Parlamentarische Linke

Zusammenschluss von Bundestagsabgeordneten der SPD

Die Parlamentarische Linke in der SPD-Bundestagsfraktion (PL) ist ein Zusammenschluss von Bundestagsabgeordneten der SPD. Sie ist neben den Seeheimern und dem Netzwerk Berlin eine der drei politischen Strömungen innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion und mit 90 Mitgliedern[1] deren zweitgrößter organisierter Flügel.

Parlamentarische Linke
Gründung 1969 (als „Gruppe der 16. Etage“)
1972 (als „Leverkusener Kreis“)
1980 (als „Parlamentarische Linke“)
Sprecherkreis Dagmar Schmidt, Wiebke Esdar, Tim Klüssendorf
Schatzmeisterin Elisabeth Kaiser
Website parlamentarische-linke.de

Geschichte

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Nach der Bundestagswahl 1969 zogen einige Dutzend junger Sozialdemokraten erstmals in den Bundestag ein. Etwa zwanzig von ihnen, darunter Björn Engholm, Günter Wichert und Karl-Heinz Walkhoff, schlossen sich auf Initiative von Hans Matthöfer erstmals als Linke innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion zusammen.[2] Ein unmittelbarer Anlass zur Gründung war die als autoritär empfundene Fraktionsführung. Viele der neuen Abgeordneten wollten sich nicht mit der ihnen zugedachten Rolle „als parlamentarische Erfüllungsgehilfen der Exekutive“[3] zufriedengeben. Diese Gruppe der 16. Etage verdankte ihren Namen der Tatsache, dass ein Gros ihrer Mitglieder auf der 16. Etage des Langen Eugen, des Hauptstandorts der Büros der Mitglieder des Deutschen Bundestages in Bonn, saß. Der von der Presse auch als „Juso-Lobby“ bezeichnete Zusammenschluss fiel zu Beginn auch durch Aktionen im Geiste der Außerparlamentarischen Opposition (APO) auf.[4] Sechs der neuen Abgeordneten lebten zunächst in einer von Journalisten zur „Abgeordnetenkommune“ stilisierten Wohngemeinschaft, in der es regelmäßig zu Diskussionen mit Journalisten und Jusos kam.[5]

Schnell professionalisierte sich die Gruppe. Nach der Bundestagswahl 1972 kamen auf Einladung von Karl-Heinz Hansen 34 linke SPD-Bundestagsabgeordnete in Leverkusen zusammen, um sich als linker Zusammenschluss in der SPD-Bundestagsfraktion neu aufzustellen. Ein zentraler Grund für die Reorganisierung als Leverkusener Kreis blieb das gemeinsame Interesse, die sozialdemokratische Fraktion demokratischer zu organisieren und die Partizipationsmöglichkeiten der einzelnen Abgeordneten zu erweitern. Dafür war eine professionellere Arbeitsorganisation vonnöten. Wichtig blieb die Zusammenarbeit mit den im Frankfurter Kreis organisierten Parteilinken um Jochen Steffen und Peter von Oertzen.[6] Rolf Mützenich, heute Mitglied der Parlamentarischen Linken und seit 2019 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, arbeitete in der AG Frieden im Leverkusener Kreis mit.[7]

Die Enttäuschung über das relative Scheitern weitreichender Reformvorhaben in der sozialliberalen Koalition, aber auch die Konflikte um die Anti-Terror-Gesetze oder den NATO-Doppelbeschluss sorgten für zunehmende Spannungen. Mit dem Ziel, die internen Differenzen zu überwinden und die alte Schlagkraft wiederherzustellen, kam es 1980 zur unter anderem von Peter Conradi initiierten Neuformierung der Linken als Parlamentarische Linke.[8]

Inhaltliches Profil

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Die Mitglieder der Parlamentarischen Linken eint die „Zugehörigkeit zur SPD-Linken“[9]. Anspruch ist es, einen „linken Pragmatismus der schrittweisen Verbesserungen“[10] mit der großen Idee linker Reformpolitik zu vermitteln.

