Tissierellaceae

Familie der Ordnung Tissierellales

Tissierellaceae ist eine Familie von Bakterien. Die Arten vertragen keinen Sauerstoff, sie sind streng anaerob. Einige tolerieren auch Sauerstoff (aerotolerant), führen aber keine Atmung mit Sauerstoff durch. Sie gewinnen durch die Fermentation Energie. Einige Arten können auch mit Eisen oder Schwefelverbindungen die anaerobe Atmung durchführen. Die einzelnen Vertreter wurden aus anaeroben Vergärungsanlagen, heißen Süßwasserquellen, Motoröltanks sowie menschlichem Blut und Fäkalien isoliert. Tepidimicrobium ferriphilum kann radioaktive Strahlung von bis zu 10 Kilogray tolerieren.[1][2]

Tissierellaceae
Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Bacillota
Klasse: Clostridia
Ordnung: Tissierellales
Familie: Tissierellaceae
Wissenschaftlicher Name
Tissierellaceae
Wu 2020

Merkmale

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Die Mitglieder der Familie Tissierellaceae haben eine Zellwandstruktur vom Gram-positiven Typ, es können aber auch Gram-variable Färbungen auftreten. Bei Schnurera ultunensi tritt ausschließlich ein gram-negatives Ergebnis auf. Die meisten Arten sind beweglich und bilden Sporen.[2]

Stoffwechsel

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Die einzelnen Arten können durch die Gärung (Fermentation) Energie gewinnen. Einige können auch Schwefelverbindungen oder Eisen als Elektronenakzeptator durch die anaerobe Atmung nutzen. Endprodukte der Gärung können, je nach Art, Acetat, Butyrat oder Isovaleriansäure sein.[2] Einige Arten, wie Tissierella creatinophila, T. creatinini und Keratinibaculum paraultunense können Kreatinin als Kohlenstoff- und Energiequelle nutzen.[3][4] Bei T. creatinophila wird Kreatinin über Kreatin, Sarcosin und Glycin vollständig zu den Produkten Acetat, Monomethylamin, Ammoniak und Kohlendioxid abgebaut. Das Wachstum ist von der Zugabe von Selen abhängig und kann durch Formiat stimuliert werden, was auf die Beteiligung einer Kreatinreduktase, Sarkosinreduktase und/oder Glycinreduktase hinweist. T. creatinophila wurde aus einem Abwasserbecken einer Zuckerraffinerie isoliert. Die Art T. creatinini kann ebenfalls Kreatinin und zusätzlich einige verwandte stickstoffhaltige Verbindungen, aber nicht Kreatin, nutzen.

Tepidimicrobium ferriphilum kann mit Hilfe der anaerobe Atmung von Eisen Energie gewinnen. Hierbei kann die Art Eisen(III)-Verbindungen wie Eisen(III)-oxid oder Eisen(III)-Citrat nutzen. Die Art kann auch durch die Reduktion von Nitrat Energie erzeugen (Nitratatmung). Die verwandte Art T. xylanilyticum kann neben Eisen auch Schwelverbindungen nutzen. So reduziert es Thiosulfat und elementaren Schwefel zu Schwefelwasserstoff.[5][6] Des Weiteren kann es Fumarat zu Succinat und Selenit zu elementarem Selen reduzieren.[1] Glukose kann T. xylanilyticum zu den Verbindungen Acetat, Ethanol (Alkohol), Butyrat, Wasserstoff und Kohlendioxid fermentieren. Die Art könnte für die industrielle Herstellung von Wasserstoff von Interesse sein.[5] Auch die Art Soehngenia saccharolytica kann Sulfit and Thiosulfat als Elektronenakzeptator nutzen.[7] Sporanaerobacter acetigenes kann elementaren Schwefel als Elektronenakzeptator nutzen, die Verbindungen Sulfat, Thiosufat, Sulfit, Nitrat oder Nitrit werden von dieser Art nicht genutzt. Die Art kann auch die Stickland-Reaktion mit Isoleucin als Elektronendonor und Glycin oder Serin als Elektronenakzeptor durchführen.[8]

Systematik

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Die Familie Tissierellaceae wurde 2020 von Keja Wu eingeführt. Sie zählt zu der Ordnung Tissierellales. Die Typusgattung ist Tissierella, sie wurde 1986 von Collins und Shah aufgestellt.

