R-9

sowjetische Interkontinentalrakete

Die R-9 (NATO-Codename SS-8 Sasin, GRAU-Index 8K75) war eine sowjetische Interkontinentalrakete aus der Zeit des Kalten Krieges.

R-9
Allgemeine Angaben
Typ Interkontinentalrakete
Heimische Bezeichnung R-9, 8K75
NATO-Bezeichnung SS-8 Sasin
Herkunftsland Sowjetunion Sowjetunion
Hersteller OKB-1 (Koroljow)
Entwicklung 1959
Indienststellung 1964
Einsatzzeit 1976
Technische Daten
Länge 26,50 m
Durchmesser 2.680 mm
Gefechtsgewicht 80.500 kg
Antrieb
Erste Stufe
Zweite Stufe

Flüssigkeitsraketentriebwerk
Flüssigkeitsraketentriebwerk
Reichweite 11.000 km
Ausstattung
Lenkung Inertiales Navigationssystem
Gefechtskopf 1 Nukleargefechtskopf mit 1,65 oder 5,0 MT[1]
Zünder Programmierter Zünder
Waffenplattformen Raketensilo
CEP

2.000 – 5.000 m[1]

Listen zum Thema

Der erste Testflug der zweistufigen Rakete fand 1961 statt. Beide Stufen, welche mit einer Gitterstruktur verbunden waren, verwendeten flüssigen Sauerstoff und die Kerosinart RP-1 als Treibstoff. Die Indienststellung begann 1964. Die letzte Rakete wurde 1976 ausgemustert.

Irrtümlicherweise wurde der NATO-Codename SS-8 Sasin auch an die R-26, von welcher 1964 bei einer Militärparade eine Attrappe gezeigt wurde, vergeben. Als der Fehler bemerkt wurde, war das R-26-Programm jedoch schon eingestellt worden, daher fand keine neue Benennung statt.

Geschichte

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Die R-9 stellte eine große Verbesserung gegenüber früheren sowjetischen Raketenkonzepten dar. Die Rakete, die eine Nutzlast von 1.600 kg bis zu einer Entfernung von 6.071 Kilometern mit einer Genauigkeit von 2 Kilometern abfeuern konnte, war nicht nur genauer, sondern für die Sowjetunion auch von weitaus größerem taktischen Nutzen. Frühere sowjetische Konstruktionen, die mit kryogenem Sauerstoff und Kerosin (wie die R-7) betrieben wurden, brauchten in der Regel Stunden zum Betanken und Starten. Die R-9 hingegen konnte innerhalb von 20 Minuten nach dem Startbefehl gestartet werden. Das Steuerungssystem der Rakete wurde von NPO „Electropribor“ (Charkiw, Ukraine) entwickelt.[2]

Die R-9 wurde 1964 erstmals in Dienst gestellt und trug einen Sprengkopf von 1,65 bis 5 Megatonnen. Obwohl sie die letzte sowjetische Rakete war, die einen kryogenen Treibstoff verwendete, war sie eine der am weitesten verbreiteten Interkontinentalraketen mit kryogenem Treibstoff. Das OKB-456 (später NPO Energomasch) entwickelte für die erste Stufe das Triebwerk RD-111[3] für einen Schub von 1.385 kN als Vierkammerkonstruktion mit geschlossenem Kreislauf, das zur Schubvektorsteuerung kardanisch aufgehängt war und durch Vernierdüsen unterstützt wurde. Die zweite Stufe, die über Traversen mit der ersten Stufe verbunden war (ähnlich wie die moderne Sojus-Rakete), verfügte ebenfalls über vier Kammern, war aber für einen offenen Zyklus mit vakuumoptimierten Brennkammern ausgelegt, die sich besser für sehr große Höhen eigneten. Dieses Raketentriebwerk RD-0106[4] war ein Produkt des OKB-154-Konstruktionsteams. Die Steuerung des Gefechtskopfes erfolgte, wie bei den meisten Interkontinentalrakete davor und danach, völlig trägheitslos, mit Ausnahme der letzten zehn Sekunden vor der Detonation des Gefechtskopfes, die durch ein Funk-Höhenmesser-Korrektursystem gesteuert wurden.

Startplätze

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Der ursprüngliche Entwurf sah ein mobiles bodengestütztes System vor, doch aufgrund der veränderten Situation im Kalten Krieg wurde parallel zum bodengestützten System ein silobasiertes R-9-System entwickelt. Das bodengestützte System erreichte jedoch nie die erhoffte Mobilität der ursprünglichen Entwurfsparameter. Insgesamt wurden drei Startplätze gebaut, von denen jedoch nur zwei genutzt wurden. „Desna-V“ (Десна-В), der Silostartplatz, bestand aus drei unterirdischen Silos mit der Möglichkeit, die R-9 innerhalb von 20 Minuten zu starten und die Rakete ein Jahr lang in unbetanktem Zustand zu lagern. „Valley“, die erste von zwei oberirdischen Abschussrampen, war weitgehend automatisiert und konnte die R-9 ebenfalls innerhalb von 20 Minuten abschießen und den Vorgang innerhalb von zweieinhalb Stunden wiederholen. Der letzte Startplatz, "Desna-N" (Десна-Н), war ebenfalls ein oberirdischer Startplatz, wurde aber nie mit R-9 bestückt, da er nicht automatisiert war und mindestens zwei Stunden für den Start einer einzigen Rakete benötigte. 1971 wurden die oberirdischen R-9-Startplätze stillgelegt.

