Urban Priol
Urban Priol (* 14. Mai 1961 in Aschaffenburg) ist ein deutscher Kabarettist. Über seine zahlreichen Bühnenprogramme hinaus wurde er insbesondere durch die ZDF-Kabarettsendung Neues aus der Anstalt und andere Fernsehformate bekannt.
Leben
BearbeitenUrban Priol wurde 1961 in Aschaffenburg geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Obernburg am Main. 1980 legte er am Kronberg-Gymnasium Aschaffenburg das Abitur ab. Nach der Grundausbildung bei den Panzergrenadieren, wo er Sanitäter werden sollte, verweigerte er den Wehrdienst und leistete Zivildienst beim Malteser-Hilfsdienst[1]. An der Universität Würzburg begann Priol ein Lehramtsstudium mit den Fächern Englisch, Russisch und Geschichte, brach es aber kurz vor dem Examen ab.[2] 1988 war er Mitbegründer (Künstlerischer Leiter) der Kleinkunstbühne Kochsmühle in Obernburg, seit 1998 ist er Inhaber[3] des Kabaretts im Hofgarten. Priol ist seit Mai 2009 Mitglied des globalisierungskritischen Netzwerks Attac.[4]
Kabarett
BearbeitenErste Bühnenauftritte hatte Priol bereits 1982. In seiner ersten eigenen Fernsehsendung Alles muss raus (3sat, 2004–2007) bot er jeweils drei bis vier Gästen aus dem Kleinkunstbereich eine Bühne.[5] In der Sendung wurden politische und gesellschaftliche Geschehnisse der jeweils vorangehenden Wochen kabarettistisch aufgearbeitet.
Am 3. August 2006 strahlte das ZDF einen 45-minütigen Ausschnitt aus Priols Programm Täglich frisch im Rahmen der Sendereihe Sommersolo im ZDF aus. Die Reihe lief sieben Wochen und zeigte jeden Donnerstag ein Soloprogramm eines Comedians oder Kabarettisten. Neben Priols Programm wurden Rüdiger Hoffmann, Bodo Bach, Bülent Ceylan, Eckart von Hirschhausen, Ole Lehmann und Ingo Oschmann präsentiert.
Am 3. Dezember 2006 war Priol einer der Gäste von Menschen 2006. In dem von Johannes B. Kerner moderierten Jahresrückblick präsentierte Priol einen kabarettistischen Jahresrückblick. Am 20. Januar 2007 war er in der ZDF-Sendung Wetten, dass..? zu Gast.
Knapp sieben Jahre lang präsentierte Priol die politische Kabarettsendung Neues aus der Anstalt im ZDF – von Januar 2007 bis Juni 2013, zunächst gemeinsam mit Georg Schramm, nach dessen Ausstieg mit Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig. Die Kulisse der Sendung stellte das Foyer einer psychiatrischen Klinik dar; Priol spielte die Rolle des Leiters der Klinik. Am 26. Juni 2013 gaben Priol und Barwasser ihren Ausstieg aus der Sendung bekannt, die letzte Folge in alter Besetzung lief am 1. Oktober 2013. Seit dem 4. Februar 2014 läuft unter dem Titel Die Anstalt eine Nachfolgesendung mit Max Uthoff und Claus von Wagner.
