Vierdimensionale Chern-Simons-Theorie
Vierdimensionale Chern-Simons-Theorie (auch D = 4 Chern-Simons-Theorie, kurz D = 4 CS), alternativ auch semi-holomorphe oder semi-topologische Chern-Simons-Theorie, ist im mathematischen Teilgebiet der Differentialgeometrie eine Quantenfeldtheorie über dem Produkt einer zweidimensionalen orientierbaren glatten Mannigfaltigkeit und einer Riemannschen Fläche (mit einer komplexen und zwei reellen Dimensionen). Dabei stammt die Benennung von der Verwendung der Chern-Simons-3-Form in der Wirkung, kombiniert mit einer meromorphen 1-Form mithilfe des Dachproduktes. Eine Wirkung nur mit einer einzigen Chern-Simons-Formen ist nicht möglich, da diese nur in ungeraden Dimensionen existieren. Benannt ist die Theorie nach Shiing-Shen Chern und James Simons, welche die zugrundeliegenden Chern-Simons-Formen erstmals im Jahr 1974 beschrieben.[1] Untersucht wurde die Theorie von Nikita Alexandrowitsch Nekrassow[2] und erneut von Kevin Costello[3] mit späterer Hilfe von Edward Witten and Masahito Yamazaki.[4][5][6]
Formulierung
BearbeitenSei eine zweidimensionale orientierbare glatte Mannigfaltigkeit und eine kompakte Riemannsche Fläche mit einer meromorphen 1-Form . Sei , dann kann zu einer 1-Form auf erweitert werden durch die Komposition . Sei eine einfache komplexe Lie-Gruppe mit Lie-Algebra . Sei ein -Hauptfaserbündel (womit auch eine glatte Mannigfaltigkeit ist). Sei das adjungierte Vektorbündel. Sei ein Zusammenhang.
Die Chern-Simons-3-Form ist gegeben durch:
Dabei ist die Spur eine -invariante (definiert mithilfe der adjungierten Darstellung) Bilinearform auf der Lie-Algebra , welche dafür sorgt, dass die Differentialformen keine Koeffizienten mehr in dieser annehmen. (Im Falle einer Matrizengruppe und einer Matrizenalgebra kann dabei einfach die gewöhnliche Spur von quadratischen Matrizen genommen werden.) Die Wirkung der vierdimensionalen Chern-Simons-Theorie ist gegeben durch:
Dabei ist wie für die Integration über notwendig.
Folgerungen
BearbeitenAus der Forderung von Eigenschaften an die vierdimensionale Chern-Simons-Theorie lassen sich jeweils Eigenschaften für die Mannigfaltigkeit und die Riemannsche Fläche folgern. Bei der Quantisierung der Theorie taucht in den Pfadintegralen der Ausdruck mit dem Planckschen Wirkungsquantum auf. Nullstellen von entsprechen dadurch dem Fall und verhindern eine störungstheoretische Beschreibung. Daher darf keine Nullstellen haben. Gemäß eines Korollars aus dem Satz von Riemann-Roch ist die Differenz aus den Nullstellen und Polen einer meromorphen 1-Form (mit Vielfachheit gezählt) genau die Euler-Charakteristik der zugrundeliegenden Fläche (wobei die Kompaktheit eingeht).[7] Ohne Nullstellen sind also nur negative Werte möglich und mit dem Genus und dem Zusammenhang sind nur die beiden Fälle und möglich. Dadurch ist entweder die komplexe Zahlenebene , ein Zylinder oder ein komplexer Torus mit einem Gitter mit reell linear unabhängigen . Forderungen einer Rahmungen implizieren, dass parallelisierbar ist wie für die Definition der Chern-Simons-Invariante gefordert. Ist zusätzlich kompakt, muss es ein zweidimensionaler Torus sein.
Verbindungen
BearbeitenVierdimensionale Chern-Simons-Theorie ist ähnlich zur dreidimensionalen Chern-Simons-Theorie (ohne die meromorphe 1-Form), welche eine topologische Quantenfeldtheorie ist. Zudem ist die Beziehung der vierdimensionalen Chern-Simons-Theorie zur Yang-Baxter-Gleichung ähnlich zur Beziehung der dreidimensionalen Chern-Simons-Theorie zu Knoteninvarianten wie den Jones-Polynomen.[8]
Vierdimensionale Chern-Simons-Theorie ergibt sich durch Symmetriereduktion aus der sechsdimensionalen holomorphen Chern-Simons-Theorie (D = 6 HCS) über dem Twistor-Raum, der Eigenbezeichnung des dritten komplexen projektiven Raumes . Ebenfalls daraus ableiten lassen sich die antiselbstdualen Yang-Mills-Gleichungen (ASDYM-Gleichungen) in vier Dimensionen, wobei beide zur Beschreibung von integrierbaren Systemen benutzt werden können. Im hinteren Fall ist dies als Ward-Vermutung bekannt. Beide Wege aus D = 6 HCS über D = 4 CS und ASDYM führen auf das gleiche Resultat.[9]
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Shiing-Shen Chern und James Simons: Characteristic forms and geometric invariants. In: World Scientific Series in 20th Century Mathematics. 4. Jahrgang, September 1996, S. 363–384, doi:10.1142/9789812812834_0026 (englisch).
- ↑ Nikita Nekrasov: Four Dimensional Holomorphic Theories. November 1996, abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
- ↑ Kevin Costello: Supersymmetric gauge theory and the Yangian. In: arxiv.org. 11. März 2013, abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
- ↑ Kevin Costello, Edward Witten, Masahito Yamazaki: Gauge Theory And Integrability, I. In: Notices of the International Congress of Chinese Mathematicians. 6. Jahrgang, Nr. 1, 2018, S. 46–119, doi:10.4310/ICCM.2018.v6.n1.a6, arxiv:1709.09993 (englisch).
- ↑ Kevin Costello, Edward Witten, Masahito Yamazaki: Gauge Theory And Integrability, II. In: Notices of the International Congress of Chinese Mathematicians. 6. Jahrgang, Nr. 1, 2018, S. 120–146, doi:10.4310/ICCM.2018.v6.n1.a7, arxiv:1802.01579 (englisch).
- ↑ Kevin Costello und Masahito Yamazaki: Gauge Theory And Integrability, III. In: arxiv.org. 19. August 2019, abgerufen am 2. November 2024 (englisch).
- ↑ Simon Donaldson: Riemann Surfaces. Oxford University Press, 2011, ISBN 978-0-19-852639-1, S. 88, Proposition 16 (englisch, imperial.ac.uk [PDF]).
- ↑ Edward Witten: Integrable Lattice Models From Gauge Theory. In: arxiv.org. 2. November 2016, abgerufen am 12. November 2024 (englisch).
- ↑ Roland Bittleston, David Skinner: Twistors, the ASD Yang-Mills equations and 4d Chern-Simons theory. In: Journal of High Energy Physics. 2023. Jahrgang, Nr. 2, 22. Februar 2023, S. 227, doi:10.1007/JHEP02(2023)227, arxiv:2011.04638, bibcode:2023JHEP...02..227B (englisch).