Die Cramm (früher auch: Cramme[1], Kramm oder Kram) sind ein altes niedersächsisches Adelsgeschlecht, deren Stammsitz mutmaßlich die Burg Cramme im gleichnamigen Ort war. Die Familie wurde erstmals 1150 in einer Urkunde des Fürstbistum Halberstadt erwähnt und im 18. Jhd. in den Freiherrenstand erhoben. Die Cramm zählen zum Uradel und zu den ältesten Adelsgeschlechtern Niedersachsens.[2]

Stammwappen der Freiherren von Cramm
Wappen (mittig) derer von Cramm („die Cramme“) im Armorial Gelre, 1369–1414. Der Name steht fälschlicherweise bei dem Wappen links.

Die Cramm stellten 1246 erstmals den Erbkämmerer zu Braunschweig-Lüneburg. Kurz darauf wechselte ihre Lehenstreue und sie stellten zwischen 1294 und 1589 den Erbschenken des Fürstbistum Hildesheim. Seit 1656 stellten sie wieder den Erbkämmerer zu Braunschweig-Lüneburg und ab 1746 den Erbschenken zusätzlich.

Geschichte

Bearbeiten

Um 815 soll Aßwin von Cramm zusammen mit dem karolingischen Kaiser Ludwig I. als Erster der Familie in die Gegend des Stifts Hildesheim gekommen und dort von ihm mit Gütern beliehen worden sein.[3] Diese Überlieferung ist umstritten und wegen der dünnen Dokumentenlage dieser Zeit bisher nicht nachweisbar. Auch eine Herkunft der Familie von der Burg Cramme im gleichnamigen Ort im heutigen Landkreis Wolfenbüttel wird vermutet. Ob die Familie dem Ort den Namen gab oder umgekehrt, ist nicht abschließend geklärt.

 
Klara von Cramm (⚭ Johann VIII. von der Asseburg) mit ihren Töchtern, 16. Jh.

Das Geschlecht ist erstmals im Jahr 1150 mit Theodoricus de Crammen (Dietrich von Cramm) urkundlich belegt.[4] Allerdings taucht der Name von Cramm auch schon früher auf, so ist zum Beispiel eine Beka von Cramm als Ehefrau des Aschwin von Steinberg bereits 1127 dokumentiert.[5] Die Cramm waren ein begütertes Rittergeschlecht und angesehene Lehnsnehmer sowohl bei den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg als auch den Fürstbischöfen von Hildesheim. Ihre Lehenstreue wechselte im Laufe der Jahrhunderte zwischen diesen beiden Parteien und war zeitweise auch innerhalb der Familie geteilt. Im Mittelalter waren viele Abkömmlinge vor allem Ritter, Statthalter, Amtmänner, Burgvögte oder Ministeriale.

Schon sehr früh in ihrer Geschichte hatte die Familie hohe Positionen an den niedersächsischen Höfen inne. 1246 erhielt Ludolf von Cramme durch Herzog Albrecht I. das erbliche Amt des Kämmerers im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, das eins der vier höchsten Hofämter im braunschweig-lüneburgischen Adel war. Kurz darauf wurden die Cramms Lehensnehmer der Bischöfe von Hildesheim und konnten das hohe Amt des Erbschenken, verbunden mit dem Erbschenkenhof, bzw. der Burg Dingelbe, von 1294 bis 1589 für sich beanspruchen. Da dieser (Aschwinische) Zweig der Cramms ausstarb, übernahmen deren Neffen von Veltheim das Amt des Erbschenken von Hildesheim im 17. Jahrhundert. Der überlebende (Burghardinische) Zweig bekam 1656 das Amt des Erbkämmerer und ab 1746 zusätzlich das des Erbschenken von Braunschweig-Lüneburg zugesprochen.[6][7][8]

 
Epitaph der Familie von Cramm zum Andenken an Aschwin V. von Cramm, seiner Frau Anna geb. von Veltheim und deren Sohn Aschwin VI. von 1579 in der St. Nicolai Kirche in Kirchhorst.[9]

Der wachsende Machteinfluss der Familie wurde vor allem ab dem 15. Jhd. dokumentiert, da sie nicht mehr im Gefolge der Fürsten auftraten, sondern eigenständig handelnd. 1441 verbündeten sie sich zusammen mit Herzog Wilhelm dem Älteren gegen die Herzöge Otto und Friedrich von Lüneburg. 1447 vertraute ihnen Kaiser Friedrich III. neben dem Erzbischof von Magdeburg, den Herzögen von Braunschweig und den Herren von Asseburg den Schutz und die Obhut des Klosters Riechenberg an. 1472 führten sie eine Fehde gegen die Herren von Schwicheldt, in die zahlreiche andere Geschlechter verwickelt wurden und die Stadt Goslar, als Verbündete der Cramms, teilnahm.[10]

Durch die freundschaftlichen Verbindungen der Familie zu Martin Luther und der damaligen Nähe zu den reformierten welfischen und hessischen Herrscherhäusern gehörten die Cramms zu den frühesten Unterstützern der Reformation in Hessen und Niedersachsen.[11]

Der Aufstieg der mutmaßlich ministerialen Familie lässt sich vermutlich auch mit der frühen Einheirat von edelfreien und dynastischen Geschlechtern wie den Dorstadt, Dannenberg und Meinersen erklären.[12][13] In späteren Jahrhunderten dienten Familienangehörige den Welfenherzögen- und königen zudem als Generäle, Kammerherren und Minister.