Das Profil der Parlamentarischen Linken baut grundsätzlich auf der bis in die 1990er-Jahre bestehenden Programmatik der SPD auf. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik vertritt sie keynesianische Ansätze. Die weitgehend angebotspolitischen Reformen der Agenda 2010 wurden von ihr kritisch bewertet, wenngleich keine offiziellen Forderungen nach einer Wiederaufhebung von zentralen Reformmaßnahmen wie der Arbeitsmarktreformen erhoben, sondern vielmehr deutliche Korrekturen angemahnt werden. Im Bereich der Steuerpolitik fordert sie unter anderem eine höhere Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Ausgehend von der keynesianischen Grundhaltung lehnte sie eine strikte Begrenzung der Staatsverschuldung und auch die erfolgte Einführung einer sogenannten Schuldenbremse ab.[11]

In der jüngeren Vergangenheit hat sich die Parlamentarische Linke immer wieder in öffentliche Debatten eingemischt. So hat sie sich für eine progressive Veränderung der Freihandelsabkommen TTIP und CETA[12] oder für die inhaltliche Weiterentwicklung der Sozialdemokratie[13] positioniert. In einem Positionspapier zur Corona-Krise betont die Parlamentarische Linke die Bedeutung eines „handlungsfähigen Staats“ auch über Krisenphasen hinaus, spricht sich für eine Stärkung der „Gesundheits- und Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand“ und eine „koordinierte nationale und europäische Wirtschaftspolitik zur Überwindung der Krise und einen auf Nachhaltigkeit, Innovation und gute Beschäftigung ausgerichteten sozial-ökologischen Deal für Europa“ aus.[14]

Der in Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine 2022 von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte Wandel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik wurde von der Parlamentarischen Linken grundsätzlich nicht als Abkehr von den Grundsätzen einer sozialdemokratischen Friedenspolitik bewertet. In einem im März 2022 verfassten Positionspapier betonte die Parlamentarische Linke die Notwendigkeit einer angemessen finanzierten und ausgerüsteten Bundeswehr, erklärte zugleich aber ihren Widerstand gegen Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit. Angesichts der sozialen Folgen der Energiepreissteigerungen forderte die PL „einen wirksamen Maßnahmenmix“[15] zur Entlastung von Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen. Zur Finanzierung dieser Entlastungen sprach sich die Parlamentarische Linke u. a. für die Aussetzung der Schuldenbremse auch für das Jahr 2023, eine einmalige Vermögensabgabe, eine Sondersteuer auf die Gewinne der Energieunternehmen und eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen aus.[16][17] Im Sommer 2022 stellte die PL ein Konzept für eine Vermögensabgabe vor.[18][19] Auf Grund hoher Freibeträge und eines progressiven Abgabetarifs sollen lediglich besonders große Vermögen belastet werden. Das Konzept geht von einem Gesamtaufkommen im niedrigen bis mittleren dreistelligen Milliardenbereich aus. So sollen weitere Entlastungen für Bürger finanziert und in der Krise wichtige Wachstumsimpulse gesetzt werden.[20]

Leitung und bekannte Mitglieder

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Seit Oktober 2024 sind Dagmar Schmidt, Wiebke Esdar und Tim Klüssendorf gleichberechtigte Sprecher der Parlamentarischen Linken. Dem vierköpfigen Vorstand gehört außerdem Schatzmeisterin Elisabeth Kaiser an. Zum erweiterten Vorstand der Parlamentarischen Linken zählen u. a. der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sönke Rix, die ehemalige Juso-Bundesvorsitzende Jessica Rosenthal und Ralf Stegner.

Zum Ende der 19. Wahlperiode gehörten der Parlamentarischen Linken 71 Mitglieder an. Auch nach der Bundestagswahl 2021 war die PL mit 95 Mitgliedern zunächst der größte organisierte Flügel in der SPD-Bundestagsfraktion. Seit 2023 ist der Seeheimer Kreis mit 94 Mitglieder der größte organisierte Flügel in der SPD-Bundestagsfraktion[21]; der Parlamentarischen Linken gehören 90 Abgeordnete an.[22] Zu ihren Mitgliedern zählen neben der SPD-Co-Bundesvorsitzenden Saskia Esken, dem ehemaligen SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und dem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich unter anderem auch die ehemalige Bundesministerin der Verteidigung Christine Lambrecht, der Bundesminister für Gesundheit Karl Lauterbach und die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Svenja Schulze.[23]

Ehemalige Mitglieder der Parlamentarischen Linken bzw. ihrer Vorgängerorganisationen sind unter anderem Björn Engholm, Heide Simonis, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Edelgard Bulmahn, Wolfgang Thierse, Andrea Nahles und Katarina Barley.

