Aelius Marcianus (kurz Marcian; fl. → 2./3. Jahrhundert) war ein römischer Jurist aus der klassischen Zeit der Severer. Er ist der Verfasser einer Reihe bedeutungsvoller Werke, etwa der Institutionum libri XVI.

Bekannt ist Marcian – Zeitgenosse von Papinian – für von ihm ausgehende Mandate (mandata), die im antiken römischen Recht mit „Befehle“ beziehungsweise „Dienstanweisungen an Beamte“ zu übersetzen sind. Normative Akte waren grundsätzlich nämlich vom Prinzeps signiert. Er schrieb kleinere Kommentare und kasuistische Literatur.

Thematisch setzte sich Marcian in Institutionum libri XVI mit dem Verhältnis des bürgerlichen Zivilrechts zum amtlichen Honorarrecht auseinander, bei dem er große Übereinstimmung mit Papinian fand. Beide begriffen das Amtsrecht als viva vox iuris civilis, mit dem die rechtlich anspruchsvoller und komplizierter werdende Lebenswirklichkeit Roms rechtlich sachgerechter erfasst werden konnte.[1] Im Zusammenhang mit dem Amtsrecht beschäftigte sich Marcian mit einer Vielzahl dogmatischer Fragen. Besondere Aufmerksamkeit widmete er der actio Serviana, der aus der republikanischen Zeit hergebrachten Pfandrechtsklage, die er im Konzept einer Monografie auf klassische Fragestellungen zur Nutzung für das Hypothekenrecht (formula hypothecaria) untersuchte. Dabei entstand sein Werk Ad formulam hypothecariam liber singularis.[2]

Die stoffliche Spannbreite Marcians war groß; so schrieb er zu diversen Berufungsverfahren (appellationes), ebenso produzierte er erklärende Anfängerliteratur für den Studienbedarf (libri regularum).[3] Auch führte Marcian eine definierte Sachkategorie ein, die er als res communes omnium sogleich dem Privatrechtsverkehr entzog.[4] Res communes omnium, Allen gemeinsam zustehende Sachen, dienten seiner Auffassung nach unverbrüchlich dem Gemeingebrauch und damit dem Gemeinwohl, weshalb ein Einzelner keine Rechte daran sollte begründen dürfen. Gedanklich einbezogen waren Lebenselixiere wie Luft, fließendes Wasser, das Meer und seine Küsten.[5] Es wird vermutet, dass er den Gedanken, der schon in Zeiten der Republik virulent war, der Einflussnahme stoischer Philosophie auf das römische Recht (in publico usu) entlehnt hatte.[6] Die Stringenz seines Gedankens offenbart sich darin, dass Marcian trennscharf gegenüber res universitatis (in hoheitlichem Eigentum stehende Sachen), res nullius (herrenlose Sachen) und res singulorum (Sachen im Privateigentum) abgrenzte, was Justinian wiederum veranlasste, das Konzept ansatzweise und leicht modifiziert in den Digesten zu übernehmen.[7]

  • De appellationibus libri II
  • De delatoribus liber singularis
  • Digesta (?) (Digesten 23,5,17.)
  • Ad formulam hypothecariam liber singularis
  • Institutionum libri XVI
  • De iudiciis publicis libri II
  • Notae ad Papinianum de aduleriis libros
  • Regularum libri V
  • Ad senatus consultum Turpillianum liber singularis

Literatur

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Anmerkungen

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  1. Marcian 1 Institutionum libri XVI, in Digesten 1,1,8.; dazu Domenico Dursi (Hrsg.): Aelius Marcianus. Institutionum libri I–V.
  2. Dietmar Schanbacher: Pfandrecht (pignus, hypotheca). In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, S. 1179–1234, hier S. 1197 (Rn. 27).
  3. Michel Humbert: Faktoren der Rechtsbildung. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, S. 3–31, hier S. 22 f.
  4. Paulus, 33 Ad edictum libri LXXX, in Digesten 18,1,34,1; Papinian, 10 Responsorum libri XIX, in Digesten 41,3,45pr.
  5. Zum gesamten Themenkomplex bei Marcian 3 Institutionum libri XVI, in Digesten 1,8,4pr.; 1,8,2,1; Ulpian, 57 Ad edictum libri LXXXIII, in Digesten 47,10,13,7.
  6. Stellvertretend für die Diskussion, Okko Behrends: Institut und Prinzip. Siedlungsgeschichtliche Grundlagen, philosophische Einflüsse und ds Fortwirken der beiden republikanischen Konzeptionen in den kaiserzeitlichen Rechtsschulen. In: Ausgewählte Aufsätze I–II, 2004.
  7. Marcian 3 Institutionum libri XVI, in Digesten 1,8,2pr.; Andreas Groten: Corpus und universitas. Römisches Körperschafts- und Gesellschaftsrecht. Zwischen griechischer Philosophie und römischer Politik. 2015., S. 353–355.; siehe etwas abweichend Max Kaser: Ius gentium (= Forschungen zum römischen Recht. Band 40). Köln/Wien 1993, ISBN 3-412-05893-9. S. 108.