Es folgt eine Liste einiger Gattungen:[9]

Ökologie

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Tepidimicrobium toleriert relativ hohe Temperaturen. Die Art T. xylanilyticum zeigt bestes Wachstum bei 60 °C, T. ferriphilum bei 50 °C. Die zuerst beschriebene Art T. ferriphilum wurde aus einer Süßwasser-Thermalquelle im Bargusin-Tal, Burjatien, Russland isoliert. T. xylanilyticum stammt aus dem Schlamm eines Klärwerks in China, in dem kommunale Feststoffabfälle und Abwässer behandelt werden. T. ferriphilum kann eine Exposition gegenüber Gammastrahlung mit einer Dosis von 5–10 Kilogray überleben.[1]

Anaerosalibacter bizertensis wurde aus Lagertanks isoliert, in denen Abfälle, die beim Recycling von ausrangierten Motorölen anfielen, gelagert wurden. Anaerosalibacter massiliensis wurde aus der Stuhlprobe eines Mannes isoliert. Untersuchungen von 16S rRNA-Gen-Sequenzen, zeigten das Vorhandensein von Anaerosalibacter-Vertretern auch im Darm von Mäusen. Anaerosalibacter toleriert recht hohe Salzwerte, worauf der Gattungsname hinweist („salis“ ist das lateinische Wort für Salz). So liegt der Salzgehalt für das Wachstum zwischen 0 und 10 % NaCl (w/v) mit einem Optimum bei 0,5 %, je nach Art.[10]

Gudongella oleilytica wurde aus ölhaltige Schlamm in einer Entsorgungsanlage des Shengli-Ölfelds in China isoliert. Es ist anaerob, toleriert aber auch geringe Sauerstoffgehalte.[11] Schnuerera ultunensis wurde aus Schlamm einer anaeroben Kläranlage isoliert.[4] Urmitella timonensis wurde von einem Kind isoliert, welches an Kwashiorkor (Hungerödem) litt.[12]

Tissierella wurde in Bezug auf die Biolaugung von Schwermetallen wie Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Zink und Blei untersucht. Hierbei wurde ein Bakterienkonsortium eingesetzt, neben Tissierella waren hierbei auch Acidiphilium und Leptospirillum vertreten.[13][14] Bei einer Untersuchung des Hákarl, ein isländisches Gericht, welches durch Fermentation von Fleisch des Grönlandhais hergestellt wird, wurden Hinweise auf nahe Verwandte von Tissierella creatinophila gefunden.[15]

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Wikispecies: Tissierellaceae – Artenverzeichnis

