Volkskammer

Parlament der Deutschen Demokratischen Republik
(Weitergeleitet von Volkskammerwahl)

Die Volkskammer war vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990[1] das Parlament der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Nominell war sie das höchste Verfassungsorgan, tatsächlich bestimmte aber die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) die Politik der DDR. Dies änderte sich erst durch die Friedliche Revolution von 1989/90.

Volkskammer
1949–1990
Logo
Basisdaten
Sitz: Palast der Republik, Ost-Berlin
Legislaturperiode: 4, zwischenzeitlich 5 Jahre
Erste Sitzung: 7. Oktober 1949
Abgeordnete: 1949–1963: 466
1963–1990: 500
1990: 400
Aktuelle Legislaturperiode
Letzte Wahl: 18. März 1990
Vorsitz: Präsident der Volkskammer
Sitzverteilung der letzten Volkskammer
        
Sitzverteilung: Letzte Regierung (303)
  • Allianz 192
  • CDU 167
  •  DSU 25
  • SPD 88
  • BFD/NDPD 23
  • Letzte Opposition (97)
  • PDS 66
  • B’90/Grüne 20
  • DBD/DFD 10
  • VL 1
  • Gewählt wurde die Volkskammer normalerweise alle vier Jahre, teilweise für fünf. Es gab nur eine einzige Wahlliste, die vor der Wahl von der Nationalen Front genehmigt wurde. Das war formell ein Bündnis von Parteien und Massenorganisationen. Auf der Wahlliste standen Kandidaten dieser Parteien und Massenorganisationen; diese Kandidaten wurden stets in die Volkskammer „gewählt“.

    In der Volkskammer war die SED-Fraktion stets die größte, wenngleich sie nie die absolute Mehrheit hatte. Allerdings waren auch viele Mitglieder der Fraktionen von Massenorganisationen SED-Parteimitglied.

    Zum eigentlichen Parlament wurde die Volkskammer erst 1990: Am 18. März wurde die Volkskammer zum ersten und einzigen Mal frei gewählt. Die Abgeordneten bildeten eine Mehrheitskoalition (Kabinett de Maizière). Ein verfassungsänderndes Gesetz machte die Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl zum Staatsoberhaupt der DDR. Am Tag nach der letzten Sitzung vom 2. Oktober 1990 endete die DDR und damit auch die Volkskammer.

    Geschichte der Volkskammer bis April 1990

    Bearbeiten

    Die Provisorische Volkskammer wurde am 7. Oktober 1949 in Ost-Berlin aus dem Zweiten Deutschen Volksrat gebildet. Sie wählte 1949 Wilhelm Pieck (1876–1960) zum Präsidenten der DDR.

    Die erste Volkskammerwahl erfolgte, verspätet und nach einem anderen Wahlsystem als ursprünglich geplant, am 15. Oktober 1950 (siehe Volkskammerwahl 1950).

    Wahltermine und amtliche Ergebnisse

    Bearbeiten
    Wahltermin Wahlbeteiligung Ja-Stimmen ungültig
    01. Wahlperiode: 15. Oktober 1950 98,53 99,72 0,28
    02. Wahlperiode: 17. Oktober 1954 98,51 99,46 0,54
    03. Wahlperiode: 16. November 1958 98,90 99,87 0,13
    04. Wahlperiode: 20. Oktober 1963 99,25 99,95 0,05
    05. Wahlperiode: 02. Juli 1967 99,82 99,93 0,07
    06. Wahlperiode: 14. November 1971 98,48 99,85 0,15
    07. Wahlperiode: 17. Oktober 1976 98,58 99,86 0,14
    08. Wahlperiode: 14. Juni 1981 99,21 99,86 0,14
    09. Wahlperiode: 08. Juni 1986 99,74 99,94 0,06