Vorstand

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Erweiterter Vorstand

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Weitere bekannte Mitglieder

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Bekannte ehemalige Mitglieder

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Sprecher

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Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Parlamentarische Linke - Über uns. In: Parlamentarische Linke. Abgerufen am 15. Februar 2024 (deutsch).
  2. Ferdinand Müller-Rommel: Innerparteiliche Gruppierungen in der SPD. Eine empirische Studie über informell-organisierte Gruppierungen von 1969–1980. Westdeutscher Verlag, Opladen 1982, ISBN 3-531-11574-X, S. 133.
  3. Ferdinand Müller-Rommel: Innerparteiliche Gruppierungen in der SPD. Eine empirische Studie über informell-organisierte Gruppierungen von 1969–1980. Westdeutscher Verlag, Opladen 1982, ISBN 3-531-11574-X, S. 134.
  4. O.N.: Schrille Töne, in: Spiegel Nr. 24, 7. Juni 1971, S. 31–32.
  5. Linke Visionen pragmatisch umsetzen. Interview mit Björn Engholm über die Geschichte der "Gruppe der 16. Etage". In: 50 Jahre Parlamentarische Linke. Abgerufen am 20. Dezember 2021 (deutsch).
  6. Ferdinand Müller-Rommel: Innerparteiliche Gruppierungen in der SPD. Eine empirische Studie über informell-organisierte Gruppierungen von 1969–1980. Westdeutscher Verlag, Opladen, ISBN 3-531-11574-X, S. 137.
  7. 50 Jahre PL: Zwei Jubiläen an einem Sommerabend. 26. Juni 2019, abgerufen am 20. Dezember 2021.
  8. Ferdinand Müller-Rommel: Innerparteiliche Gruppierungen in der SPD. Eine empirische Studie über informell-organisierte Gruppierungen von 1969–1980. Westdeutscher Verlag, Opladen 1982, ISBN 3-531-11574-X, S. 159.
  9. Parlamentarische Linke - Über uns. Abgerufen am 21. Dezember 2021 (deutsch).
  10. Matthias Miersch: Woher wir kommen, wohin wir wollen. Eckpunkte eines sozialdemokratischen Aufbruchs. In: 50 Jahre Parlamentarische Linke. Abgerufen am 21. Dezember 2021 (deutsch).
  11. Über uns parlamentarische-linke.de
  12. Die Sorgen bei TTIP sind berechtigt. 4. Mai 2016, abgerufen am 21. Dezember 2021 (deutsch).
  13. Zwölf Thesen für die inhaltliche Weiterentwicklung der SPD. 15. November 2017, abgerufen am 21. Dezember 2021 (deutsch).
  14. Positionspapier: Unser Weg aus der Corona-Krise. 17. April 2020, abgerufen am 21. Dezember 2021 (deutsch).
  15. Wofür wir kämpfen wollen. PL-Positionen in der aktuellen Krise. 14. März 2022, abgerufen am 17. März 2022.
  16. Kevin Hagen: Zanken ums Tanken. DER SPIEGEL, 13. März 2022, abgerufen am 17. März 2022.
  17. Kevin Hagen: SPD-Linke will Schuldenbremse auch 2023 aussetzen. In: DER SPIEGEL. 14. März 2022, abgerufen am 17. März 2022.
  18. Parlamentarische Linke: Die einmalige Vermögensabgabe: Für eine solidarische Finanz- und Steuerpolitik in der Zeitenwende. In: Parlamentarische Linke. 1. August 2022, abgerufen am 16. August 2022 (deutsch).
  19. Wiebke Esdar, Tim Klüssendorf: "Nur die belasten, deren Vermögen beispiellos gewachsen sind". In: Tagesspiegel. 28. Juli 2022, abgerufen am 16. August 2022.
  20. Sebastian Huld: Interview mit Tim Klüssendorf: "Die hohen Vermögen müssen mehr beitragen". In: ntv. 8. August 2022, abgerufen am 16. August 2022.
  21. Georg Ismar: Der Kanzlerunterstützungsverein. In: sueddeutsche.de. 18. Juni 2023, abgerufen am 18. Juni 2023.
  22. Parlamentarische Linke - Über uns. In: Parlamentarische Linke. Abgerufen am 15. Februar 2024 (deutsch).
  23. Parlamentarische Linke - Unsere Mitglieder. In: parlamentarische-linke.de. Abgerufen am 20. Dezember 2021 (deutsch).