Der Freiherrenstand der Familie wurde zu verschiedenen Zeiten anerkannt, dokumentarisch gesichert ist ein Reichsfreiherren-Diplom des römisch-deutschen Kaisers Josef II.[14]

Bekannte Namensträger

Bearbeiten
 
Asche von Cramm, gezeichnet von Lucas Cranach dem Älteren
 
Gottfried von Cramm während den Australian Championships 1937
 
Adalbert von Cramm (1818–1851), seine Ehefrau Mechtilde (geb. Gräfin von Veltheim ) und seine Kinder vor Schloss Oelber, um 1850
 
Grabplatte Heinrichs von Cramm an der Kirche St. Anna in Oelber am weißen Wege
 
Urkunde von Gottfried von Cramm aus dem Jahre 1696

Die Wappen der Uradelsfamilie von Cramm zeigen zeittypisch einen gelehnten Schild und den Helm (Topfhelm) vielfach in Seitenansicht.

Blasonierung des Stammwappens: „In Rot drei (2:1) silberne Lilien. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken eine mit drei natürlichen Pfauenfedern bestückte, je von einer silbernen Lilie beseitete konische rote Säule.“

Blasonierung des Ritterlichen Wappens: „In Rot drei silberne Lilien (2:1) gestellt. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein silberner offener Flug mit silbern-roten Saxen.“

Blasonierung des Bürgerlichen Wappens: „In Silber drei rote Lilien (2:1) gestellt. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein roter offener Flug mit rot-silbernen Saxen.“

Gemeindewappen mit Bezug zum Geschlecht derer von Cramm

Bearbeiten

Die Wappen mehrerer Gemeinden erinnern noch heute an das Geschlecht und deren Herrschaft.

Besitzungen

Bearbeiten

Die Adelsfamilie war seit dem 13. Jahrhundert Mitbesitzer (neben den Herren von Bortfeld) und ab dem 17. Jahrhundert Alleineigentümer ihres Stammsitzes, des Schlosses Oelber in Oelber am weißen Wege, einem Ortsteil von Baddeckenstedt in Niedersachsen. Da die Grenze zwischen dem Hildesheimischen Fürstbischofstum und dem Herzogtum Braunschweig genau durch Oelber verlief und auch die Burg zweigeteilt war, konnte es zunächst zu dieser besonderen Teilung des Besitzes zwischen zwei Adelsfamilien kommen. Die Familie war auf verschiedenen Burgen der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und der Hildesheimer Fürstbischöfe als Burgvögte eingesetzt. Zudem baute die Familie im Laufe der Jahrhunderte die Schlösser Sambleben und Volkersheim sowie das Rittergut Lesse auf ihrem Grundbesitz. Die Familie übte an diesen Standorten Gerichtsbarkeit aus und verfügte über zahlreiche Kirchenpatronate. 1569 erhielt Burkhard VI., Statthalter und enger Berater von Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg, das säkularisierte Kloster Lippoldsberg für seine Verdienste.[15] Das, von der eng verwandten, aber ausgestorbenen Familie von Kniestedt erbaute Schloss Burgdorf wurde 1845 hinzugekauft.

Sambleben und Volkersheim gingen über den Erbweg aus der Familie. Das Rittergut Lesse, Schloss Burgdorf sowie die Meierhöfe in Linden, Kirchhorst und Lippoldsberg wurden verkauft. Mit Nahrstedt[16] und Insel konnten noch zwei spät erworbene Rittergüter bis 1945 bei Stendal betrieben werden, wurden aber durch die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) enteignet.

Durch die Heirat von Burghard von Cramm 1905 mit Jutta Gräfin von Steinberg, der Letzten und Universalerbin ihres Geschlechts aus altem hildesheimischem Stiftsadel, fielen die umfangreichen Besitzungen dieser Familie an die Cramms, darunter Brüggen und Bodenburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg teilten ihre 7 Söhne den Grundbesitz untereinander auf, da eine Bodenreform mit Enteignung befürchtet wurde; dazu zählten namentlich Schloss Brüggen und die Rittergüter Oelber, Bodenburg, Harbarnsen und Wispenstein (die beiden letzteren wurden später verkauft). Das erst 1906 erworbene Schloss Nettlingen war bereits vor dem Krieg wieder veräußert worden. Oelber, Brüggen und Bodenburg werden bis heute von Mitgliedern der Familie bewohnt und mit erheblichem Aufwand erhalten.