    Die Ergebnisse der Volkskammerwahlen (teils auch Volkswahlen genannt) von 1950 bis 1986 gelten als nicht demokratisch zustande gekommen. Als Scheinwahlen beruhten sie auf Einheitslisten der Nationalen Front. Da das Ergebnis vorher feststand, falteten viele DDR-Bürger den Stimmzettel und warfen ihn ungelesen in die Wahlurne. Dieser Vorgang wurde im Volksmund „falten gehen“ genannt.[2] Die Wahlen zur Volkskammer bis zur Wende waren kaum geheim:[3] Wahlkabinen waren zwar vorhanden, ihre Benutzung wurde aber als Zeichen für Opposition zum System gewertet. Nach offiziellen Angaben habe die Wahlbeteiligung 98 % betragen und 99,7 % für die Nationale Front gestimmt.[3] Aus Akten des Ministeriums für Staatssicherheit konnten nach dem Ende der DDR umfangreiche Wahlfälschungen bis in die Zeit vor 1990 belegt werden.[3]

    Zusammensetzung

    Bearbeiten

    Die Volkskammer tagte von 1950 bis April 1990 üblicherweise zwei- bis viermal im Jahr, die Sitzungen waren nach § 6 der Geschäftsordnung grundsätzlich öffentlich.

    Die Volkskammer hatte bis 1963 400 Sitze, danach 500. Gewählt wurden diese in zuletzt 73 Wahlkreisen, welche zwischen 4 (30 Merseburg in Bezirk Halle) und 13 (3 Berlin-Marzahn, Berlin-Lichtenberg, Berlin-Hellersdorf in Ost-Berlin) Abgeordnete entsandten.[4] Bis zur 5. Wahlperiode (1967–1971) gehörten 66 Berliner Vertreter der Volkskammer mit beratender Stimme an, danach waren diese normale Abgeordnete. Seit Ende 1958 nahmen an den Sitzungen und an der Ausschussarbeit 100, später 200 Nachfolgekandidaten teil. Diese hatten kein Stimmrecht in den Abstimmungen, waren den regulären Abgeordneten aber sonst weitgehend gleichgestellt.

    Folgende Fraktionen waren von 1950 bis April 1990 in der Volkskammer vertreten: SED-Fraktion, CDU-Fraktion, LDPD-Fraktion, NDPD-Fraktion, DBD-Fraktion, FDGB-Fraktion, FDJ-Fraktion, DFD-Fraktion, Kulturbund-Fraktion, VdgB/Konsumgenossenschaften-Fraktion (nur von 1950 bis 1963 und ab 1986) sowie VVN-Fraktion (1950–1954).

    Volkskammerabgeordnete nach Partei bzw. Massenorganisation (1981–1986)
    Name der
    Fraktion
    Kürzel der
    Fraktion
    Anzahl der
    Abgeordneten
    Pseudografische Darstellung
    der Anzahl der Abgeordneten
    Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SED 127 ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
    Christlich-Demokratische Union CDU 52 ••••••••••••••••••••••••••
    Liberal-Demokratische Partei Deutschlands LDPD 52 ••••••••••••••••••••••••••
    Demokratische Bauernpartei Deutschlands DBD 52 ••••••••••••••••••••••••••
    National-Demokratische Partei Deutschlands NDPD 52 ••••••••••••••••••••••••••
    Freier Deutscher Gewerkschaftsbund FDGB 68 ••••••••••••••••••••••••••••••••••
    Freie Deutsche Jugend FDJ 40 ••••••••••••••••••••
    Demokratischer Frauenbund Deutschlands DFD 35 ••••••••••••••••••
    Kulturbund KB 22 •••••••••••

    Funktion und Arbeitsweise

    Bearbeiten

    Die Abgeordneten der Volkskammer waren in ihrem Abstimmungsverhalten an die politischen Vorgaben der SED gebunden. Nach dem Verständnis der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED war die Volkskammer kein Parlament im bürgerlichen Sinne einer repräsentativen Demokratie, sondern sollte eine Volksvertretung neuen Typs darstellen. Sie sollte den postulierten Ansprüchen nach die im bürgerlichen Parlamentarismus nicht gegebene Einheit zwischen politischer Führung und Bevölkerung herstellen und Parteienegoismus, Parteinahme für das Kapital, persönliche Bereicherungssucht und Selbstblockade durch Gewaltenteilung ausschließen.[5]

     
    Schaubild der Verfassung der DDR von 1968/74 mit Rolle der Einheitslisten der Nationalen Front zur Wahl der Volkskammer

