Seenotrettungsstation Horumersiel

Stützpunkt freiwilliger Seenotretter an der Jade in Niedersachsen

Die Seenotrettungsstation Horumersiel gehört zu den ältesten Stationen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) an der Nordsee. Horumersiel liegt im Oldenburger Land und besitzt einen Yachthafen außerhalb des Ortes am Wangersiel. Dort liegt auf der Südseite an einem Ponton ein Seenotrettungsboot (SRB) für die freiwilligen Seenotretter der Station, die in einem Hafengebäude ihre Unterkunft besitzen. Die Alarmierung der Seenotrettung erfolgt im Regelfall durch die Zentrale der DGzRS in Bremen, wo die Seenotleitung Bremen (MRCC Bremen) ständig alle Alarmierungswege für die Seenotrettung überwacht.

Seenotrettungsstation Horumersiel
Land Deutschland Deutschland
Stationsgebäude Zum Hafen 2
26434 Horumersiel (NI)
Stationsgründung 1862
Träger Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS)
Seenotretter 15 Freiwillige
Vormann Günter Ihnken
nächste SK-Station Hooksiel DGzRS
Rettungseinheit
Schiffstyp Seenotrettungsboot
Schiffsname WOLFGANG PAUL LORENZ
Schiffsklasse 10,1-Meter-Klasse
Besatzung 3 Personen
Rufzeichen DBKT
Liegeplatz Hafen Wangersiel vor Stationscontainer
auf Station seit Oktober 2019
vorige Station Neubau
Stand @ 2020

Einsatzgebiet

Bearbeiten

Das Revier der Retter ist hauptsächlich die stark von den Gezeiten geprägte Innenjade und reicht von Hooksiel im Süden bis zur Insel Wangerooge im Norden. Zwischen der Küste und der Tiefwasserrinne zum Jade-Weser-Port erstreckt sich in südlicher Richtung das Crildumer Watt mit dem Wanger Außentief. Das Priel bildet die Zufahrt zum Hafen Wangersiel und ist durch Pricken gekennzeichnet. Westlich vom Ortsteil Schillig erstreckt sich in Richtung Westen das Wanger Watt mit der kleinen Insel Minsener Oog. In den Sommermonaten fahren Ausflugsschiffe über das Außentief zu den Inseln im Wattenmeer, um die Fauna zu besichtigen.

Die 'Kunden' der Seenotretter sind an den Wattkanten fest kommende Segel- oder Motorboote. Auch verunglückten Surfern und Kiteseglern müssen die lokalen Retter zu Hilfe kommen. Bei umfangreichen Einsätzen im Revier vor Horumersiel erfolgt eine Zusammenarbeit mit den Kollegen der Nachbarstationen:

Aktuelle Rettungseinheit

Bearbeiten

Seit Oktober 2019 liegt in Wangersiel die WOLFGANG PAUL LORENZ. Das Boot wurde von den freiwilligen Seenotrettern selbst von der Bauwerft in Rostock über die Distanz von 180 Seemeilen nach Horumersiel überführt. Die Überführungsfahrt wurde durch die NDR-Journalistin Ursula Hensel begleitet und erhielt so mediale Aufmerksamkeit.[1] Das neue SRB der 3. Generation von der Tamsen-Werft besitzt ein vollständig geschlossenes Steuerhaus und bietet ausreichend Platz in der Plicht zum Lagern und für das Abbergen von Personen per Hubschrauber. Eine Bergungspforte in Wasserspiegelhöhe erleichtert die Aufnahme von im Wasser treibenden Personen. Der Name geht zurück auf einen großzügigen Spender, der die DGzRS in seinem Nachlass bedacht hatte.

Durch den geringen Tiefgang von 0,96 Meter sind die Boote ideal geeignet für die Flachwassereinsätze im Wattenmeer. Der Motor mit 279 kW (380 PS) Leistung in Verbindung mit dem Schleppsystem von 1,5 Tonnen Nenntragfähigkeit befähigt sie auch zum Ab- bzw. Freischleppen von größeren Schiffen. Als maximale Geschwindigkeit erreicht das Boot 18 Knoten.[2]

Geschichte

Bearbeiten

Die Geschichte der Station beginnt 1866 mit der Einrichtung einer Station am Deich bei Schillighörn. Dazu hatte der damalige Verein zur Rettung Schiffbrüchiger für die Oldenburgische Küste ein kurzes englisches Peake-Boot für sechs Ruderer beschafft, das mittels Transportwagen und Pferden in die Brandung gezogen werden musste.[3] Zwei Jahre später übernahm die DGzRS die Station und verlegte sie 1871 in Richtung Süden an den alten Sielhafen von Horumer Siel. Dort lag das schwere Boot auf einem Ablaufwagen, auf dem es in den Rettungsschuppen gezogen und schnell zum Einsatz abgelassen werden konnte.

