Wikipedia:Wikimedia Deutschland/Community-Portal/Über WMDE/Neulingsgewinnung/Forschung/Regeln
Hintergrund
BearbeitenWikimedia Deutschland wurde in der Vergangenheit mehrmals von Community-Mitgliedern auf Regeln und Strukturen aufmerksam gemacht, die ihre Arbeit behindert haben oder deren ursprüngliche Einführung sie nicht mehr nachvollziehen konnten. Um eine erste objektive Diskussionsgrundlage dazu zu schaffen, damit sich interessierte Community-Mitglieder zum Thema austauschen können, haben wir das Thema in die Jahresplanung 2019 aufgenommen (siehe Abschnitt Hintergrund). Wir haben daher das Institut Nexus beauftragt, eine Literaturzusammenfassung von wissenschaftlich als problematisch beurteilten Regeln anzufertigen. Die hier verlinkten Auswertungen sind hier als erster Schritt zu verstehen, und wir freuen uns auf Ideen und Wünschen zu weiteren Schritten und angeregten Diskussionen.
Einordung in die Jahresplanung
In der Jahresplanung 2019 gibt es unter dem Ziel „Die Communitys für Freies Wissen sind stark.“ das Erfolgskriterium „Wissenschaftlich als problematisch beurteilte Regeln für die Zusammenarbeit in Wikipedia wurden lösungsorientiert in der Community diskutiert.“
Das Kriterium basiert auf der gern herangezogenen These, dass es neuen Benutzern schwer fällt, die Regeln für die Mitarbeit in Wikipedia zu finden und zu priorisieren. Für den Zugang zu einer Community ist es jedoch unerlässlich, die Regeln für die Zusammenarbeit dieser Community zu kennen.
Um einen Beitrag zur Diskussion dieser These und einer möglicherweise darauf aufbauenden Neuverhandlung dieser Regeln zu leisten, ist die Aufgabe daher, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Regeln der Zusammenarbeit in Wikipedia zusammenzustellen und aufzubereiten.
Literatursichtung
BearbeitenDas Team Communitys und Engagement hat von Jan Dittrich (WMDE/SWE) eine Auswahl an Literatur zu Wikipedia-Regeln, Regulierung und Selbstorganisation angefragt. Jan beschäftigt sich als UX Designer und Nutzungsforscher mit akademischer Forschung zu Wikipedia. Diese Literaturliste wurde als Basis für die Recherchen an Nexus gegeben.
Als Auswahlkritierien hat Jan eine Liste von Publikationen zusammengestellt, die
- Sich mit Regeln und Regulierung in Communities beschäftigen
- Akademisch anerkannt sind, also zitiert wurden
- Theoriebasiert sind (also nicht ausschließlich deskriptiv)
Insgesamt sollte eine Mischung aus quantitativen als auch qualtitativen Ansätze abgedeckt werden und aus Publikationen die sich mit Wikipedia beschäftigen als auch solche die kollaborative Projekte im generellen betreffen.
Diese Auswahlkriterien dienten als Leitfaden, sind aber natürlich einer gewissen Subjektivität unterworfen. Es wäre an sich auch möglich, eine strukturierte Metastudie mit formalen Auswahlkriterien zu machen und nicht auf subjektives (Experten) Wissen zurückgreifen. Ein solches Vorgehen wäre aber zeitlich und finanziell sehr viel aufwändiger zu erstellen als das vorliegende Dokument. Für diesen, ersten, Aufschlag zum Thema Regeln wurde hier darauf verzichtet.
Ergebnisse
BearbeitenUm eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu schaffen, wurden 14 Forschungstexte und Studien zu Wikipedias Regelwerk ausgewertet und in einer Literaturauswertung und in Handlungsempfehlungen zusammengefasst. Folgende Themen werden abgedeckt:
- Welche Motivationen und Maßnahmen stehen hinter der Qualitätssicherung?
- Welche Wirkung haben Regeln und Relevanzkriterien auf die Mitglieder-Gewinnung?