Einzelnachweise

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  1. a b c Alexander Slobodkin: Tepidimicrobium (2017) In: Bergey's Manual of Systematics of Archaea and Bacteria. 1. Auflage. Wiley, 2015, ISBN 978-1-118-96060-8, doi:10.1002/9781118960608.gbm01399 (wiley.com [abgerufen am 21. September 2024]).
  2. a b c Paul A. Lawson und Fred A. Rainey: Tissierellaceae (2020) In: Bergey's Manual of Systematics of Archaea and Bacteria. 1. Auflage. Wiley, 2015, ISBN 978-1-118-96060-8, doi:10.1002/9781118960608.fbm00275 (wiley.com [abgerufen am 24. September 2024]).
  3. Yan Huang, Yingjie Sun, Shichun Ma, Lu Chen, Hui Zhang, Yu Deng: Isolation and characterization of Keratinibaculum paraultunense gen. nov., sp. nov., a novel thermophilic, anaerobic bacterium with keratinolytic activity. In: FEMS Microbiology Letters. Band 345, Nr. 1, August 2013, S. 56–63, doi:10.1111/1574-6968.12184 (oup.com [abgerufen am 22. September 2024]).
  4. a b Paul A. Lawson: Tisseriella (2019) In: Bergey's Manual of Systematics of Archaea and Bacteria. 1. Auflage. Wiley, 2015, ISBN 978-1-118-96060-8, doi:10.1002/9781118960608.gbm00721.pub2 (wiley.com [abgerufen am 22. September 2024]).
  5. a b L. Niu, L. Song, X. Liu, X. Dong: Tepidimicrobium xylanilyticum sp. nov., an anaerobic xylanolytic bacterium, and emended description of the genus Tepidimicrobium. In: INTERNATIONAL JOURNAL OF SYSTEMATIC AND EVOLUTIONARY MICROBIOLOGY. Band 59, Nr. 11, 1. November 2009, ISSN 1466-5026, S. 2698–2701, doi:10.1099/ijs.0.005124-0 (microbiologyresearch.org [abgerufen am 21. September 2024]).
  6. A. I. Slobodkin, T. P. Tourova, N. A. Kostrikina, A. M. Lysenko, K. E. German, E. A. Bonch-Osmolovskaya, N.-K. Birkeland: Tepidimicrobium ferriphilum gen. nov., sp. nov., a novel moderately thermophilic, Fe(III)-reducing bacterium of the order Clostridiales. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 56, Nr. 2, 1. Februar 2006, ISSN 1466-5026, S. 369–372, doi:10.1099/ijs.0.63694-0 (microbiologyresearch.org [abgerufen am 21. September 2024]).
  7. Sofiya N. Parshina und Alfons J. M. Stams: Soehngenia Bergey's Manual of Systematics of Archaea and Bacteria. 1. Auflage. Wiley, 2015, ISBN 978-1-118-96060-8, doi:10.1002/9781118960608.gbm00719 (wiley.com [abgerufen am 22. September 2024]).
  8. Guadalupe Hernandez-Eugenio, Marie-Laure Fardeau, Jean-Louis Garcia und Bernard Ollivier: Sporanaerobacter In: Bergey's Manual of Systematics of Archaea and Bacteria. 1. Auflage. Wiley, 2015, ISBN 978-1-118-96060-8, doi:10.1002/9781118960608.gbm00720 (wiley.com [abgerufen am 22. September 2024]).
  9. LPSN
  10. Marie-Laure Fardeau, Jean-Luc Cayol, Bernard Ollivier: Anaerosalibacter (2019) In: Bergey's Manual of Systematics of Archaea and Bacteria. 1. Auflage. Wiley, 2015, ISBN 978-1-118-96060-8, doi:10.1002/9781118960608.gbm01397 (wiley.com [abgerufen am 22. September 2024]).
  11. Kejia Wu, Lirong Dai, Bo Tu, Xue Zhang, Hui Zhang, Yu Deng, Paul A. Lawson, Lei Cheng: Gudongella oleilytica gen. nov., sp. nov., an aerotorelant bacterium isolated from Shengli oilfield and validation of family Tissierellaceae. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 70, Nr. 2, 1. Februar 2020, ISSN 1466-5026, S. 951–957, doi:10.1099/ijsem.0.003854 (microbiologyresearch.org [abgerufen am 22. September 2024]).
  12. Sara Bellali, Gabriel Haddad, Thi-Phuong-Thao Pham, Rim Iwaza, Ahmad Ibrahim, Nicholas Armstrong, Amael Fadlane, Carine Couderc, Aldiouma Diallo, Cheikh Sokhna, Matthieu Million, Didier Raoult, Maryam Tidjani Alou: Draft genomes and descriptions of Urmitella timonensis gen. nov., sp. nov. and Marasmitruncus massiliensis gen. nov., sp. nov., isolated from severely malnourished African children using culturomics. In: Antonie van Leeuwenhoek. Band 115, Nr. 11, November 2022, ISSN 0003-6072, S. 1349–1361, doi:10.1007/s10482-022-01777-x, PMID 36149539, PMC 9584879 (freier Volltext) – (springer.com [abgerufen am 22. September 2024]).
  13. Sukhvinder Dhiman, Sanjay Kumar, Manoj Kumar, Gulshan Kumar: Origin and Management of Inorganic and Organic Contaminants. In: Management and Mitigation of Emerging Pollutants. Springer International Publishing, Cham 2023, ISBN 978-3-03141004-8, S. 21–67, doi:10.1007/978-3-031-41005-5_2 (springer.com [abgerufen am 26. September 2024]).
  14. Juan Tapia, Alex Dueñas, Nick Cheje, Gonzalo Soclle, Nila Patiño, Wendy Ancalla, Sara Tenorio, Jorge Denos, Homar Taco, Weiwei Cao, Diogo A. M. Alexandrino, Zhongjun Jia, Vitor Vasconcelos, Maria de Fátima Carvalho, Antonio Lazarte: Bioleaching of Heavy Metals from Printed Circuit Boards with an Acidophilic Iron-Oxidizing Microbial Consortium in Stirred Tank Reactors. In: Bioengineering. Band 9, Nr. 2, 16. Februar 2022, ISSN 2306-5354, S. 79, doi:10.3390/bioengineering9020079 (mdpi.com [abgerufen am 26. September 2024]).
  15. Andrea Osimani, Ilario Ferrocino, Monica Agnolucci, Luca Cocolin, Manuela Giovannetti, Caterina Cristani, Michela Palla, Vesna Milanović, Andrea Roncolini, Riccardo Sabbatini, Cristiana Garofalo, Francesca Clementi, Federica Cardinali, Annalisa Petruzzelli, Claudia Gabucci, Franco Tonucci, Lucia Aquilanti: Unveiling hákarl: A study of the microbiota of the traditional Icelandic fermented fish. In: Food Microbiology. Band 82, September 2019, S. 560–572, doi:10.1016/j.fm.2019.03.027 (elsevier.com [abgerufen am 4. Oktober 2024]).

Literatur

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