1873 wurde ein neues Boot für zehn Ruderer geliefert.[4] Namentlich wird erstmals 1881 von einem Boot VEGESACK (I) berichtet, das von dem nach England ausgewanderten Wilhelm Hartmann gestiftet worden war. Dieser stiftete 1904 mit der VEGESACK (II) ein weiteres Boot, ein Deutsches Normalrettungsboot. Es konnte in dem massiven und 1884 neu errichteten Rettungsschuppen untergebracht werden. Der schwere Einsatz im Jahr 1909 mit diesem Boot ging als „Todesfahrt der Vegesack“ in die Geschichte der DGzRS ein, bei der sechs Schiffbrüchige und ein Seenotretter auf See geblieben waren.[5] Als Ersatz für die bei diesem Einsatz schwer beschädigte VEGESACK stiftet Wilhelm Hartmann 1910 erneut ein gleiches 8,5-m-Boot, das den Namen seiner Schwester META HARTMANN erhielt. Mit dem 1928 erfolgten Einbau eines 18-PS-Dieselmotor begann die Ära der Motorrettungsboote (MRB) in Horumersiel, die bis in die 1970er Jahre dauerte. Erstes Neubau-MRB war die HORUMERSIEL, die zu Ehren des verstorbenen Vormanns der Station den Namen HEINRICH TIARKS erhielt. Im Laufe der Jahre kamen durch Umstationierungen immer wieder ältere Motorrettungsboote zur Station.

1936 wurde ein neuer Rettungsschuppen außerhalb des Sielhafens am Tief errichtet, der eine Slipanlage mit elektrischer Aufholwinde erhielt. Bei der zu Anfang der 1960er Jahre vorgenommenen Umgestaltung des Ortskerns von Horumersiel wurde der Sielhafen zugeschüttet und außerhalb als Wangersiel neu errichtet.[6] Dort liegt vor der neuen Rettungsstation seit 1978 ein modernes Seenotrettungsboot. Alle stationierten Einheiten enthält die Liste im folgenden Abschnitt.

Historie der motorisierten Rettungseinheiten

Bearbeiten
Stationierung von Motorrettungsbooten
Zeitraum Schiffsname Reg.-Nr. Länge
oder Klasse
Anz. Motoren
ges. Leistung
Geschw. vorige Station Verlegung nach
oder Verbleib
1928 → 1936 META HARTMANN KR D 403 8,5 Meter 1 → 15 PS 6,5 kn Motoreinbau Neufeld
1936 → 1940 HEINRICH TIARKS (I) KR D 429 10,0 Meter 1 → 20 PS 7,0 kn Neubau Juist
1940 → 1943 ?
1943 → 1949 LOTSENKOMMANDEUR VON KROHN KR D 420 8,75 Meter 1 → 20 PS 7,0 kn von Wilhelmshaven Reserveboot
1949 → 1962 HORUMERSIEL KR C 304 10-m-Serie 1 → 60 PS 8,0 kn von Kriegseinsatz Maasholm
1962 → 1963 LOTSENKOMMANDEUR LEPPERT KR D 434 8,5-Meter 1 → 36 PS 7,5 kn von Maasholm ausgemustert
1963 → 1969 CARL BEHNK KR C 301 10-m-Serie 1 → 60 PS 8,0 kn von Burgstaaken ausgemustert
1969 → 1971 HORUMERSIEL KR C 304 10-m-Serie 1 → 60 PS 8,0 kn von Nordstrand ausgemustert
1972 → 1975 WILHELMINE WIESE KR C 306 10-m-Serie 1 → 60 PS 8,0 kn von Fedderwardersiel ausgemustert
1976 → 1977 ULRICH STEFFENS (III) KR C 309 10-m-Serie 1 → 60 PS 8,0 kn von Neuharlingersiel ausgemustert
Stationierung von Seenotrettungsbooten
1978 → 1980 GESINA KRST 19 7-m-Klasse (I) 1 → 54 PS 10,0 kn von Wangerooge Gelting
1981 → 1999 MAX CARSTENSEN KRST 28 7-m-Klasse (I) 1 → 68 PS 10,0 kn Neubau Zinnowitz
1999 → 2004 WILHELM HÜBOTTER KRST 25 9-m-Klasse 1 → 150 PS 15,0 kn von Wangerooge ausgemustert
2004 → 2019 BALTRUM SRB 44 8,5-m-Klasse 1 → 220 PS 18,0 kn von Baltrum ausgemustert
seit 2019 WOLFGANG PAUL LORENZ SRB 75 10,1-m-Klasse 1 → 380 PS 18,0 kn Neubau auf Station

