Scheurl von Defersdorf
Die Scheurl von Defersdorf sind eine Patrizierfamilie der Reichsstadt Nürnberg. Erstmals wurde sie im Jahr 1440 urkundlich erwähnt. Familiensitz ist das 1535 aus dem Besitz der Holzschuher übernommene ehemalige Zeidelgut Fischbach. Die Scheurl waren von 1729 bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit im Jahre 1806 im Inneren Rat vertreten.
Geschichte
BearbeitenDer Ursprung des rats- und turnierfähigen Geschlechts der Scheurl liegt in Schwaben, im Raum Esslingen, Lauingen und Gundelfingen. Zu Wohlstand kamen die Scheurl durch den Fernhandel. Sie ließen sich 1440 als Kaufleute und Fernhändler in Breslau nieder.
Christoph I. Scheurl (1457–1519) zog von Breslau nach Nürnberg. 1481 wurde er als Genannter in den Großen Nürnberger Rat aufgenommen und erlangte 1485 das Bürgerrecht. Er heiratete Helena Tucher aus dem Nürnberger Patriziat. Deren Doppelwappen ließ der Sohn Christoph II. 1512 von Albrecht Dürer in Kupfer stechen. 1485 kaufte Christoph I. ein Stadthaus unterhalb der Kaiserburg, in dem er 1491 König Maximilian bewirtete. Sein Handelsnetz reichte von Lemberg im Osten bis Venedig und Lucca im Süden, das Handelssortiment war umfangreich und umfasste vor allem Gold- und Silberfäden, Silber, Zinn, Seide, Seidenwaren und Tuche. Scheurl und sein Sohn Albrecht (1482–1531) erweiterten die Geschäftsbereiche und wurden auch Montanunternehmer in den böhmischen und sächsischen Bergrevieren. Im Jahr 1500 verloren sie einen großen Teil ihres Vermögens. Albrecht wurde 1531 durch den Raubritter Thomas von Absberg ermordet.[1]
Der ältere Sohn Christoph Scheurl II. (1481–1542) studierte in Heidelberg und Bologna Kirchenrecht und wurde dort von führenden Humanisten beeinflusst. Der Theologe Johann von Staupitz vermittelte ihn an den sächsischen Kurfürsten Friedrich den Weisen, der den Geistlichen 1507 als Professor für Kanonisches Recht und Rektor der Universität Wittenberg berief. 1509 malte dort Lucas Cranach d. Ä. sein Porträt. Im September 1511 holte Staupitz seinen Schüler Martin Luther als Doktorand an die von Scheurl geleitete Universität. Im Dezember 1511 folgte Scheurl zum Leidwesen des Kurfürsten einem Ruf als Ratskonsulent nach Nürnberg; er beteiligte sich dort an der Kodifizierung und Reformierung des örtlichen Zivilrechts und war für den Nürnberger Rat in diplomatischen Missionen unterwegs. 1519 wechselte er in den Laienstand und heiratete Katharina Fütterer, die aus einer bekannten, seit 1501 zum Patriziat gehörenden Großkaufmannsfamilie stammte. Nach Luthers Thesenanschlag von 1517 versandte Scheurl die 95 Thesen an Kollegen und versuchte, zwischen Luther und Johannes Eck zu vermitteln. Auch im Nürnberger Religionsgespräch 1525 stellte er sich auf die Seite der evangelischen Prediger. Er hielt sowohl mit katholischen wie auch mit reformatorischen Theologen Kontakt und, nach einem Streit mit Philipp Melanchthon, stellte er sich nach dem Reichstag von Augsburg 1530 endgültig auf die Seite des katholischen Humanismus.[2]
1566 erwarb die Familie das Gut Defersdorf und nannte sich fortan, nach dem Vorbild des Adels, Scheurl von Defersdorf. Obwohl die Scheurl sehr reich waren und hohes Ansehen genossen, wurden sie erst 1580 gerichtsfähig und 1729 ins Patriziat kooptiert. Zwischen 1752 und 1806 übten drei Vertreter der Familie Ratsämter aus. 1813 als Edle in den bayerischen Adel immatrikuliert, wurden die Scheurl von Defersdorf 1884 mit dem evangelischen Kirchenrechtler Adolf von Scheurl in den erblichen Freiherrenstand erhoben.
