Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts
Das Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts ist ein vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) seit 1859 jährlich vergebenes Stipendium zur Förderung des akademischen Nachwuchses in der Archäologie und ihren Nachbarwissenschaften.
Im Allgemeinen halten sich die Stipendiaten über einen längeren Zeitraum im Kulturraum der Klassischen Antike, also dem Mittelmeerraum, aber auch Vorderasien, auf. Die Stipendiaten sollen dabei einen Eindruck von den Ländern und der Kultur, besonders aber den archäologischen und historischen Stätten und Zeugnissen erhalten. Die Dauer des Stipendiums beträgt im Allgemeinen ein Jahr, kann aber in begründeten Ausnahmen um ein Jahr verlängert werden.
Geschichte und Modalitäten
BearbeitenDas Reisestipendium wurde erstmals 1859 vergeben und hieß zunächst Reichsstipendium. Die ersten Stipendiaten waren Alexander Conze und Adolf Michaelis.[1] Zunächst wurden zwei Stipendien vergeben, vorrangig an Klassische Archäologen. Mit der Satzungsänderung des DAI von 1874 wurden fünf Stipendien eingerichtet, vier für Klassische Archäologen (damals häufig auch Philologen) und eines für einen Christlichen Archäologen. Letztere benötigten bis in die 1920er Jahre in der Regel einen theologischen Abschluss.[2] Seit 1927/28 werden Prähistoriker mit einem von der Römisch-Germanischen Kommission vergebenen Stipendium sowie Bauforscher gefördert. Zeitweise wurden auch halbe Stipendien für Gymnasiallehrer vergeben. Die Anzahl der Reisestipendien richtete sich jeweils nach den zur Verfügung stehenden Mitteln und der Zahl und Qualität der Bewerber. Erste Frau als Inhaberin des Stipendiums war 1908 die Theologin Carola Barth. Während bis einschließlich 1955, also in einem Zeitraum von fast 100 Jahren, nur sechs Frauen das Stipendium bekommen hatten, erhielten es 1956 gleich drei Frauen. Seitdem war die Vergabe an Frauen keine Ausnahme mehr, sondern die Regel.
Das Reisestipendium ist seit seiner Einrichtung 1859 zu einem äußerst nachhaltigen Instrument des DAI bei der Nachwuchsförderung geworden. Ein Großteil der späteren Hochschullehrer vor allem in der Klassischen Archäologie waren Inhaber des Stipendiums, aber auch nicht wenige Althistoriker und andere Altertumswissenschaftler empfangen das Stipendium. Neben dem Reisestipendium der Zentrale werden Reisestipendien auch von Teilorganisationen des DAI vergeben, namentlich der Römisch-Germanischen Kommission, der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik sowie der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen.
Die Stipendien werden jährlich ausgeschrieben und unter anderem im Archäologischen Anzeiger veröffentlicht. Die Bewerber müssen die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen oder den ständigen Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Die Altersgrenze liegt bei 35 Jahren, wobei die Bewerber bei Einreichung der Dissertation nicht älter als 32 gewesen sein dürfen. Die Auswahl der Stipendiaten erfolgt bei der Jahressitzung der Zentraldirektion. Bei der Bewerbung sind neben den jeweiligen Abschlussarbeiten auch zwei Gutachten von Fachgelehrten über die Eignung des Bewerbers, Lebenslauf, Reiseplan und die schon veröffentlichten Druckschriften einzureichen. Derzeit beträgt die Förderung 17.000 €. Die Stipendiaten sind verpflichtet, bei den im Normalfall Mitte Juni stattfindenden Vorbereitungstreffen in der Berliner Zentrale des DAI teilzunehmen. Zudem sind sie verpflichtet, an den wissenschaftlichen Veranstaltungen der Auslandsabteilungen des DAI teilzunehmen, wenn sie zu dieser Zeit vor Ort sind. Vierteljährlich müssen sie dem DAI-Präsidenten berichten und ihm nach dem Ablauf der Studienreise einen zusammenfassenden Bericht vorlegen.
Neben dem Reisestipendium vergibt das DAI auch das Wülfing-Stipendium.
Liste der Reisestipendiaten
Bearbeiten- Zeitraum – Zeitraum des bewilligten Stipendiums
- Reisestipendium des DAI – chronologisch-alphabetische Liste der Inhaber des Reisestipendiums des Deutschen Archäologischen Instituts
- Reisestipendium der RGK – chronologisch-alphabetische Liste der Inhaber des Reisestipendiums der Römisch-Germanischen Kommission
- Reisestipendium der KAGE – chronologisch-alphabetische Liste der Inhaber des Reisestipendiums der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik
- * – halbes Stipendium
- ** – halbes Stipendium für Gymnasiallehrer
- ² – Verlängerung des vorherigen Stipendiums
- ³ – Inhaber eines Reisestipendiums der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik vor dem Anschluss der Kommission an das DAI
Literatur
Bearbeiten- Siegmar von Schnurbein, In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82, 2001, S. 185–187.
- Peter Trebsche: Die Reisestipendiaten der Römisch-Germanischen Kommission. In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82, 2001, S. 530–542.
