Politische Positionen
BearbeitenHans-Thomas Tillschneider war in den Jahren 2013 und 2014 dreimal Gastautor der FAZ. [1] [2] [3] Weil er in diesen Artikeln seine gegen den Mainstream gerichteten Positionen in stark polemischem Tone [4] verlautbarte, erreichte der Islamwissenschaftler Aufsehen.
In dem FAZ-Artikel „Nicht ohne die nötige Traditionskritik” [1] polemisiert Tillschneider gegen den Einzug islamischer Theologie an deutsche Hochschulen: „Als ein Hätschelkind der Politik frisch aus dem Boden gestampft”, das es nicht verdiene, im Gesamtfgefüge der universitären Fächer eine Rolle zu spielen, seien an einigen Universitäten neue bekenntnisorientierte Lehrstühle für islamische Theologie eingerichtet worden. „Weich gebettet und von der Islamwissenschaft mit Samthandschuhen angefasst”, habe die islamische Theologie bislang nicht den geringsten Widerstand überwinden müssen. Ohne Traditionskritik entstünde aber keine moderne Aufklärungstheologie. Die bekenntnisneutralen Islamwisssenschaften seien debattenscheu und hätten die Chance auf eine echte Traditionskritik bislang nicht ergriffen. Tillschneider besteht auf einer klaren Unterscheidung zwischen„ bekenntnisneutralen” Lehrstühlen wie Islamwissenschaft und „bekenntnisgebundenen” Lehrstühlen wie Islamische Theologie, bzw. Islamische Studien. Die Namensgebung „Islamische Studien” kritisiert er [5], da sie bei Übersetzung ins Englische Islamic Studies zur Verwechslung mit Islamwissenschaft führe. Aufgabe der bekenntnisneutralen Islamwissenschaft sei es, die heiligen Texte der islamischen Tradition im Sinne kritischer Wissenschaft gegen die theologischen Interpretationsvorgaben zu lesen: : „Die Islamwissenschaft wird entweder prononciert traditionskritisch sein, oder sie wird überhaupt nicht sein.” [1] Tillschneiders Fazt: Im Gegensatz zu den neutralen Islamwissenschaften hätten die Politiker bekenntnisgebundene Lehrstühle für Islamische Theologie und für Islamische Religionspädagogik an deutschen Universitäten eingerichtet, „um die Hinterhofmoscheen auszutrocknen, doch wie es aussieht, kommt nun die Hinterhofmoschee an die Universität.” Es sei ein ein „Kampf um die Deutungshoheit“ über die heiligen Schriften des Islams entbrannt. [5]
In einem zweiten FAZ-Beitrag: „Fragwürdiges Plädoyer für eine infantile Theologie” [2], kritisierte Tillschneider den progressiven Münsteraner Reform-Theologen Mouhanad Khorchide und dessen Buch „Islam ist Barmherzigkeit.Grundzüge einer modernen Religion”. [6] Es fehle ihm der wissenschaftliche Anspruch: „ungeachtet seiner guten Absichten ist dieses Werk in seinen intellektuellen Ansprüchen derart bescheiden, dass man sich wundert, seinen Autor auf einem theologischen Lehrstuhl zu sehen.” Das Buch bestehe aus biografischen Anekdoten, etwas Proseminarwissen zur islamischen Theologie und Geschichte und Versatzstücken aus der Tradition des Refeormislams. Zwischendurch wiederhole der Autor regelmaßig sein Mantra, der Mensch sei ein Medium von Gottes Liebe und Barmherzigkeit. [2] Die These von der Barmherzigkeit Gottes im Koran begründe Khorchide, indem er freundlich klingende Koranverse aus ihrem Zusammenhang reiße, unfreundliche übergehe und die Auslegungsgeschichte des Korans als „eitel Menschenwerk” ignoriere. [2]
In einem dritten Zeitungsatikel: „Ein deutscher Islam muss sich erst entwickeln” [3] vertritt Tillschneider die Meinung, Lehrstühle für islamische Theologie seien zu früh und zu flächendeckend eingeführt worden. Es müsse sich zuerst ein Islam entwickeln, dessen Sprache Deutsch sei. Wer glaube, eine solche Veränderung lasse sich durch eine generalstabsmäßige Errichtung islamtheologischer Lehrstühle und die flächendeckende Einführung islamischen Religionsunterricht beschleunigen, zeige, dass er von Religion, Kultur, Wissenschaft und Politik nicht viel verstanden habe: „Solche Maßnahmen können nicht bewirken, dass der Islam zu Deutschland gehört, sie setzen es voraus.” [3]
