Philipp Schweitzer (Glockengießer)

deutscher Glockengießer aus Aßlar-Werdorf

Johann Philipp Schweitzer (* 6. März 1683 in Werdorf; † 1754) war ein deutscher Glockengießer aus Aßlar-Werdorf.[1] Er goss einige Glocken für Mittelhessen und bisweilen die weiter entfernte Umgebung, von denen wenige erhalten sind.

1710 von Ph. Schweitzer gegossene Glocke

Geschichte

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Graf Wilhelm von Solms-Greifenstein hatte Philipp Schweitzers Urgroßvater, der als Pfarrer aus Ulm nach Werdorf gezogen war, eine „Erb- und immerwehrende“ Freiheit von allen Fron- und Herrendiensten und sämtlichen Abgaben für ihn und alle seine Nachkommen verliehen.[2] Philipp Schweitzer wurde am 6. März 1683 in Werdorf geboren.[3] Um 1708 stieg er in den Gießerbetrieb seines Schwiegervaters Dilman Schmid, dessen Tochter Anna Kunigunda er geheiratet hatte, ein.

Im Jahr 1709 wurden Schmid und er als Sachverständige angehört, um eine von der Frankfurter Gießerfamilie Schneidewind gefertigte und von Hanau bemängelte Glocke für die Marienkirche zu beurteilen.[4]

Schweitzer übernahm um 1715 den Gießerbetrieb. Nachdem 1729 seine Ehefrau Anna Kunigunda gestorben war, heiratete er 1730 Anna Margaretha Benderin aus Griedel, was er in der Inschrift dreier für die dortige Kirche gegossenen Glocken verewigte. Schweitzer hatte mit ihr eine Tochter namens Margaretha Constantina Sophia[2] und 1737 einen Sohn namens Conrad.[3] Schweitzer starb in Werdorf 1754.

Charakteristika

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Schweitzer übernahm für seinen Glockenguss die meisten Merkmale seines Lehrmeisters, etwa die Inschrift in Barock-Antiqua in Versalien, die Zierringe auf dem Wolm samt verschiedentlicher Zierfriese an der Haube, teils Heiligenbilder auf den Flanken und eine gewöhnliche Sechshenkelkrone mit fast kreisrunden, im Querschnitt quaderförmigen Henkeln. Klanglich folgte er der Rippe seines Lehrmeisters Schmid und goss somit hauptsächlich leicht bis unmerklich vom Ideal abweichende Molloktavglocken.

In den beiden Weltkriegen wurden viele Glocken zu Rüstungszwecken eingeschmolzen oder durch Brände zerstört. Einige kehrten nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Glockenlager in Hamburg („Glockenfriedhof“) zurück. Manche wurden bereits im 18. oder 19. Jahrhundert umgegossen.

Die folgende Liste gibt einen – sicherlich unvollständigen – Überblick über die Glocken von Philipp Schweitzer.

Jahr Aufhängungsort (aktuell) Gebäude/Nutzung Schlagton Masse Durchmesser Erhalten Bemerkung
1705 Büttelborn Ev. Kirche g1 645 kg 1.000 mm Ja Gemeinsames Werk mit Dilman Schmid
1705 Stockstadt am Rhein Ev. Kirche b1 450 kg 889 mm Ja Gemeinsames Werk mit Dilman Schmid
1707 Neukirchen (Braunfels) Ev. Kirche Nein [5] Im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen
1708 Oberstedten Ev. Kirche e2 Ja
1709 Mohnhausen Ev. Fachwerkkirche fis² Ja Zweite Glocke aus selbem Jahr wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen.
Nein
1710 Gambach Ev.-ref. Kirche a1 Ja Vertiefte Prime
e1 993 kg 1.180 mm Ja Gemeinsames Werk mit Dilman Schmid
1712 Bettenhausen Ev.-ref. Kirche 710 mm Ja Vermutlich Dreiergeläut, mittlere Glocke 1823 umgegossen[6]
Nein
800 mm Ja
1718 Bellersheim Ev. Kirche Nein [7] Im Zweiten Weltkrieg eingezogen
1718 Kroppach Ev. Kirche Unbekannt [8] Laut weiterer Quelle[9] aus dem Jahr 1723
1725 Wölfersheim Ev.-ref. Kirche h1 Ja Molloktavglocke. 1690 goss Schmid bereits eine Glocke für diese Kirche
1727 Remscheid Ev. Stadtkirche Nein 1764 umgegossen[10]
Nein
1729 Ranstadt Ev. Kirche a1 850 mm Ja [11]
1730   Nein
 
