Referendum in Kroatien über den Beitritt zur Europäischen Union

Am 22. Januar 2012 fand in Kroatien ein obligatorisches Referendum über die Frage des anstehenden EU-Beitritts Kroatiens statt. Die große Mehrheit der Abstimmenden votierten für den EU-Beitritt. Die Wahlbeteiligung lag bei 43,51 %.

Stimmzettel beim Referendum

Verhältnis Kroatiens zur Europäischen Union

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Kroatien war nach dem Zerfall Jugoslawiens 1991 ein unabhängiger Staat geworden. Das neue Staatswesen hatte in den Anfangsjahren mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Grenzen zu den anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens waren umstritten. Im Kroatienkrieg 1991 bis 1995 kämpfte die kroatische Armee gegen die Armee der selbstproklamierten Republik Serbische Krajina (RSK), die ihrerseits von jugoslawischen und serbischen Armeekräften unterstützt wurde. Hinzu kam die schwierige Umbauphase von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer kapitalistischen Marktwirtschaft. Die kroatische Regierung strebte von Anbeginn an eine engere Anbindung an Westeuropa, insbesondere die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ab 1993: Europäische Gemeinschaft) an. 1992 wurde Kroatien Mitglied der Vereinten Nationen und der OSZE und 1996 des Europarats. Am 15. Januar 1992 wurde Kroatien von der EG als unabhängiger Staat anerkannt. Die EU unterstützte Kroatien mit verschiedenen Hilfsprogrammen, die sich in den Jahren 1991 bis 2002 auf eine Gesamtsumme von etwa 500 Millionen € beliefen (in Zahlen von 2004).[1] Die Beziehungen Kroatiens zur EG/EU gestalteten sich allerdings über längere Zeit schwierig, was zum einen in den kriegerischen Auseinandersetzungen Kroatiens begründet war. Zum anderen wurden der kroatischen Regierung unter Franjo Tuđman (Staatspräsident von 1990 bis 1999) Demokratiedefizite, ein autoritärer Führungsstil und Nationalismus vorgeworfen.[2][3]

 
Kroatien
Europäische Union (EU-27)

Die Beziehungen Kroatiens zur EU besserten sich erst mit dem Regierungswechsel im Januar 2000 nach dem Wahlsieg der Sozialdemokratischen Partei Kroatiens bei der Parlamentswahl 2000. Im Oktober 2001 trat das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen Kroatien und der EU in Kraft. Am 24. November 2000 stellte die EU den Balkanstaaten bei einem Gipfeltreffen in Zagreb den EU-Beitritt sowie ein entsprechendes Unterstützungsprogramm in Aussicht. Zur Voraussetzung hierfür wurden die Einhaltung der „Kopenhagener Kriterien“ und die Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Europäische Union gemacht. Am 21. Februar 2003 stellte die kroatische Regierung ein offizielles Gesuch auf den Beitritt des Landes zur Europäischen Union.[1] Als eine der Voraussetzungen benannte der Europarat auch die volle Kooperation Kroatiens mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien. Dieser Punkt erwies sich als strittig und verzögerte die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen. Erst im Dezember 2005 bescheinigte die Chefanklägerin Carla del Ponte Kroatien die volle Kooperationsbereitschaft mit dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Am 4. Dezember 2005 wurden die Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Der ursprünglich für 2010 erwartete Abschluss der Beitrittsverhandlungen verzögerte sich durch die Eurokrise. 2009 wurde Kroatien außerdem Mitglied der NATO. Nach Abschluss der Verhandlungen wurde der Beitrittsvertrag am 9. Dezember 2011 durch die Vertreter der EU und Kroatiens unterzeichnet.[4]

Das Referendum

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Tu pripadamo ‚Wir gehören hierhin‘, das Motto und Logo der Regierungs­kampagne für den Beitritt

Nach Artikel 142 der kroatischen Verfassung war vorgeschrieben, dass Bündnisse der Republik Kroatien mit anderen Staaten mit einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments beschlossen werden mussten und dass zusätzlich ein Referendum spätestens 30 Tage nach dem entsprechenden Parlamentsbeschluss abzuhalten war. Bei diesem Referendum musste sich eine Mehrheit der Wähler für das Bündnis aussprechen.[5] Dementsprechend wurde für den 22. Januar 2012 ein landesweites Referendum über die Frage des EU-Beitritts anberaumt.

Die den Wählern gestellte Frage lautete:

„Jeste li za Članstvo Republike Hrvatske u Europskoj Uniji?“

„Sind Sie für die Mitgliedschaft Kroatiens in der Europäischen Union?“

Offiziell unterstützten alle größeren im 2011 gewählten kroatischen Parlament vertretenen Parteien den EU-Beitritt. Nur die Kroatische Partei des Rechts Dr. Ante Starčević, die jedoch nur einen Parlamentsabgeordneten stellte, sprach sich dagegen aus. Von den großen sozialen Organisationen Kroatiens sprachen sich nahezu alle für den EU-Beitritt aus. Umfragen zeigten jedoch, dass etwa 30 % der Befragten gegen den Beitritt waren. Die Opposition zum Beitritt speiste sich aus verschiedenen Quellen. Auf der einen Seite opponierten Nationalisten gegen die damit verbundene Aufgabe an nationaler Souveränität und zum anderen gab es Widerstand angesichts der Eurokrise und der Wirtschaftskrise, in die auch Kroatien geraten war, gegen die „kapitalistische“ EU.[6]

Ergebnisse

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Ergebnisse nach Gespannschaften (Ja-Stimmen):
55 %–60 %
60 %–65 %
65 %–70 %
70 %–75 %
>75 %
 
Wahlbeteiligung:
>50 %
47,3 %–50 %
44,7 %–47,3 %
42,0 %–44,7 %
<42,0 %

Insgesamt zeigte sich bei der Abstimmung eine deutliche Zustimmung zum geplanten EU-Beitritt in allen Teilen Kroatiens. Die Wahlbeteiligung lag allerdings mit 1.945.737 abgegebenen Stimmen (47,55 %) merklich unter der der letzten Parlamentswahl 2011 (54,32 %).