Besitzungen
Bearbeiten- seit 1535 gehörte ihnen das Scheurlsche Schloss in Fischbach
Ehemalige Besitzungen
BearbeitenIn und um Nürnberg herum hatten die Scheurl große Besitzungen. Ihr Nürnberger Stammsitz war ab 1485 das Haus unterhalb der Burg, Burgstraße 10. Unter anderem hatten sie folgende Besitzungen:
- 1485–1945 Stadthof in der Burgstrasse 10 Nürnberg mit dem sogenannten Kaiserstübchen[3][4]
- 1566–1818 namengebender Sitz Defersdorf ▼ bei Roßtal[5]
- 1617–1739 Herrensitz Weigelshof
- 1620–1853 Herrensitz Heuchling
- 1682–1823 Pfinzingschloss in Feucht
- 1686–1825 (ca.) Herrensitz in der Fischbacher Hauptstraße 152
- 1714–1876 Petzsches Schloss in Schwarzenbruck (seither im Erbgang die Petz von Lichtenhof)
- 1720–1825 (ca.) Groland-Scheurlschloss in Erlenstegen
- 1736–1853 Herrensitz Vorra
- 1768–1794 Förrenbergerscher Herrensitz in Erlenstegen
- 1779–1790 Zeltnerschloss in Gleißhammer
- 1780–1794 den Dietherrschen Herrensitz in Erlenstegen
- 1787–1950 Scheuerlscher Herrensitz in Altenfurt
- 1830–1854 Herrensitz in Weiherhaus bei Pillenreuth
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Herrensitz in Heuchling
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Pfinzingschloss in Feucht
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Petzsches Schloss in Schwarzenbruck
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Scheurlschloss in Erlenstegen
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Herrensitz in Altenfurt
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Herrensitz Weigelshof
Bekannte Familienmitglieder
Bearbeiten- Christoph Scheurl I. (1481–1542), Kaufmann, Genannter im Großen Nürnberger Rat, verheiratet mit Helena Tucher
- Christoph Scheurl II. (1481–1542), Professor und Rektor der Universität Wittenberg, Nürnberger Rechtskonsulent, Diplomat und Humanist
- Albrecht Scheurl (1482–1531), Kaufmann in der Firma des Vaters Christoph I., 1531 vom Raubritter Thomas von Absberg ermordet
- Christoph Scheurl von Defersdorf in Heuchling (1666–1740), Rechtskonsulent, Rat des Fürsten zu Schwarzenberg[6]
- Adolf Freiherr Scheurl von Defersdorf (1811–1893), Jurist, Professor in Erlangen, 1884 in den erblichen Freiherrenstand erhoben
- Eberhard Freiherr Scheurl von Defersdorf (1873–1952), Jurist, Professor an der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg
- Mechthild Roswitha Scheurl von Defersdorf, geb. Freiin Scheurl von Defersdorf, (* 1952 in Erlangen), Sprachwissenschaftlerin
Aus der Besitzhistorie des Pfinzingschlosses Feucht
- Christoph Gottlieb Scheurl von Defersdorf, Ratskonsulent (ab 1682)
- Christoph Gottlieb Scheurl von Defersdorf d. I. (ab 1713)
- Karl Wilhelm Scheurl von Defersdorf (ab 1764)
- Christoph Gottlieb Scheurl von Defersdorf (ab 1793 bis 1823)
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Christoph Scheurl II. (1481–1542) mit seinen Söhnen (Lucas Cranach der Jüngere)
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Albrecht Scheurl (1482–1531), Kaufmann
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Paul Scheurl (Münze von Valentin Maler, 1583)
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Christoph Theophilus Scheurl (1641–1712), Mediziner
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Christoph Scheurl von Defersdorf in Heuchling (1666–1740), Rechtskonsulent
Wappen
BearbeitenStammwappen: In Rot ein aufspringender, gehörnter silberner Panther mit herausgestreckter Zunge und stehendem, vierfach geknotetem Schweif. Auf dem Helm mit rot-silbernen Helmdecken der Panther wachsend.
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Stammwappen der Scheurl, um 1510 (Lucas Cranach d. Ä.)
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Wappenscheibe Scheurl/Geuder, Lorenzkirche
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Fayence-Teller des Christoph II. Scheurl mit Ehewappen Scheurl/Fütterer (von 1532)
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Epitaph in der Sebaldskirche
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Epitaph für Jacob Wilhelm Scheurl von Defersdorf in der Stadtkirche Hersbruck, 1719
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Christoph von Imhoff (Hrsg.): Berühmte Nürnberger aus neun Jahrhunderten. Hofmann, Nürnberg 1984, ISBN 3-87191-088-0. 2., erg. u. erw. Auflage: 1989. Neuauflage: Edelmann, 2000.
- Michael Diefenbacher: Scheurl von Defersdorf, Patrizierfamilie. In: Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (online).
- Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser, 1886, S.830ff mit historischem Abriss
- Johann Gottfried Biedermann: Geschlechtsregister des hochadelichen Patriciats zu Nürnberg, S.51ff
- Paul von Volckamer von Kirchensittenbach: Historisch-genealogisch-heraldisches Handbuch der lebenden raths- und gerichtsfähigen Familien der vormaligen Reichsstadt Nürnberg / 6.S. 137–142 Stuttgart 1869
Weblinks
Bearbeiten- Sebastian Gulden: Im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Das Kaiserstübchen der Familie Scheurl: Hier befand sich Nürnbergs wohl schönste gute Stube. 23. Mai 2023
- Wappen der Scheurl
- Wappen der Familien Scheurl und Geuder, Deutsche Digitale Bibliothek
- Das Ehewappen des Christoph Scheurl und der Helena Tucher (Die Wappen der Scheurl und Tucher), Digitale Sammlungen der Staatsbibliothek Bamberg
- Scheurl'sches Haus, Deutsche Digitale Bibliothek
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Stumpf, Christoph A., "Scheurl, Christoph" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 715–716
- ↑ Stumpf, Christoph A., "Scheurl, Christoph" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 715–716
- ↑ Sebastian Gulden: Im Zweiten Weltkrieg vernichtet.
- ↑ Helmut Walther: Das Nürnberger Kaiserstübchen Nürnberg, Juli 2017
- ↑ Die Geschichte von Defersdorf
- ↑ siehe diesen hochaufgelösten Scan des Kupferstiches von Johann Wilhelm Windter von 1741