Moment (Integration)

beschreibt die Auswirkung einer an einem Punkt angreifenden vektoriellen Größe

Momente sind in Naturwissenschaften und Technik Kenngrößen einer Verteilung, welche die Lage und Form dieser Verteilung beschreiben. Sie werden durch Integration über die mit einem potenzierten Abstand gewichteten Verteilung berechnet. Die Aufgabe, aus vorgegebenen Momenten Lage und Form der Verteilung zu ermitteln, heißt Momentenproblem.

Momente verschiedener Art spielen wichtige Rollen in der Stochastik, technischen Mechanik und Bildverarbeitung.

Formen und Ausprägungen

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Geschichte und Entwicklung

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Das Konzept von Momenten hat seinen Ursprung in der Betrachtung von Kräftegleichgewichten bei Waagen. Franciscus Maurolicus (1494–1575) verwendete den Begriff „Momentum“ explizit, um die Stärke der drehenden Kraft zu beschreiben, mit der an einem Hebelarm befestigte Gewichte auf eine Waage wirken. Galileo Galilei zeigte dann 1638, dass die Stärke eines solchen „Moments des Gewichts“ dem Flächeninhalt des aus Abstand und Gewichtskraft gebildeten Rechtecks entspricht. Auf Grundlage von diesem Konzept entwickelte sich der heutige, abstraktere Begriff.[1]

Kontinuierliche und diskrete Verteilungen

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Für die Definition eines Momentes bei diskreten Verteilungen lässt sich als Beispiel eine Verteilung von Massenpunkten auf einer Linie betrachten. Bezeichnet   den Abstand von einem Bezugspunkt und   die Masse der i-ten Punktmasse, so ist das n-te Moment der i-ten Punktmasse das Produkt aus Masse und der n-ten Potenz des Abstandes:  . Der Exponent   ist dabei eine natürliche Zahl und wird Ordnung oder Grad des Momentes genannt. Um das Moment   der gesamten Massenverteilung zu erhalten, werden die Momente aller Punktmassen addiert:

 

Das nullte Moment ist die Gesamtmasse. Das erste Moment beschreibt die Lage der Verteilung. Wenn das erste Moment durch die Gesamtmasse geteilt wird, was einer Normierung der Verteilung auf Eins entspricht, erhält man den Abstand des Massenmittelpunktes vom Bezugspunkt. Das Moment zweiter Ordnung ist das Massenträgheitsmoment (siehe unten).[2]

Auf gleiche Art und Weise lässt sich ein Moment für kontinuierlichen Verteilungen definieren. Hier besteht die Verteilung nicht aus einzelnen Massepunkten, sondern einem Körper mit kontinuierlicher Massenverteilung. Diese Verteilung wird durch ihre Dichtefunktion (Masse pro Längeneinheit)   charakterisiert. Die Momente der Verteilung erhält man durch Integration:

 

Mithilfe des Lebesgue-Integrals lassen sich beide Definitionen zusammenfassen, um Momente für allgemeinere, durch ein Maß   gegebene Verteilungen zu definieren:

 

Anstelle von Massenverteilungen lassen sich Verteilungen beliebiger anderer Größen, beispielsweise Wahrscheinlichkeiten betrachten. Ist   eine Zufallsvariable mit Wahrscheinlichkeitsverteilung  , so ist das  -te Moment der Erwartungswert von  . Das zentrierte zweite Moment (siehe unten) ist die Varianz. Die Variable  , die sich als Abweichung oder Abstand interpretieren lässt, kann statt aus   auch aus   oder   gewählt werden.[3]

Momente in mehreren Dimensionen

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Bei Momenten in mehreren Dimensionen müssen die Komponenten in Richtung der Basisvektoren einzeln potenziert werden. So ergibt sich in zwei Dimensionen für das Moment p+q-ter Ordnung:

 

Ein solches Moment ist somit abhängig von der Wahl der Basis sowie den einzelnen Potenzen p und q. Beispielsweise bei der Berechnung von Flächenmomenten ( ) werden in kartesischen Koordinaten axiale und gemischte Momente unterschieden. Bei axialen Momenten sind die Potenzen bis auf eine Richtung Null (z. B. p = 2, q = 0). Bei gemischten Momenten, auch Kreuz- oder Verbundmomente genannt, tragen Faktoren unterschiedlicher Richtungen bei (z. B. p = 1, q = 1).[4][5] Gemischte Momente sind die Deviationsmomente eines Trägheitstensors oder die Kovarianz von Zufallsvariablen.