Gespannschaft/
Ausland
Wahl-
berechtigte
Abgegebene
Stimmen
Stimmzettel Ja-Stimmen Nein-Stimmen
Gesamt Gültige Ungültige Zahl % Zahl %
Zagreb (Gespanschaft) 284.793 150.403 150.372 149.690 682 97.756 65,00 % 51.934 34,53 %
Krapina-Zagorje 114.920 54.742 54.732 54.364 368 34.748 63,48 % 19.616 35,83 %
Sisak-Moslavina 177.950 73.952 73.941 73.477 464 50.034 67,66 % 23.443 31,70 %
Karlovac 133.333 61.074 61.057 60.635 422 40.731 66,69 % 19.904 32,59 %
Varaždin 153.037 82.117 82.107 81.658 449 57.399 69,90 % 24.259 29,54 %
Koprivnica-Križevci 101.050 49.904 49.895 49.652 243 30.178 60,47 % 19.474 39,02 %
Bjelovar-Bilogora 113.642 51.820 51.816 51.541 275 32.242 62,22 % 19.299 37,24 %
Primorje-Gorski kotar 287.202 144.104 144.032 143.354 678 99.156 68,81 % 44.198 30,67 %
Lika-Senj 57.032 19.689 19.686 19.530 156 13.912 70,66 % 5.618 28,53 %
Virovitica-Podravina 83.699 37.055 37.054 36.842 212 24.253 65,45 % 12.589 33,97 %
Požega-Slawonien 78.335 34.529 34.527 34.310 217 24.218 70,14 % 10.092 29,23 %
Brod-Posavina 155.416 65.735 65.714 65.309 405 47.729 72,61 % 17.580 26,74 %
Zadar 182.680 70.458 70.432 69.904 528 43.330 61,50 % 26.574 37,72 %
Osijek-Baranja 291.205 131.720 131.676 130.983 693 88.980 67,55 % 42.003 31,89 %
Šibenik-Knin 122.901 45.546 45.529 45.183 346 29.033 63,74 % 16.150 35,46 %
Vukovar-Syrmien 179.929 69.501 69.474 68.970 504 47.970 69,02 % 21.000 30,22 %
Split-Dalmatien 430.299 197.783 197.715 196.310 1.405 115.795 58,55 % 80.515 40,71 %
Istrien 199.746 98.235 98.202 97.552 650 67.189 68,40 % 30.363 30,91 %
Dubrovnik-Neretva 115.996 53.708 53.694 53.248 446 30.574 56,93 % 22.674 42,22 %
Međimurje 100.640 52.133 52.128 51.843 285 39.479 75,73 % 12.364 23,72 %
Zagreb (Stadt) 728.332 401.529 401.287 399.701 1.586 272.246 67,80 % 127.455 31,74 %
Kroatien Gesamt 4.092.137 1.945.737 1.945.070 1.934.056 11.014 1.286.952 66,14 % 647.104 33,26 %
Kroaten im Ausland 412.628 14.494 14.494 14.442 52 12.056 83,18 % 2.386 16,46 %
Quelle: Landeswahlkommission (Državno izborno povjerenstvo)[7]

Am 1. Juli 2013 trat Kroatien als 28. Mitgliedstaat der Europäischen Union bei.[8]

Einzelnachweise

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  1. a b Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Der Antrag Kroatiens auf Beitritt zur EU“. In: Amtsblatt der Europäischen Union. C. Band 47, Nr. 112, 30. April 2004, S. 68–75 (EUR-Lex).
  2. Außenpolitik Kroatien. Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg, abgerufen am 29. Mai 2021.
  3. Siniša Kušić: Kroatiens Weg in die EU. 16. April 2013, abgerufen am 29. Mai 2021.
  4. European Neighbourhood Policy And Enlargement Negotiations: Croatia. Europäische Kommission, 22. November 2017, abgerufen am 29. Mai 2021 (englisch).
  5. Ustav Republike Hrvatske (pročišćeni tekst) („Verfassung der Republik Kroatien (konsolidierter Text)“). Narodne novine (Amtsblatt Kroatiens), 6. Juli 2010, abgerufen am 29. Mai 2021 (kroatisch).
  6. Tihomir Ponoš: Lost in Cacophony. (pdf) Heinrich-Böll-Stiftung Brüssel, S. 1–4, abgerufen am 29. Mai 2021 (englisch).
  7. Referendumi > Referendum o pristupanju Republike Hrvatske Europskoj uniji – 2012. Državno izborno povjerenstvo, abgerufen am 29. Mai 2021 (kroatisch).
  8. 1. Juli: Kroatien tritt der EU bei. Bundeszentrale für Politische Bildung, 27. Juni 2013, abgerufen am 29. Mai 2021.