Axiomatische Homologie

Gebiet der mathematischen Topologie

Der Begriff der Homologietheorie stammt aus der algebraischen Topologie und charakterisiert axiomatisch die Weise, wie beispielsweise die Singuläre Homologie oder die Bordismustheorien topologischen Räumen abelsche Gruppen zuordnen (Homologiegruppen, siehe Homologietheorie). Unter dem Begriff Axiomatische Homologie fasst man die Untersuchung derjenigen Homologietheorien zusammen, die die Eilenberg-Steenrod-Axiome erfüllen.

Eilenberg-Steenrod-Axiome

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Funktoren und natürliche Transformationen

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Es seien   für alle   Funktoren von der Kategorie der topologischen Raumpaare (d. h. Paaren von topologischen Räumen  , so dass  ) in die Kategorie der abelschen Gruppen. Für eine Abbildung   sei dabei   abkürzend mit   bezeichnet. Dabei ist eine Abbildung   von einem Raumpaar   in ein Raumpaar   eine stetige Abbildung von   nach  , so dass  . Weiterhin sei für jedes   eine natürliche Transformation   von dem Funktor   zu dem Funktor   definiert, wobei   derjenige Funktor von der Kategorie der Raumpaare in sich selbst ist, der jedem Raumpaar   das Raumpaar   zuordnet. Jedem Raumpaar   ordnet   also einen Homomorphismus   zu. Hier und im Folgenden bezeichnet   verkürzend das Raumpaar  . Ausgeschrieben bilden diese Bedingungen die ersten drei Eilenberg-Steenrod-Axiome:

1) Wenn   gleich der Identität ist, so ist auch   gleich der Identität

2) Für zwei Abbildungen   und   gilt  

3)  

Weitere Axiome

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Die mehr inhaltlich-topologischen Axiome, die direkt am Modell der singulären und simplizialen Homologie gestaltet wurden, sind die folgenden drei:

4) Exaktheits-Axiom: Es existiert eine lange exakte Sequenz von Gruppen:

 

Die Abbildungen   und   sind dabei jeweils von den entsprechenden Inklusionen induziert. Die Abbildung   ist durch die natürliche Transformation   definiert.

5) Homotopie-Axiom: Es seien   zwei stetige Abbildung, die homotop sind. Dann sind die beiden induzierten Gruppenhomomorphismen   identisch.

6) Ausschneidungsaxiom: Sei   ein Raumpaar und  , so dass der Abschluss von   enthalten ist im Inneren von  . Dann ist die von der Inklusion induzierte Abbildung   ein Isomorphismus.

Eine Familie von Funktoren und natürlichen Transformationen, die die oben genannten Axiome erfüllen, nennt man Homologietheorie oder auch verallgemeinerte Homologietheorie. Dreht man alle Pfeile um in den Axiomen, betrachtet man also kontravariante Funktoren  , so erhält man die Axiome für eine Kohomologietheorie.

Dimensionsaxiom

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Klassisch nahm man zu den genannten Axiomen noch das sogenannte Dimensionsaxiom hinzu:

7) Es gilt

 

für eine abelsche Gruppe  .

Erst dann wurde eine Familie von Funktoren und natürlichen Transformationen eine Homologietheorie genannt. So geschah es auch im Buch Foundations of Algebraic Topology von Eilenberg und Steenrod von 1952, wo diese Axiome erstmals behandelt wurden. Zur damaligen Zeit waren nur Homologietheorien bekannt, die das Dimensionsaxiom erfüllten. Später wurden jedoch noch andere Beispiele entdeckt, wie unter Beispiele noch ausgeführt wird. Allgemein nennt man die Homologiegruppen eines Punktes die Koeffizienten einer Homologietheorie.

Folgerungen

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Einfache Folgerungen

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Direkte Folgerungen sind, dass   für alle   und   nach Ausschneidungssatz und   für   homotopieäquivalent zu  . Daraus folgt auch   wenn die Inklusionsabbildung   eine Homotopieäquivalenz ist.