    Die einzige Abstimmung der Volkskammer, in der Konflikte öffentlich bekannt wurden, war im März 1972 die Abstimmung über das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft zur Einführung der Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbrüchen, bei der 14 Abgeordnete der CDU nach Absprache mit ihrer Parteiführung gegen das Gesetz stimmten. Diese Gegenstimmen und einige Enthaltungen blieben jedoch ohne Wirkung auf den Gesetzgebungsprozess zur Fristenlösung, erhöhten auf der anderen Seite aber die Legitimation der Volkskammer, da in diesem Fall in der Öffentlichkeit der Eindruck eines echten, streitenden Gremiums entstand.[6][7]

    Faktisch war die Volkskammer weitgehend ohne Einfluss auf das politische Geschehen, denn der seit 1968 in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik auch offiziell verankerte Führungsanspruch der SED verhinderte von Beginn an eine echte politische Einflussnahme des Parlaments.

    Bis 1958 bestand neben der Volkskammer eine Länderkammer, die von ihrem Recht, Gesetzentwürfe in die Volkskammer einzubringen und aufschiebenden Widerspruch gegen Gesetzesbeschlüsse zu erheben, nie Gebrauch machte.

    Nach dem Tod Wilhelm Piecks 1960 wurde die Funktion des Präsidenten der DDR durch den Staatsrat der DDR beziehungsweise dessen Vorsitzenden ersetzt, der von der Volkskammer gewählt wurde.

    Weibliche und prominente Abgeordnete

    Bearbeiten

    Der Anteil von Frauen an den Abgeordneten betrug 1950 23,0 Prozent (mit Berliner Vertretern), 1986 32,2 Prozent. Die Mehrheit der SED in der Volkskammer seit 1950 wurde durch die Fraktionen der Massenorganisationen (FDGB, DFD, FDJ, KB) gesichert, deren Fraktionsmitglieder in der Regel zugleich Mitglieder der SED waren.

    Prominente Abgeordnete zwischen 1950 und April 1990 waren neben allen wichtigen SED-Parteifunktionären und Vorsitzenden der anderen Parteien unter anderem prominente Leistungssportler wie Heike Drechsler oder Täve Schur und Arbeiteraktivisten sowie Veteranen der sozialistischen Bewegung bzw. des DDR-Aufbaus wie Rosa Thälmann, Robert Havemann, Kurt Krjeńc, Adolf Hennecke, Frida Hockauf, Käthe Kern und Wilhelmine Schirmer-Pröscher.

    Volkskammer-Ausschüsse

    Bearbeiten

    Die Volkskammer verfügte bis April 1990 über die folgenden Ausschüsse:

    • Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten (1950–1963)
    • Ausschuss für Örtliche Volksvertretungen (1956–1963)
    • Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzfragen (1950–1963)
    • Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten (1950–1990)
    • Ausschuss für Arbeit und Gesundheitswesen (1950–1958)
    • Ausschuss für Gesundheitswesen (1958–1990)
    • Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (1958–1990)
    • Ausschuss für Handel und Versorgung (1963–1990)
    • Petitionsausschuss bzw. Ausschuss für die Eingaben der Bürger (1950–1990)
    • Geschäftsordnungsausschuss (1950–1990)
    • Gnadenausschuss (1950–1963), Aufgabe danach vom Staatsrat der DDR übernommen
    • Haushalts- und Finanzausschuss (1950–1990)
    • Mandatsprüfungsausschuss (1963–1990)
    • Jugendausschuss (1950–1990)
    • Justizausschuss (1950–1963)
    • Ausschuss für Nationale Verteidigung (1963–1990)
    • Ausschuss für Industrie, Bauwesen und Verkehr (bis 1990)
    • Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft (1950–1990)
    • Ausschuss für Volksbildung und Kultur (1954–1958)
    • Ausschuss für Kultur (1958–1990)
    • Ausschuss für Volksbildung (1958–1990)
    • Rechtsausschuss (1950–1963)
    • Wahlprüfungsausschuss (1950–1963)
    • Verfassungsausschuss bzw. Verfassungs- und Rechtsausschuss (1950–1990)

    Geschichte der frei gewählten Volkskammer 1990

    Bearbeiten

    Volkskammerwahl 1990

    Bearbeiten
     
    Demonstrant vor der Volkskammer, Januar 1990

    Nach der 1989 durch Bürgerproteste ausgelösten politischen Wende und friedlichen Revolution in der DDR wurden am 18. März 1990 die einzigen freien Wahlen zur Volkskammer abgehalten. Als frei gelten auch die danach noch abgehaltenen Kommunalwahlen 1990.

