die Diaspora konzentrierte sich die griechische Architektur hauptsächlich auf die Bauwerke der griechisch-orthodoxen Kirchen der Diaspora. Diese Kirchen sowie andere von Griechen erbaute Gebäude für intellektuelle Zentren (Stiftungen, Schulen usw.) wurden auch als Versammlungsorte genutzt. Der Baustil dieser Gebäude war stark von der westeuropäischen Architektur beeinflusst.

Nach dem griechischen Unabhängigkeitskrieg und der Gründung des modernen griechischen Staates versuchte die moderne griechische Architektur, die traditionelle griechische Architektur und griechische Elemente und Motive mit westeuropäischen Bewegungen und Stilen zu verbinden.

Die Architektur Athens und anderer Städte des griechischen Königreichs im 19. Jahrhundert ist stark vom klassizistischen Stil beeinflusst und stammt von Architekten wie Theophil Hansen, Ernst Ziller[1], Panagiotis Kalkos, Lysandros Kaftanzoglou und Stamatios Kleanthis.

Der Klassizismus kann dabei als eine Art „Reimport griechischen Stils“ gesehen werden.[2]

Geschichte

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Der Plan von Stamatis Voulgaris für Patras (1829)

Die Architektur der modernen griechischen Städte, insbesondere der alten Stadtkerne („Altstädte“), ist überwiegend entweder von der osmanischen oder der venezianischen Architektur beeinflusst[3], zwei Einflüssen, die den griechischen Raum seit der frühen Neuzeit dominierten.

Nach der griechischen Unabhängigkeit versuchten die modernen griechischen Architekten, traditionelle griechische und byzantinische Elemente und Motive mit westeuropäischen Strömungen und Stilen zu verbinden. Patras war die erste Stadt des modernen griechischen Staates, für die ein städtebaulicher Entwicklungsplan erstellt wurde. Im Januar 1829 legte Stamatis Voulgaris, ein griechischer Ingenieur der französischen Armee, dem Gouverneur Ioannis Kapodistrias den Entwicklungsplan[4] vor, der ihn genehmigte. Voulgaris wandte im städtischen Komplex von Patras die orthogonale Regel an. Sein ursprünglicher Plan wurde jedoch 1830 geändert.

Als zwei besondere Genres gelten die kykladische Architektur mit weiß getünchten Häusern auf den Kykladen[5] und die epirotische Architektur in der Region Epirus mit Steinhäusern.[6]

Nach der Gründung des griechischen Königreichs wurde die Architektur Athens und anderer Städte vor allem von der klassizistischen Architektur beeinflusst. Für Athen beauftragte der erste König Griechenlands, Otto von Griechenland, die Architekten Stamatios Kleanthis und Eduard Schaubert mit einem Stadtentwicklungsplan, der für die Hauptstadt eines Staates geeignet war.[7][8][9]

Beispiele des Klassizismus

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1917 wurde der größte Teil der Altstadt von Thessaloniki durch den Großen Brand von Thessaloniki zerstört. Nach dem Brand untersagte die Regierung einen schnellen Wiederaufbau, um die Neugestaltung der Stadt nach einem Stadtentwicklungsplan im europäischen Stil durchführen zu können, der von einer Architektenkommission unter der Leitung des französischen Architekten Ernest Hébrard ausgearbeitet worden war.[10]

1933 wurde die Charta von Athen unterzeichnet, ein Manifest der modernistischen Bewegung, das später von Le Corbusier veröffentlicht wurde. Architekten dieser Bewegung waren unter anderem die Bauhaus-Architekten Ioannis Despotopoulos, Dimitris Pikionis, Patroklos Karantinos und Takis Zenetos.

Antiparochi-Gesetze

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1929 traten zwei wichtige Gesetze bezogen auf Mehrfamilienhäuser (polykatoikíes) in Kraft. Das Gesetz über „horizontales Eigentum“ ermöglichte es, dass mehrere Eigentümer ein Mehrfamilienhaus besitzen konnten, wobei jeder Eigentümer eine oder mehrere Wohneinheiten besaß. Theoretisch entspricht jede Wohnung einem Prozentsatz des ursprünglichen Grundstücks.

Die wichtigste Auswirkung dieses Gesetzes war die Praxis der Antiparochi (griechisch αντιπαροχή antiparochí, deutsch ‚Angebot im Austausch‘).[11] Bei der Antiparochí schließt der Grundstückseigentümer, der sich den Bau eines Mehrfamilienhauses nicht leisten kann, einen Vertrag mit einer Baufirma ab, sodass diese das Mehrfamilienhaus baut, aber das Eigentum an so vielen Wohnungen behält, wie im Vertrag angegeben sind. Obwohl die Praxis der Antiparochí in der Zwischenkriegszeit begrenzt war, da der Bau der meisten Mehrfamilienhäuser ausschließlich von den ursprünglichen Grundstückseigentümern finanziert wurde, wurde die Antiparochí ab den 1950er Jahren zur gängigsten Methode zur Finanzierung des Baus von Eigentumswohnungen. Diese Praxis hatte jedoch den negativen Effekt, dass in den großen griechischen Städten viele Gebäude und Villen aus alter Zeit (meist aus dem 19. Jahrhundert) zerstört und durch gewöhnliche Wohnhäuser ersetzt wurden. Noch im 21. Jahrhundert lassen die Eigentümer alter Gebäude oder Villen, die als architektonisch denkmalgeschützt gelten, diese lieber einstürzen, um die Erhaltungskosten zu vermeiden und die Bebauungsmöglichkeiten des Grundstücks künftig auszunutzen. 2006 hat das System der Antiparochi mit der Einführung höherer steuerlicher Belastungen allerdings stark an Attraktivität eingebüßt.[12]