Mayer-Vietoris-Sequenz

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Ein sehr praktisches Hilfsmittel ist die sogenannte Mayer-Vietoris-Sequenz, die man per Diagrammjagd aus Ausschneidungs- und Exaktheitsaxiom beweisen kann. Diese besagt, dass für einen Raum  , zwei abgeschlossene Teilmengen   und  , so dass die Vereinigung des Inneren von   mit dem Inneren von   gleich   ist, und einer Teilmenge   folgende Sequenz exakt ist:

 
 

Eine einfache Anwendung ist, dass  , wozu man einfach in der Sequenz   und die zwei Kopien von   mit   bzw.   bezeichnet (der Schnitt ist leer, also auch  ).

Bemerkung: Die Mayer-Vietoris-Sequenz gilt für Homologietheorien  , wenn die Inklusionen   Isomorphismen auf den Homologiegruppen von   induzieren. Das ist insbesondere bei der obigen Voraussetzung wegen des Ausschneidungs-Axioms der Fall.

Einhängungsisomorphismus

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Wahl von A, B und C

Mit Hilfe der Mayer-Vietoris-Sequenz kann man auch beweisen, dass der Einhängungsisomorphismus   gilt, wobei   die Einhängung von   bezeichnet und   einen Punkt in  . Dazu setzt man in der Mayer-Vietoris-Sequenz   und   wie in der Zeichnung und   gleich einem Punkt im Schnitt von   und  . Die Teilräume   und   sind beide homotopieäquivalent zu einem Punkt, ihr Schnitt   zu  . Die exakte Sequenz wird so zu:

 

Daran sieht man den geforderten Isomorphismus.

Homologie der Sphären

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Nimmt man nun an, dass zusätzlich das Dimensionsaxiom gilt, kann man damit die Homologie der Sphäre berechnen. Die   besteht nur aus zwei Punkten. Es gilt daher nach Ausschneidungssatz   und   für n>0. Nach dem Einhängungsisomorphismus gilt induktiv nun   und   für  , da die Einhängung der (n-1)-Sphäre die n-Sphäre ist. Wenn man jetzt die exakte Sequenz für das Paar   betrachtet, bekommt man, dass für   für   und   und   sonst für  . Für   bekommt man direkt  , was gleich   ist für   und   sonst. Man kann zeigen, dass man nun die Homologie von jedem endlichen CW-Komplex mit Hilfe der zellulären Homologie berechnen kann. Man bekommt also für endliche CW-Komplexe bei Homologietheorien, die das Dimensionsaxiom erfüllen, die gleichen Ergebnisse wie bei der singulären Homologie.

Eilenberg-Steenrod-Eindeutigkeitssatz

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Die historische Situation 1945, als Eilenberg und Steenrod die oben genannten Eilenberg-Steenrod-Axiome erstmals veröffentlichten, war die, dass es mehrere Vorschläge gab, wie man die Homologie eines Raumes definieren konnte, die alle ähnliche Eigenschaften hatten und die zumindest auf den meisten Räumen die gleichen Gruppen ausrechneten. Das prominenteste Beispiel ist sicherlich die singuläre Homologie. Weitere Beispiele sind die heute fast vergessene Vietoris-Homologie und auf der Kohomologieseite die Čech-Kohomologie. Eilenberg und Steenrod wollten diese Theorien auf eine gemeinsame Basis stellen und zeigen, dass sie auf einer großen Klasse von Räumen die gleichen Gruppen ausrechnen.

Um ihren Eindeutigkeitssatz genau zu formulieren, müssen wir zunächst eine natürliche Transformation   zwischen zwei Homologietheorien definieren. Diese ist eine natürliche Transformation zwischen zwei Funktoren   und  , die beide eine Homologietheorie bilden, die mit dem Verbindungshomomorphismus verträglich ist. Das heißt, dass für jedes Raumpaar   und jedes   gelten muss, dass das Diagramm

 

kommutiert.

Der Eindeutigkeitssatz von Eilenberg und Steenrod besagt nun, dass jede natürliche Transformation zweier Homologietheorien, die ein Isomorphismus auf allen Sphären ist, auch ein Isomorphismus auf allen endlichen CW-Komplexen ist.

