Das Tingel-Tangel-Theater im Keller des Theater des Westens in Berlin wurde 1931 von Friedrich Hollaender gegründet. 1921–1923 bestand in diesen Räumen die von Trude Hesterberg gegründete „Wilde Bühne“, die neben zahlreichen weiteren Kabaretts dieser Zeit wie dem Schall und Rauch, dem Café Größenwahn und der Katakombe eine der bedeutendsten Unterhaltungsstätten Berlins war.[1][2]

Berliner Gedenktafel am Haus Kantstraße 12, in Berlin-Charlottenburg
Wilde Bühne von außen im Gebäude Theater des Westens

Viele prominente Stars, oder welche, die es noch werden sollten, gingen in der Kantstraße ein und aus – im Publikum oder auf der Bühne. Darunter waren Curt Bois, Margo Lion, Oskar Karlweis, Bertolt Brecht, Erich Mühsam, Paul Graetz, Wilhelm Bendow, Walter Gross, Hermann Vallentin, Blandine Ebinger, Walter Lieck, Marlene Dietrich, Theo Lingen, Kurt Gerron, Trude Berliner, Rosa Valetti, Hans Hermann Schaufuss, Kate Kühl, Hedi Schoop, Victor Palfi, Toni van Eyck, Günther Lüders, Dora Gerson usw.

Beginn der Wilden Bühne

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Trude Hesterberg gründete die Wilde Bühne 1921 gemeinsam mit Hans Janowitz, Walter Koppel, Leo Heller und Walter Mehring.[3] Im Eröffnungsprogramm trat neben Hesterberg (Künstlerische Leitung) u. a. der noch nicht bekannte Kurt Gerron auf. Die Kompositionen waren von Werner Richard Heymann. Margo Lion gab 1923 hier ihr Debüt zusammen mit Oskar Karlweis mit Die Linie der Mode. Am 16. November 1923 brach ein riesiges Feuer am Vormittag aus und legte alles in Trümmer und Asche. Ursache soll eine falsche Sicherung gewesen sein, die einen Kabelbrand auslöste. Trude Hesterberg fehlte die Kraft für einen Wiederaufbau. Wilhelm Bendow blieb und eröffnete es wieder im Februar 1924 mit seinem Erfolgsstück Tütü. Viele aus dem Hesterberg-Ensemble waren wieder dabei.

Höhepunkt des Theaters

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Aufsehen erregte 1928 der Besuch von König Amanullah aus Afghanistan in Berlin, dessen Besuch rund eine Million Reichsmark gekostet haben soll. Einen Tag später standen Trude Hesterberg als Soraya und Kurt Gerron als König Amanullah auf der Bühne. Kurze Zeit später wurde das Kabarett geschlossen.

Tingel-Tangel-Theater

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Im Jahr 1931 wurde die Bühne dann durch Friedrich Hollaender neu belebt, der hier das „Tingel-Tangel-Theater“ eröffnet. Das Nibelungenzimmer unmittelbar daneben ließ er 1932 abreißen, um mehr Sitzplätze zu schaffen. Hollaender, der zahlreiche Revuen für Rudolf Nelson geschriebene hatte, besaß nun eine eigene Bühne, auf der seine sogenannten „Revuetten“ dargeboten wurden.

Eigentlich wurden nur zwei Revuen herausgebracht. Im Herbst 1931 wurde „Spuk in der Villa Stern“ mit den Liedern An allem sind die Juden schuld, Die Kleptomanin, Der Spuk persönlich und Münchhausen allabendlich um 21:15 Uhr in 17 Verkleidungen und ein Jahr später „Höchste Eisenbahn“ mit den Chansons Die Notbremse und Das Chanson vom falschen Zug von Marlene Dietrich aufgeführt. Nachdem Marlene Dietrich zu ihrem ersten Besuch aus Amerika im Dezember 1930 wieder nach Berlin gekommen war, saß sie am Premieren-Abend des 7. Januar 1931 dort in der ersten Reihe. Nach der großen Pause, gab sie dem tosenden Verlangen des Publikums nach, begab sich auf die Bühne und sang ihre Welthits aus dem „Blauen Engel“, die aus der Feder Hollaenders stammten, unter seiner Begleitung am Flügel. Den Kritiker und Journalisten Manfred Georg beeindruckte sie besonders mit Hollaenders Wenn ich mir was wünschen dürfte. Es war das erste Mal, dass sie seine und ihre Erfolge aus dem Blauen Engel in Berlin öffentlich vor Publikum sang. Danach gab es kein Halten mehr, Ovationen schlugen Marlene entgegen »Hoch Marlene!« und »Bravo Marlene!«.