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem griechischen Bürgerkrieg war diese Praxis (der massive Bau von Eigentumswohnungen in den großen griechischen Stadtzentren) ein wichtiger Faktor für die griechische Wirtschaft und den Wiederaufbau nach dem Krieg.[13] Die ersten Hochhäuser wurden ebenfalls in den 1960er und 1970er Jahren gebaut, wie etwa der Komplex des Pyrgos Athinon in Athen.

In den 1960er und 1970er Jahren war Xenia ein landesweites Hotelbauprogramm, das von der griechischen Tourismusorganisation (Ελληνικός Οργανισμός Τουρισμού, EOT) initiiert wurde, um die touristische Infrastruktur des Landes zu verbessern. Es handelt sich um eines der größten Infrastrukturprojekte in der modernen griechischen Geschichte. Der erste Projektleiter war der Architekt Charalambos Sfaellos (von 1950 bis 1958) und ab 1957 wurden die Gebäude von einem Team unter Aris Konstantinidis entworfen.[14]

Zu den berühmten ausländischen Architekten, die im 20. und 21. Jahrhundert ebenfalls Gebäude in Griechenland entworfen haben, zählen Walter Gropius, Eero Saarinen und Mario Botta. Für die Olympischen Spiele 2004 in Athen wurden von Santiago Calatrava mehrere neue Gebäude errichtet, während Bernard Tschumi das Neue Akropolismuseum[15] entwarf. Zuletzt entwarf Renzo Piano 2012 das Kulturzentrum der Stavros Niarchos Foundation (fertiggestellt 2016).

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Nikos Vatopoulos: Der Architekt Ernst Ziller – neu entdeckt (Buchkritik). In: diablog.eu. 27. November 2020, abgerufen am 30. September 2024.
  2. Georgios Terizakis: Verkappter Lokalismus und selbstregulierte Urbanität: Stadtentwicklung in Griechenland (am Beispiel Athens). In: Südosteuropa. 60. Jahrgang, Nr. 3, 2012, S. 398.
  3. Architektur weltweit - heute griechisch - Teil 2. In: Schrödl Bau Blog. 5. Dezember 2017, abgerufen am 30. September 2024.
  4. Manos G. Biris, Maro Kardamitsi-Adami: Neoclassical Architecture in Greece. J. Paul Getty Museum, ISBN 978-0-89236-775-7, S. 57 (englisch).
  5. Die Architektur der Kykladen: Erkennbar aus jedem Winkel der Welt. In: graktuell.gr. 31. August 2023, abgerufen am 30. September 2024.
  6. Niki Dudler: Mastorochoria und die Tradtion der Steinhäuser in Epirus. In: elxis.com. 12. September 2024, abgerufen am 30. September 2024.
  7. Stefan Nährlich: Das klassizistische Athen. In: naehrlich.de. 20. Februar 2016, abgerufen am 30. September 2024.
  8. Olga Fountoulakis: Deutsche Architekten im Griechenland des 19. Jahrhunderts. Athen 2020 (academia.edu).
  9. Irene Lang-Grypari: Der deutsche Neoklassizismus Athens: Architektur für Staatsbürger. In: Zeitschrift für Balkanologie. 48. Jahrgang, Nr. 1, 2012, ISSN 0044-2356 (zeitschrift-fuer-balkanologie.de).
  10. Moderne Architektur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Thessaloniki nach dem Brand von 1917. In: hallespektrum.de. 13. September 2022, abgerufen am 29. September 2024.
  11. Niki Dudler: "Antiparochi" - Die Wohnungspolitik, die Athen veränderte. In: elxis.com. 4. Dezember 2023, abgerufen am 29. September 2024.
  12. Jens Rohmann: Antiparochi: Ein griechisches Baumodell. In: Griechenland-Zeitung. 23. Oktober 2021, abgerufen am 29. September 2024.
  13. Jannis Aesopos: Die „Polykatoikia“ als Modul der modernen Stadt. Entwicklung des Appartementhauses in Athen. In: bauwelt.de (Heft 29, 2004). Abgerufen am 29. September 2024.
  14. „Tourismusarchitektur ist immer ein Werkzeug der Modernisierung gewesen“. Interview mit Yannis Aesopos. In: Bauwelt, Heft 21 / 2014. Abgerufen am 30. September 2024.
  15. Hendrik Bohle: Akropolis reloaded (Bernand Tschumi & Michael Photiatis) Athen. In: thelink.berlin. 1. Januar 2023, abgerufen am 30. September 2024.
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