Sonstiges

Bearbeiten

Bekannt ist der Name „von Cramm“ auch durch die Weizenkorn-Marke „von Cramm Weizenbrand“, die es aber nicht mehr gibt. Er wurde seit 1750 auf dem Gut in Harbarnsen, ein Gemeindeteil von Lamspringe, hergestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die von Crammsche Brennerei zu einer der führenden Kornbrennereien Niedersachsens. Die „Marke Steinbock“ umfasste drei Abfüllungen, den goldgelben 43er (43 Vol.-% Alkohol) in der mit Bast umwickelten Flasche, den 38er und den gemeinhin „Kutscherschluck“ genannten 32er Doppelkorn. Ab 1984 wurde nur noch Rohalkohol hergestellt und Vertrieb sowie das Brennrecht an das Unternehmen Dethleffsen in Flensburg abgegeben. Später wurde der Betrieb in Harbarnsen komplett aufgegeben.

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten
Commons: Cramm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. NLA WO 206 N - Arcinsys Detailseite. Abgerufen am 22. September 2023.
  2. Johann Wilhelm Franz von Krohne: Allgemeines Teutsches Adels-Lexicon: Darinn von d. alten u. neuen Gräfl.-Freyherrl.- u. Adelichen Familien ... gehandelt wird. Fuchs, 1774 (google.de [abgerufen am 23. August 2023]).
  3. Allgemeines Teutsches Adels-Lexicon darinn von den alten u. neuen Gräflich-Freyherrlichen- und Adelichen Familien ihrem Alterthum, Ursprunge, Vertheilungen in unterschiedene Häuser, Verwandtschaften und denen daraus entprossenen berühmstesten Personen gehandelt wird, Des ersten Bandes erster Theil. Hrsg. Johann Wilhelm Franz Freyhernn von Krohne. Johann Daniel August Fuchs. Lübeck, 1774, Sp. 160 (google.de [abgerufen am 20. Januar 2023]).
  4. Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt, Band I (Bis 1236), Hrsg. Karl Gustav Schmidt, Leipzig 1833, Nr. 344. Regesta Imperii
  5. Stammlinie der von Steinberg. Abgerufen am 7. April 2022.
  6. PFARRGEMEINDE ST. Abgerufen am 15. April 2021.
  7. NLA WO 205 N - Arcinsys Detailseite. Abgerufen am 13. April 2021.
  8. Johann Christian von Hellbach, Fürstl. Schwarzb. Sondersh. Hofraths” Adels-Lexicon oder Handbuch. A bis K: 1. Bernhard Friedrich Voigt, Ilmenau. 1825 (google.de [abgerufen am 14. Februar 2022]).
  9. Familie von Cramm - Ev.-luth. St.-Nikolai-Kirchengemeinde Kirchhorst. Abgerufen am 31. Januar 2024.
  10. Gothaisches genealogisches taschenbuch der freiherrlichen Häuser. 1860 (google.de [abgerufen am 15. September 2023]).
  11. Armgard von Reden-Dohna: . In: Brage Bei der Wieden (Hrsg.): . Band 95, Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins, Braunschweig 2014.
  12. Family Group Sheet for Siegfried von Cramm / Adelheid von Dorstadt (F219746) m. Bef 12 Apr 1320 : Geneagraphie - Families all over the world. Abgerufen am 9. März 2023.
  13. Family tree of Raugburgis (Dangbergis) N.N. Abgerufen am 9. März 2023 (englisch).
  14. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser auf das Jahr 1859. Freiherrliche Häuser nach alphabetischer Ordnung. In: "Der Gotha". 9. Auflage. Cramm, Genealogie. Justus Perthes, Gotha 7. Oktober 1858, S. 125–127 (uni-duesseldorf.de [abgerufen am 27. Oktober 2022]).
  15. Johann Friedrich Gauhe: Des Heil. Röm. Reichs Genealogisch-Historisches Adels-Lexicon: Darinnen die älteste und ansehnlichste adeliche, freyherrliche und gräfliche Familien nach ihrem Alterthum, Ursprunge, Vertheilungen in unterschiedene Häuser [et]c. nebst den Leben derer daraus entsprossenen berühmtesten Personen, insonderheit Staats-Minister ... mit bewährten Zeugnissen vorgestellet werden .... 1,1. Gleditsch, 1740 (google.de [abgerufen am 25. April 2023]).
  16. Oskar Köhler, Gustav Wesche, H. Krahmer: Niekammer’s Landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, Band V, Provinz Sachsen. 1922. Verzeichnis sämtlicher Rittergüter und Güter von ungefähr 20 ha herab mit Angabe der Gutseigenschaft, des Grundsteuerertrages, der Gesamtfläche und des Flächeninhalts der einzelnen Kulturen. In: Mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer zu Halle a. S. (Hrsg.): Verzeichnis der für die Landwirtschaft wichtigen Behörden und Körperschaften. 3. Auflage. V der Reihe von Paul Niekammer, Regierungsbezirk. Kreis Stendal. Reichenbach’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1922, S. 84–85 (slub-dresden.de [abgerufen am 27. Oktober 2022]).
  17. Herrenhaus Sambleben in Schöppenstedt-Sambleben. Alle Burgen.de. Abgerufen am 27. Oktober 2022.