In der fortgeschrittenen Theorie sind die Anwendungen dieses Funktionalkalküls so selbstverständlich, dass sie oft nicht einmal erwähnt werden. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass der stetige Funktionalkalkül, den Unterschied zwischen C*-Algebren und allgemeinen Banachalgebren, in denen man lediglich einen holomorphen Funktionalkalkül hat, ausmacht.
Will man den natürlichen Funktionalkalkül für Polynome auf dem Spektrum eines Elements einer Banachalgebra zu einem Funktionalkalkül für stetige Funktionen auf dem Spektrum erweitern, so liegt es nahe, eine stetige Funktion gemäß dem Satz von Stone-Weierstraß durch Polynome zu approximieren, das Element in diese Polynome einzusetzen und zu zeigen, dass diese Folge von Elementen in konvergiert.
Die stetigen Funktionen auf werden von Polynomen in und approximiert, das heißt von Polynomen der Form . Dabei bezeichnet die komplexe Konjugation, welche eine Involution auf den komplexen Zahlen ist.
Damit man nun an Stelle von in ein solches Polynom einsetzen kann, betrachtet man Banach-*-Algebren, also Banachalgebren, die ebenfalls eine Involution * haben, und setzt an die Stelle von . Um einen Homomorphismus zu erhalten, muss man sich auf normale Elemente einschränken, also Elemente mit , da der Polynomringkommutativ ist.
Ist nun eine Folge von Polynomen, die auf gleichmäßig gegen eine stetige Funktion konvergiert, so ist noch die Konvergenz der Folge in gegen ein Element sicherzustellen. Eine eingehende Analyse dieses Konvergenzproblems zeigt, dass man sich auf C*-Algebren zurückziehen muss. Diese Überlegungen führen zum sogenannten stetigen Funktionalkalkül.
Die Abbildung heißt der stetige Funktionalkalkül zum normalen Element . Üblicherweise setzt man suggestiv .
Durch die *-Homomorphie-Eigenschaft gelten für alle Funktionen und Skalare die folgenden Rechenregeln:
(linear)
(multiplikativ)
(involutiv)
Man kann sich also vorstellen, die normalen Elemente tatsächlich in stetige Funktionen einzusetzen; die naheliegenden algebraischen Operationen verhalten sich wie erwartet.
Die Forderung nach einem Einselement ist keine wesentliche Einschränkung. Man kann nötigenfalls ein Einselement adjungieren und in der so vergrößerten C*-Algebra arbeiten. Ist dann und mit , so gilt und .
Die Existenz und die Eindeutigkeit des stetigen Funktionalkalküls beweist man getrennt:
Existenz: Da das Spektrum von in der von und erzeugten C*-Unteralgebra dasselbe ist, wie in genügt es die Aussage für zu zeigen. Die eigentliche Konstruktion des stetigen Funktionalkalküls erfolgt anschließend unter Verwendung der InversenGelfand-Transformation.
Eindeutigkeit: Da und festgelegt sind, ist bereits für alle Polynome eindeutig festgelegt, da ein *-Homomorphismus ist. Diese bilden nach dem Satz von Stone-Weierstraß eine dichte Unteralgebra von . Damit ist insgesamt eindeutig.
In der Funktionalanalysis ist man häufig am stetigen Funktionalkalkül für einen normale Operatoren interessiert, das heißt an dem Fall, dass die C*-Algebra der beschränkten Operatoren auf einem Hilbertraum ist. Häufig wird in der Literatur der stetige Funktionalkalkül in diesem Setting sogar nur für selbstadjungierte Operatoren bewiesen. Der Beweis kommt in diesem Fall ohne die Gelfand-Transformation aus.[1]
Weitere Eigenschaften des stetigen Funktionalkalküls
Der stetige Funktionalkalkül ist ein isometrischerIsomorphismus auf die von und erzeugte C*-Unteralgebra , das heißt:
für alle ; ist somit stetig.
Da ein normales Element von ist, ist die von und erzeugte C*-Unteralgebra kommutativ. Insbesondere ist normal und alle Elemente eines Funktionalkalküls kommutieren.
Der holomorphe Funktionalkalkül wird vom stetigen Funktionalkalkül in eindeutiger Weise fortgesetzt.[2] Daher stimmt für Polynome der stetige Funktionalkalkül mit dem natürlichen Funktionalkalkül für Polynome überein: für alle mit .
Sind und , so gilt für deren Komposition. Sind zwei normale Elemente mit und ist sowohl auf als auch die Umkehrfunktion von , so ist bereits , da .
Es gilt der spektrale Abbildungssatz: für alle .
Gilt für , so gilt auch für alle , das heißt wenn mit kommutiert, dann auch mit den zugehörigen Elementen des stetigen Funktionalkalküls .
Sei ein unitärer *-Homomorphismus zwischen C*-Algebren und . Dann kommutiert mit dem stetigen Funktionalkalkül. Es gilt: für alle . Insbesondere kommutiert der stetige Funktionalkalkül mit der Gelfand-Transformation.
Mit dem spektralen Abbildungssatz lassen sich Funktionen mit bestimmten Eigenschaften direkt mit bestimmten Eigenschaften von Elementen von C*-Algebren in Verbindung bringen:
ist genau dann unitär, wenn alle Werte von in der Kreisgruppe liegen, also ist.
ist genau dann eine Projektion, wenn nur die Werte und annimmt, also ist.
