Am 24. und 25. September 1972 fand in Norwegen eine Volksabstimmung über den Beitritt des Landes zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft statt. Bei einer Wahlbeteiligung von 79,2 Prozent wurde der Beitritt von 53,5 Prozent der Wähler abgelehnt.

Beitrittsverhandlungen zur EU 1970–72:
Norwegen
Vereinigtes Königreich, Irland und Dänemark
Europäische Gemeinschaft

Hintergrund

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Plakat der Ja-Kampagne
 
Plakat der Nein-Kampagne

Die Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde 1957 gegründet. Zu den sechs Gründungsmitgliedern gehörten die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, die Benelux-Staaten und Italien. Alle EWG-Staaten der ersten Stunde gehörten auch zum westlichen Militärbündnis NATO. Die EWG erwies sich schnell als wirtschaftliches Erfolgsmodell und in allen Mitgliedsstaaten kam es zu einem starken Wirtschaftsaufschwung. Norwegen war nach dem Zweiten Weltkrieg der NATO beigetreten und verfügte über enge wirtschaftliche Bindungen zu West- und Mitteleuropa. Schon in den 1960er Jahren gab es zwei Versuche 1961 und 1967 von norwegischer Seite, mit der EWG in Verhandlungen über einen EWG-Beitritt Norwegens einzutreten. Diese Verhandlungen (wie auch die anderer Länder, wie des Vereinigten Königreichs) wurden durch den französischen Präsidenten Charles de Gaulle blockiert, der keine EWG-Erweiterung wünschte. Erst nach dem Rücktritt de Gaulles im Jahr 1969 wurde der Weg für die Aufnahme weiterer Länder in die EWG frei.

Im Jahr 1970 beschloss der norwegische Storting mit 132 Stimmen zu 17 Stimmen, einen erneuten Antrag auf Beitritt zur EWG zu stellen. Bei dem Antrag spielte auch der Umstand, dass zuvor die Verhandlungen über eine engere Zusammenarbeit der nordischen Länder gescheitert waren, eine Rolle. Die anfängliche große parlamentarische Mehrheit begann jedoch schon während der Verhandlungen abzunehmen und ein Antrag auf Einstellung der Beitrittsverhandlungen gewann 1971 im Parlament 37 Stimmen. Die Sosialistisk Folkeparti (SP) war von Anfang an dagegen und in der Kristelig Folkeparti (KrF) und Venstre mehrten sich die kritischen Stimmen. Schließlich wurde die Abhaltung eines Referendums über die Beitrittsfrage beschlossen.

Die Befürworter des EWG-Beitritts schlossen sich in der Ja til EF („Ja zur EG“) -Kampagne zusammen. Die meisten Presseorgane unterstützten das Ja-Votum, ebenso wie die großen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Auf der anderen Seite stand die Folkebevegelsen mot norsk medlemskap i EEC („Volksbewegung gegen eine norwegische Mitgliedschaft in der EWG“), in der sich viele Bauern, Fischer, einzelne Intellektuelle und Vertreter des linken Spektrums sammelten. Hauptargumente für den Beitritt waren wirtschaftliche Vorteile durch den gemeinsamen europäischen Markt, das Hauptgegenargument war der Verlust an norwegischer Souveränität, die fehlende parlamentarische Kontrolle der Europäischen Kommission und die mögliche Einschränkung norwegischer Fischereirechte.[1][2]

Frage des Referendums

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Die den Wählern am 24. und 25. September 1972 vorgelegte Frage lautete:

„Bør Norge bli medlem av De Europeiske Fellesskap?“

Soll Norwegen der Europäischen Gemeinschaft beitreten?

Frage des Referendums vom 24. und 25. September 1972[3]

Abstimmungsergebnis

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Landesweite Ergebnisse nach Stimmbezirken

Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse nach Wahlbezirken:[3]