Friedrich Hollaender musste 1933 Deutschland verlassen. Curt Bois und Trude Berliner gingen in die Vereinigten Staaten und versuchten dort ihre Karriere weiterzuführen. Trude Berliner, die als Gertrude Berliner schon als Kinderstar im Film avancierte („Adaments letztes Rennen“, 1917), spielte gemeinsam mit Curt Bois an der Seite von Humphrey Bogart in „Casablanca“ 1942 eine Baccara-Spielerin. Blandine Ebinger leitete die Bühne kurze Zeit weiter. Das Kabarett in der Kantstraße wurde ab jetzt harmloser und angepasster von Gustav Heppner weitergeführt.

Ende des Theaters

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Am 10. Mai 1935 kam das Aus für das Theater. Walter Gross wurde wegen einer politischen Äußerung direkt aus dem Kabarett von der Gestapo verhaftet und kam ins KZ Esterwegen, ebenso Günther Lüders und Walter Lieck. Gross und Lüders verließen das Lager zwar wieder, wurden aber verurteilt und erhielten Arbeitsverbot. Lieck starb 1944 an einer verschleppten Blutvergiftung, eine Folge seiner halbjährigen Inhaftierung im KZ Esterwegen 1935.

Literatur zum Tingel-Tangel-Theater und der Wilden Bühne

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  • Trude Hesterberg: Was ich noch sagen wollte. Autobiographische Aufzeichnungen …. Henschel Verlag, Berlin 1971, DNB 573786321
  • Friedrich Hollaender (Autor), Volker Kühn (Hrsg.): Von Kopf bis Fuß. Revue meines Lebens. Aufbau Taschenbuch-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-7466-1688-3.
  • Alan Lareau: Tingel-Tangel: Auf der Suche nach Friedrich Hollaenders Kabarett. In: Nils Grosch (Herausgeber); Aspekte des modernen Musiktheaters in der Weimarer Republik. Münster 2004, Seite 288–334, DNB 972728120
  • Von Wilder Bühne, Tingel-Tangel und Tütü. Kabarett im Theater des Westens. In: Renée Meyer-Brede (Hrsg.): 100 Jahre Theater des Westens, 1896–1996. Propyläen Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-549-05598-6.
  • Friedrich Hollaender mit seinem Tingel-Tangel-Theater. In: Karin Ploog: … Als die Noten laufen lernten … Band 2: Kabarett-Operette-Revue-Film-Exil Unterhaltungsmusik bis 1945. Norderstedt 2015, ISBN 978-3-7347-5316-9, Seite 295–298.
  • Thimo Butzmann: Wilde Bühne & Nachfahren: Kabarett von 1921 bis 1935 in der Kantstraße 12. Berlin 2022, ISBN 978-3-7543-3857-5.
Originale Theaterprogrammhefte
(in Privatbesitz)
  • Friedrich Holländers Tingel Tangel: Spuk in Villa Stern. Berlin 1931.
  • Friedrich Holländers Tingel Tangel: Theaterzettel mit Programmfolge. Berlin 1931.
  • Friedrich Holländers Tingel Tangel: Allez-Hopp! Eine Varieté-Revue in 15 Attraktionen. Berlin [1931]. (online verfügbar unter https://archive.org/details/f.-hollaender-allez-hopp-tingel-tangel-theater-1932-ocr)
  • von F.W. Dührkoop (Leitung Tingel Tangel): Ein bißchen glücklich sein. Berlin 1935.

Theaterrevue

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  • Friedrich Hollaenders Tingel Tangel von James Edward Lyons, Premiere 2011 Vaganten Bühne, Kantstrasse 12, Berlin.

In der Berliner Kantstrasse 12, wo achtzig Jahre zuvor Friedrich Hollaender sein legendäres Tingel Tangel Theater eröffnete, reißt ein junger Mann eine geheimnisvolle Kellertür auf und gerät in die bunte (Alp)-traumwelt der 30er Jahre in Deutschland. Für ihn wird es zum gefährlichen Wettlauf mit der Zeit. Mit seiner Revue beschwört Regisseur James Edward Lyons an historischer Stätte Hollaenders musikalische Geister, von der Ahnfrau bis zur hysterischen Ziege, und lässt dabei die Endzeitstimmung vor der Machtergreifung der Nazis wieder entstehen.

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Commons: Tingel-Tangel-Theater – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Mit Tingel Tangel ins Berlin der 20er Jahre. In: Berliner Kurier. 14. Oktober 1999, abgerufen am 19. August 2015.
  2. http://mugi.hfmt-hamburg.de/grundseite/grundseite.php?id=hest1892
  3. Trude Hesterberg: Die "Wilde Bühne". In: Kunst und Gesellschaft. Aufsätze und Selbstzeugnisse. Zum 25-jährigen Bestehen des Henschelverlags, Berlin/DDR 1974, S. 183–195