Aart Jan de Geus

niederländischer Politiker (CDA), Stiftungsleiter (OECD, Bertelsmann)

Aart Jan de Geus (* 28. Juli 1955 in Doorn) ist ein niederländischer Jurist, Politiker (CDA) und Stiftungsmanager.[1] Von 2002 bis 2007 war er Arbeits- und Sozialminister unter Jan Peter Balkenende.[2] Anschließend arbeitete er als stellvertretender Generalsekretär für die OECD.[3] Von 2012 bis 2019 führte er als Vorstandsvorsitzender die Bertelsmann Stiftung.[4][5] Seit Januar 2020 ist er Vorsitzender der Goldschmeding Foundation, wo er sich speziell um Fragen der Sozialpolitik kümmert.[6]

Aart Jan de Geus (2012)

Ausbildung

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De Geus begann zunächst ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Utrecht. Parallel nahm er eine Ausbildung zum Buchhalter auf, die er nach anderthalb Jahren abbrach, um sich ausschließlich seinem Studium zu widmen. Später wechselte de Geus an die Erasmus-Universität Rotterdam, an der das Studium praxisorientierter war.[7] Auf seinen Abschluss als Master of Laws 1980 folgte ein postgraduales Studium in Arbeitsrecht an der Radboud-Universität Nijmegen.[1]

Karriere

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Im Jahre 1980 erhielt de Geus eine Stelle als Jurist bei der Industriegewerkschaft CNV (Christelijk Nationaal Vakverbond).[8] Im Laufe der Jahre stieg er bis zum Vorstand auf.[7] 1988 wechselte er zum Dachverband des Gewerkschaftsbundes CNV und wurde 1993 zum stellvertretenden Vorsitzenden berufen. In dieser Funktion verantwortete er verschiedenste arbeits- und sozialpolitische Themen.[1] Außerdem gehörte er dem Sozialökonomischen Rat an,[9] dem in der niederländischen Verfassung verankerten obersten wirtschafts- und sozialpolitischen Organ der Regierung, dessen Mitglieder von der Krone ernannt werden.[10]

1998 wurde de Geus Partner der Unternehmensberatung Boer & Croon in Amsterdam.[11] Dort betreute er Projekte im Bereich des Wohlfahrtsstaates für öffentliche und private Einrichtungen. Das Akademische Krankenhauses Maastricht berief ihn in den Aufsichtsrat. Darüber hinaus gehörte de Geus dem Beirat des Verbandes der Krankenversicherer der Niederlande an und saß im Rat der Kirchen für soziale Fragen. Auch im nationalen Flüchtlingsrat engagierte er sich.[9]

Öffentliche Ämter

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Mitte der 1970er Jahre trat de Geus der Jugendorganisation der niederländischen ARP (Anti-Revolutionaire Partij) bei, einem Vorläufer des CDA (Christen-Democratisch Appèl). Im Laufe der Jahre hatte er verschiedene Ämter in den Parteien.[7] 2002 berief Jan Peter Balkenende de Geus zum Minister für Soziales und Beschäftigung. Für acht Monate bekleidete er zudem das Amt des Gesundheitsministers.[12] Der niederländischen Regierung gehörte er bis 2007 an (Kabinette Balkenende I, II und III).[13][14][15]

Während seiner Amtszeit veranlasste de Geus umfassende sozialpolitische Reformen mit dem Ziel,[16] die Sozialversicherung tragfähiger zu machen und mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.[17] Er restrukturierte beispielsweise die staatliche und private Arbeitsvermittlung. Außerdem bezog er die Gemeinden in die Finanzierung der Sozialhilfe ein.[1] De Geus galt als Unterstützer des niederländischen Poldermodells, einem Verfahren zur Aushandlung von Löhnen und Arbeitsbedingungen zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Experten der Regierung.[18] Ungeachtet seiner früheren Tätigkeit für den Gewerkschaftsbund CNV gestaltete sich de Geus’ Verhältnis zu den Gewerkschaften schwierig.[19] 2004 überstand er einen Misstrauensantrag der oppositionellen Sozialdemokraten, Sozialisten und Grünen.[20][21]

2007 wurde de Geus stellvertretender Generalsekretär der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development).[22] In dieser Position setzte er sich unter anderem für umweltfreundliches Wirtschaftswachstum ein und kritisierte die Spaltung des deutschen Arbeitsmarktes, weil vor allem junge und gut ausgebildete Arbeitskräfte vom Aufschwung profitieren.[23][24]

Stiftungstätigkeit

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2011 wurde de Geus in den Vorstand der Bertelsmann Stiftung berufen.[25] 2012 rückte er an die Spitze des Gremiums, da Gunter Thielen ausgeschieden war. Er hatte die interne Altersgrenze von 70 Jahren erreicht.[26] Mit der Entscheidung für de Geus wurde die Unabhängigkeit der Bertelsmann Stiftung von der Familie Mohn gestärkt,[27] die eine maßgebliche Kontrolle über den Konzern ausübt.[28]