Bei den polaren Momenten werden nicht Achsabstände, sondern der Abstand   zum Ursprung, also die Radialkomponente in Polarkoordinaten potenziert.

Wechsel des Bezugspunktes und zentrierte Momente

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Momente vom Grad größer als Null sind im Allgemeinen von der Lage des Bezugspunktes abhängig. Zwei Momente lassen sich nur sinnvoll addieren, wenn sie sich auf den gleichen Punkt beziehen.

Aus dem Moment   ersten Grades, das sich auf den Ursprung des Koordinatensystems bezieht, kann wie folgt ein Moment  , bezogen auf  , berechnet werden, wobei   das nullte Moment ist:

 

Der zusätzliche Term   wird auch als Versatzmoment bezeichnet. Allgemein lässt sich mit dem binomischen Lehrsatz für die Umrechnung von einem Moment   vom Grad n in ein Moment   bezogen auf den um   verschobenen Ursprung zeigen, dass

 

Für ein Moment zweiten Grades ist diese Relation als Steinerscher Satz und in der Stochastik als Verschiebungssatz bekannt. Wenn alle Momente   vom Grad   Null sind, so ist das Moment   unabhängig von der Wahl des Bezugspunktes. So ist beispielsweise ein Drehmoment von einem Kräftepaar unabhängig von der Wahl des Bezugspunktes, da die Summe aller Kräfte Null ist.

Um Vergleichbarkeit herzustellen, wird der Bezugspunkt häufig so gewählt, dass das erste Moment Null ist. Ein solches Moment wird zentral oder zentriert genannt. Es bezieht sich dann auf den Mittelpunkt der Verteilung, beispielsweise den Erwartungswert oder Schwerpunkt. Das n-te zentrierte Moment berechnet sich durch

 

wobei   das nullte Moment und   das erste (nicht zentrierte) Moment bedeutet.

Momente von Vektorfeldern

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Vektorielle Berechnung eines Moments. Die Richtung des Moments zeigt senkrecht aus der Papierebene heraus.

In der Physik gibt es häufig vektorwertige Größen. Sie haben neben ihrem Betrag auch eine Richtung. Einer Verteilung einer vektorwertigen Größe im Raum, also einem Vektorfeld  , lassen sich ebenfalls Momente zuordnen. Eine solche Größe ist beispielsweise das Drehmoment (  ist hierbei die Kraft-Verteilung), das magnetische Moment (  ist hierbei die Stromdichte-Verteilung) oder der Drehimpuls (früher auch Impulsmoment genannt,   ist hierbei die Impuls-Verteilung).

Für ein Vektorfeld   ist das Moment erster Ordnung ein Vektor, der durch das Integral über das Kreuzprodukt   gegeben ist:

 

Wenn die Komponente eines Moments bezüglich einer bestimmten Richtung zu berechnen ist, sind immer nur die Anteile der Vektoren des Vektorfelds zu verwenden, die orthogonal zu dieser Richtung sind. Wählt man ein kartesisches Koordinatensystem, so ist beispielsweise die z-Komponente des Moments durch die „Dichten“   und   zu berechnen.

Trigonometrische Momente

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Hat   lediglich eine Winkelabhängigkeit, so lässt sich ein trigonometrisches Moment definieren.[6] Dazu wählt man   aus den komplexen Zahlen und erhält

 

Momentenproblem

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Das Momentenproblem ist ein klassisches Problem der Analysis. Statt aus einer Verteilung die Momente zu berechnen, sollen aus einer gegebenen Folge von Momenten   Rückschlüsse auf eine mögliche Verteilung   gezogen werden.