Wahlbezirk Wahl-
berechtigte
Ungültige
Stimmen
Abstim­mende Wahlbeteili-
gung in %
Ja Nein
Stimmen in % Stimmen in %
Østfold 152.835 392 121.498 79,8 58.931 48,5 62.567 51,5
Akershus 217.851 542 180.503 83,1 102.521 56,8 77.982 43,2
Oslo 356.153 619 291.654 82,1 193.980 66,5 97.674 33,5
Hedmark 124.960 519 99.508 80,0 44.150 44,4 55.358 55,6
Oppland 120.082 314 94.114 78,6 37.550 39,9 56.564 60,1
Buskerud 139.999 400 110.387 79,1 59.532 53,9 50.855 46,1
Vestfold 119.780 247 94.355 85,4 53.515 56,7 40.840 43,3
Telemark 108.485 211 84.056 77,7 32.284 38,4 51.772 61,6
Aust-Agder 55.276 138 40.909 74,4 18.659 45,6 22.250 54,4
Vest-Agder 81.707 177 64.100 78,7 27.510 42,9 36.590 57,1
Rogaland 174.925 309 138.601 79,4 62.096 44,8 76.505 55,2
Hordaland 248.675 511 198.095 79,9 96.996 49,0 101.099 51,0
Sogn og Fjordane 67.335 153 51.705 77,0 15.923 30,8 35.782 69,2
Møre og Romsdal 146.917 240 114.709 78,2 33.504 29,2 81.205 70,8
Sør-Trøndelag 159.730 248 122.092 76,6 51.827 42,4 70.265 57,6
Nord-Trøndelag 77.954 107 60.495 77,7 19.101 31,6 41.394 68,4
Nordland 157.183 549 120.979 77,3 33.228 27,5 87.751 72,5
Troms 88.174 385 66.499 75,9 19.820 29,8 46.679 70,2
Finnmark 47.326 327 35.709 76,1 10.560 29,6 25.149 70,4
Gesamt 2.680.907 6.388 2.089.968 79 971.687 46,5 1.118.281 53,5

Im Ergebnis wurde der EWG-Beitritt in den ländlichen Regionen überwiegend abgelehnt (62,0 % Nein-Stimmen in den ländlichen Kommunen gegenüber 56,2 % Ja-Stimmen in den städtischen Kommunen[3]) und es ergab sich nur in der bevölkerungsreichen Region um die Hauptstadt Oslo eine überwiegende Zustimmung. Als Folge dieser Niederlage und der offensichtlichen Fehleinschätzung des Wählerwillens trat die Regierung unter Premierminister Trygve Bratteli (Arbeiterpartei) zurück und eine Minderheitsregierung aus Christdemokraten, Zentrumspartei und Linken übernahm die Regierungsgeschäfte. Norwegen trat nicht der EWG bei und schloss dafür ein Freihandelsabkommen mit der EWG ab.

Spätere Ereignisse (1994/95)

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Nach dem Berliner Mauerfall, den Revolutionen im Jahr 1989 und dem Zerfall der Sowjetunion war für ehemals neutrale Staaten der Weg frei, westlichen Institutionen beizutreten. Schweden, Finnland und Österreich führten Verhandlungen und wurden zum 1. Januar 1995 Teil der Europäischen Union (zweite Norderweiterung). Auch die Verhandlungen zwischen Norwegen und der EU wurden im März 1994 abgeschlossen.

In allen vier Staaten entschieden die Bürger in Volksabstimmungen über den EU-Beitritt. In Österreich stimmten am 12. Juni 66,6 % dafür und 33,4 % dagegen (Wahlbeteiligung 82,4 %), in Finnland am 16. Oktober 56,9 % dafür und 43,1 % dagegen (74,0 %) und in Schweden am 13. November 52,3 % dafür und 46,8 % dagegen (83,3 %).

Am 28. November 1994 lehnten 52,2 % der abstimmenden Norweger (Wahlbeteiligung: 88,8 %) den EU-Beitritt ab.[4]

Einzelnachweise

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  1. EU-kampen. Det Store Norske Leksikon, abgerufen am 23. Dezember 2013 (norwegisch).
  2. Norwegens Nein – von vielen erwünscht, Der Spiegel 41/1972 vom 1. Oktober 1972.
  3. a b c Norges Offisielle Statistikk A 522: Folkeavstemningen Om Ef, Hefte I. (PDF) Statistisk sentralbyrå, abgerufen am 23. Dezember 2013 (norwegisch).
  4. Die EU-Volksabstimmungen in Österreich, Finnland, Schweden und Norwegen: Verlauf, Ergebnisse, Motive und Folgen. (PDF) IHS Reihe Politikwissenschaft, No. 23, 1995.