    Wahltermin Wahlbeteiligung Ja-Stimmen ungültig
    10. Wahlperiode: 18. März 1990 93,40 Wahlergebnis 0,55

    Zusammensetzung

    Bearbeiten

    CDU/DA-Fraktion

    Bearbeiten

    Die Fraktion nannte sich offiziell „CDU/DA“ bis zum 5. August 1990, also dem Tag der Fusion der beiden Organisationen. Danach nannte sie sich „CDU-Fraktion“. Die Vorsitzenden waren:

    SPD-Fraktion

    Bearbeiten

    Die Vorsitzenden der Fraktion der SPD waren:

    PDS-Fraktion

    Bearbeiten

    Der Vorsitzende der PDS-Fraktion war während der ganzen Legislaturperiode Gregor Gysi.

    DSU-Fraktion

    Bearbeiten

    Die Fraktion der DSU hatte von März bis Oktober nur einen Vorsitzenden, Hansjoachim Walther.

    Fraktion „Die Liberalen“

    Bearbeiten

    Die Fraktion „Die Liberalen“ war eine Fraktionsgemeinschaft von FDP, DFP, LDP und NDPD. Bei der Volkskammerwahl nahmen die ersten drei Parteien als Mitglieder der Listenverbindung Bund Freier Demokraten teil, die NDPD stellte eine eigene Liste. Nach der Bildung der Volkskammer schlossen sich die zwei Abgeordneten der NDPD der liberalen Fraktion an. Der Vorsitzende der Fraktion war bis Oktober Rainer Ortleb.

    Fraktion Bündnis 90/Grüne

    Bearbeiten

    Bündnis 90 bildete eine Fraktionsgemeinschaft mit den Grünen, die keinen Fraktionsvorsitzenden, sondern mehrere Fraktionssprecher hatte. Die Sprecher der Fraktion waren:

    DBD/DFD-Fraktion

    Bearbeiten

    Die Demokratische Bauernpartei Deutschlands und die einzige Abgeordnete des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands bildeten in der Volkskammer eine Fraktionsgemeinschaft, deren Vorsitzender Günther Maleuda war. Am 29. August 1990 beschloss die Fraktion ihre Auflösung. Maleuda blieb fraktionslos, drei DBD-Abgeordnete schlossen sich der SPD, vier der CDU an, ein DBD-Abgeordneter und die Abgeordnete des DFD wechselten zur Fraktion der Liberalen.

    Fraktionslos

    Bearbeiten

    Der über das Aktionsbündnis Vereinigte Linke gewählte Abgeordnete Thomas Klein blieb fraktionslos.

    Funktion und Arbeitsweise

    Bearbeiten

    Die Macht des Parlaments entsprach nach der Volkskammerwahl 1990 erstmals jener der Parlamente bürgerlicher Demokratien.

    Bei der konstituierenden Sitzung am 5. April wurde durch die Einfügung des Artikels 75a in die Verfassung der DDR das Präsidium der Volkskammer mit den Befugnissen des nicht mehr besetzten Staatsrates betraut. Die am selben Tag gewählte Präsidentin der Volkskammer, Sabine Bergmann-Pohl (CDU), erhielt die Befugnisse des Staatsratsvorsitzenden und war damit formell letztes Staatsoberhaupt der DDR.

    Am 12. April 1990 wurde Lothar de Maizière (CDU) mit 265 Stimmen bei 108 Gegenstimmen und 9 Enthaltungen zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt. Die Abgeordneten bestätigten danach en bloc auch das Kabinett de Maizières, die erste und letzte frei gewählte Regierung der DDR.