Weblinks
Bearbeiten- Stipendiatenliste auf der Website des Deutschen Archäologischen Instituts
- Stipendien und Förderungen des Deutschen Archäologischen Instituts
- Richtlinien für Reisestipendien des Deutschen Archäologischen Instituts
- Aktuelle Reisestipendiatinnen (Stipendiaten und ihre Qualifikationsarbeiten seit 2009/10)
Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ Luise Errington: Die Berichte der ersten Reisestipendiaten des DAI. Zwei Funde im preussischen Staatsarchiv. In: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 130, 2015, S. 241–258.
- ↑ Martin Dennert: Die Christliche Archäologie und das Deutsche Archäologische Institut. In: Römische Quartalschrift 104, 2009, S. 103–140, bes. S. 137–140 (Digitalisat).
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am an ao ap aq ar as at au av aw ax ay az ba bb bc Stipendium für Christliche Archäologen.
- ↑ Otto Keck (1855–1880), Altphilologe, Klassischer Archäologe, Dissertation Quaestiones Aristophaneae historicae. Kiel 1876; Eduard Alberti: Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1866–1883. Biernatzki, Kiel 1885, S. 373.
- ↑ Carl Werner Müller: Ferdinand Dümmlers Bewerbungen um das Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts. Zur Erklärung einer Stelle im Briefwechsel Mommsens mit Wilamowitz. In: Rheinisches Museum für Philologie 148, 2005, S. 427–430.
- ↑ Julius Schönemann (1864–1939), Gymnasiallehrer, später Direktor des Kaiserin-Friedrich-Gymnasiums in Bad Homburg; Promotion 1896 Bonn; Personalakte.
- ↑ Wilhelm Lange (1864–), Gymnasiallehrer, Dissertation Quaestiones in Aristophanis Thesmophoriazusas. Göttingen 1891; Personalakte.
- ↑ Max Klußmann (1856–), Gymnasiallehrer, Dissertation Curarum Tertullianearum particulae. Halle 1881.
- ↑ Max Ruhland (1868–), Gymnasiallehrer, Dissertation Die eleusinischen Göttinnen. Entwicklung ihrer Typen in der attischen Plastik. Straßburg 1901; Personalakte.
- ↑ Paul Groebe (1868–1953), Gymnasiallehrer, Dissertation De legibus et senatusconsultis anni 710 quaestiones chronologicae. Berlin 1893; Personalakte.
- ↑ Friedrich Schober (1898–1990), Althistoriker, Altphilologe, Gymnasiallehrer; Dissertation Phokis. Jena 1923 (gedruckt 1924); Katja Sporn, Eric Laufer, Peter Funke: „Mit Maßband und Bussole....“. Geschichte und Würdigung des Manuskripts über eine Phokisreise im Jahr 1926 von Friedrich Schober und Erich Gose. In: Athenische Mitteilungen 131/132, 2016/17, S. 371–425.
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am an ao ap aq ar as at au av aw ax ay Stipendium für Bauforscher.
- ↑ Bernt Götze (1902–1944, gefallen); Klassischer Archäologe, Dissertation Ein römisches Rundgrab in Falerii. Berlin 1939; Totentafel im Archäologischen Anzeiger 1944/45 [1949].
- ↑ Hugo Hoffmann (1909–1944, vermisst), Prähistoriker, Promotion Kiel 1935, Peter Trebsche: Die Reisestipendiaten der Römisch-Germanischen Kommission. In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82, 2001, S. 531.
- ↑ Hans Karl Süsserott, Klassischer Archäologe, Dissertation Griechische Plastik des 4. Jahrhunderts vor Christus. Untersuchungen zur Zeitbestimmung. Frankfurt 1938; nach dem Krieg nicht mehr nachweisbar.
- ↑ Ludwig Joutz (1910–1998), Architekt, Stipendium für Bauforscher, Dissertation Der mittelalterliche Kirchenvorhof in Deutschland. Technische Universität Berlin 1936. Interlude extra: The art of Ludwig Aloysius Joutz; Teilnachlass im DAI Berlin.
- ↑ Herbert D[aniel] Schaedel (1912–), Ägyptologe, Dissertation Die Listen des großen Papyrus Harris. Leipzig 1936. Nach dem Krieg nicht mehr als Ägyptologe tätig, lebte 1956 in München, wo er als Patentwirtschaftler tätig war. Thomas Schneider, Peter Paulwing (Hrsg.): Egyptology from the First World War to the Third Reich. Brill, Leiden 2013, ISBN 978-90-04-24329-3, S. 182–183. 195–199.
- ↑ Friedrich Wilhelm Schlikker, Klassischer Archäologe, Dissertation Hellenistische Vorstellungen von der Schönheit des Bauwerks nach Vitruv. Münster 1940; nach dem Krieg nicht mehr nachweisbar.
- ↑ Horst-Ulbo Bauer, Klassischer Archäologe, nach dem Krieg am Römisch-Germanischen Museum in Köln, später als Kunsthändler in Köln tätig: „Horst Ulbo Bauer. Kleinkunst der Antike. Köln Neuenhöfer Allee 10“, Anzeige Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 13, 1968, S. 217.