Von September bis Dezember 2014 trat Priol gemeinsam mit Emmanuel Peterfalvi („Alfons“) in der kurzlebigen ZDF-Sendung Ein Fall fürs All auf.[6]
Seit 2002 präsentiert Priol jährlich im Dezember als Tourneeprogramm den satirischen Jahresrückblick TILT! Im Fernsehen wird die Sendung ebenfalls gezeigt, die etwa dreistündige Bühnenfassung wird dabei auf eine Länge von ein bis zwei Stunden gekürzt. Bis 2010 wurde die Sendung vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt, seit 2011 wird sie vom ZDF übertragen. Die Bühnenfassungen wurden bis 2013 auch auf DVD veröffentlicht.[7]
Zusammen mit Georg Schramm trat er am 25. Oktober 2010 auf der 50. Demonstration gegen Stuttgart 21 auf.[8]
Gemeinsam mit Frank-Markus Barwasser, Georg Schramm und Jochen Malmsheimer war er am 17. Oktober 2017 in der 30. Folge der Anstalt zu sehen.[9]
Am 5. November 2017 trat Priol in der Sendung Missverstehen Sie mich richtig! von Gregor Gysi auf und erzählte von seinem Leben.[10]
Rezeption
BearbeitenÜber das Zusammenspiel Priols mit Georg Schramm in den frühen Jahren von Neues aus der Anstalt meinte Norbert Thomma im Tagesspiegel: „Das Duo Priol/Schramm wirkt bösartiger als der Zappelheinz Richling in der ARD, der als Scheibenwischer-Nachfolger [Nuhr im Ersten] nun Comedians ins Programm holen will, um das Politische damit durch Gekaspere zu ersetzen. Trotz gelegentlicher Banalitäten […] prasseln aus der Anstalt durchaus reinigende Gewitter.“[11]
Der Publizist Hilmar Klute warf Priol im März 2011 im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung vor, er mache „Kabarett auf dem kleinsten intellektuellen Nenner“. Seine „von sprachlicher Verlotterung geprägte Vulgärsatire“ richte sich „an ein entfesseltes Spießbürgertum, das alle Politiker an den Galgen wünscht“.[12] Bereits Tage zuvor waren in der Süddeutschen Zeitung zwei Beiträge anderer Autoren erschienen, die einen Auftritt Priols auf einer Münchner Anti-Atomkraft-Demonstration scharf kritisiert hatten.[13][14]
Im Jahr 2014 bezeichnete Gerhard Matzig in seinem mit „So ironisch wie Youporn“ betitelten Artikel für die Süddeutsche Zeitung Priols neu gestartete Sendung Ein Fall fürs All als „Heimsuchung“ und Priol selbst als „anstößig langweilig“.[15] Auch Richard Weber bedachte die Sendung im Tagesspiegel mit einem Verriss. Sie sei ein „medialer Empörungsschauplatz“, in der Priol „unintelligentes Politiker-Bashing“ biete.[16]
Anlässlich eines Auftritts im Münchner Lustspielhaus im Jahr 2017 schrieb Cindy Riechau in der Süddeutschen Zeitung: „Sein Humor ist sicher nicht der feinsinnigste, aber Priol legt die Finger oft zielsicher in offene Wunden, egal, ob es dabei um die zynischen Methoden geht, mit denen Flüchtlinge von Europa fern gehalten werden sollen, oder um unser in vielerlei Hinsicht ungerechtes Steuersystem. Gerne mag er es auch mal derb.“[17]
Über Auftritte im Jahr 2023 schrieb Michaele Heske im Merkur, dass Priol selbst vor scharfen Pointen nicht zurückschrecke, seine Lebensfreude ansteckend sei und er sich mit Freude in die Fluten des täglichen Irrsinns stürze.[18]
Trivia
BearbeitenPriol trinkt während der meisten seiner Auftritte helles alkoholfreies Weizenbier. Priols Halbglatze, seine bunten Hemden und seine nach hinten und oben abstehenden Haare gelten ebenso als Markenzeichen wie seine Untermainländische Mundart. Er imitiert Politiker wie Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Johannes Rau, Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber, Winfried Kretschmann und Angela Merkel.