    Die Volkskammer schuf mit dem Ländereinführungsgesetz die neuen Bundesländer. Sie wurden mit ihrer Gründung Teil der Bundesrepublik, die DDR war somit abgeschafft. Gleichzeitig wurde mit einer „Mindest-Gesetzesausstattung“ der Volkskammer unverzüglich Landesrecht für die neuen Länder geschaffen. Zwar war der Einigungsvertrag, der u. a. regelte, welche Bundesgesetze im Beitrittsgebiet nicht oder nur modifiziert gelten sollten, durch die Regierungen ausgehandelt worden, doch hatten die Regierungsfraktionen im Vorfeld eine Fülle von Bedingungen formuliert (etwa: Bestand der Bodenreform), die in den Vertrag einflossen.

    In ihrer historischen Sitzung vom 23. August 1990 beschloss die Volkskammer den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung zum 3. Oktober 1990 und damit das Ende der DDR als Völkerrechtssubjekt.[8]

    Volkskammer-Ausschüsse 1990

    Bearbeiten

    Die Volkskammer verfügte zuletzt über die folgenden Ausschüsse:

    • Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten (seit 1950)
    • Ausschuss für Gesundheitswesen (seit 1958)
    • Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (seit 1958)
    • Ausschuss für Handel und Versorgung (seit 1963)
    • Petitionsausschuss bzw. Ausschuss für die Eingaben der Bürger (seit 1950)
    • Geschäftsordnungsausschuss (seit 1950)
    • Haushalts- und Finanzausschuss (seit 1950)
    • Mandatsprüfungsausschuss (seit 1963)
    • Jugendausschuss (seit 1950–1990)
    • Ausschuss für Nationale Verteidigung (seit 1963)
    • Ausschuss für Industrie, Bauwesen und Verkehr
    • Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft (seit 1950)
    • Ausschuss für Kultur (seit 1958)
    • Ausschuss für Volksbildung (seit 1958)
    • Verfassungsausschuss bzw. Verfassungs- und Rechtsausschuss (seit 1950)

    Präsidenten der Volkskammer

    Bearbeiten
    Nr. Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Partei
    1 Johannes Dieckmann 07. Oktober 1949 22. Februar 1969 LDPD
    2 Gerald Götting 12. Mai 1969 29. Oktober 1976 CDU
    3 Horst Sindermann 29. Oktober 1976 13. November 1989 SED
    4 Günther Maleuda 13. November 1989 05. April 1990 DBD
    5 Sabine Bergmann-Pohl 05. April 1990 02. Oktober 1990 CDU

    Sitze der Volkskammer

    Bearbeiten

    Die Volkskammer tagte in sechs verschiedenen Gebäuden zwischen 1949 und 1990

    Haus der Deutschen Wirtschaftskommission 1949

    Am 7. Oktober 1949 konstituierte sich die Provisorische Volkskammer im Haus der Deutschen Wirtschaftskommission (dem ehemaligen Reichsluftfahrtministerium) in der Leipziger Straße/Ecke Wilhelmstraße und gründete dort die Deutsche Demokratische Republik. Am 11. Oktober wählte sie auf einer weiteren Sitzung Wilhelm Pieck zum ersten Präsidenten der DDR.

    Langenbeck-Virchow-Haus 1950–1970

    Ab 1950 wurde das Langenbeck-Virchow-Haus (vorher der Medizinischen Gesellschaft) in der Luisenstraße nahe der Charité zum Tagungsort der Provisorischen Volkskammer und danach der Volkskammer. Dort wurden alle wichtigen Beschlüsse in dieser Zeit gefasst.

    Nachdem die Zahl der Abgeordneten 1963 von 400 auf 500 erhöht worden waren, reichten die Sitzplätze im Plenarsaal nicht mehr für alle Abgeordneten und die teilnehmenden Nachfolgekandidaten aus. Außerdem klagten die Abgeordneten und Mitarbeiter über zu schlechte Lüftungsmöglichkeiten.[9]

    Kongreßhalle 1970–1976

    Ab 1970 diente die neu erbaute Kongreßhalle am Alexanderplatz als Tagungsort.

