Albert Sarraut

französischer Jurist und Politiker

Albert-Pierre Sarraut (* 28. Juli 1872 in Bordeaux; † 26. November 1962 in Paris) war ein französischer Jurist und Politiker. Er war zweimal Premierminister von Frankreich in der Dritten Französischen Republik (1870–1940).[1]

Albert Sarraut (1921)
Albert Sarraut 1931 vor dem Wagram-Saal

Sarraut entstammte einer Journalistenfamilie. Sein Bruder Maurice Sarraut war Herausgeber der Zeitung Dépêche de Toulouse. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Carcassonne nahm Albert ein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Toulouse auf, das er mit der Promotion abschloss. Anschließend war er als Rechtsanwalt tätig.

Sarraut war Mitglied der Radikalsozialisten und saß von 1902 bis 1924 als Vertreter des Départements Aude in der französischen Abgeordnetenkammer (Chambre des députés). Im Juli 1905 stimmte er für das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat. Von 1912 bis 1919 war er Generalgouverneur von Französisch-Indochina. Dabei setzte er sich für eine liberalere Kolonialpolitik ein und sprach sich nach 1919 als einer der ersten Politiker für eine Unabhängigkeit von Französisch-Indochina aus; diese kam tatsächlich erst 1954 dem Indochinakrieg. Andererseits aber sprach er vor Schülern der Ecole coloniale davon, dass es kindisch sei, gegen Europas koloniale Unternehmungen Front zu machen unter Berufung auf ein „angebliches Besitzrecht oder irgendein Recht, sich gegen die übrige Welt abzukapseln, wodurch nur der nominelle Besitz ungenutzter Reichtümer in unfähigen Händen verewig würde.“[2]

Sarraut übernahm zahlreiche Ämter in französischen Regierungen: Unterstaatssekretär im Innenministerium (1906–1909), Unterstaatssekretär im Kriegsministerium (1909–1910), Bildungsminister (1914–1915 und 1940), Kolonialminister (1920–1924 und 1932–1933), Innenminister (1926–1928, 1934, 1936 und 1938–1940), Marineminister (1930 und 1933), Minister der Kriegsmarine (1930–1931) sowie Staatsminister (1937–1938 und 1938). Vom 26. Oktober bis zum 24. November 1933 und vom 24. Januar bis zum 4. Juni 1936 amtierte er als Premierminister. Von 1926 bis 1945 war er zudem Senator für das Département Aude. Am 10. Juli 1940 stimmte er in der Assemblée nationale[3] für die verfassungsgebenden Vollmachten für Philippe Pétain und damit für das Ende der 3. Republik.[4][1]

Nach der Auflösung der Abgeordnetenkammer (Nationalversammlung) im Juli 1940 – Deutschland hatte im Westfeldzug Nordfrankreich besetzt – zog Sarraut sich aus der aktiven Politik zurück. Er übernahm, nachdem sein Bruder 1943 von der Milice française getötet worden war, die Leitung der familieneigenen Zeitung La Dépêche du Midi. Von 1944 bis 1945 war er im KZ Neuengamme interniert.[5]

Seit 1947 war er Mitglied der Nationalversammlung der Union française, zu deren Präsidenten er 1951 gewählt wurde. 1953 wurde er als Nachfolger von David David-Weill Mitglied der Académie des Beaux-Arts. Sarraut war Ritter der Ehrenlegion und Träger des Croix de guerre.[6]

  • La Mise en valeur des colonies françaises, Payot, Paris, 1923
  • Indochine, Images du monde, Firmin Didot, Paris, 1930
  • Grandeur et servitude coloniales, Éditions du Sagittaire, Paris, 1931[7]
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Commons: Albert Sarraut – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Albert Sarraut. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 8. April 2023 (französisch).
  2. Zitiert nach Aimé Césaire: Über den Kolonialismus. "Discours sur le colonialisme", aus dem Französischen übersetzt von Monika Kind. Wagenbach, Berlin 1968, S. 15.
  3. Die Assemblée nationale der Dritten Französischen Republik bestand aus Senat und Chambre des députés.
  4. Die Abstimmung wird als Vote des pleins pouvoirs constituants à Philippe Pétain bezeichnet
  5. Sarraut Albert. In: Memoires de Guerre. 11. März 2019, abgerufen am 8. April 2023 (französisch).
  6. ordre national de la Légion d'honneur. In: Leonore archives. Abgerufen am 8. April 2023 (französisch).
  7. Preis der Académie française 1932
VorgängerAmtNachfolger

Édouard Daladier
Pierre Laval
Premierminister von Frankreich
26.10. 1933 – 24.11. 1933
24.01. 1936 – 04.06. 1936

Camille Chautemps
Léon Blum

Victor Augagneur
selbst
Yvon Delbos
Bildungsminister
03.08. 1914 – 26.08. 1914
26.08. 1914 – 29.10. 1915
21.03. 1940 – 05.06. 1940

selbst
Paul Painlevé
Yvon Delbos

Paul Louis Luce
Jean Eugène Charles
Generalgouverneur von Französisch-Indochina
Nov. 1911 – Dez. 1913
07.11. 1916 – 01.05. 1919

Joost van Vollenhoven
Maurice Antoine François Montguillot

Henry Simon
selbst
selbst
selbst
selbst
Louis de Chappedelaine
selbst
selbst
Minister für die Kolonien
20.01. 1920 – 18.02. 1920
18.02. 1920 – 23.09. 1920
24.09. 1920 – 16.01. 1921
16.01. 1921 – 15.01. 1922
15.01. 1922 – 29.03. 1924
03.06. 1932 – 14.12. 1932
18.12. 1932 – 28.01. 1933
31.01. 1933 – 06.09. 1933

selbst
selbst
selbst
selbst
Jean Fabry
selbst
selbst
Albert Dalimier

Camille Chautemps
Eugène Frot
Joseph Paganon
Marx Dormoy
Marx Dormoy
selbst
selbst
Innenminister
23.07. 1926 – 11.11. 1928
09.02. 1934 – 13.10. 1934
24.01. 1936 – 04.06. 1936
18.01. 1938 – 10.03. 1938
10.04. 1938 – 11.05. 1939
11.05. 1939 – 13.09. 1939
13.09. 1939 – 20.03. 1940

André Tardieu
Paul Marchandeau
Roger Salengro
Marx Dormoy
selbst
selbst
Henri Roy

Georges Leygues
Jacques-Louis Dumesnil
Georges Leygues
selbst
selbst
Minister für die (Kriegs-)Marine
21.02. 1930 – 25.02. 1930
13.12. 1930 – 22.01. 1931
31.01. 1933 – 26.10. 1933
26.10. 1933 – 24.11. 1933
26.11. 1933 – 27.01. 1934

Jacques-Louis Dumesnil
Charles Dumont
selbst
selbst
Louis de Chappedelaine
Staatsminister
23.06. 1937 – 14.01. 1938
13.03. 1938 – 08.04. 1938