1730 Griedel Ev. Kirche as1 Ja Dreiergeläut. Erwähnung seiner Hochzeit in der Inschrift. Zwei Glocken vermutlich 1792 und 1862 umgegossen[1]
Nein
Nein
1731 Leidhecken Ev. Kirche Nein [1][12]
1732 Alsberg Kath. Kirche Hl. Kreuz Nein 1888 umgegossen[13]
1733 Altenstadt Ev. Kirche St. Nicolai gis1 Ja [14]
1736 Niederlemp Ev. Kirche Nein [15][5]
1738 Trais-Horloff Ev. Kirche 680 mm Nein 1929 umgegossen
1739 Herborn   Unbekannt [16]
1741 Daubhausen Ev. Kirche Nein Französische Inschrift[5][17]
1752 Bechlingen (Aßlar) Ev. Kirche Nein [5]
1762 Daubhausen Ev. Kirche Nein [18] Ablesefehler der Jahreszahl oder Guss durch seinen Sohn. Unsicher, da gemäß historischer Quelle (1836) nur eine Glocke von 1741 vorhanden war.
Nein
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Commons: Philipp Schweitzer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c Robert Schäfer: Hessische Glockeninschriften. In: Archiv für Hessische Geschichte und Alterthumskunde. Nr. 15, 1884, S. 475–544 (archive.org [abgerufen am 23. März 2014]).
  2. a b Die Werdorfer Pfarrer (PDF)
  3. a b Stammbaum (Memento vom 20. Februar 2015 im Internet Archive) auf einer privaten Internetseite
  4. Konrad Bund: Frankfurter Glockengießer. nach einem Manuskript von Hans Fritzen. In: Konrad Bund (Hrsg.): Frankfurter Glockenbuch (= Mitteilungen aus dem Frankfurter Stadtarchiv). Band 4. Verlag Dr. Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-7829-0211-0 (formal falsch), Kapitel IV: Glocken in Frankfurt am Main und Hessen, S. 200 f.
  5. a b c d Hellmut Schliephake: Glockenkunde des Kreises Wetzlar. In: Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaft Lahntal e. V. 12. Jahrbuch. 1989, S. 5–150, ISSN 0722-1126
  6. Walbe: Die Kunstdenkmäler des Kreises Gießen. 1933, S. 14f.
  7. Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen I. 2008, S. 95.
  8. Pfarrgemeinde Kroppach, aus: Geschichte der Grafschaft Sayn von Matthias Dahlhoff, Dillenburg 1874, Neudruck 1972 bei SändigOHG, Walluf
  9. Ferdinand Luthmer: Bau- und Kunstdenkmaäler des Regierungsbezirks Wiesbaden. Nachlese zu Band I bis V, Glocken-Verzeichnis und Hauptregister. Kommissionsverlag von H. Keller, Frankfurt a. M. 1902, S. 124 (Textarchiv – Internet Archive [abgerufen am 30. November 2015]).
  10. Die Glocken der Remscheider Pfarrkirche
  11. Archivakten der Kirchengemeinde Ranstadt
  12. Rundgang Leidhecken (PDF, 1 MB) S. 3
  13. Glockendaten des Bistums Fulda
  14. Heinrich Wagner: Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Oberhessen: Kreis Büdingen. Darmstadt 1890, S. 7 (Online-Version der Heidelberger Universitätsbibliothek)
  15. Eintrag im Ortsfamilienbuch Kölschhausen/Dreisbach/Niederlemp/Breitenbach/Bechlingen, Bemerkung zur Taufe von Maria Katharina Tröster am 16. Dezember 1736: „An diesem Tage wurde die neu gegossene Glocke zu Niederlemp, welche Meister Philipp Schweitzer von Werdorf gegossen hatte, erstmalig zum Gottesdienst geläutet.“ (siehe Genealogienetz.de)
  16. Johann Hermann Steubing: Topographie der Stadt Herborn. 1792, S. 35 (Online-Version bei Google Books).
  17. Friedrich Kilian Abicht: Der Kreis Wetzlar: historisch, statistisch und topographisch. Die Statistik, Topographie und Orts-Geschichte des Kreises. Zweiter Teil. Carl Wigand, Wetzlar 1836, S. 172 (Online-Version bei Google Books).
  18. Heimatverein Seelbach