    Palast der Republik 1976–1990
     
    Regierungserklärung von Ministerpräsident de Maizière, 1990

    Ab 1976 fanden die Plenarsitzungen im kleinen Saal des neu gebauten Palastes der Republik statt. Dort konstituierte sich auch die erste frei gewählte Volkskammer im April 1990.

    Am 19. August 1990 wurde der Palast der Republik wegen Asbestverseuchung geschlossen.

    Haus der Parlamentarier 1990

    Seit April 1990 wurden im Haus der Parlamentarier am Werderschen Markt (dem vormaligen Gebäude des ZK der SED) Räume für Tagungen und Beratungen der Fraktionen und Ausschüsse genutzt, für die im Palast der Republik kein Platz war.

    Seit dem 20. August 1990 tagte dort auch das Plenum der Volkskammer nach der Schließung des Palastes der Republik und beschloss an diesem Tag den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland.

    Staatsratsgebäude 1990

    Die letzte Sitzung der Volkskammer am 2. Oktober 1990 fand im ehemaligen Staatsratsgebäude in der Nähe des Palastes der Republik statt.

    Kontakte zum Deutschen Bundestag

    Bearbeiten

    1949–1954

    Bearbeiten
     
    Ernst Goldenbaum (DBD), Otto Nuschke (CDU) und Hermann Matern (SED) in Düsseldorf, 1952

    Die Volkskammer wurde vom Deutschen Bundestag und anderen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland nach ihrer Konstituierung am 7. Oktober 1949 nicht anerkannt, da sie nicht demokratisch legitimiert war. Deshalb wurden auch direkte Kontakte zwischen beiden Parlamenten über viele Jahre kategorisch abgelehnt.

    Eine Ausnahme machte Bundestagspräsident Hermann Ehlers (CDU), der 1952 eine Volksdekammerdelegation empfing, die ein Schreiben an den Bundestag überbringen wollte. Dafür erhielt er viel Kritik von anderen westdeutschen Politikern, weswegen er die Begegnung auf ein Minimum reduzierte, er empfing die Delegation nur im Lesezimmer der Bibliothek des Bundeshauses und beendete das kurze Gespräch nach 18 Minuten. 1954 traf sich Ehlers mit Volkskammerpräsident Johannes Dieckmann (LDPD) und dessen Stellvertreter Otto Nuschke (CDU) während des Leipziger Kirchentages zu einem informellen Gespräch, das aber keine Nachwirkungen hatte.[10] Nach dessen baldigem Tod 1954 gab es 30 Jahre lang keine weiteren solchen Kontakte von führenden Repräsentanten beider Parlamente mehr.

    1984–1986

    Bearbeiten
     
    Volkskammerpräsident Horst Sindermann (links) und Bundestagspräsident Philipp Jenninger (rechts) in Bonn, 1986

    Erst 1984 besuchte eine Bundestagsdelegation der SPD unter Leitung des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Horst Ehmke die Volkskammer, wo dieser eine Rede halten konnte.[11] Ein Gegenbesuch einer Volkskammerdelegation in die Bundesrepublik scheiterte aber zwei Jahre lang am Widerstand von einigen Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion. 1986 reiste dann Volkskammerpräsident Horst Sindermann mit einigen Abgeordneten nach Bonn, allerdings nur auf Einladung der SPD-Fraktion und ohne einen offiziellen Empfang im Bundestag.[12] Er wurde von Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) nur in dessen Privathaus empfangen. Auch danach gab es keine offiziellen Kontakte zwischen Bundestag und Volkskammer bis 1990.

    Nach der ersten freien Wahl zur Volkskammer im März 1990 änderte sich die Situation. Am 30. April trafen sich Vertreter der Präsidien beider Parlamente mit den Präsidentinnen Rita Süssmuth (CDU) und Sabine Bergmann-Pohl (CDU) in Ost- und West-Berlin zu ersten offiziellen Gesprächen über eine gemeinsame Zusammenarbeit auf dem Weg zur deutschen Einheit.[13]

    Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 wurden einige Volkskammerabgeordnete Mitglieder des Deutschen Bundestages.