Diesen Satz kann man unter der zusätzlichen Annahme, dass die beiden Homologietheorien das sogenannte Milnor- oder Wedge-Axiom

 

erfüllen, noch verschärfen. Dann gilt nämlich, dass unter den gleichen Bedingungen die natürliche Transformation ein Isomorphismus auf allen CW-Komplexen ist. Fordert man zusätzlich noch, dass Abbildungen, die auf allen Homotopiegruppen   Isomorphismen induzieren, auch auf allen Homologiegruppen   Isomorphismen induzieren, ist die natürliche Transformation sogar ein Isomorphismus auf allen topologischen Räumen.

Reduzierte Homologietheorien

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Es stellt sich heraus, dass es für viele Zwecke nützlich ist, den Basispunkt in eine Homologietheorie einzubeziehen, ohne generell relative Gruppen zu definieren. Dies ist besonders nützlich, wenn man Homologiegruppen mit Homotopiegruppen vergleicht. Diese reduzierten Homologietheorien lassen sich wie folgt axiomatisch beschreiben.

Es seien   für jedes   Funktoren von der Kategorie der topologischen Räume in die Kategorie der abelschen Gruppen. Weiterhin gebe es natürliche Transformationen  , wobei   der Einhängungsfunktor auf der Kategorie der punktierten topologischen Räume ist. Es sollen folgende Axiome gelten:

1) Jede punktierte Abbildung   induziert eine lange exakte Sequenz

 

Hierbei bezeichnet   den Abbildungskegel von f.

2) Sind zwei Abbildung   homotop, so gilt  .

3) Die natürliche Transformation   ist für alle n und X ein Isomorphismus.

Man kann zeigen, dass jede Homologietheorie   mittels   eine reduzierte Homologietheorie definiert. Andersherum definiert eine reduzierte Homologietheorie   mittels   eine Homologietheorie, wobei   die Inklusion bezeichnet.

Da im Fall der singulären Homologie die reduzierte Homologie eines Punktes gleich null ist, bezeichnet man hier die Homologie der 0-Sphäre   als die Koeffizienten.

Beispiele

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Singuläre Homologie

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Das grundlegendste und wichtigste Beispiel für eine Homologietheorie ist die singuläre Homologie mit Koeffizienten in einer Gruppe G. Sie war die erste bekannte Homologietheorie, die auf allen topologischen Räumen definiert ist. Wie im entsprechenden Artikel ausgeführt, erfüllt sie alle Eilenberg-Steenrod-Axiome, einschließlich des Dimensionsaxioms. Die singuläre Homologie erfüllt weiterhin auch das Milnor-Axiom und die Bedingung, dass Isomorphismen auf Homotopiegruppen Isomorphismen auf Homologiegruppen induzieren.

Bordismustheorien

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Die einfachste Bordismustheorie ist die des unorientierten Bordismus. Sie wurde Mitte der fünfziger Jahre von René Thom entwickelt.

Zwei kompakte, unberandete Mannigfaltigkeiten M und N heißen bordant, wenn es eine berandete Mannigfaltigkeit W gibt, so dass  . Man kann zeigen, dass diese Relation eine Äquivalenzrelation ist. Die Äquivalenzklassen heißen Bordismusklassen. Mittels der disjunkten Vereinigung und dem kartesischen Produkt kann man Addition und Multiplikation auf den Bordismusklassen definieren. Sie bilden somit einen Ring. Ein Beispiel für zwei bordante Mannigfaltigkeiten ist die n-Sphäre und die leere Menge, die mittels der (n+1)-dimensionalen Vollkugel bordant sind. Beispiele für Mannigfaltigkeiten, die nicht bordant zur leeren Menge sind, sind der Punkt und der 2-dimensionale reell projektive Raum  .

Eine «singuläre p-Mannigfaltigkeit M in einen topologischen Raum X» ist ein Paar (M, f), wobei f eine Abbildung von M nach X und M eine p-dimensionale Mannigfaltigkeit ist. Zwei solche singuläre Mannigfaltigkeiten (M,f) und (N,g) heißen bordant, falls sie bordant über eine Mannigfaltigkeit W sind und eine Abbildung F von W nach X existiert, die eingeschränkt auf M und N die Abbildungen f bzw. g ergibt. Die von den singulären p-Mannigfaltigkeiten erzeugte abelsche Gruppe, aus der die Bordismusrelation herausgeteilt ist, bezeichnet man mit  . Ähnlich kann man auch relative Gruppen   definieren. Diese bilden eine Homologietheorie. Die Koeffizienten, d. h. die Homologie von einem Punkt, sind hier genau der oben erwähnte Bordismusring. Der   zeigt, dass   nicht null ist und der unorientierte Bordismus somit nicht das Dimensionsaxiom erfüllt.