Am 24. Oktober 1963 wurde eine R-9-Rakete in einem Silo am Standort 70 des Kosmodroms Baikonur für den Start vorbereitet. Die elfköpfige Startmannschaft bemerkte nicht, dass ein Sauerstoffleck im Treibstoffsystem der Rakete den Sauerstoffpartialdruck auf 32 % erhöht hatte (der maximal zulässige Wert lag bei 21 %). Die Besatzung befand sich in einem Aufzug auf der achten Ebene, als ein Funke von einer elektrischen Schalttafel ein Feuer in der fast reinen Sauerstoffatmosphäre auslöste, bei dem sieben Menschen ums Leben kamen und das Silo zerstört wurde. Das Unglück ereignete sich genau drei Jahre nach der Nedelin-Katastrophe. Der 24. Oktober wurde als „Schwarzer Tag“ von Baikonur bekannt, und bis heute werden an diesem Tag keine Starts durchgeführt.

ICBM der 1. Generation im Vergleich

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Staat UdSSR USA
Rakete R-7/R-7A[1][5][6] R-16 / R-16U[1][5][6] R-9A[1][5][6] SM-65 Atlas (-D/-E/-F)[7][6] SM-68 Titan I[7][6]
Entwickler OKB-1 (Koroljow) OKB-586 (Jangel) OKB-1 (Koroljow) Convair Glenn L. Martin Company
Entwicklungsbeginn 1954 / 1958 1956 / 1960 1959 1954 1958
erste Einsatzbereitschaft 1959 / 1960 1961 / 1963 1964 / 1964 1959 / 1961 / 1962 1962
Ausmusterung bis 1968 1976 / 1976 1976 1964 / 1965 / 1965 1965
Reichweite (km) 8.000 / 9.500–12.000 11.000 – 13.000 12.500 na 10.000
Steuerung radio-inertial inertial radio-inertial radio-inertial / inertial radio-inertial / inertial
Streukreisradius (km) 10 4,3 8–10 na <1,8
Startmasse (t) 280 / 276 141 / 147 80 118 / 122 / 122 103
Stufen 1,5 2 2 1,5 2
Treibstoffkombination Kerosin / LOX UDMH / Salpetersäure Kerosin / LOX Kerosin / LOX Kerosin / LOX
Stationierungsart Startrampe Startrampe / Silo Startrampe / Silo Startrampe / Bunker / Silo Silo
maximaler Überdruck (psi; Schutz der Startanlage bei naher Explosion) kA kA / 28 kA / 28 kA / 25 / 100 100
Reaktionszeit etwa 24 h 10 min – mehrere Stunden 20 min / 8–10 min 15 – 20 min 15 – 20 min
Garantiezeit (Jahre bei höchste Alarmbereitschaft) kA 30 Tage (betankt) 1 kA 5
Explosionsstärke des Sprengkopfes (MT) 3–5 3–6 5 1,44 / 3,75 / 3,75 3,75
max. stationierte Anzahl 6 186 23 30 / 27 / 72 54
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  • Rocket R-9. S. P. Korolev RSC Energia, archiviert vom Original am 24. Oktober 2021; abgerufen am 10. November 2023 (englisch).
  • R-9 in der Encyclopedia Astronautica (englisch)

Einzelnachweise

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  1. a b c d e P. Podvig (Hrsg.): Russian Strategic Nuclear Forces. MIT Press, 2004, ISBN 978-0-262-16202-9.
  2. Anatoly Krivonosov: Khartron: Computers for Rocket Guidance Systems. In: Massachusetts Institute of Technology. 16. Dezember 2002, abgerufen am 1. März 2024 (englisch).
  3. Mark Wade: RD-111. Astronautix, 2019, abgerufen am 1. März 2024 (englisch).
  4. Mark Wade: RD-0106. Astronautix, 2019, abgerufen am 1. März 2024 (englisch).
  5. a b c S. J. Zaloga: The Kremlin’s Nuclear Sword – The Rise and Fall of Russia’s Strategic Nuclear Forces, 1945–2000. Smithsonian Institution Press, 2001, ISBN 1-58834-007-4.
  6. a b c d e Nuclear Notebook: U.S. and Soviet/Russian intercontinental ballistic missiles, 1959–2008
  7. a b David Stumpf Titan II – A History of a Cold War Missile Program. University of Arkansas Press, 2000. ISBN 1-55728-601-9