- Wie ist die Organisationsstruktur der Wikimedia aufgebaut?
- Welchen Einfluss hat die Organisationsstruktur auf weibliche Autorinnen?
- Wie wird die Wikimedia in der Akademischen Welt betrachtet?
Zum Verständnis: Die Handlungsempfehlungen entstammen direkt der zusammengefassten Literatur, verdeutlicht auch jeweils durch die Quellenbelege. In der Aufbereitung wurde erst überlegt, diese in das Dokument „Literaturauswertung“ einzufügen, aus Gründen der Übersichtlichkeit und besseren Diskutierbarkeit wurde sich dazu entschieden, dies in zwei Dokumente aufzusplitten. Es sind also keine Handlungsempfehlungen an WMDE, die jetzt umgesetzt werden sollen, sondern gehören klar noch zur Analyse der Literatur.
Die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Literaturauswertung lassen sich in folgende Kategorien und Erkenntnisse zusammenfassen:
Thema „Qualitätssicherung“
- Qualitätssicherungsmechanismen in Wikipedia schrecken Neu-Autorinnen und -autoren ab und bewirken, dass sich immer mehr von ihnen immer schneller wieder zurückziehen
- Der „Articles for Creation“-Modus (AFC; Deutsch in etwa: „Entwurfsmodus für Artikel“) vermindert Chancen für die kollaborative Weiterentwicklung von Beiträgen
- Die Ablehnung von neuen Beiträgen führt zu Frustration bei Neu-Autorinnen und -autoren
- Wikipedias Qualitätssicherung steht im Konflikt mit der Gewinnung von neuen Autorinnen und Autoren
Thema „Organisationsmodell und Steuerung“
- Der Anspruch der Selbstregulierung geht auch mit Misstrauen und harscher Diskussionskultur einher
- Große Mengen von Neu-Mitgliedern lassen sich durch eine community-basierte Moderation bewältigen
- Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Nutzung bestimmter IT-Werkzeuge und sozialen Hierarchien
- Innovationen oder Veränderungen können nur schrittweise ausgehandelt werden
- Es lohnt sich, die Ideologie der „Strukturlosigkeit“ aufzugeben
Thema „Regeln und Relevanzkriterien“
- Wer implizite, organisationale Verhaltensregeln nicht kennt, ist im Nachteil
- Neue Autoren gewinnen durch Aktionsvorstufen wie das AFT (Article-Feedback-Tool)
- Mehr Mut zur effektiven Regelgestaltung
Thema „Geschlechterungleichheit“ und „Die Beziehung von Wikipedia und Akademikern“
- Effekte der Geschlechterungleichheit in der Wikipedia
- Wikipedia wird als Spielwiese für akademische „Möchtegerne“ gesehen
Außerdem
Bearbeiten- Obwohl die Ergebnisse aus Forschungen zur englischsprachigen Wikipedia teilweise auch auf die deutsche Wikipedia übertragbar sein können, sind spezifische Forschungen zur de.wp noch aussagekräftiger. Besonders die quantitativen Studien von Halfacker und seinen Co-Autoren könnten vermutlich mit überschaubarem Aufwand auch mit Daten aus der deutschen Wikipedia gemacht werden. Zudem werden nicht alle Datenauswertungen der WMF oder WMDE gleich als wissenschaftlichen Publikation veröffentlicht. Bei Interesse an besondere Themen, wie z.B. „Flagged Revisions“ könnten Ergebnisse erfragt werden, die bisher nicht in Peer-Review-Journals veröffentlicht wurden. – Hier freut sich WMDE über Feedback.
- Auf der WikiCon 2019 fand am 5. Oktober die Session „Fakten, Forschung, Fun: Wikipedia dient doch der Theoriefindung!“ statt. Dort gab es einen kleinen Input zu der Literaturauswertung. Am Vortag war Merle von Wittich (WMDE) zudem von 16:15 Uhr bis 17:15 Uhr am Wikimedia-Chapter-Stand ansprechbar.
Wir freuen uns wie immer über Feedback und Ideen auf der Diskussionsseite.