Als Vorstandsvorsitzender forcierte de Geus insbesondere die Weiterentwicklung und Internationalisierung der Stiftungsarbeit.[29] Dies betraf auch den Auf- und Ausbau der rechtlich selbstständigen Tochterstiftungen in Barcelona (Fundación Bertelsmann) und Washington, D.C. (Bertelsmann Foundation North America).[30] Neben dem Büro in Brüssel initiierte er die Einrichtung einer neuen Außenstelle am Werderschen Markt im historischen Zentrum Berlins.[31] In de Geus Ressort fielen unter anderem die Programme zur Zukunft Europas, der Demokratie und nachhaltigem Wirtschaften, aber auch internationale Megatrends wie der demografische Wandel.[32] De Geus setzte sich für mehr Investitionen der öffentlichen Hand ein, um das Wirtschaftswachstum und die Haushaltslage in Deutschland zu verbessern.[33] Hierfür brachte er einen „Zukunftsfonds“ ins Gespräch.[34]

Ende 2019 legte de Geus sein Amt auf eigenen Wunsch nieder, um sich in seiner Heimat einer neuen Aufgabe zu widmen. Er übergibt den Vorstandsvorsitz der Bertelsmann Stiftung an den promovierten Volkswirt Ralph Heck,[35] der zuvor viele Jahre als Unternehmensberater für McKinsey & Company tätig war und bis 2018 den Vorsitz des Aufsichtsrats der Schaltbau Holding innehatte.[36]

Weitere Mandate

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De Geus gehörte dem Beirat des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) an (2012–2019),[37] an dem die Bertelsmann Stiftung mehrheitlich beteiligt ist.[38] Zudem war er Vorsitzender des Kuratoriums des Reinhard-Mohn-Instituts für Unternehmensführung (RMI, 2014–2019),[39] mit dem die Universität Witten/Herdecke den verstorbenen Bertelsmann-Patriarchen Reinhard Mohn würdigt.[40]

2014 wurde de Geus zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Triodos Bank gewählt,[41][42] einer führenden Nachhaltigkeitsbank mit Niederlassungen in Belgien, Deutschland, Großbritannien und Spanien.[43]