Priol sammelt Oldtimer und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur.[19]
Auszeichnungen
BearbeitenPriol hat eine Vielzahl an Auszeichnungen erhalten, darunter:
- 1986: Passauer Scharfrichterbeil (gemeinsam mit seinem Partner Klaus Staab)
- 1994: Goldener Kulturbeutel
- 1997: Salzburger Stier
- 1999: Scherzheimer Kuh
- 2000: Deutscher Kleinkunstpreis in der Sparte Kabarett
- 2002: Gaul von Niedersachsen
- 2002: Publikumspreis der Augsburger Kabarett-Tage
- 2002: Deutscher Kabarettpreis Hauptpreis
- 2003: Bayerischer Kabarettpreis Hauptpreis
- 2004: Garchinger Kleinkunstmaske
- 2004: Morenhovener Lupe
- 2004: Zeck-Kabarettpreis Hauptpreis
- 2005: Nordrhein-Westfälischer Kleinkunstpreis „Bocholter Pepperoni“
- 2006: AZ Stern des Jahres der Münchner Abendzeitung
- 2007: Deutscher Fernsehpreis in der Kategorie Beste Comedy für Neues aus der Anstalt, gemeinsam mit Georg Schramm
- 2008: Kulturpreis der Stadt Aschaffenburg
- 2009: Schweizer Kabarettpreis Cornichon
- 2011: Tegtmeiers Erben Ehrenpreis
- 2013: Das große Kleinkunstfestival Berlin-Preis
- 2015: Benennung eines Asteroiden nach ihm: (233880) Urbanpriol
- 2015: Chemnitzer Biene
- 2016: Ehrenmitgliedschaft im Rat der Bundeskünstler
- 2018: Kulturerbe-Bayern-Botschafter[20]
- 2019: Hessischer Kabarettpreis Ehrenpreis
- 2022: Prix Pantheon Sonderpreis Reif und Bekloppt
Werke
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Soloprogramme
Bücher
Disko- und Videografie
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Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Gregor Gysi & Urban Priol. Abgerufen am 17. Februar 2023 (deutsch).
- ↑ Munzinger-Archiv
- ↑ Eigentumsverhältnisse des Hofgarten ( vom 28. August 2005 im Internet Archive)
- ↑ Website von Attac ( vom 13. Oktober 2013 im Internet Archive)
- ↑ kulturagenten.de: Eigene Sendungen
- ↑ Ein Fall fürs All. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 8. Januar 2015; abgerufen am 10. Januar 2015.
- ↑ Urban-Priol-Shop
- ↑ Urban Priol bei der 50. Demonstration gegen Stuttgart 21, youtube.de, 25. Oktober 2010
- ↑ Die Rückkehr von Priol und Pelzig. Abgerufen am 21. Oktober 2017.
- ↑ Gregor Gysi & Urban Priol. Abgerufen am 16. August 2021 (deutsch).
- ↑ Norbert Thomma: Neues aus der Anstalt: Es lebe der keulenhafte Humor. In: Der Tagesspiegel. 25. März 2009, abgerufen am 13. Oktober 2021.
- ↑ Kassandra im Hobbykeller. In: Süddeutsche Zeitung, 31. März 2011
- ↑ Priol hetzt gegen Brüderle. In: Süddeutsche Zeitung, 28. März 2011.
- ↑ Was darf Satire? In: Süddeutsche Zeitung, 29. März 2011.
- ↑ Gerhard Matzig: So ironisch wie Youporn. In: sz.de, 1. Oktober 2014.
- ↑ Richard Weber: Politiker-Bashing auf Stammtisch-Niveau. In: Der Tagesspiegel, 1. Oktober 2014.
- ↑ Unter Strom. In: Süddeutsche Zeitung. 1. Juni 2017, abgerufen am 13. Oktober 2021.
- ↑ Mit Schärfe gegen Scharfmacher: Urban Priol in Dorfen. In: Münchner Merkur. 11. November 2023, abgerufen am 28. Januar 2024.
- ↑ https://www.fussball-kultur.org/adresse/address/urban-priol, Fußball Kultur: Persönlichkeiten. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 6. Oktober 2014; abgerufen am 10. Januar 2015.
- ↑ br.de: Aschaffenburg: Urban Priol ist Kulturerbe-Botschafter Bayerns
Weblinks
Bearbeiten- Urban Priol bei IMDb
- Offizieller Webauftritt bei der Agentur „Urban Priol“
- Literatur von und über Urban Priol im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Marc Neller: Einer fliegt übers Grundgesetz. In: Tagesspiegel. 22. Januar 2007 (archive.org).
- Cornelia von Wrangel: Der Mann, der es rauslässt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. Dezember 2015
Personendaten | |
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NAME | Priol, Urban |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kabarettist |
GEBURTSDATUM | 14. Mai 1961 |
GEBURTSORT | Aschaffenburg |