Ich armer Mensch, ich Sündenknecht

Kirchenkantate von Johann Sebastian Bach
(Weitergeleitet von BWV 55)

Ich armer Mensch, ich Sündenknecht (BWV 55) ist eine Kirchenkantate von Johann Sebastian Bach. Er komponierte sie in Leipzig für den 22. Sonntag nach Trinitatis, den 17. November 1726. Sie ist die einzige erhaltene Solo-Kantate für Tenor Bachs.[1]

Bachkantate
Ich armer Mensch, ich Sündenknecht
BWV: 55
Anlass: 22. Sonntag nach Trinitatis
Entstehungsjahr: 1726
Entstehungsort: Leipzig
Gattung: Solokantate
Solo: T
Chor: S A T B
Instrumente: Ft Oa 2Vn Va Bc
Text
Christoph Birkmann
Liste der Bachkantaten

Geschichte und Worte

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Die vorgeschriebenen Lesungen waren Phil 1,3–11 LUT und Mt 18,23–35 LUT, das Gleichnis vom Schalksknecht. Der Textdichter Christoph Birkmann (1703–1771)[2] betont, vom Evangelium ausgehend, in der ersten Arie den Gegensatz „Er ist gerecht, ich ungerecht“. Die Sätze 3 und 4 beginnen beide mit den Worten Erbarme dich. Der Schlusschoral ist die sechste Strophe von Werde munter mein Gemüte von Johann Rist (1642).[3] Bach benutzte den Vers ein weiteres Mal in seiner Matthäus-Passion, nach der Arie Erbarme dich, in der Petrus bereut, Jesus verleugnet zu haben.

Besetzung und Aufbau

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Die Kantate ist gesetzt für Tenor-Solisten, vierstimmigen Chor im Schlusschoral, Traversflöte, Oboe d’amore, zwei Violinen, Viola und Basso continuo.

  1. Arie: Ich armer Mensch, ich Sündenknecht
  2. Recitativo: Ich habe wider Gott gehandelt
  3. Aria: Erbarme dich! Laß die Tränen dich erweichen
  4. Recitativo: Erbarme dich! Jedoch nun tröst ich mich
  5. Choral: Bin ich gleich von dir gewichen

Ein dichter polyphoner Satz von Flöte, Oboe d’amore und zwei Violinen, ohne Viola, begleitet die erste Arie. Die Motive scheinen (nach John Eliot Gardiner) die unsicheren Schritte und die Verzweiflung des Dieners zu illustrieren, der vor seinen Herrn zitiert wird.[1] Die zweite Arie ist ebenso ausdrucksvoll, begleitet von einer virtuosen Flöte. Das erste Rezitativ ist secco, das zweite durch Haltetöne der Streicher bereichert.

Den abschließenden Choral, Text und Melodie[4] setzte Bach auch in seiner Matthäuspassion ein, dort in einem komplexeren vierstimmigen Satz. Der Text erscheint in Bachs Werken nur an diesen beiden Stellen, während die Melodie häufiger vorkommt, zum Beispiel als Abschluss beider Teile der Kantate Herz und Mund und Tat und Leben.

Gardiner schließt aus dem Autograph, dass zumindest die drei letzten Kantatensätze früher komponiert wurden, vielleicht in Weimar als Teile einer verlorenen Passion.[1]

Einspielungen

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LP / CD

DVD

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. a b c John Eliot Gardiner: Cantatas for the Twenty-second Sunday after Trinity All Saints, Tooting. (PDF) solideogloria.co.uk, 2000, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. Oktober 2011; abgerufen am 25. Oktober 2010 (englisch).
  2. Christine Blanken: A Cantata-Text Cycle of 1728 from Nuremberg: A preliminary report on a discovery relating to J. S. Bach’s so-called ‘Third Annual Cycle’. (PDF; 982 kB) In: Understanding Bach 10, S. 9–30
  3. Werde munter mein Gemüte. bei Bach Cantatas Website, Texte und Übersetzungen (englisch)
  4. Werde munter, mein Gemüthe. bei Bach Cantatas Website, Chorale Melodies used in Bach’s Vocal Works (englisch)