  • Europe Reforms Labour Market – Leaders’ Perspectives. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-036577-1 (englisch).
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Commons: Aart Jan de Geus – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c d Aart Jan de Geus. In: munzinger.de. 8. Januar 2019, abgerufen am 13. Dezember 2019 (Internationales Biographisches Archiv).
  2. Aart Jan De Geus. In: parlement.com. Abgerufen am 13. Dezember 2019 (niederländisch).
  3. Aart de Geus, Deputy Secretary General, OECD Secretariat. Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), abgerufen am 30. Juli 2017 (englisch).
  4. Niederländer an Spitze der Bertelsmann-Stiftung. In: Rheinische Post. 7. August 2012.
  5. Wechsel bei der Bertelsmann-Stiftung. In: die-stiftung.de. 7. Oktober 2019, abgerufen am 9. Oktober 2019.
  6. Aart De Geus, Mitglied des Beirats. Hertie School, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 28. Januar 2020.@1@2Vorlage:Toter Link/www.hertie-school.org (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  7. a b c Angelika Fliegner: Aart Jan de Geus. In: uni-muenster.de. Mai 2012, abgerufen am 13. Dezember 2019 (NiederlandeNet).
  8. Gijs Herdersche: Nooit de hete adem van leden in de nek. In: volkskrant.nl. 2. September 2002, abgerufen am 13. Dezember 2019 (niederländisch).
  9. a b Biografie: Aart Jan de Geus. In: archief.ntr.nl. 19. Mai 2003, abgerufen am 30. Juli 2017 (niederländisch).
  10. Brücken bauen – 30 Jahre niederländische Integrationspolitik im Rückblick. (PDF) Eine Untersuchung durch einen niederländischen Parlamentsausschuss. In: hwwi-rohindex.de. Landeszentrum für Zuwanderung Nordrhein-Westfalen, Dezember 2004, S. 35, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. November 2017; abgerufen am 13. Dezember 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hwwi-rohindex.de
  11. Mark Houben: Consultants trots op hun minister. In: nrc.nl. 25. Juli 2002, abgerufen am 13. Dezember 2019 (niederländisch).
  12. René Vautravers: Die Mitglieder des neuen Kabinetts. In: Neue Zürcher Zeitung. 23. Juli 2002, S. 1.
  13. Kabinet-Balkenende I (2002–2003). In: parlement.com. Abgerufen am 30. Juli 2017 (niederländisch).
  14. Kabinet-Balkenende II (2003–2006). In: parlement.com. Abgerufen am 30. Juli 2017 (niederländisch).
  15. Kabinet-Balkenende III (2006–2007). In: parlement.com. Abgerufen am 30. Juli 2017 (niederländisch).
  16. René Vautravers: Haager Regierung schlachtet heilige Kühe. Harte Massnahmen in der Sozialpolitik. In: Neue Zürcher Zeitung. 10. September 2003, S. 23.
  17. Helmut Hetzel: Niederlande: Ein Bündnis gegen die Wirtschaftskrise. In: Die Presse. 17. Oktober 2003, S. 5.
  18. René Vautravers: Historische Übereinkunft zwischen den Sozialpartnern. Zurück zum niederländischen Polder-Modell. In: Neue Zürcher Zeitung. 16. Oktober 2003, S. 21.
  19. Laatste waarschuwing voor De Geus. In: volkskrant.nl. 19. Februar 2004, abgerufen am 30. Juli 2017 (niederländisch).
  20. Oppositie zegt vertrouwen in De Geus op. In: nrc.nl. 15. Oktober 2004, abgerufen am 30. Juli 2017 (niederländisch).
  21. Onze Verslaggevers: De Geus onder vuur oppositie coalitie. In: volkskrant.nl. 15. Oktober 2004, abgerufen am 30. Juli 2017 (niederländisch).
  22. Annual Report. (PDF) In: oecd.org. 2007, S. 121, abgerufen am 30. Juli 2017 (englisch).
  23. „Wir bestehlen unsere Kinder“. In: Salzburger Nachrichten. 17. August 2009, S. 2 (Interview).
  24. Philip Faigle: „Vollbeschäftigung in Deutschland ist möglich“. In: zeit.de. 15. Dezember 2010, abgerufen am 30. Juli 2017 (Interview).
  25. Bertelsmann Stiftung beruft neuen Vorstand. In: Handelsblatt. 29. Juni 2011, S. 62.
  26. Niederländer führt Bertelsmann-Stiftung an. In: handelsblatt.com. 27. April 2012, abgerufen am 30. Juli 2017.
  27. Nicht noch ne Mohn. Neue Führung für Bertelsmann-Stiftung. In: taz.de. 27. April 2012, abgerufen am 30. Juli 2017.
  28. Medienmonarchie aus Gütersloh. In: handelsblatt.com. 30. Januar 2011, abgerufen am 1. Oktober 2015.
  29. Bernhard Hänel: Von Gütersloh in die weite Welt. Früherer holländischer Arbeitsminister De Geus führt Bertelsmann-Stiftung auf internationales Parkett. In: Neue Westfälische. 28. April 2012.
  30. Rudolph Bauer: Gemeinwohl und Eigeninteresse. Das globale Engagement der Bertelsmann-Stiftung. In: Neue Zürcher Zeitung. 30. März 2007, S. 68.
  31. Lothar Schmalen: Neue Außenstelle der Bertelsmann-Stiftung entsteht in Berlin. In: nw.de. 30. August 2017, abgerufen am 15. Dezember 2019.
  32. Vorstand und Programme. Bertelsmann Stiftung, abgerufen am 13. Dezember 2019.
  33. Aart de Geus: Für mehr Wachstum. In: handelsblatt.com. 16. Oktober 2007, abgerufen am 11. Dezember 2019 (Gastbeitrag).
  34. Tom Krebs, Aart De Geus: Deutschland braucht einen Zukunftsfonds. In: wiwo.de. 31. Juli 2018, abgerufen am 13. Dezember 2019.
  35. Heck löst De Geus ab. Neuer Chef für Bertelsmann-Stiftung. In: welt.de. 2. Oktober 2019, abgerufen am 12. Dezember 2019.
  36. Aussteiger: Ralph Heck plant die Post-McKinsey-Ära. In: manager-magazin.de. 2016, abgerufen am 12. Dezember 2019.
  37. Beirat. Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), abgerufen am 13. Dezember 2019.
  38. CHE Gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung GmbH. In: Unternehmensregister. Bundesanzeiger Verlag, abgerufen am 13. Dezember 2019.
  39. Kuratorium. Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung (RMI), abgerufen am 30. Januar 2020.
  40. Forschungszentrum würdigt Mohn. Institut an der Universität Witten/Herdecke trägt Namen des verstorbenen Bertelsmann-Patriarchen. In: Westfalen-Blatt. 30. Oktober 2010.
  41. Oud-minister Aart Jan de Geus aan de slag bij Triodos Bank. In: businessinsider.nl. 1. Mai 2014, abgerufen am 3. August 2018 (niederländisch).
  42. Oud-minister De Geus naar Triodos Bank. In: telegraaf.nl. 1. Mai 2014, abgerufen am 3. August 2018 (niederländisch).
  43. Martin Hampel: Nachhaltigkeitsbanken legen zu. In: Börsen-Zeitung. 3. März 2012, S. 5.