    Siehe auch

    Bearbeiten

    Literatur

    Bearbeiten
    • Bettina Tüffers: Die 10. Volkskammer der DDR. Ein Parlament im Umbruch. Selbstwahrnehmung, Selbstparlamentarisierung, Selbstauflösung (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Band 173). Droste Verlag, Düsseldorf 2016, ISBN 978-3-7700-5333-9.
    • Nicole Glocke: Spontaneität war das Gebot der Stunde. Drei Abgeordnete der ersten und einzigen frei gewählten DDR-Volkskammer berichten. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2012, ISBN 978-3-89812-898-8.
    • Christopher Hausmann: Biographisches Handbuch der 10. Volkskammer der DDR (1990). Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2000, ISBN 3-412-02597-6.
    • Werner J. Patzelt, Roland Schirmer (Hrsg.): Die Volkskammer der DDR. Sozialistischer Parlamentarismus in Theorie und Praxis. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-531-13609-7.
    • Peter Joachim Lapp: Die Volkskammer der DDR. Studien zur Sozialwissenschaft. Bd. 33. Westdeutscher Verlag, Opladen 1975, ISBN 3-531-11299-6.
    • Gabriele Gast: Die politische Rolle der Frau in der DDR. Studien zur Sozialwissenschaft. Bd. 17. Bertelsmann Universitätsverlag, Düsseldorf 1973, ISBN 3-571-09219-8 (Unterkapitel Frauen in der Volkskammer, S. 164–193).
    • Handbücher der Volkskammer der DDR 1957 bis 1986. Staatsverlag der DDR, Berlin.
    Bearbeiten
    Commons: Volkskammer der DDR – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

    Bearbeiten
    1. Letzte Tagung der Volkskammer und Bilanz, 2. Oktober 1990 (Memento vom 16. Oktober 2011 im Internet Archive) (abgerufen am 20. August 2011).
    2. Birgit Wolf: Sprache in der DDR. Ein Wörterbuch. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2000, ISBN 978-3-11-080592-5, S. 59 f. (abgerufen über De Gruyter Online).
    3. a b c Hermann Weber: Die DDR 1945–1990. 4. Auflage, Oldenbourg, 2006, S. 32.
    4. Sekretariat der Volkskammer (Hrsg.): Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1986-1990. VEB Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987, ISBN 3-329-00119-4, S. 27–41.
    5. Vgl. Klaus Sorgenicht, Wolfgang Weichler, Tord Riemann, Hans-Joachim Semler (Hrsg.): Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Dokumente, Kommentare, Bd. 1, Staatsverlag der DDR, Berlin (Ost) 1969; Kommentar zu Art. 5 der DDR-Verfassung von 1968, S. 277–278: „In ihrer Zusammensetzung und ihrer gesamten Tätigkeit sind die Volksvertretungen nicht als Parlamente konzipiert und zu betrachten, sondern als Verkörperung des Bündnisses, des gemeinsamen Wollens und der Zusammenarbeit aller politischen Kräfte des Volkes.“
    6. Ehrhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR 1949–1989. 2., durchges. und erw. Aufl., Ch. Links Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-86153-163-1, S. 204.
    7. Udo Wengst, Hermann Wentker: Das doppelte Deutschland. Ch. Links Verlag, 2008, ISBN 978-3-86153-481-5, S. 185–187.
    8. Beschluss der Volkskammer über den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 23. August 1990 (Memento vom 26. August 2010 im Internet Archive)
    9. Provisorische Tagungsstätten der Volkskammer Bundestag, mit einigen Angaben zu den verschiedenen Sitzen der Volkskammer
    10. 'Andreas Meier: Volkskammerdelegierte 1952 in Bonn, bpd, 2016; dort auch zur Reise der Volkskammerdelegation nach Bonn 1952
    11. Besuch ohne Hochmut, in Zeit vom 16. März 1984, mit Zitaten aus der Rede vor der Volkskammer; der Besuch war seit dem 8. März 1984
    12. Frage der Fragen, in Spiegel, 1986, ausführlich über diesen Besuch
    13. Zwei Präsidentinnen bereiten die deutsche Einheit vor Bundestag, 2020