- ↑ Joachim Hannover, Klassischer Archäologe, gefallen, Totentafel im Archäologischen Anzeiger 1944/45 [1949].
- ↑ Rudolf Hecker (–1943, gefallen), Ägyptologe. Thomas Schneider, Peter Paulwing (Hrsg.): Egyptology from the First World War to the Third Reich. Brill, Leiden 2013, ISBN 978-90-04-24329-3, S. 213 Anm. 358.
- ↑ Haevernick konnte 1960 mit einem Viertelstipendium zumindest einen Teil der Reise nachholen
- ↑ Architekt, Stipendium für Bauforscher, Dissertation Die Stadtkirche St. Martin zu Lauingen an der Donau, TH Karlsruhe 1958.
- ↑ Ekkehard Meinhardt (1933–2017), Altphilologe, Dissertation Perikles bei Plutarch. Frankfurt 1957; Todesanzeige, Fotos vom Reisestipendium.
- ↑ Hans Joachim Kruse, Klassischer Archäologe, Dissertation Römische weibliche Gewandstatuen des zweiten Jahrhunderts n. Chr. Göttingen 1975. Ab 1976 Leiter des Museums des Kreises Plön.
- ↑ Thomas Schwertfeger, Dissertation Der Achaiische Bund von 146 bis 27 v. Chr. Heidelberg 1972 (gedruckt 1974).
- ↑ * 1948, Klassischer Archäologe, Promotion Heidelberg 1978, 1985–1991 Assistent am Archäologischen Institut der Universität Heidelberg, DNB 1029135975.
- ↑ * 1952, Klassischer Archäologe, Promotion Würzburg 1980, tätig als freiberuflicher Lektor.
- ↑ Ruth-Röwer-Döhl (1950–2023), Klassische Archäologin, verheiratet mit Hartmut Döhl, Traueranzeige.
- ↑ Zurückgegeben, Peter Trebsche: Die Reisestipendiaten der Römisch-Germanischen Kommission. In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82, 2001, S. 539.
- ↑ Ulrich Hoffmann (* 1956), Ägyptologe, Dissertation Fuhrwesen und Pferdehaltung im alten Ägypten. Bonn 1986; tätig im Informatiksektor, Andrea Alexander, Thomas Rath (Hrsg.): Krankenkassen im Wandel: Organisationsentwicklung als Herausforderung. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden 2001, S. 247 (Kurzlebenslauf).
- ↑ Die Stipendien der Römisch-Germanischen Kommission waren jeweils Dreiviertel-Stipendien.
- ↑ Klassische Archäologin, Promotion Heidelberg 1993, tätig in der Public Relations-Arbeit, DNB 1160089914.
- ↑ * 1966, Klassische Archäologin, Promotion Heidelberg 1993/94, tätig als Beraterin im Museumsmanagement.
- ↑ * 1964; Prähistoriker, Promotion Freiburg, tätig als Kommunikationsberater, DNB 17277232X.
- ↑ Klassische Archäologin, Dissertation Göttingen 1996, tätig im Wissenschaftsmanagement.
- ↑ Klassischer Archäologe, Promotion Heidelberg 2003, tätig als Psychotherapeut.
- ↑ Stipendium nicht angenommen.
- ↑ Klassische Archäologin, Promotion Heidelberg 1998, tätig als Lektorin und Autoren-Coach.
- ↑ * 1968, Klassischer Archäologe, Promotion Münster 1999, tätig als Reiseleiter, DNB 173730310.
- ↑ Nicht angetreten, Peter Trebsche: Die Reisestipendiaten der Römisch-Germanischen Kommission. In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 82, 2001, S. 542.
- ↑ Martin Furholt: Wenn einer eine Reise tut...– das Reisestipendium 2007/2008. In: Starigard 9, 2008/09, S. 33–38.
- ↑ Mitarbeiter. Abgerufen am 6. April 2021.
- ↑ Christiane Nowak-Lipps (* 1981), Klassische Archäologin, Promotion Köln 2010, verheiratet mit Johannes Lipps, Seite beim LEIZA.
- ↑ Vorstellung der neuen Reise- und Wülfing-StipendiatInnen des DAI.
- ↑ Ordentliche Jahressitzung der Zentraldirektion 2017.
- ↑ Ordentliche Jahressitzung der Zentraldirektion 2018.
- ↑ Ordentliche Jahressitzung der Zentraldirektion 2019.
- ↑ Ordentliche Jahressitzung der Zentraldirektion 2020 ( des vom 3. August 2020 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. .
- ↑ Jahressitzung der Zentraldirektion des Deutschen Archäologischen Instituts 2021.
- ↑ Berliner Antike Blog: Unterwegs mit dem Reisestipendium des DAI.
- ↑ Zentraldirektion des DAI vergibt Reisestipendien 2022/23. In: www.dainst.org. Deutsches Archäologisches institut, 12. Mai 2023, abgerufen am 21. September 2023.
- ↑ Zentraldirektion des DAI vergibt Reisestipendien 2023/24. In: www.dainst.org. Deutsches Archäologisches institut, 12. Mai 2023, abgerufen am 21. September 2023.