Versieht man die Mannigfaltigkeiten mit Zusatzstrukturen, wie beispielsweise einer Orientierung oder einer fastkomplexen Struktur, bekommt man viele weitere Beispiele für Bordismustheorien.

Stabile Homotopietheorie

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Die Homotopiegruppen   eines Raumes bilden keine reduzierte Homologietheorie. Sie erfüllen zwar offensichtlich das Homotopieaxiom, aber der Freudenthalsche Einhängungssatz garantiert nur in einem bestimmten Bereich den Einhängungsisomorphismus. Auch macht die lange exakte Sequenz Schwierigkeiten.

Mittels des Freudenthalschen Einhängungssatzes kann man jedoch die Homotopiegruppen verwenden, um eine reduzierte Homologietheorie zu bekommen. Nach dem Einhängungssatz bekommt man Homomorphismen  , die für k>N für ein geeignetes N Isomorphismen sind. Hierbei bezeichnet   die k-te Einhängung. Man definiert die stabilen Homotopiegruppen  . Der Einhängungsisomorphismus ist jetzt per Definition gültig und auch die Existenz einer langen exakten Sequenz kann man zeigen.

Die Koeffizienten der stabilen Homotopietheorie sind die stabilen Homotopiegruppen der Sphäre, da die k-te Einhängung der 0-Sphäre die k-Sphäre ergibt. Diese sind äußerst schwer zu berechnen und nur teilweise bekannt, obgleich große Anstrengungen in diese Richtung unternommen wurden.

Spektren

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Ein Spektrum   ist eine Folge von punktierten Räumen   mit Abbildungen  . Alternativ kann man auch die adjungierten Abbildungen   angeben. Hierbei steht   für den Schleifenraum von  , d. h. die punktierten Abbildungen von der   nach   versehen mit der kompakt-offenen Topologie. Ist   eine Homotopieäquivalenz für jedes n, so nennt man   ein Omega-Spektrum.

Es besteht eine sehr enge Verbindung zwischen Spektren und Homologie- und Kohomologietheorien. Definiert man

 

so kann man zeigen, dass dieses   eine reduzierte Homologietheorie bildet. Das   steht hierbei für den direkten Limes und das   für das Smash-Produkt. Andererseits kann man jede reduzierte Homologietheorie auf diese Weise durch ein Spektrum darstellen.

Für ein Omega-Spektrum   ist   eine reduzierte Kohomologietheorie. Nach dem Brownschen Darstellungssatz lässt sich jede reduzierte Kohomologietheorie auf diese Weise darstellen.

Das darstellende Spektrum   für sowohl die singuläre Homologie als auch die singuläre Kohomologie mit Koeffizientengruppe G besteht aus den Eilenberg-MacLane-Räumen  . Dies sind CW-Komplexe, die als n-te Homotopiegruppe G haben und deren sonstige Homotopiegruppen alle verschwinden. Da   immer ein   ist, kann man immer eine Homotopieäquivalenz   finden, was   zu einem Omega-Spektrum macht.

Literatur

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  • Samuel Eilenberg & Norman Steenrod: Foundations of Algebraic Topology. Princeton University Press, 1964 (erstes Lehrbuch mit den Eilenberg-Steenrod-Axiomen)
  • Allen Hatcher: Algebraic Topology. Cambridge University Press, 2002, ISBN 0521795400 (allgemeine Einführung in die algebraische Topologie)
  • Robert M. Switzer: Algebraic Topology - Homology and Homotopy Springer, 2000, ISBN 3540427503 (geht ausführlich auf die Theorie der verschiedenen verallgemeinerten Homologie- und Kohomologietheorien und die der Spektren ein)
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