Beispiele aus der Mechanik

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Das Kraft- oder Drehmoment

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Das Drehmoment ist das Produkt aus Kraft und Hebelarm. Es ist das in der Technik am häufigsten vorkommende Moment. Das Wort Moment wird daher vielfach als Abkürzung oder als Synonym für Drehmoment gebraucht.[7][8][9] Für spezielle Drehmomente werden zusammengesetzte Begriffe mit Namensteil -moment, aber ohne Dreh- gebraucht. Beispiele sind:

Wirken mehrere Kräfte, so lassen sich diese zu einem Drehmoment oder einer resultierenden Kraft mit resultierendem Hebelarm zusammenfassen.[10] Auch linear (Linienkraft) oder flächig (Flächendruck) verteilte Kräfte lassen sich so zusammenfassen.

Flächenmoment

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Ebenfalls häufig verwendete Momente sind die Flächenmomente. Um ein Flächenmoment der Fläche   zu bestimmen, wählt man für   die charakteristische Funktion der Fläche

 

Das nullte Flächenmoment ist der Flächeninhalt. Teilt man die Momente durch den Flächeninhalt, erhält man als erstes Flächenmoment den Schwerpunkt der Fläche. Das zentrierte Flächenmoment zweiten Grades ist das Flächenträgheitsmoment, das als Kenngröße für Querschnitte von Balken bei deren Festigkeits- und Verformungsberechnung dient.[11]

 
Das Dreieck in der xy-Ebene

Als Beispiel wird ein Dreieck in der xy-Koordinatenebene betrachtet, das durch die Geraden x=4,y=0 und y=x/2 begrenzt ist. Der Flächeninhalt ist

 

Die x-Koordinate des Schwerpunkts ist

 

Das axiale Flächenträgheitsmoment um die y-Achse berechnet sich aus dem Quadrat des x-Abstandes zum Schwerpunkt:

 

Massenträgheitsmoment

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Zylinder

Das (Massen-)Trägheitsmoment   eines Körpers ist auf eine bestimmte Rotationsachse bezogen. Es gibt an, wie stark sich der Körper einer Drehbeschleunigung widersetzt. Das Trägheitsmoment ist ein Moment zweiten Gerades in Zylinderkoordinaten, bei dem der Abstand zur Rotationsachse   quadriert wird. Es berechnet sich durch Integration über eine Massenverteilung  , wobei   die Massendichte (Masse pro Volumen) des Volumenelementes   ist.

Als Beispiel wird ein homogener Zylinder mit konstanter Dichte  , Radius  , Höhe   und der Masse   betrachtet. Das Trägheitsmoment dieses Zylinders für eine Rotation um die z-Achse ist dann gegeben durch das Integral:

 

Einzelnachweise

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  1. John J. Roche: The Mathematics of Measurement: A Critical History. Springer, 1998, ISBN 0-387-91581-8, S. 98 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Vladimir I. Smirnov: Lehrgang der höheren Mathematik Teil 2. Harri Deutsch Verlag, 1990, ISBN 3-8171-1298-X, S. 198 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Palle E. T. Jørgensen, Keri A. Kornelson, Karen L. Shuman: Iterated Function Systems, Moments, and Transformations of Infinite Matrices Memoirs of the American Mathematical Society. American Mathematical Society, 2011, ISBN 0-8218-8248-1, S. 2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Volker Läpple: Einführung in die Festigkeitslehre. Springer, 2011, ISBN 3-8348-1605-1, S. 171 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Analysis of Binary Images, University of Edinburgh
  6. N. I. Fisher: Statistical Analysis of Circular Data. Cambridge University Press, 1995, ISBN 0-521-56890-0, S. 41 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 1: Mechanik und Wärme. Springer DE, 2008, ISBN 978-3-540-79295-6, S. 67– (google.com [abgerufen am 20. Juli 2013]).
  8. Lev D. Landau: Mechanik. Harri Deutsch Verlag, 1997, ISBN 978-3-8171-1326-2, S. 133– (google.com [abgerufen am 20. Juli 2013]).
  9. Dubbel -- Taschenbuch für den Maschinenbau, Kapitel B "Mechanik, Kinematik", Abschnitte 1.1 und 3.1
  10. Lothar Papula: Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler 1. 2007, ISBN 978-3-8348-0224-8, S. 536 (Statisches Moment einer Kraft).
  11. Wolfgang Brauch, Hans-Joachim Dreyer, Wolfhart Haacke: Mathematik für Ingenieure. 11. Auflage. Teubner, 2006, ISBN 3-8351-0073-4, S. 372 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).