Quellen: [7][8]

Der alte Sielhafen lag rund 700 Meter nordwestlich vom neuen Hafen Wangersiel. Auf alten Bildern ist als dominierendes Gebäude das ehemalige 'Strandhotel' hinter dem Hafendeich zu sehen, dass heute noch unter neuem Namen an der Deichstraße 1 steht. Das davor liegende Hafenbecken war nach der großen Sturmflut 1962 zugeschüttet worden und dient heute als zentraler Parkplatz. Auf dem Deich an der Nordseite stand seit 1883 in der Nähe des Rettungsschuppens der „Hohe Stuhl“ als Wahrzeichen des Ortes. Das auf friesisch auch als „Hoog Stool“ oder auch nur „Utkiek“ bezeichnete Holzgerüst diente als Seenotbeobachtungsturm, der jede Stunde bestiegen wurde, um nach Schiffen in Seenot Ausschau zu halten. Die morsche Konstruktion musste 1947 von der DGzRS abgerissen werden, da sie auch wegen des Fortschritts in der Technik nicht mehr erforderlich war. Schon in den 1950er Jahren gab es Überlegungen zum Neubau des Wahrzeichens. Es brauchte aber mehr als 50 Jahre, um den acht Meter hohen Turm neu zu errichten. Seit 2019 steht er ca. 50 Meter von seinem ursprünglichen Platz entfernt in der Nähe des Wangerländer Tourismusbüros. Aus Sicherheitsgründen darf er nicht bestiegen werden.[9][10]

Am südlichen Ende des Parkplatzes steht das Ehrenmal "Den Opfern der See".[11] Dahinter liegt aufgepallt ein ehemaliges Küstenwachboot, das der Marinekameradschaft Horumersiel als Vereinsheim dient.

In Wangersiel steht auf dem großen Südparkplatz das Stationsgebäude der DGzRS. Darin hat der Verein „Historische Seenotrettung Horumersiel“ das von ihm restaurierte Ruderrettungsboot AUGUST GRASSOW untergebracht. Das Normalrettungsboot von 1906 ist einsatzfähig und wird von den Vereinsmitgliedern gepflegt und der Öffentlichkeit präsentiert.[12] Es hatte auf der Rettungsstation in Westeraccumersiel im Einsatz gestanden.[13]

Siehe auch

Bearbeiten
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Neues Seenotrettungsboot der Station Horumersiel. In: seenotretter.de. Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, abgerufen am 15. September 2020.
  2. 9,5-/10,1-Meter-Seenotrettungsboot. (PDF) In: seenotretter.de. Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, abgerufen am 15. August 2020.
  3. Melanie Hanz: Retter seit 1866 im Einsatz. In: nwzonline.de. 11. Juni 2016, abgerufen am 26. Februar 2024.
  4. Mit Pferd und Wagen in die Brandung auf nwzonline.de am 16. Juli 2016, abgerufen am 15. Dezember 2021
  5. Todesfahrt fordert sieben Opfer auf nwzonline.de, abgerufen am 15. Dezember 2021
  6. Horumersiel auf dein-niedersachsen.de, abgerufen am 19. Dezember 2021
  7. Wilhelm Esmann: Die Rettungsboote der DGzRS von 1865–2004. Verlag H. M. Hauschild, Bremen 2004, ISBN 3-89757-233-8.
  8. Die Schiffe und Boote des Seenotdienstes der Luftwaffe und DGzRS auf luftwaffe-zur-see.de, abgerufen am 23. November 2021
  9. Schiffe in Seenot und Schmuggler im Blick Zeitungsartikel auf historische-seenotrettung-horumersiel-gev.de, abgerufen am 25. Dezember 2021
  10. Der hohe Stuhl Horumersiel – Endlich geschafft auf reiseland-nordsee.de, abgerufen am 25. Dezember 2021
  11. Ehrung der Toten auf deutscher-marinebund.de, abgerufen am 25. Dezember 2021
  12. Einsatzfahrzeug: Ruderrettungsboot August Grassow (a.D.) auf bos-fahrzeuge.info, abgerufen am 25. Dezember 2021
  13. Einsatzfahrzeug: Ruderrettungsboot August Grassow (a.D.) auf bos-fahrzeuge.info, abgerufen am 20. März 2024

Koordinaten: 53° 41′ N, 8° 1′ O