Diese gehen auf Aussagen über das Spektrum bestimmter Elemente zurück, welche im Abschnitt Anwendungen dargestellt sind.
Im speziellen Fall, dass die C*-Algebra der beschränkten Operatoren für einen Hilbertraum ist, sind Eigenvektoren zum Eigenwert eines normalen Operators auch Eigenvektoren zum Eigenwert des Operators . Gilt also , so gilt auch für alle .[7]
Sei eine C*-Algebra und ein normales Element. Dann gilt für das Spektrum :
ist genau dann selbstadjungiert, wenn .
ist genau dann unitär, wenn .
ist genau dann eine Projektion, wenn .
Beweis. Der stetige Funktionalkalkül zum normalen Element ist ein *-Homomorphismus mit und somit ist selbstadjungiert/unitär/eine Projektion, wenn ebenfalls selbstadjungiert/unitär/eine Projektion ist. Genau dann ist selbstadjungiert, wenn für alle gilt, also wenn reell ist. Genau dann ist unitär, wenn für alle gilt, also . Genau dann ist eine Projektion, wenn , d. h. für alle , also .
Sei ein positives Element einer C*-Algebra . Dann existiert für jedes ein eindeutig bestimmtes positives Element mit , das heißt eine eindeutige -te Wurzel.
Beweis. Für jedes ist die Wurzelfunktion eine stetige Funktion auf . Sei mittels stetigem Funktionalkalkül definiert, dann folgt aus den Eigenschaften des Kalküls . Aus dem spektralen Abbildungssatz folgt , das heißt ist positiv. Sei ein weiteres positives Element mit , so gilt , da die Wurzelfunktion auf den positiven reellen Zahlen eine Umkehrfunktion zur Funktion ist.
Ist ein selbstadjungiertes Element, dann existiert zumindest für jedes ungerade ein eindeutig bestimmtes selbstadjungiertes Element mit .[8]
Ebenso definiert für ein positives Element einer C*-Algebra jedes ein eindeutig bestimmtes positives Element von , sodass für alle gilt. Falls invertierbar ist, lässt sich dies auch auf negative Werte von fortsetzen.
Sei , dann ist das Element positiv, sodass der Betrag durch den stetigen Funktionalkalkül definiert werden kann , da dieser auf den positiven reellen Zahlen stetig ist.[9]
Sei ein selbstadjungiertes Element einer C*-Algebra , dann existieren positive Elemente , sodass mit gilt. Man bezeichnet und auch als Positiv- und Negativteil. Darüber hinaus gilt .
Beweis. Die Funktionen und sind stetige Funktionen auf mit und . Setze und . Nach dem spektralen Abbildungssatz sind und positive Elemente und es gilt und . Weiterhin gilt , sodass gilt.
Ist ein selbstadjungiertes Element einer C*-Algebra mit Einselement , so ist unitär, wobei die imaginäre Einheit bezeichnet. Ist umgekehrt ein unitäres Element, mit der Einschränkung, dass das Spektrum eine echte Teilmenge des Einheitskreises ist, also , so existiert ein selbstadjungiertes Element mit .
Beweis. Es ist mit , denn da selbstadjungiert ist, folgt , das heißt ist eine Funktion auf dem Spektrum von . Da folgt mittels Funktionalkalkül , das heißt ist unitär. Da für die andere Aussage ein existiert, sodass ist die Funktion für eine reellwertige stetige Funktion auf dem Spektrum , sodass ein selbstadjungiertes Element ist, das erfüllt.
Sei eine unitäre C*-Algebra und ein normales Element. Das Spektrum bestehe aus paarweise disjunktenabgeschlossenen Teilmengen für alle , also . Dann existieren Projektionen , die für alle die folgenden Eigenschaften besitzen[10]:
Die Summe der Projektionen ist das Einselement, also .
Insbesondere existiert eine Zerlegung für die für alle gilt.
Beweis.[10] Da die alle abgeschlossen sind, sind die charakteristischen Funktionen stetig auf . Sei nun mithilfe des stetigen Funktionalkalküls definiert. Da die paarweise disjunkt sind gilt und und somit erfüllen die die geforderten Eigenschaften, wie sich wiederum aus den Eigenschaften des stetigen Funktionalkalküls ergibt. Für die letzte Aussage setzt man .
↑Michael Reed, Barry Simon: Methods of modern mathematical physics. vol. 1. Functional analysis. Academic Pres, San Diego, CA, 1980, ISBN 0-12-585050-6, S. 222.
↑Bruce Blackadar: Operator Algebras. Theory of C*-Algebras and von Neumann Algebras. Springer, Berlin/Heidelberg 2006, ISBN 3-540-28486-9, S. 64–65.
↑Bruce Blackadar: Operator Algebras. Theory of C*-Algebras and von Neumann Algebras. Springer, Berlin/Heidelberg 2006, ISBN 3-540-28486-9, S. 62.
↑ abWinfried Kaballo: Aufbaukurs Funktionalanalysis und Operatortheorie. Springer, Berlin/Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-37794-5, S. 375.