Der Münsteraner Islamwissenschaftler Marco Schöller befand in einer Replik [7] auf Tillschneiders dritten Artikel, dass der Autor „einen essentialistischen Kultur- und Nationalbegriff vertrete, wie er im 19.Jahrhundert von vielen propagiert wurde und heute als obsolet gelten muss. Es ist interessant zu sehen, dass Tillschneider mit seiner kruden Idee der Nationalkultur so unkritisch und historisch unreflektiert hantiert, wie er das gerne den muslimischen Theologen im Hinblick auf deren Überzeugungen vorwirft.” [7]
Der Islamwissenschaftler und Jurist Mathias Rohe (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) nannte Tillschneiders Forderung nach einer Abstimmung durch die örtliche Bevölkerung über den Bau von Großmoscheen „rechtspopulistisch-islamfeindlich“.[8]
Der Journalist Rainer Roeser (Blick nach Rechts) und der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler (Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus) konstatierten, dass die Patriotische Plattform unter Federführung von Tillschneider „deutliche Annäherungen an programmatische Forderungen von Rechtsaußenparteien“ wie den Republikanern oder pro NRW aufweise.[9]
Tillschneider ist zudem Unterstützer[10] der Frankfurter Erklärung zur Gleichstellungspolitik von 2013 um Günter Buchholz, die sich gegen die derzeitige Gleichstellungspolitik ausspricht und anmahnt, dass man Gleichstellungspolitik nicht mit Gleichberechtigung verwechseln dürfe.[11]
Schriften (Auswahl)
Bearbeiten- Hans-Thomas Tillschneider: „Publikationsliste”′
Monografien
- Die Entstehung der juristischen Hermeneutik (uṣūl al-fiqh) im frühen Islam (= Arbeitsmaterialien zum Orient. Bd. 20). Ergon-Verlag, Würzburg 2006. ISBN 978-3-89913-528-2. (zugl. Kurzfassung seiner Magisterarbeit)
- Typen historisch-exegetischer Überlieferung: Formen, Funktionen und Genese des asbab an-nuzul-Materials (= Mitteilungen zur Sozial- und Kulturgeschichte der islamischen Welt. Bd. 30). Ergon-Verlag, Würzburg 2011, ISBN 978-3-89913-861-0. (zugl. Diss.)
- mit Christoph Werner, Daniel Zakrzewski: Die Kujuji-Stiftungen in Tabriz: Ein Beitrag Zur Geschichte der Jalayiriden (Edition, Übersetzung, Kommentar) (= Nomaden und Seßhafte. Bd. 16). Reichert Verlag, Wiesbaden 2013. ISBN 978-3-895-00936-5.
Beiträge
- Allgemeiner Wortlaut und eingeschränkter Sinn. Die Fundierung der juristischen Hermeneutik (usūl al-fiqh) in der Risāla des Sāficī. In: Asiatische Studien: Zeitschrift der Schweizerischen Asiengesellschaft. Band 59 (2005), S. 907–924.
- Die Entstehung des Salafismus aus dem Geiste des sunnitischen Islams. In: Thorsten Gerald Schneiders (Hrsg.): Salafismus in Deutschland. Ursprünge und Gefahren einer islamisch-fundamentalistischen Bewegung. Transcript Verlag, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8376-2711-4, S. 125 ff.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c Nicht ohne die nötige Traditionskritik, FAZ 1.2.2013
- ↑ a b c d Fragwürdiges Plädoyer für eine infantile Theologie, FAZ 7.Juni 2013
- ↑ a b c „Ein deutscher Islam muss sich erst entwickeln”, FAZ 27.März 2014
- ↑ Nach Meinung des katholischen Publizisten Johannes Röser sei Tillschneiders Kritik „ausgesprochen polemisch[…]“ - Johannes Röser: Kulturkampf Islam. In: Christ in der Gegenwart, 46/2013.
- ↑ a b Andrea Eibl: Den Islam studieren. Ein Gott, zwei Perspektiven. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Juli 2013.
- ↑ „Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion.” Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2012, ISBN 978-3-451-30572-6.
- ↑ a b Marco Schöller: Aus der Ferne ist die Sicht getrübt. Warum islamische Theologie an deutschen Universitäten eine Bereicherung und kein Problem ist. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. April 2014, S. 6.
- ↑ Mathias Rohe: Scharia und deutsches Recht. In: Mathias Rohe, Havva Engin, Mouhanad Khorchide, Ümer Öszoy, Hansjörg Schmid (Hrsg.): Handbuch Christentum und Islam in Deutschland [Elektronische Ressource]: Erfahrungen, Grundlagen und Perspektven im Zusammenleben. Verlag Herder, Freiburg 2014, ISBN 978-3-451-80272-0, o.S.
- ↑ Alexander Häusler, Rainer Roeser: Die rechten ›Mut‹-Bürger. Entstehung, Entwicklung, Personal & Positionen der »Alternative für Deutschland«. VSA, Hamburg 2015, ISBN 978-3-89965-640-4, S. 104.
- ↑ Unterstützer, Frankfurter Erklärung, abgerufen am 30. Juni 2015.
- ↑ Ralf Steinbacher: Qual der Quote. In: Süddeutsche Zeitung, 18. November 2013, S. 15.